Thema: Opposition
16. September 21 | Autor: antoine favier | 0 Kommentare | Kommentieren
Im Gewerbegebiet Krankenhausstraße sollen LKW-Stellplätze eingerichtet werden.
Wozu?
Damit LKW-Fahrer dort ihre Fahrzeuge parken können und dort übernachten, ihre Wochenenden verbringen, ihre Ruhezeiten einhalten.
Und warum?
Das kann uns Thomas Okos von der CDU-Fraktion erklären:
Da sind jetzt mehrere Dinge zurecht zu rütteln.
Warum kommen die LKW-Fahrer aus Osteuropa und warum leben sie am Existenzminimum, so dass sie sich nicht einmal einen kostenpflichtigen Parkplatz leisten können?
Es gibt strukturelle Antworten, die die CDU aber gar nicht erörtern will.
Der globalisierte Kapitalismus ist auf möglichst billige Transportdienstleistungen angewiesen und unsere ach so soziale Marktwirtschaft regelt das im Sinne der wirtschaftlich Stärksten, also in dem hier zu erörternden Fall im Sinne der deutschen Wirtschaft und uns VerbraucherInnen, die wir hier leben und arbeiten. Denn eben unser Lebensstandard, unser Konsum basiert auf der Ausbeutung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in wirtschaftlich schwächeren Ländern.
(Hier ein weiteres Beispiel)
Zu allererst handelt es sich um Lohndumping, denn die osteuropäischen Speditionen zahlen nicht den für in Deutschland erbrachte Arbeit vorgeschriebenen Mindestlohn. Die Speditionen gehen aber noch weiter: sie zwingen ihre Fahrer, Ruhezeiten nicht einzuhalten, Tachografen auszuschalten, Dokumente zu fälschen.
Nun sollte man aber nicht glauben, dass es irgendwelche bösen osteuropäischen Arbeitgeber sind die hier ihre Fahrer ausbeuten, das tun sie, aber oft genug im Auftrag westeuropäischer Transportunternehmen, die entweder lukrative Kooperationen mit osteuropäischen Speditionen eingehen oder zwischenzeitlich selber Speditionen in Osteuropa gegründet haben und so deutsche Arbeitslöhne und Sozialstandards aushebeln.
Dirk Kitzel, seines Zeichens ehemaliger Stadtrat für die CDU, hat am Ende natürlich recht, wenn er auf Facebook schreibt: "Jeder will seine Waren direkt ins Haus", denn vom Ende der Lieferkette her gedacht ist es das, was alleine zählt, dass Waren möglichst preiswert und just in time an einem bestimmten Punkt angeliefert werden. Vor der Ausbeutung osteuropäischer Arbeitnehmer, die sich zwischen Anfang und Ende der Lieferkette abspielt, verschließt man lieber die Augen.
LKW-Stellplätze in Gewerbegebieten sind damit keine soziale Wohltat für die Armen dieser Welt, sondern unterstützen eben diese Ausbeutungsverhältnisse. Dringender wären verstärkte Kontrollen von LKWs und Fahrern, schärfere Gesetze gegen Speditionen und weniger Marktderegulierung.
Wozu?
Damit LKW-Fahrer dort ihre Fahrzeuge parken können und dort übernachten, ihre Wochenenden verbringen, ihre Ruhezeiten einhalten.
Und warum?
Das kann uns Thomas Okos von der CDU-Fraktion erklären:
"Es geht auch um eine soziale Frage. (...) Lastwagenfahrer, die bspw. aus Osteuropa kommen, am Existenzminimum lebten, sich kostenpflichtige Parkplätze nicht leisten können und doch verpflichtet sind, ihre Ruhezeiten einzuhalten, seien in einer schwierigen Lage."(KStA v. 16.09.2021)
Da sind jetzt mehrere Dinge zurecht zu rütteln.
Warum kommen die LKW-Fahrer aus Osteuropa und warum leben sie am Existenzminimum, so dass sie sich nicht einmal einen kostenpflichtigen Parkplatz leisten können?
Es gibt strukturelle Antworten, die die CDU aber gar nicht erörtern will.
Der globalisierte Kapitalismus ist auf möglichst billige Transportdienstleistungen angewiesen und unsere ach so soziale Marktwirtschaft regelt das im Sinne der wirtschaftlich Stärksten, also in dem hier zu erörternden Fall im Sinne der deutschen Wirtschaft und uns VerbraucherInnen, die wir hier leben und arbeiten. Denn eben unser Lebensstandard, unser Konsum basiert auf der Ausbeutung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in wirtschaftlich schwächeren Ländern.
(Hier ein weiteres Beispiel)
Zu allererst handelt es sich um Lohndumping, denn die osteuropäischen Speditionen zahlen nicht den für in Deutschland erbrachte Arbeit vorgeschriebenen Mindestlohn. Die Speditionen gehen aber noch weiter: sie zwingen ihre Fahrer, Ruhezeiten nicht einzuhalten, Tachografen auszuschalten, Dokumente zu fälschen.
Nun sollte man aber nicht glauben, dass es irgendwelche bösen osteuropäischen Arbeitgeber sind die hier ihre Fahrer ausbeuten, das tun sie, aber oft genug im Auftrag westeuropäischer Transportunternehmen, die entweder lukrative Kooperationen mit osteuropäischen Speditionen eingehen oder zwischenzeitlich selber Speditionen in Osteuropa gegründet haben und so deutsche Arbeitslöhne und Sozialstandards aushebeln.
Dirk Kitzel, seines Zeichens ehemaliger Stadtrat für die CDU, hat am Ende natürlich recht, wenn er auf Facebook schreibt: "Jeder will seine Waren direkt ins Haus", denn vom Ende der Lieferkette her gedacht ist es das, was alleine zählt, dass Waren möglichst preiswert und just in time an einem bestimmten Punkt angeliefert werden. Vor der Ausbeutung osteuropäischer Arbeitnehmer, die sich zwischen Anfang und Ende der Lieferkette abspielt, verschließt man lieber die Augen.
LKW-Stellplätze in Gewerbegebieten sind damit keine soziale Wohltat für die Armen dieser Welt, sondern unterstützen eben diese Ausbeutungsverhältnisse. Dringender wären verstärkte Kontrollen von LKWs und Fahrern, schärfere Gesetze gegen Speditionen und weniger Marktderegulierung.
Thema: Opposition
10. Februar 20 | Autor: antoine favier | 0 Kommentare | Kommentieren
Am 04. Februar 1920 wurde im Reichsgesetzblatt das erste parlamentarisch beschlossene Betriebsrätegesetz veröffentlicht und erlangte hierdurch Geltung. Das war vor genau 100 Jahren. Mit diesem Datum wurde die Mitbestimmung in den Unternehmen gesetzlich institutionalisiert.
Leider hat dieses Jubiläum außerhalb der Kreise, die sich beruflich mit Fragen der betrieblichen Mitbestimmung beschäftigen wenig Reaktionen hervorgerufen. Dabei war und ist die betriebliche Mitbestimmung von hoher Relevanz um dem ungezügelten, dem neoliberalen Kapitalismus Zügel anzulegen. So singt man in der Bundesrepublik gerne das Hohelied auf die soziale Marktwirtschaft, ein nur anderer Begriff für eine Form des Kapitalismus, der sozial etwas eingehegt ist. Gerne wird dann auf die staatlichen sozialen Schutzmechanismen wie Rentenversicherung, Arbeiterschutzgesetze etc. pp. verwiesen. Ebenso leicht wird jedoch die betriebliche Mitbestimmung vergessen, die an der Schnittstelle von Kapital und Arbeit im Betrieb für Ausgleich sorgen soll. Eine im Grunde zentrale Funktion, denn nur wenn dort, wo Arbeit und Kapital täglich aufeinander stoßen, Konflikte frühzeitig eingehegt werden, kann vermieden werden, dass diese ungebremst auf die bundesdeutsche Politik durchschlagen.
Das Gesetz von 1920 war daher eine wichtige Etappe auf dem Weg zum heute geltenden Betriebsverfassungsgesetz.
Die Mitbestimmung ist uns Arbeitnehmer*innen dabei nicht in den Schoss gefallen. Sie musste erkämpft werden. Mit etwas Pathos kann auch formuliert werden, dass für die betriebliche Mitbestimmung Arbeiterinnen und Arbeiter ihr Leben gelassen haben. Auch daran soll erinnert werden.
Der Krieg als Vater aller Dinge?
Gesetze entstehen nicht aus dem Nichts, sie haben eine Vorgeschichte. Ohne zu tief in die Frühgeschichte des kollektiven Arbeitsrechts eintreten zu wollen, ist festzuhalten, dass Arbeiterinnen und Arbeiter in der Revolution von 1848 erstmals europaweit ihren Anspruch auf Gleichberechtigung anmeldeten.
Erste Ansätze zu einer kollektiven Vertretung von Arbeiterrechten in Betrieben erfolgten 1891 in der Reichsgewerbeordnung und den bayerischen (1900) und preußischen (1905) Berggesetzen, wobei die Kompetenzen der hier eingeführten Arbeiterausschüsse sehr gering waren.
Erst die militärische Notlage des deutschen Reiches im 1. Weltkrieg im Jahre 1916 führte zu einer grundlegenden Änderung. Der ursprünglich erwartete Blitzkrieg war zum Abnutzungskrieg geworden, die Opferzahlen an der Front stiegen ins schier Unermessliche und zur Fortsetzung des Krieges war eine massive Ausweitung der Produktion erforderlich. Aus militärischer Sicht musste die Arbeitskräftefluktuation eingeschränkt werden, die Arbeitsbeziehungen sollten militarisiert werden und das Militär die totale Kontrolle über die Wirtschaft erhalten. Über eine Frauendienstpflicht wollte die Oberste Heeresleitung Männer aus dem Produktionsprozess herauslösen und zum Militärdienst einziehen.
Alle dies Maßnahmen sollten im sogenannten „Hilfsdienstgesetzes“ (HDG) geregelt werden. Aufgrund der militärischen Lage war die Oberste Heeresleitung aber gezwungen Zugeständnisse zu machen.
Die für die Arbeiter*innen relevanten Zugeständnisse finden sich in den §§ 9 und 11 HDG. Hier wurde einerseits festgelegt, dass Arbeiter*innen auch in kriegswichtigen Betrieben weiterhin ihren Arbeitsplatz wechseln dürfen. Wollte ein Arbeitgeber keine Freigabe erteilen, so konnten die Betroffenen einen paritätisch von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzten Schlichtungsausschuss anrufen. Unter dem Vorsitz eines Offiziers wurde dann über die Berechtigung eines Arbeitsplatzwechsels entschieden. Diese Schlichtungsausschüsse sollten auch bei Arbeitskonflikten in den Betrieben schlichten. Indirekt wurden die Gewerkschaften, aus deren Reihen die Arbeitnehmervertreter stammten, über die Schlichtungsausschüsse als gleichberechtigte Verhandlungspartner der Unternehmer anerkannt.
Im § 11 HDG wurde festgelegt, dass in kriegswichtigen Betrieben mit mindestens 50 Arbeiter*innen oder Angestellten in geheimer Wahl ein Arbeiterausschuss bzw. ein Angestelltenausschuss zu bestimmen sei. Diese Ausschüsse waren berechtigt, dem Arbeitgeber Wünsche und Klagen der Beschäftigten zu Fragen des Arbeitsschutzes und des Arbeitslohns zur Kenntnis zu bringen. Existierte kein entsprechender Ausschuss konnten sich die Arbeiter*innen direkt an den Schlichtungsausschuss wenden. Die Unternehmer wurden im gleichen Zuge verpflichtet, Auskunft über die Betriebslage sowie zur Beschäftigungs- und Lohnfragen zu geben.
Analog der Aufwertung der Gewerkschaften in den Schlichtungsausschüssen wurden die Arbeiter- und Angestelltenausschüsse auf Betriebsebene in bestimmten Bereichen der Arbeitsbeziehungen erstmalig als Verhandlungspartner der Unternehmer anerkannt.
Erste Pflöcke, den „Unternehmerabsolutismus“ einzuschränken, waren eingeschlagen worden.
Da das Hilfsdienstgesetz mit einem „Verfallsdatum“ versehen worden war, es endet automatisch mit dem Kriegsende, bedeutete die Kapitulation vom 11. November 1918 auch das Ende des Hilfsdienstgesetzes.
Nur wenige Wochen später erließ der durch die Revolution legitimierte „Rat der Volksbeauftragen“ daher am 23. Dezember 1918 eine "Verordnung über Tarifverträge, Arbeiter- und Angestelltenausschüsse und Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten".
Mit dieser Verordnung wurde das Recht, Arbeiter- und Angestelltenausschüsse in geheimer Wahl zu bestimmen, auf alle Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeiter*innen ausgedehnt. Die Schlichtungsausschüsse bestanden fort, wobei der Vorsitz des Gremiums durch die vorgesetzte Landeszentralbehörde bestimmt wurde. Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter wurden zukünftig auf Basis einer Vorschlagliste der entsprechenden Verbände, also von den Arbeitgeberverbänden oder Gewerkschaften, ernannt. Die Bedeutung der Schlichtungsgremien erschließt sich aus heutiger Sicht nur, wenn man weiß, dass die Arbeitsgerichtsbarkeit erst 1926 als eigenständiger Zweig der Rechtspflege durch ein Reichsgesetz errichtet wurde. In vielen Bereichen hatten die Schlichtungsgremien also Funktionen, die heute durch die Arbeitsgerichtsbarkeit wahrgenommen werden.
Revolutionäre Umbrüche und betriebliche Mitbestimmung
Durch Kriegsende und Revolution war das Thema Mitbestimmung aber in schweres Fahrwasser geraten.
Am 24. Oktober 1918 wollte die deutsche Seekriegsleitung die deutsche Hochseeflotte in ein letztes und sinnloses Gefecht gegen die britische Royal Navy führen. Ziel war die „Rettung“ eines militärisch-aristokratischen Ehrbegriffs, realiter handelte es sich aber um einen befohlenen kollektiven Massen(selbst)mord. Dieser Befehl war der Ursprung des Kieler Matrosenaufstands, der am 11. November 1918 zur Proklamierung der Republik und zur Absetzung aller regierenden Fürstenhäuser Deutschlands führte.
Grundsätzlich kann die Revolution vom 11. November 1918 auch als der Abschluss eines sich aufschaukelnden Prozesses der Delegitimierung der kaiserlichen Herrschaft beschrieben werden. Hunger und Schwarzmarkt, hohe Kriegsgewinne in der Industrie bei zunehmender Verarmung breitester Bevölkerungsschichten, die gesellschaftlichen Gegensätze spitzten sich zu. Im Oktober 1918 zerbrach die letzte Klammer, die das kaiserliche System noch zusammenhielt. Der von der Obersten Heeresleitung (OHL) immer behauptete nahe Endsieg erwies sich, nach dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten, im Herbst 1918 als akut drohende Niederlage. Daher forderte eben diese OHL ultimativ einen Waffenstillstand, da andernfalls ein alliierter Durchbruch im Westen und ein Einmarsch alliierter Truppen im Reich aus Sicht der OHL als unvermeidlich galt. Die Monarchie und damit der gesamte Staat lagen am Boden.
„Die Kronen rollen auf das Pflaster!“, stellte der Vorsitzende der Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) Hugo Haase wenige Tage vor dem revolutionären Umsturz, am 23. Oktober 1918, im Reichstag fest. Diese Selbstauflösung des Staates machte die Ausrufung der Republik im Grunde zwingend, da nur ein existierender deutscher Staat Friedensverhandlungen führen und den Weg von einer Kriegs- zu einer Friedensordnung ebnen konnte.
Nun ist die Ausrufung einer Republik jedoch einfacher als die materielle Begründung derselben. Grundsätzlich gab es einen breiten Konsens für eine parlamentarische Regierungsform bei gleichem und geheimem Wahlrecht für Männer und Frauen. Offen war in den, dem 11. November folgenden Wochen die Frage, wie Staat, Gesellschaft und Wirtschaft demokratisiert werden könnten, welche Herrschaftsstrukturen in welcher Form zu reformieren wären, um der neuen parlamentarischen Demokratie eine stabile Grundlage zu verschaffen.
So gab es etwa aus der Arbeiterbewegung heraus klare Erwartungen, dass die Wirtschaft sozialisiert werden müsste und dass hierfür Arbeiterräte umfassende innerbetriebliche Mitentscheidungsrechte, zumindest aber Kontrollrechte auf der Ebene der Geschäftsführung erhalten müssten. Demgegenüber formulierten die Arbeitgeber schon frühzeitig wieder ihren Anspruch, ihre Unternehmen in eigener Verantwortung und ohne Einmischung von Arbeiterräten / Betriebsräten führen zu können.
Am 19. Januar 1919 wurde die verfassungsgebende Nationalversammlung gewählt, am 11. Februar trat das Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt in Kraft und die Nationalversammlung wählte den Sozialdemokraten Friedrich Ebert zum vorläufigen Reichspräsidenten. Ebert ernannte das aus SPD, Deutscher Demokratischer Partei (DDP) und katholischem Zentrum bestehende Kabinett Scheidemann. Der langjährige Gewerkschafter Gustav Bauer, der für die SPD seit 1912 im Reichstag saß und im letzten kaiserlichen Kabinett unter Reichskanzlers Max v. Baden seit Oktober 1918 als Staatssekretär das Reichsarbeitsministerium leitete, wurde Reichsarbeitsminister. Er hatte den klaren Arbeitsauftrag, die betriebliche Mitbestimmung der Arbeiter*innen und Angestellten auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen.
Bereits im August 1919 veröffentlichte das Reichsarbeitsministerium einen ersten Entwurf, der Grundlage einer breiten und öffentlichen Diskussion wurde. Der Entwurf orientierte sich stark an der Verordnung vom 23. Dezember 1918. Eine entscheidende Veränderung machte sich am Begriff des Arbeitnehmers fest, denn die bisher getrennten Ausschüsse für Angestellte und Arbeiter sollten zugunsten eines alle Arbeitnehmer*innen umfassenden Betriebsrats abgelöst werden. Auch die Aufgaben wurden umfassender beschrieben und erinnern schon stark an den Aufgabenkatalog des heutigen Betriebsverfassungsgesetzes:
• Überwachung von Tarifverträgen und Arbeitsschutzgesetzen
• Mitbestimmung bei der Erstellung einer Arbeitsordnung und Kollektivregelungen der Arbeitsverhältnisse
• Sprechstunden im Betrieb, aber Betriebsratssitzungen vorzugsweise außerhalb der Arbeitszeit, ebenso wie Betriebsversammlungen
• Mitverwaltung von Wohlfahrtseinrichtungen
• Mitbestimmungsrecht bei Einstellungen und Entlassungen
• Bei Unternehmen mit Aufsichtsräten entsendet der Betriebsrat 1 bis 2 seiner Mitglieder in den Aufsichtsrat
• Informationsrechte in Bezug auf alle die Arbeitnehmer betreffenden Betriebsvorgänge, Einsicht in die Lohnbücher, Informationen über die Leistung des Betriebes und den zu erwartenden Arbeitsbedarf und soweit eine Bilanz erstellt wird: Einsicht in die Bilanz.
Ohne nun die gesamte Debatte der folgenden Monate nachzeichnen zu wollen, lassen sich die Konfliktlinien leicht zusammenfassen.
Das Arbeitgeberlager erklärte grundsätzlich mit einem Mitspracherecht der Arbeitnehmer einverstanden zu sein, das „Aber“ jedoch klang eher wie eine grundsätzliche Ablehnung: das gesamte Gesetz gehe zu weit. Insbesondere die Mitbestimmungsrechte bei Einstellungen und Entlassungen und die Einsichts- und Informationsrechte wurden als massive Eingriffe in die unternehmerische Handlungsfreiheit betrachtet und abgelehnt.
Der liberale preußische Handelsminister Otto Fischbeck (DDP) erklärte in der Kabinettssitzung der Reichsregierung, der
Entsprechend klang dann auch die Erklärung, die der Reichsverband der deutschen Industrie kurz vor den Beratungen in der Nationalversammlung im Januar 1920 veröffentlichte.
Von Seiten der konservativen Interessenvertretungen der Angestellten und der diesen nahestehenden Parteien wurde die „Abschaffung“ eigenständiger Angestelltenvertretungen kritisiert, da dies einer „Gleichmacherei“ gleichkomme und aufgrund der geringen Zahl von Angestellten in großen industriellen Unternehmen, die Wahrnehmung ihrer besonderen Interessen in einem einheitlichen Betriebsrat nicht gewährleistet wäre.
Vom linken Flügel der Arbeiterbewegung dagegen, im Reichstag durch die USPD vertreten, wurde frühzeitig auf den begrenzten Handlungsrahmen, den das Gesetz den Betriebsräten eröffnete, hingewiesen:
In dieser Form ging der Gesetzesentwurf am 12. Januar 1920 in die parlamentarische Beratung.
Doch die erste Lesung des Gesetzes wurde von einer Massendemonstration mit weit über 100.000 Teilnehmer*innen vor dem Reichstag begleitet. Zu der Demonstration war von Organisationen der Arbeiterbewegung, die weitergehende revolutionäre Veränderungen forderten (USPD, KPD und den „Revolutionären Obleuten“, einer in Berlin starken Organisation von betrieblichen Vertrauensleuten), aufgerufen worden.
Die erste Lesung des Gesetzes wurde daraufhin unterbrochen aber am Folgetag fortgesetzt. Inhaltlich wurde den bereits im Vorfeld genannten Kritikpunkten nur wenig hinzugefügt. Das unveränderte Gesetz wurde mit den Stimmen von SPD, DDP und Zentrum angenommen und am 4. Februar 1920 verkündet.
Grundsätzlich folgte das Betriebsrätegesetz der Logik einer durch den Betriebsrat erfolgenden Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen, wobei dem Betriebsrat eine "doppelte Loyalität" eingeschrieben wurde, war es doch Teil seiner Aufgaben, mit der Unterstützung der Unternehmensleitung zu einer „Erfüllung der Betriebszwecke“ beizutragen. Das Gesetz schuf damit einen Rahmen für eine klassenübergreifende Zusammenarbeit auf Unternehmensebene.
Vom Betriebsräte- zum Betriebsverfassunggesetz
Für eine von tiefen Klassenspaltungen durchzogenen Gesellschaft wie die der Weimarer Republik kam dieses Gesetz im Grunde aber zu früh. Die Arbeitgeber lehnten die Betriebsräte ebenso ab wie das gesamte Weimarer System, die Gewerkschaften hielten die überbetriebliche Sozial- und Interessenpolitik mittels der eingeübten Tarifpolitik für zentraler als die Betriebsräte, die oft nur als Erfüllungsgehilfen gewerkschaftlicher Politik verstanden wurden. Und von links wurden die Betriebsräte als Bestandteile einer wirtschaftsfriedlichen “Werksgemeinschaft“ diskreditiert.
Die NS-Diktatur beendete dann alle Formen der Mitbestimmung von Arbeitnehmer*innen. Das Betriebsrätegesetz wurde am 20 Januar 1934 aufgehoben und durch das „Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit“ ersetzt. Nun galt auch in der Betriebsverfassung das Führerprinzip.
Auf das Betriebsrätegesetz wurde erst nach der Zerschlagung der NS-Diktatur und der Gründung des DGB als überparteiliche und überkonfessionelle Gewerkschaftsbewegung zurückgegriffen. Es war dem gestärkten Einfluss der christlichen Gewerkschaftsbewegung im entstehenden DGB zu verdanken, dass die paritätische Mitbestimmung im Unternehmen als gewerkschaftliches Ziel ein deutlich höheres Gewicht bekam als zuvor. Gewerkschaftsseitig war damit der Boden bereitet für das Modell der 1946/47 in der britischen Zone eingeführten paritätischen Montanmitbestimmung, also der vollen Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit in den Aufsichtsräten. Die paritätische Mitbestimmung wurde 1951 in einem harten Konflikt von den Gewerkschaften verteidigt und auf die gesamte Montanindustrie ausgeweitet.
Doch bereits 1952, also nur ein Jahr später, hatten sich die Machtverhältnisse spürbar verschoben, eine Ausweitung der Montanmitbestimmung auf alle Unternehmen scheiterte an der CDU-Bundesregierung und den Unternehmerverbänden. Das 1952 verabschiedete Betriebsverfassungsgesetz orientierte sich wieder stärker am Betriebsrätegesetz der Weimarer Republik mit seinen gegenüber der Montanmitbestimmung eingeschränkteren Mitbestimmungsrechten, wobei aber die Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten in Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten (drittelparitätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat) gegenüber dem Betriebsrätegesetz von 1920 eine deutliche Ausweitung der Mitbestimmungsrechte bedeutete.
Umfangreichere Mitbestimmungsregeln, wie sie in der Montanmitbestimmung 1946/47 unter britischer Besatzungsherrschaft vereinbart wurden, waren ein Vierteljahrhundert früher weder parlamentarisch durchsetzbar noch dem Arbeitgeberlager vermittelbar. Ein Betriebsrätegesetz jedoch, dass entsprechend umfangreichere Mitbestimmungsregeln enthalten hätte, wäre von den Arbeiter*innen deutlich besser angenommen worden, nachdem sich viel Kritik an der fehlenden (formalen) Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit entzündete. Die USPD-nahe Arbeitsgemeinschaft freier Angestelltenverbände hatte diese Erwartungen im Sommer 1919 sehr prägnant formuliert:
Leider hat dieses Jubiläum außerhalb der Kreise, die sich beruflich mit Fragen der betrieblichen Mitbestimmung beschäftigen wenig Reaktionen hervorgerufen. Dabei war und ist die betriebliche Mitbestimmung von hoher Relevanz um dem ungezügelten, dem neoliberalen Kapitalismus Zügel anzulegen. So singt man in der Bundesrepublik gerne das Hohelied auf die soziale Marktwirtschaft, ein nur anderer Begriff für eine Form des Kapitalismus, der sozial etwas eingehegt ist. Gerne wird dann auf die staatlichen sozialen Schutzmechanismen wie Rentenversicherung, Arbeiterschutzgesetze etc. pp. verwiesen. Ebenso leicht wird jedoch die betriebliche Mitbestimmung vergessen, die an der Schnittstelle von Kapital und Arbeit im Betrieb für Ausgleich sorgen soll. Eine im Grunde zentrale Funktion, denn nur wenn dort, wo Arbeit und Kapital täglich aufeinander stoßen, Konflikte frühzeitig eingehegt werden, kann vermieden werden, dass diese ungebremst auf die bundesdeutsche Politik durchschlagen.
Das Gesetz von 1920 war daher eine wichtige Etappe auf dem Weg zum heute geltenden Betriebsverfassungsgesetz.
Die Mitbestimmung ist uns Arbeitnehmer*innen dabei nicht in den Schoss gefallen. Sie musste erkämpft werden. Mit etwas Pathos kann auch formuliert werden, dass für die betriebliche Mitbestimmung Arbeiterinnen und Arbeiter ihr Leben gelassen haben. Auch daran soll erinnert werden.
Gesetze entstehen nicht aus dem Nichts, sie haben eine Vorgeschichte. Ohne zu tief in die Frühgeschichte des kollektiven Arbeitsrechts eintreten zu wollen, ist festzuhalten, dass Arbeiterinnen und Arbeiter in der Revolution von 1848 erstmals europaweit ihren Anspruch auf Gleichberechtigung anmeldeten.
Erste Ansätze zu einer kollektiven Vertretung von Arbeiterrechten in Betrieben erfolgten 1891 in der Reichsgewerbeordnung und den bayerischen (1900) und preußischen (1905) Berggesetzen, wobei die Kompetenzen der hier eingeführten Arbeiterausschüsse sehr gering waren.
Erst die militärische Notlage des deutschen Reiches im 1. Weltkrieg im Jahre 1916 führte zu einer grundlegenden Änderung. Der ursprünglich erwartete Blitzkrieg war zum Abnutzungskrieg geworden, die Opferzahlen an der Front stiegen ins schier Unermessliche und zur Fortsetzung des Krieges war eine massive Ausweitung der Produktion erforderlich. Aus militärischer Sicht musste die Arbeitskräftefluktuation eingeschränkt werden, die Arbeitsbeziehungen sollten militarisiert werden und das Militär die totale Kontrolle über die Wirtschaft erhalten. Über eine Frauendienstpflicht wollte die Oberste Heeresleitung Männer aus dem Produktionsprozess herauslösen und zum Militärdienst einziehen.
Alle dies Maßnahmen sollten im sogenannten „Hilfsdienstgesetzes“ (HDG) geregelt werden. Aufgrund der militärischen Lage war die Oberste Heeresleitung aber gezwungen Zugeständnisse zu machen.
Die für die Arbeiter*innen relevanten Zugeständnisse finden sich in den §§ 9 und 11 HDG. Hier wurde einerseits festgelegt, dass Arbeiter*innen auch in kriegswichtigen Betrieben weiterhin ihren Arbeitsplatz wechseln dürfen. Wollte ein Arbeitgeber keine Freigabe erteilen, so konnten die Betroffenen einen paritätisch von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzten Schlichtungsausschuss anrufen. Unter dem Vorsitz eines Offiziers wurde dann über die Berechtigung eines Arbeitsplatzwechsels entschieden. Diese Schlichtungsausschüsse sollten auch bei Arbeitskonflikten in den Betrieben schlichten. Indirekt wurden die Gewerkschaften, aus deren Reihen die Arbeitnehmervertreter stammten, über die Schlichtungsausschüsse als gleichberechtigte Verhandlungspartner der Unternehmer anerkannt.
Im § 11 HDG wurde festgelegt, dass in kriegswichtigen Betrieben mit mindestens 50 Arbeiter*innen oder Angestellten in geheimer Wahl ein Arbeiterausschuss bzw. ein Angestelltenausschuss zu bestimmen sei. Diese Ausschüsse waren berechtigt, dem Arbeitgeber Wünsche und Klagen der Beschäftigten zu Fragen des Arbeitsschutzes und des Arbeitslohns zur Kenntnis zu bringen. Existierte kein entsprechender Ausschuss konnten sich die Arbeiter*innen direkt an den Schlichtungsausschuss wenden. Die Unternehmer wurden im gleichen Zuge verpflichtet, Auskunft über die Betriebslage sowie zur Beschäftigungs- und Lohnfragen zu geben.
Analog der Aufwertung der Gewerkschaften in den Schlichtungsausschüssen wurden die Arbeiter- und Angestelltenausschüsse auf Betriebsebene in bestimmten Bereichen der Arbeitsbeziehungen erstmalig als Verhandlungspartner der Unternehmer anerkannt.
Erste Pflöcke, den „Unternehmerabsolutismus“ einzuschränken, waren eingeschlagen worden.
Da das Hilfsdienstgesetz mit einem „Verfallsdatum“ versehen worden war, es endet automatisch mit dem Kriegsende, bedeutete die Kapitulation vom 11. November 1918 auch das Ende des Hilfsdienstgesetzes.
Nur wenige Wochen später erließ der durch die Revolution legitimierte „Rat der Volksbeauftragen“ daher am 23. Dezember 1918 eine "Verordnung über Tarifverträge, Arbeiter- und Angestelltenausschüsse und Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten".
Mit dieser Verordnung wurde das Recht, Arbeiter- und Angestelltenausschüsse in geheimer Wahl zu bestimmen, auf alle Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeiter*innen ausgedehnt. Die Schlichtungsausschüsse bestanden fort, wobei der Vorsitz des Gremiums durch die vorgesetzte Landeszentralbehörde bestimmt wurde. Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter wurden zukünftig auf Basis einer Vorschlagliste der entsprechenden Verbände, also von den Arbeitgeberverbänden oder Gewerkschaften, ernannt. Die Bedeutung der Schlichtungsgremien erschließt sich aus heutiger Sicht nur, wenn man weiß, dass die Arbeitsgerichtsbarkeit erst 1926 als eigenständiger Zweig der Rechtspflege durch ein Reichsgesetz errichtet wurde. In vielen Bereichen hatten die Schlichtungsgremien also Funktionen, die heute durch die Arbeitsgerichtsbarkeit wahrgenommen werden.
Durch Kriegsende und Revolution war das Thema Mitbestimmung aber in schweres Fahrwasser geraten.
Am 24. Oktober 1918 wollte die deutsche Seekriegsleitung die deutsche Hochseeflotte in ein letztes und sinnloses Gefecht gegen die britische Royal Navy führen. Ziel war die „Rettung“ eines militärisch-aristokratischen Ehrbegriffs, realiter handelte es sich aber um einen befohlenen kollektiven Massen(selbst)mord. Dieser Befehl war der Ursprung des Kieler Matrosenaufstands, der am 11. November 1918 zur Proklamierung der Republik und zur Absetzung aller regierenden Fürstenhäuser Deutschlands führte.
Grundsätzlich kann die Revolution vom 11. November 1918 auch als der Abschluss eines sich aufschaukelnden Prozesses der Delegitimierung der kaiserlichen Herrschaft beschrieben werden. Hunger und Schwarzmarkt, hohe Kriegsgewinne in der Industrie bei zunehmender Verarmung breitester Bevölkerungsschichten, die gesellschaftlichen Gegensätze spitzten sich zu. Im Oktober 1918 zerbrach die letzte Klammer, die das kaiserliche System noch zusammenhielt. Der von der Obersten Heeresleitung (OHL) immer behauptete nahe Endsieg erwies sich, nach dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten, im Herbst 1918 als akut drohende Niederlage. Daher forderte eben diese OHL ultimativ einen Waffenstillstand, da andernfalls ein alliierter Durchbruch im Westen und ein Einmarsch alliierter Truppen im Reich aus Sicht der OHL als unvermeidlich galt. Die Monarchie und damit der gesamte Staat lagen am Boden.
„Die Kronen rollen auf das Pflaster!“, stellte der Vorsitzende der Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) Hugo Haase wenige Tage vor dem revolutionären Umsturz, am 23. Oktober 1918, im Reichstag fest. Diese Selbstauflösung des Staates machte die Ausrufung der Republik im Grunde zwingend, da nur ein existierender deutscher Staat Friedensverhandlungen führen und den Weg von einer Kriegs- zu einer Friedensordnung ebnen konnte.
Nun ist die Ausrufung einer Republik jedoch einfacher als die materielle Begründung derselben. Grundsätzlich gab es einen breiten Konsens für eine parlamentarische Regierungsform bei gleichem und geheimem Wahlrecht für Männer und Frauen. Offen war in den, dem 11. November folgenden Wochen die Frage, wie Staat, Gesellschaft und Wirtschaft demokratisiert werden könnten, welche Herrschaftsstrukturen in welcher Form zu reformieren wären, um der neuen parlamentarischen Demokratie eine stabile Grundlage zu verschaffen.
So gab es etwa aus der Arbeiterbewegung heraus klare Erwartungen, dass die Wirtschaft sozialisiert werden müsste und dass hierfür Arbeiterräte umfassende innerbetriebliche Mitentscheidungsrechte, zumindest aber Kontrollrechte auf der Ebene der Geschäftsführung erhalten müssten. Demgegenüber formulierten die Arbeitgeber schon frühzeitig wieder ihren Anspruch, ihre Unternehmen in eigener Verantwortung und ohne Einmischung von Arbeiterräten / Betriebsräten führen zu können.
Am 19. Januar 1919 wurde die verfassungsgebende Nationalversammlung gewählt, am 11. Februar trat das Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt in Kraft und die Nationalversammlung wählte den Sozialdemokraten Friedrich Ebert zum vorläufigen Reichspräsidenten. Ebert ernannte das aus SPD, Deutscher Demokratischer Partei (DDP) und katholischem Zentrum bestehende Kabinett Scheidemann. Der langjährige Gewerkschafter Gustav Bauer, der für die SPD seit 1912 im Reichstag saß und im letzten kaiserlichen Kabinett unter Reichskanzlers Max v. Baden seit Oktober 1918 als Staatssekretär das Reichsarbeitsministerium leitete, wurde Reichsarbeitsminister. Er hatte den klaren Arbeitsauftrag, die betriebliche Mitbestimmung der Arbeiter*innen und Angestellten auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen.
Bereits im August 1919 veröffentlichte das Reichsarbeitsministerium einen ersten Entwurf, der Grundlage einer breiten und öffentlichen Diskussion wurde. Der Entwurf orientierte sich stark an der Verordnung vom 23. Dezember 1918. Eine entscheidende Veränderung machte sich am Begriff des Arbeitnehmers fest, denn die bisher getrennten Ausschüsse für Angestellte und Arbeiter sollten zugunsten eines alle Arbeitnehmer*innen umfassenden Betriebsrats abgelöst werden. Auch die Aufgaben wurden umfassender beschrieben und erinnern schon stark an den Aufgabenkatalog des heutigen Betriebsverfassungsgesetzes:
• Überwachung von Tarifverträgen und Arbeitsschutzgesetzen
• Mitbestimmung bei der Erstellung einer Arbeitsordnung und Kollektivregelungen der Arbeitsverhältnisse
• Sprechstunden im Betrieb, aber Betriebsratssitzungen vorzugsweise außerhalb der Arbeitszeit, ebenso wie Betriebsversammlungen
• Mitverwaltung von Wohlfahrtseinrichtungen
• Mitbestimmungsrecht bei Einstellungen und Entlassungen
• Bei Unternehmen mit Aufsichtsräten entsendet der Betriebsrat 1 bis 2 seiner Mitglieder in den Aufsichtsrat
• Informationsrechte in Bezug auf alle die Arbeitnehmer betreffenden Betriebsvorgänge, Einsicht in die Lohnbücher, Informationen über die Leistung des Betriebes und den zu erwartenden Arbeitsbedarf und soweit eine Bilanz erstellt wird: Einsicht in die Bilanz.
Ohne nun die gesamte Debatte der folgenden Monate nachzeichnen zu wollen, lassen sich die Konfliktlinien leicht zusammenfassen.
Das Arbeitgeberlager erklärte grundsätzlich mit einem Mitspracherecht der Arbeitnehmer einverstanden zu sein, das „Aber“ jedoch klang eher wie eine grundsätzliche Ablehnung: das gesamte Gesetz gehe zu weit. Insbesondere die Mitbestimmungsrechte bei Einstellungen und Entlassungen und die Einsichts- und Informationsrechte wurden als massive Eingriffe in die unternehmerische Handlungsfreiheit betrachtet und abgelehnt.
Der liberale preußische Handelsminister Otto Fischbeck (DDP) erklärte in der Kabinettssitzung der Reichsregierung, der
„Entwurf bedeute den organisierten Bolschewismus“ (05.08.2019).Am 23. Dezember 1919 fragte der Arbeitgeberverband mit einem Rundschreiben bei seinen Mitgliedsunternehmen ab, ob diese bereit seien, "als äußerstes Verteidigungsmittel" zur Verhinderung des gesamten Gesetzes "eine einheitliche Stillegung" aller Betriebe durchzuführen. Ein Ergebnis der Umfrage wurde nicht veröffentlicht. Die Umfrage belegt aber, dass die Arbeitgeber in weiten Teilen der Idee von Betriebsräten ablehnend gegenüberstanden.
Entsprechend klang dann auch die Erklärung, die der Reichsverband der deutschen Industrie kurz vor den Beratungen in der Nationalversammlung im Januar 1920 veröffentlichte.
"Bei der Verpflanzung des Rätegedankens in die Betreibe handelt es sich nicht um Verständigung sondern um Kampf. Der Rätegedanke ist der Machtgedanke. Seine Anhänger wollen auch im einzelnen Betriebe das Mitbestimmungsrecht, das Kontrollrecht, das Verfügungsrecht, schließlich die Leitung und das Eigentum in die Hand nehmen. Der Weg dazu führt über die Aufsichtsräte, über die Bücherkontrolle, über das Hineinreden in alle Einzelheiten des Betriebes. (…) (Der Rätegedanke) will die Betriebsräte zu Stoßtrupps einer ungestümen Sozialisierung machen (…)." (Vossische Zeitung v. 12.01.1920)Echte Zustimmung klingt dann doch etwas anders.
Von Seiten der konservativen Interessenvertretungen der Angestellten und der diesen nahestehenden Parteien wurde die „Abschaffung“ eigenständiger Angestelltenvertretungen kritisiert, da dies einer „Gleichmacherei“ gleichkomme und aufgrund der geringen Zahl von Angestellten in großen industriellen Unternehmen, die Wahrnehmung ihrer besonderen Interessen in einem einheitlichen Betriebsrat nicht gewährleistet wäre.
Vom linken Flügel der Arbeiterbewegung dagegen, im Reichstag durch die USPD vertreten, wurde frühzeitig auf den begrenzten Handlungsrahmen, den das Gesetz den Betriebsräten eröffnete, hingewiesen:
„Entscheidend für die Beurteilung des Gesetzentwurfes aber bleibt der dort aufgezeichnete Aufgabenkreis, der eine wirkliche Betriebsdemokratie durchaus vermissen läßt und die Alleinherrschaft des kapitalistischen Unternehmertums keineswegs erschüttert. (…) Die Forderung nach dem vollen Mitbestimmungsrecht in allen Fragen der Arbeits- und Lohnverhältnisse bleibt jedoch in der Vorlage unerfüllt.“ (Die Freiheit, Nr. 382 v. 12.08.1919)Die freien Gewerkschaften, waren lange Jahre gegenüber betrieblicher Arbeiterausschüssen skeptisch eingestellt gewesen, denn in Betriebsräten witterten sie „Syndikalismus“, also eine Form des auf den Betrieb bezogenen Egoismus, der dem Gesamtinteresse aller gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer schaden würde. Im April 1919 positionierten sich die freien Gewerkschaften nun jedoch neu:
„Innerhalb der Betriebe sind freigewählte Arbeitervertretungen (Betriebsräte) zu schaffen, die, im Einvernehmen mit den Gewerkschaften und auf deren Macht gestützt, in Gemeinschaft mit der Betriebsleitung die Betriebsdemokratie durchzuführen haben. Die Grundlage der Betriebsdemokratie ist der kollektive Arbeitsvertrag mit gesetzlicher Rechtsgültigkeit. Die Aufgaben der Betriebsräte im einzelnen, ihre Pflichten und Rechte sind in den Kollektivverträgen auf Grund gesetzlicher Mindestbestimmungen festzulegen.“ (Richtlinien für die künftige Wirksamkeit der Gewerkschaften, v. 25.04.1919)Der Gesetzesentwurf entsprach, nachdem es einen von den Gewerkschaften gewünschten Tarifvertragsvorbehalt für weitergehende Bestimmungen gab, der gewerkschaftlichen Anforderung nach gesetzliche Mindestbestimmungen. Die Mehrheitssozialdemokraten (SPD) folgten dieser Linie, wenn sie erkärten,
"dass im Betriebsrätegesetz die Grundgedanken jener Forderungen ihre Verwirklichung finden sollen, die von den Gewerkschaften schon immer umkämpft worden sind: Mitbestimmung am Arbeitslohn, Arbeitsleistung und Arbeitsbedingungen." (Vorwärts v. 22.09.1919)In weiteren Verhandlungen gelang es den Vertretern der DDP, die sich insbesondere den Angestellten verbunden fühlten, die getrennte Vertretung von Arbeitern und Angestellten wieder in das Gesetz zurück zu befördern. In getrennten Gremien sollten nun alle nur die jeweilige Gruppe betreffenden Belange getrennt behandelt werden. Bei allen, die gesamte Belegschaft betreffenden Themen, sollten sich die Gremien zum Betriebsrat vereinigen.
In dieser Form ging der Gesetzesentwurf am 12. Januar 1920 in die parlamentarische Beratung.
Doch die erste Lesung des Gesetzes wurde von einer Massendemonstration mit weit über 100.000 Teilnehmer*innen vor dem Reichstag begleitet. Zu der Demonstration war von Organisationen der Arbeiterbewegung, die weitergehende revolutionäre Veränderungen forderten (USPD, KPD und den „Revolutionären Obleuten“, einer in Berlin starken Organisation von betrieblichen Vertrauensleuten), aufgerufen worden.
„Arbeiter! Arbeiterinnen! Angestellte!Der Reichstag wurde an diesem Tag von der sogenannten Sicherheitswehr, eine besondere Polizeieinheit, bewacht. Diese wurde von republikfeindlichen ehemaligen Offizieren verschiedener Freikorps geführt. Nicht wenige der Offiziere machten später in SA und SS Karriere. In einer nachträglich kaum mehr zu rekonstruierenden Situation eröffnete die Sicherheitswehr mit Gewehren und Maschinengewehren das Feuer auf die Demonstration. 42 Tote und 105 Verletzte standen am Ende des Tages auf der Opferliste.
Die Nationalversammlung (…) hat den Auftrag das Betriebsrätegesetz durchzupeitschen. In diesem Gesetz paart sich Verlogenheit mit Niedertracht. Wirtschaftliche Demokratie behauptet man Euch geben zu wollen. In Wirklichkeit will man Euch wieder fest an das kapitalistische Joch schmieden, will man die Betriebsräte zu Mamelucken des Unternehmertums machen. (…) Beweist der Regierung und der herrschenden Gesellschaft, daß Ihr Euch die letzten Errungenschaften der Revolution, die revolutionären Betriebsräte nicht rauben lassen wollt.“ (Freiheit, Nr. 22 v. 13.01.1920)
Die erste Lesung des Gesetzes wurde daraufhin unterbrochen aber am Folgetag fortgesetzt. Inhaltlich wurde den bereits im Vorfeld genannten Kritikpunkten nur wenig hinzugefügt. Das unveränderte Gesetz wurde mit den Stimmen von SPD, DDP und Zentrum angenommen und am 4. Februar 1920 verkündet.
Grundsätzlich folgte das Betriebsrätegesetz der Logik einer durch den Betriebsrat erfolgenden Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen, wobei dem Betriebsrat eine "doppelte Loyalität" eingeschrieben wurde, war es doch Teil seiner Aufgaben, mit der Unterstützung der Unternehmensleitung zu einer „Erfüllung der Betriebszwecke“ beizutragen. Das Gesetz schuf damit einen Rahmen für eine klassenübergreifende Zusammenarbeit auf Unternehmensebene.
Für eine von tiefen Klassenspaltungen durchzogenen Gesellschaft wie die der Weimarer Republik kam dieses Gesetz im Grunde aber zu früh. Die Arbeitgeber lehnten die Betriebsräte ebenso ab wie das gesamte Weimarer System, die Gewerkschaften hielten die überbetriebliche Sozial- und Interessenpolitik mittels der eingeübten Tarifpolitik für zentraler als die Betriebsräte, die oft nur als Erfüllungsgehilfen gewerkschaftlicher Politik verstanden wurden. Und von links wurden die Betriebsräte als Bestandteile einer wirtschaftsfriedlichen “Werksgemeinschaft“ diskreditiert.
Die NS-Diktatur beendete dann alle Formen der Mitbestimmung von Arbeitnehmer*innen. Das Betriebsrätegesetz wurde am 20 Januar 1934 aufgehoben und durch das „Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit“ ersetzt. Nun galt auch in der Betriebsverfassung das Führerprinzip.
Auf das Betriebsrätegesetz wurde erst nach der Zerschlagung der NS-Diktatur und der Gründung des DGB als überparteiliche und überkonfessionelle Gewerkschaftsbewegung zurückgegriffen. Es war dem gestärkten Einfluss der christlichen Gewerkschaftsbewegung im entstehenden DGB zu verdanken, dass die paritätische Mitbestimmung im Unternehmen als gewerkschaftliches Ziel ein deutlich höheres Gewicht bekam als zuvor. Gewerkschaftsseitig war damit der Boden bereitet für das Modell der 1946/47 in der britischen Zone eingeführten paritätischen Montanmitbestimmung, also der vollen Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit in den Aufsichtsräten. Die paritätische Mitbestimmung wurde 1951 in einem harten Konflikt von den Gewerkschaften verteidigt und auf die gesamte Montanindustrie ausgeweitet.
Doch bereits 1952, also nur ein Jahr später, hatten sich die Machtverhältnisse spürbar verschoben, eine Ausweitung der Montanmitbestimmung auf alle Unternehmen scheiterte an der CDU-Bundesregierung und den Unternehmerverbänden. Das 1952 verabschiedete Betriebsverfassungsgesetz orientierte sich wieder stärker am Betriebsrätegesetz der Weimarer Republik mit seinen gegenüber der Montanmitbestimmung eingeschränkteren Mitbestimmungsrechten, wobei aber die Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten in Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten (drittelparitätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat) gegenüber dem Betriebsrätegesetz von 1920 eine deutliche Ausweitung der Mitbestimmungsrechte bedeutete.
Umfangreichere Mitbestimmungsregeln, wie sie in der Montanmitbestimmung 1946/47 unter britischer Besatzungsherrschaft vereinbart wurden, waren ein Vierteljahrhundert früher weder parlamentarisch durchsetzbar noch dem Arbeitgeberlager vermittelbar. Ein Betriebsrätegesetz jedoch, dass entsprechend umfangreichere Mitbestimmungsregeln enthalten hätte, wäre von den Arbeiter*innen deutlich besser angenommen worden, nachdem sich viel Kritik an der fehlenden (formalen) Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit entzündete. Die USPD-nahe Arbeitsgemeinschaft freier Angestelltenverbände hatte diese Erwartungen im Sommer 1919 sehr prägnant formuliert:
„Der Betriebsrat steht als die Interessenvertretung der einen Vertragspartei im Arbeitsvertrage grundsätzlich neben der Betriebsleitung. Er hat insbesondere die gesamte Leitung des Betriebes zu überwachen (…).“ (Freiheit, Nr. 418 v. 31.08.1919)Dieser Zustand ist auch mit dem aktuell geltenden Betriebsverfassungsgesetz nicht.
Thema: Opposition
02. Mai 18 | Autor: antoine favier | 0 Kommentare | Kommentieren
Nichts scheint die Stadt derzeit mehr zu beschäftigen als den Müll. Die lokale Berichterstattung weist uns fast täglich den Weg zu den Ecken des Unrats und damit auch zu unserem Verhältnis zu Sauberkeit und Ordnung.
Verlottert und ungepflegt so präsentiert sich die Stadt. Das Stadtbild spricht hier eine eindeutige Sprache. Ein Bummel durch die Stadt zeigt eine Unmenge an Ungepflegtheiten, die sich aufaddieren zu einem Gesamteindruck, nämlich dem einer lieblosen Stadt.
Müll wird an der Straße abgelegt und bleibt tagelang liegen, man muss nur genau hinschauen, keine Ecke, in der nicht alte Einmaltrinkbecher, Tüten oder anderer Müll liegt.
Es ist aber nicht nur der Müll. Fahrrad- und Fußwege, marode, von Wurzeln durchzogen, städtische Brunnen und Denkmale, die aussehen, als müssten sie dringen grundgereinigt werden.
Oder das städtische Grün. Bäume am Straßenrand sterben ab, werden abgesägt und dann verwahrlost die Baumscheibe über Monate und Jahre. Rad- und Fußwege wuchern zu aber ein regelmäßiger Rückschnitt findet nicht statt. Grün wuchert zwischen den Platten und wird nie beseitigt.
Beim Grün kann man nun sagen, es handle sich um Natur, der Müll aber fällt nicht vom Himmel. Es sind die Einwohnerinnen und Einwohner Frechens, die, so die sicherlich nicht vermessene Vermutung, diesen Müll produzieren und achtlos in die Ecke werfen.
In Bezug auf den Umgang von Schülerinnen und Schülern mit ihrer Schule weiß man, dass je verwahrloster eine Schule, desto unachtsamer der Umgang mit Gebäude und schulischem Interieur. Je gepflegter die Schule, desto besser auch der Umgang mit ihr. Es besteht ein Zusammenhang.
Der hierfür zentrale Begriff lautet Wertschätzung. Eine gepflegte Schule signalisiert Wertschätzung gegenüber den Schülerinnen und Schülern. Am Gebäude zeigen wir, dass wir unseren Kindern und ihrem Lernen eine hohe Wertschätzung entgegenbringen. Die Kinder vergelten es durch einen sorgsamen Umgang mit der ihr anvertrauten Schule.
Gleiches gilt wohl für das Stadtbild. Eine Verwaltung, die alles in ihrer Macht stehende unternimmt, um den Bürgern und Bürgerinnen eine saubere und gepflegte Stadt zu bieten, drückt ihre Wertschätzung gegenüber den Einwohner/-inne/n und Besucher/inne/n der Stadt aus. Eine Stadt, die hier wenig unternimmt, die nichts tut, bringt ihre mangelnde Wertschätzung zum Ausdruck.
Und wenn die Stadt wie eine kleine Müllkippe ausschaut, so kann man seinen Müll auch einfach fallen lassen. Wenn mir als Einwohner/in keine Wertschätzung entgegen gebracht wird, so muss ich auch keine Gegenleistung erbringen. Jedes Stück Müll beinhaltet die Botschaft der Gleichgültigkeit. Gleichgültigkeit des-/derjenigen, die ihn wegwirft aber auch Gleichgültigkeit einer Stadt, die den Müll liegen lässt.
Wer so handelt, muss sich über Ein-Euro-Shops in der Fußgängerzone nicht wundern. Diese sind der stimmige Ausdruck fehlender Wertschätzung und allgemeiner Gleichgültigkeit. Ware, die sofort zu Müll werden kann, Wegwerfware, deren Wert nicht einmal den Gang zu einem Mülleimer rechtfertigt.
Gleichgültige Ware für eine gleichgültige Stadt.
Ganz ungeschminkt: nur wer sich selber wertschätzt, kann von anderen Wertschätzung erfahren. Wer über die Aufwertung der Stadt nachdenkt, der sollte hier anfangen.
Und zwar sofort.
Verlottert und ungepflegt so präsentiert sich die Stadt. Das Stadtbild spricht hier eine eindeutige Sprache. Ein Bummel durch die Stadt zeigt eine Unmenge an Ungepflegtheiten, die sich aufaddieren zu einem Gesamteindruck, nämlich dem einer lieblosen Stadt.
Müll wird an der Straße abgelegt und bleibt tagelang liegen, man muss nur genau hinschauen, keine Ecke, in der nicht alte Einmaltrinkbecher, Tüten oder anderer Müll liegt.
Es ist aber nicht nur der Müll. Fahrrad- und Fußwege, marode, von Wurzeln durchzogen, städtische Brunnen und Denkmale, die aussehen, als müssten sie dringen grundgereinigt werden.
Oder das städtische Grün. Bäume am Straßenrand sterben ab, werden abgesägt und dann verwahrlost die Baumscheibe über Monate und Jahre. Rad- und Fußwege wuchern zu aber ein regelmäßiger Rückschnitt findet nicht statt. Grün wuchert zwischen den Platten und wird nie beseitigt.
Beim Grün kann man nun sagen, es handle sich um Natur, der Müll aber fällt nicht vom Himmel. Es sind die Einwohnerinnen und Einwohner Frechens, die, so die sicherlich nicht vermessene Vermutung, diesen Müll produzieren und achtlos in die Ecke werfen.
In Bezug auf den Umgang von Schülerinnen und Schülern mit ihrer Schule weiß man, dass je verwahrloster eine Schule, desto unachtsamer der Umgang mit Gebäude und schulischem Interieur. Je gepflegter die Schule, desto besser auch der Umgang mit ihr. Es besteht ein Zusammenhang.
Der hierfür zentrale Begriff lautet Wertschätzung. Eine gepflegte Schule signalisiert Wertschätzung gegenüber den Schülerinnen und Schülern. Am Gebäude zeigen wir, dass wir unseren Kindern und ihrem Lernen eine hohe Wertschätzung entgegenbringen. Die Kinder vergelten es durch einen sorgsamen Umgang mit der ihr anvertrauten Schule.
Gleiches gilt wohl für das Stadtbild. Eine Verwaltung, die alles in ihrer Macht stehende unternimmt, um den Bürgern und Bürgerinnen eine saubere und gepflegte Stadt zu bieten, drückt ihre Wertschätzung gegenüber den Einwohner/-inne/n und Besucher/inne/n der Stadt aus. Eine Stadt, die hier wenig unternimmt, die nichts tut, bringt ihre mangelnde Wertschätzung zum Ausdruck.
Und wenn die Stadt wie eine kleine Müllkippe ausschaut, so kann man seinen Müll auch einfach fallen lassen. Wenn mir als Einwohner/in keine Wertschätzung entgegen gebracht wird, so muss ich auch keine Gegenleistung erbringen. Jedes Stück Müll beinhaltet die Botschaft der Gleichgültigkeit. Gleichgültigkeit des-/derjenigen, die ihn wegwirft aber auch Gleichgültigkeit einer Stadt, die den Müll liegen lässt.
Wer so handelt, muss sich über Ein-Euro-Shops in der Fußgängerzone nicht wundern. Diese sind der stimmige Ausdruck fehlender Wertschätzung und allgemeiner Gleichgültigkeit. Ware, die sofort zu Müll werden kann, Wegwerfware, deren Wert nicht einmal den Gang zu einem Mülleimer rechtfertigt.
Gleichgültige Ware für eine gleichgültige Stadt.
Ganz ungeschminkt: nur wer sich selber wertschätzt, kann von anderen Wertschätzung erfahren. Wer über die Aufwertung der Stadt nachdenkt, der sollte hier anfangen.
Und zwar sofort.
Thema: Opposition
12. Oktober 17 | Autor: antoine favier | 0 Kommentare | Kommentieren
Da hat die städtische Gebäudewirtschaft Murks gemacht, wie nun der Prüfbericht „Sonderprüfung Container für Lindenschule“ des Rechnungsprüfungsamtes feststellt. Das „Wochenende“ berichtet aktuell sehr ausführlich darüber. Es ist wenig erbaulich was über die städtische Gebäudewirtschaft da berichtet wird:
Vor wenigen Tagen begründete die Bürgermeisterin dann die lange Bearbeitungszeit nochmals mit diesen Worten:
Aber das Gebäude steht immer noch.
Die Gebäudewirtschaft redet von Feinabstimmungen zwischen Bauunternehmen, die noch erfolgten und einer Abrissgenehmigung, die erst seit dem 19. September vorliege. Begründungen, die im Artikel des "Wochenendes" massiv in Zweifel gezogen werden und eher wie dünne Ausreden wirken.
Nun ja, wenn bereits die Organisation eines Abbruchs eines alten Schulgebäudes die Gebäudewirtschaft komplett lahmlegt, so dass nicht einmal mehr eine Stellungnahme erstellt werden kann, auf die der Rat der Stadt Frechen Anspruch hat, und dazu der Abbruch noch nicht einmal plangerecht erfolgt, dann ist wohl liegt wohl einiges im Argen.
Erschreckendes Fazit der RechnungsprüferDie Bürgermeisterin ist noch aufgefordert, zu diesem Bericht Stellung zu nehmen, kommt aber erst im Dezember dazu, ihre Stellungnahme abzugeben. Nun ja, der Bericht hat 28 Seiten, die Vorwürfe sind geharnischt, da kann man denn auch mal ein paar Monate brauchen, bis alle Beteiligten innerhalb der städtischen Verwaltung, insbesondere in der städtischen Gebäudewirtschaft sich geäußert haben.
Die Planung war „mangelhaft“, das fehlende Leistungsverzeichnis und offensichtlich unpräzise Vorgaben hatten zur Folge, dass eingereichte Angebote nicht vergleichbar waren.
Durchführung und Dokumentation der Vergabe waren „mangelhaft“ und letztlich ist auch die Prüfung der Wirtschaftlichkeit an keiner Stelle dokumentiert.
Vor wenigen Tagen begründete die Bürgermeisterin dann die lange Bearbeitungszeit nochmals mit diesen Worten:
„Der Umzug der Lindenschule in die frühere Anne-Franck-Schule und die Vorbereitungen für den Neubau der Lindenschule hatten für uns bislang Vorrang“.Lustig wird es aber dann, wenn man einen zweiten Artikel des „Wochenende“ zu Hand nimmt und sozusagen parallel liest: Projekt Lindenschule wird zur Posse Spielt Verwaltungsspitze nicht mit offenen Karten? heißt der Artikel und handelt davon, dass die städtische Gebäudewirtschaft mit der Neubauplanung der Lindenschule jetzt bereits mehrere Monate im Verzug ist. Eigentlich sollte das alte Gebäude bis spätestens 18. August abgebrochen sein, denn am 19.August sollte der Neubau beginnen.
Aber das Gebäude steht immer noch.
Die Gebäudewirtschaft redet von Feinabstimmungen zwischen Bauunternehmen, die noch erfolgten und einer Abrissgenehmigung, die erst seit dem 19. September vorliege. Begründungen, die im Artikel des "Wochenendes" massiv in Zweifel gezogen werden und eher wie dünne Ausreden wirken.
Nun ja, wenn bereits die Organisation eines Abbruchs eines alten Schulgebäudes die Gebäudewirtschaft komplett lahmlegt, so dass nicht einmal mehr eine Stellungnahme erstellt werden kann, auf die der Rat der Stadt Frechen Anspruch hat, und dazu der Abbruch noch nicht einmal plangerecht erfolgt, dann ist wohl liegt wohl einiges im Argen.
Thema: Opposition
12. September 16 | Autor: antoine favier | 0 Kommentare | Kommentieren
Langsam geht es ans Eingemachte.
Einen ersten Versuchsballon hat die CDU schon gestartet.
Die CDU fragt bei der Verwaltung an, ob man den Zuschussbedarf für die Bäder durch eine Reduzierung der Öffnungszeiten für den öffentlichen Publikumsverkehr an Vormittagen erreichen könne.
Die Antwort der Verwaltung ist recht eindeutig. Ein erkennbares Einsparpotential ergibt sich hierbei nicht.
Aber alleine die Zielrichtung ist schon recht eindeutig, denn es gibt ja immer verschiedene Möglichkeiten eine Defizit zu verringern.
Erstens, in dem man die Kosten reduziert, so wie es die CDU vorschlägt, man kürzt die Öffnungszeiten und spart so Personal ein.
Zweitens, in dem man die Anzahl der Nutzer*innen erhöht, also dass man die Einnahmen erhöht so wie es der Bäderbetrieb in den vergangenen Jahren erfolgreich getan hat.
Ach ja, und dann gibt es noch eine dritte Möglichkeit, die vielerorts diskutiert und an einigen Orten schon umgesetzt wurde. Man erhöht die Eintrittspreise.
Wollen wir wetten, dass das die nächste Idee der CDU sein wird?
Die Folgen sind bekannt. Die Gemeinde Stolberg hat 2011 die Preise für die Nutzung des Hallenbades ordentlich erhöht. Daraufhin gingen die Besucherzahlen um rund 14% nach unten.
Es darf also bezweifelt werden, dass der Zuschussbedarf der städtischen Bäder nach einer spürbaren Preiserhöhung deutlich reduziert werden kann. Man bezahlt die steigenden Einnahmen je Ticket mit einem deutlichen Rückgang der Nutzer*innen, im schlechtesten Fall ein Nullsummenspiel, im besten Fall ein kaum spürbarer RÜckgang des Zuschussbedarfs.
Und spätestens dann sind wir vielleicht doch dort, wo ein begeisterter Schwimmer die Stadt Frechen heute schon hinsteuern sieht: bei der Diskussion um die Schließung des Freibads.
Und die CDU wird uns dann erzählen, dass man ja alle anderen Möglichkeiten schon diskutiert habe, die Schließung des Freibades sei „alternativlos“.
Einen ersten Versuchsballon hat die CDU schon gestartet.
Die CDU fragt bei der Verwaltung an, ob man den Zuschussbedarf für die Bäder durch eine Reduzierung der Öffnungszeiten für den öffentlichen Publikumsverkehr an Vormittagen erreichen könne.
Die Antwort der Verwaltung ist recht eindeutig. Ein erkennbares Einsparpotential ergibt sich hierbei nicht.
Aber alleine die Zielrichtung ist schon recht eindeutig, denn es gibt ja immer verschiedene Möglichkeiten eine Defizit zu verringern.
Erstens, in dem man die Kosten reduziert, so wie es die CDU vorschlägt, man kürzt die Öffnungszeiten und spart so Personal ein.
Zweitens, in dem man die Anzahl der Nutzer*innen erhöht, also dass man die Einnahmen erhöht so wie es der Bäderbetrieb in den vergangenen Jahren erfolgreich getan hat.
Ach ja, und dann gibt es noch eine dritte Möglichkeit, die vielerorts diskutiert und an einigen Orten schon umgesetzt wurde. Man erhöht die Eintrittspreise.
Wollen wir wetten, dass das die nächste Idee der CDU sein wird?
Die Folgen sind bekannt. Die Gemeinde Stolberg hat 2011 die Preise für die Nutzung des Hallenbades ordentlich erhöht. Daraufhin gingen die Besucherzahlen um rund 14% nach unten.
Es darf also bezweifelt werden, dass der Zuschussbedarf der städtischen Bäder nach einer spürbaren Preiserhöhung deutlich reduziert werden kann. Man bezahlt die steigenden Einnahmen je Ticket mit einem deutlichen Rückgang der Nutzer*innen, im schlechtesten Fall ein Nullsummenspiel, im besten Fall ein kaum spürbarer RÜckgang des Zuschussbedarfs.
Und spätestens dann sind wir vielleicht doch dort, wo ein begeisterter Schwimmer die Stadt Frechen heute schon hinsteuern sieht: bei der Diskussion um die Schließung des Freibads.
Und die CDU wird uns dann erzählen, dass man ja alle anderen Möglichkeiten schon diskutiert habe, die Schließung des Freibades sei „alternativlos“.
Thema: Opposition
04. Januar 16 | Autor: antoine favier | 0 Kommentare | Kommentieren
NEUBAUGEBIETE
“Die Gemeinden versuchen Grundstücke zu verkaufen und denken nicht darüber nach, dass sie auch Infrastruktur bauen müssen”, so formuliert es Ingrid Breckner, eine Soziologieprofessorin. Womit sie wohl recht hat, denn man schaue nur nach Königsdorf, da wurden in den letzten Jahren zwei große Wohngebiete entwickelt: das Atrium und das Rotental. Die Stadt hat die Grundstücke verkauft, Immobilienentwickler haben sich vermutlich ein goldenes Näschen verdient und alle waren glücklich.
Tja, bis zwischen 2011 und 2013 offenkundig wurde, dass da junge Familien mit Kindern zugezogen sind. Zuerst wurde es eng bei den Kindergartenplätzen, dann in der Grundschule. Also mussten Kindergärten gebaut werden und 2013 wurde klar, dass die Stadt holterdipolter mehr als 20 Millionen Euro in die Erweiterung der Königsdorfer Grundschule investieren muss. Zusätzlich ist das Personal in den Kindergärten zu bezahlen, die neuen Stadtteile wollen an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen werden und so werden in den kommenden Jahren sicherlich noch weitere Folgekosten auf die Stadt zu kommen.
So ist beispielsweise heute schon klar, dass in den kommenden Jahren massiv in die weiterführenden Schulen investiert werden muss, um (auch) die Kinder all der neuzugezogenen Bürgerinnen und Bürger angemessen zu versorgen.
Man hätte es wissen können, denn inzwischen gibt es dutzende Untersuchungen, die belegen, dass neue Wohngebiete den Kommunen eben nicht nur Geld in Form von Anteilen an der Einkommenssteuer oder Zuweisungen des Landes für die Zahl der EinwohnerInnen der Kommune einbringen, sondern dass solche Neubaugebiete auch Folgekosten, sogenannte Infrastrukturfolgekosten, mit sich bringen. Das Land hat dafür eine einfache Planungshilfe entwickelt mit dem sprechenden Namen: Planen in Zeiten leerer Kassen.
LANDESENTWICKLUNGSPLAN
Aktuell wird in allen politischen Gremien der neue Landesentwicklungsplan (LEP) diskutiert. Mit dem LEP sollen unterschiedliche Nutzungsanforderungen an die knappe Ressource Grund aufeinander abgestimmt werden. Der LEP ist in der Abstimmung. Die Kommunen des Landes sind aufgefordert, den aktuellen Entwurf zu kommentieren. So weit, so gut.
Der LEP hat auch eine kurze Passage zur Frage der Folgekosten von Infrastrukturmaßnahmen, also zum Thema, was kostet ein Neubaugebiet eine Kommune:
JAMAIKA-KOALITION
Nun steht der Ausbau der Grube Carl ins Haus und in Habbelrath soll am Ammerweg ein weiteres Baugebiet ausgewiesen werden. Im ersten Schritt ist in beiden Bereichen die Bebauung mit Ein- und Zweifamilienhäusern geplant. Also in etwa so wie in Königsdorf. Es darf damit gerechnet werden, dass, wie in Königsdorf, junge Familien mit Kindern zuziehen werden. Mit einem ordentlichen Auskommen und wahrscheinlich hohen Erwartungen an die schulische Infrastruktur. Wenn sie denn da mal nicht massiv enttäuscht werden. Denn die uns regierende Jamaika-Koalition will die Folgekosten gar nicht kennen lernen.
In der letzten Ratssitzung wollte Jamaika Knall auf Fall eine Stellungnahme zum LEP vom Rat verabschieden lassen, mit der die Stadt Frechen gegenüber der Landesregierung erklärt, dass sie sich auf Jahre nicht in der Lage sähe, Infrastrukturfolgekosten zu berechnen. Nun ja, das wundert im ersten Moment nicht wirklich, wenn man an die Königsdorfer Entwicklung denkt. Es wird aber perfide, wenn man die Begründung liest:
Ach, irgendwie mag niemand wirklich daran glauben, dass die schönsten und lukrativsten Grundstücke auf Grube Carl, die als erstes verwertet werden sollen, den anerkannten Migranten zu Gute kommen werden? Aber gerade wegen der Flüchtlinge will die Stadt doch auf die Berechnung und Offenlegung der Infrastrukturfolgekosten verzichten! Sollte das eine mit dem anderen nichts zu tun haben? Aber dann könnte die Stadt ja auch die Infrastrukturfolgekosten kalkulieren? Die Stadt stünde dann nicht unter Zugzwang, die Stadt hätte noch Abwägungsspielraum? Die Öffentlichkeit könnte informiert werden und ein Abwägen von Kosten und Nutzen einer weiteren Bebauung von Grube Carl könnte stattfinden?
Könnte, könnte könnte, wenn denn die Jamaikakoalition durch eine Stellungnahme zum LEP nicht erklärt hätte, dass "die Stadt Frechen keinen Handlungsspielraum für die Kommunen (sieht), vor der Inanspruchnahme von Siedlungsflächen die Infrastrukturfolgekosten zu prüfen und zu bewerten (…).“
Die Jamaikakoalition jedenfalls will den BürgerInnen dieser Stadt die Kenntnis der Infrastrukturfolgekosten für die geplanten Baumaßnahmen auf Grube Carl gerne vorenthalten. Anders jedenfalls ist diese Stellungnahme zum LEP kaum zu verstehen. Traurig aber muss man zur Kenntnis nehmen, dass die grüne Partei, die früher einer weiteren Inanspruchnahme von Flächen zu Siedlungszwecken ablehnend gegenüber gestanden ist, sich von dieser Position verabschiedet hat.
Gut, dass es die vielen Flüchtlinge gibt. Hinter diesen kann man seine wahren Absichten richtig gut verstecken.
“Die Gemeinden versuchen Grundstücke zu verkaufen und denken nicht darüber nach, dass sie auch Infrastruktur bauen müssen”, so formuliert es Ingrid Breckner, eine Soziologieprofessorin. Womit sie wohl recht hat, denn man schaue nur nach Königsdorf, da wurden in den letzten Jahren zwei große Wohngebiete entwickelt: das Atrium und das Rotental. Die Stadt hat die Grundstücke verkauft, Immobilienentwickler haben sich vermutlich ein goldenes Näschen verdient und alle waren glücklich.
Tja, bis zwischen 2011 und 2013 offenkundig wurde, dass da junge Familien mit Kindern zugezogen sind. Zuerst wurde es eng bei den Kindergartenplätzen, dann in der Grundschule. Also mussten Kindergärten gebaut werden und 2013 wurde klar, dass die Stadt holterdipolter mehr als 20 Millionen Euro in die Erweiterung der Königsdorfer Grundschule investieren muss. Zusätzlich ist das Personal in den Kindergärten zu bezahlen, die neuen Stadtteile wollen an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen werden und so werden in den kommenden Jahren sicherlich noch weitere Folgekosten auf die Stadt zu kommen.
So ist beispielsweise heute schon klar, dass in den kommenden Jahren massiv in die weiterführenden Schulen investiert werden muss, um (auch) die Kinder all der neuzugezogenen Bürgerinnen und Bürger angemessen zu versorgen.
Man hätte es wissen können, denn inzwischen gibt es dutzende Untersuchungen, die belegen, dass neue Wohngebiete den Kommunen eben nicht nur Geld in Form von Anteilen an der Einkommenssteuer oder Zuweisungen des Landes für die Zahl der EinwohnerInnen der Kommune einbringen, sondern dass solche Neubaugebiete auch Folgekosten, sogenannte Infrastrukturfolgekosten, mit sich bringen. Das Land hat dafür eine einfache Planungshilfe entwickelt mit dem sprechenden Namen: Planen in Zeiten leerer Kassen.
LANDESENTWICKLUNGSPLAN
Aktuell wird in allen politischen Gremien der neue Landesentwicklungsplan (LEP) diskutiert. Mit dem LEP sollen unterschiedliche Nutzungsanforderungen an die knappe Ressource Grund aufeinander abgestimmt werden. Der LEP ist in der Abstimmung. Die Kommunen des Landes sind aufgefordert, den aktuellen Entwurf zu kommentieren. So weit, so gut.
Der LEP hat auch eine kurze Passage zur Frage der Folgekosten von Infrastrukturmaßnahmen, also zum Thema, was kostet ein Neubaugebiet eine Kommune:
Vorausschauende Berücksichtigung von Infrastrukturkosten und InfrastrukturfolgekostenDeshalb werden die Kommunen via LEP aufgefordert, alle mittel- und langfristigen Kosten zu ermitteln, die durch die Entwicklung eines Baugebietes entstehen können. Hätte man das in Königsdorf gemacht, so hätte man frühzeitig gewusst, dass bei so viele Neubürgern eine Erweiterung der lokalen Grundschule zwingend geboten ist.. Und man hätte sich ausrechnen können, dass unsere eh schon zu vollen weiterführenden Schulen, diesen Andrang von zusätzlichen Kindern der vielen Neubürger nicht verkraften können und erweitert werden müssen. Ja, hätte man wissen können, wenn man es hätte wissen wollen. Und man hätte die Kosten offenlegen und öffentlich diskutieren und abwägen können, ob Kosten und Nutzen in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Hätte man alles tun können, wenn man es hätte wissen wollen.
Die Erschließung von Bauflächen ist neben den Planungs- und Erschließungskosten in der Regel mit erheblichen langfristigen Folgekosten verbunden (Aufwendungen für den Unterhalt der technischen Infrastrukturen, Bau und Betrieb sozialer Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen, etc.). Die Analyse der Infrastrukturkosten und Infrastrukturfolgekosten und ihre Bewertung hinsichtlich möglicher Alternativen eröffnet den Kommunen Einsparpotentiale. Diese können bei den technischen Infrastrukturfolgekosten bis zu ca. 30 bis 50 %, bei den sozialen Infrastrukturfolgekosten bis zu ca. 10 % betragen.
JAMAIKA-KOALITION
Nun steht der Ausbau der Grube Carl ins Haus und in Habbelrath soll am Ammerweg ein weiteres Baugebiet ausgewiesen werden. Im ersten Schritt ist in beiden Bereichen die Bebauung mit Ein- und Zweifamilienhäusern geplant. Also in etwa so wie in Königsdorf. Es darf damit gerechnet werden, dass, wie in Königsdorf, junge Familien mit Kindern zuziehen werden. Mit einem ordentlichen Auskommen und wahrscheinlich hohen Erwartungen an die schulische Infrastruktur. Wenn sie denn da mal nicht massiv enttäuscht werden. Denn die uns regierende Jamaika-Koalition will die Folgekosten gar nicht kennen lernen.
In der letzten Ratssitzung wollte Jamaika Knall auf Fall eine Stellungnahme zum LEP vom Rat verabschieden lassen, mit der die Stadt Frechen gegenüber der Landesregierung erklärt, dass sie sich auf Jahre nicht in der Lage sähe, Infrastrukturfolgekosten zu berechnen. Nun ja, das wundert im ersten Moment nicht wirklich, wenn man an die Königsdorfer Entwicklung denkt. Es wird aber perfide, wenn man die Begründung liest:
Vor dem Hintergrund der zusätzlichen starken Zuwanderung aus dem südeuropäischen und außereuropäischen Raum und der damit verbundenen Aufgabe der Integration sieht die Stadt Frechen keinen Handlungsspielraum für die Kommunen, vor der Inanspruchnahme von Siedlungsflächen die Infrastrukturfolgekosten zu prüfen und zu bewerten. (...) Auf Grund dessen besteht für diese raumordnerische Festlegung zumindest für die nächsten Jahre keine Beachtenspflicht im Rahmen einer Abwägung mehr, da kein Abwägungsspielraum mehr vorhanden ist.Ja, ich sehe sie schon, die Stadt Frechen, wie sie die anerkannten Migranten in der Regelzuweisung dauerhaft mit Wohnraum versorgt, indem sie diese in den neugebauten Ein- und Zweifamilienhäuschen auf Grube Carl unterbringt. Da ist es dann natürlich sachlich zwingend, dass eine Berechnung von Infrastrukturfolgenkosten nicht mehr stattfinden kann. Flüchtlinge haben ja einen Anspruch auf Kindergarten- und Schulplätze. Da lohnt rechnen nicht mehr. Es muss einfach gemacht werden, handelt es sich hierbei doch um eine gesetzliche Pflicht. Logisch, oder?
Ach, irgendwie mag niemand wirklich daran glauben, dass die schönsten und lukrativsten Grundstücke auf Grube Carl, die als erstes verwertet werden sollen, den anerkannten Migranten zu Gute kommen werden? Aber gerade wegen der Flüchtlinge will die Stadt doch auf die Berechnung und Offenlegung der Infrastrukturfolgekosten verzichten! Sollte das eine mit dem anderen nichts zu tun haben? Aber dann könnte die Stadt ja auch die Infrastrukturfolgekosten kalkulieren? Die Stadt stünde dann nicht unter Zugzwang, die Stadt hätte noch Abwägungsspielraum? Die Öffentlichkeit könnte informiert werden und ein Abwägen von Kosten und Nutzen einer weiteren Bebauung von Grube Carl könnte stattfinden?
Könnte, könnte könnte, wenn denn die Jamaikakoalition durch eine Stellungnahme zum LEP nicht erklärt hätte, dass "die Stadt Frechen keinen Handlungsspielraum für die Kommunen (sieht), vor der Inanspruchnahme von Siedlungsflächen die Infrastrukturfolgekosten zu prüfen und zu bewerten (…).“
Die Jamaikakoalition jedenfalls will den BürgerInnen dieser Stadt die Kenntnis der Infrastrukturfolgekosten für die geplanten Baumaßnahmen auf Grube Carl gerne vorenthalten. Anders jedenfalls ist diese Stellungnahme zum LEP kaum zu verstehen. Traurig aber muss man zur Kenntnis nehmen, dass die grüne Partei, die früher einer weiteren Inanspruchnahme von Flächen zu Siedlungszwecken ablehnend gegenüber gestanden ist, sich von dieser Position verabschiedet hat.
Gut, dass es die vielen Flüchtlinge gibt. Hinter diesen kann man seine wahren Absichten richtig gut verstecken.
Thema: Opposition
24. April 15 | Autor: antoine favier | 1 Kommentar | Kommentieren
Auch von Frankreich kann man etwas Neues lernen:
Die Situation fällt nicht ins Auge, da man sich daran gewöhnt hat. Es bedurfte daher der Forschungen an verschiedenen französischen Universitäten, um sich dieser Realität mit neuem Blick zuzuwenden:
Erstmalig wurde die Frage gestellt, wer in erster Linie von den von der Kommune finanzierten sportlichen und kulturellen Infrastrukturen profitiert. Der Geograph Yves Raibaud kam dabei zu der einfachen Schlussfolgerung, dass: „zwei Drittel der Nutznießer der öffentlichen Investitionen in diesem Bereich Jungen sind.“ „Skaterparks oder auch Sportgelände sind Plätze die gedacht sind für neutrale Wesen, aber in Wirklichkeit werden sie fast nur von Jungen genutzt.“
Nicht nur, dass es deutlich mehr Jungen sind, die von den Kommunen finanzierte sportliche Infrastruktur nutzen, nein diese Infrastruktur ist tendenziell sehr viel teurer als die Freizeitinfrastruktur, die Mädchen nutzen. Es ist einfach teurer, ein Fußballplatz anzulegen, als einen Tanzsaal oder einen Raum für einen Chor.
Ein kleiner Blick auf die Frechener Situation bestätigt diesen Befund:
inzwischen wurde ein sicherlich siebenstelliger Betrag aufgewandt, um alle Frechener Sportplätze mit Kunstrasen auszustatten. Untersucht man nun die typischen Nutzer, dann wird man feststellen, dass die Frechener Kunstrasenplätze in vermutlich mehr als 90% aller Fälle von Jungs bevölkert werden. Wann hat die Stadt zuletzt einen siebenstelligen Betrag für mädchenspezifische Hobbys und Sportarten aufgewandt?
In Ramonville, einer Stadt nahe Toulouse wurden in 2009 pro Jungen 23,20 Euro aufgewandt, pro Mädchen nur 12,80 Euro. Eine geschlechterorientierte Analyse des Frechener Haushalts dürfte ähnliche Ungleichheiten zu Tage befördern.
Man muss sich das mal an einem konkreten Beispiel vorstellen: was würde geschehen, wenn man feststellen würde, dass ein Krankenhaus zu 80% von Männern frequentiert wird? Natürlich müsste man sich die Frage stellen, ob Frauen unter diesen Umständen überhaupt ausreichend Zugang zu den notwendigen ärztlichen Dienstleistungen dieses Krankenhauses hat, woran dies liegen könnte und wie man diese Fehlentwicklung abstellen kann. So ähnlich ist es im Bereich der von den Kommunen finanzierten und subventionierten Freizeitinfrastruktur.
Es handelt sich hierbei klar um politische Entscheidungen, die zu einer Institutionalisierung eines männlichen öffentlichen Raums führen. Y.Raibaud führt dies auf den Mythos von einer angenommenen erhöhten männlichen Gewalttätigkeit zurück, die dazu führt, dass Kommunen alles dafür tun, um Jungen und junge Männer im Freien zu beschäftigen.
Typisch hierfür seien die Skaterparks, die von Mädchen in der Mehrzahl nur besucht würden, um als Zuschauerinnen am Spektakel der Jungen teilzuhaben. Hier wird das alte Rollenmodell von der Passivität des weiblichen Geschlechts in dem von der Kommune finanzierten Skaterpark festgeschrieben.
Aber das sind nicht die einzigen Aspekte eines geschlechterspezifischen, also männlich strukturierten öffentlichen Raums. So sind Stadtplaner und die Entscheider in den Gremien vorzugsweise Männer und diese haben auch einen anderen Blick auf die Gestaltung von Innenstädten. Sie schaffen Städte entsprechend ihrer Vorstellungen als autofreie Städte, in denen es Spaß macht, sich zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu bewegen und zu flanieren.
Eine Studie hat bspw. gezeigt, dass es schon gravierende Differenzen bei der Nutzung des Fahrrads gibt. 60% der NutzerInnen sind männlich, nur 40% weiblich. Und dies liegt nicht daran, dass Fahrradfahren der Frisur schadet. Vielmehr spiegelt sich darin die unterschiedliche Rollenverteilung bei der Erwerbs- und der Hausarbeit wider. Frauen sind oft Teilzeitbeschäftigte, organisieren daneben die Kindervergnügen, den Einkauf, die schulischen Termine usw..
Die Organisation dieser unterschiedlichen Verpflichtungen lassen sich mit dem Fahrrad oft nicht vernünftig regeln und der öffentliche Nahverkehr stellt auch keine Alternative dar. Eine städtische Infrastruktur, die den in seiner Freizeit flanierenden, kaffeetrinkenden und radfahrenden Mann im Blick hat, geht an den Bedürfnissen der vor Ort das Familienleben organisierenden Hälfte der Menschheit, also den Frauen vorbei.
Spannend, oder?
Man sollte auch in Frechen den Haushalt mal unter geschlechtspezifischen Aspekten analysieren um die Frage zu beantworten, wer denn von den Leistungen einer Kommune den größeren Nutzen zieht, Männer oder Frauen.
Quelle: Charlie Hebdo, Nr. 1186, v. 15.04.2015
Die Situation fällt nicht ins Auge, da man sich daran gewöhnt hat. Es bedurfte daher der Forschungen an verschiedenen französischen Universitäten, um sich dieser Realität mit neuem Blick zuzuwenden:
Erstmalig wurde die Frage gestellt, wer in erster Linie von den von der Kommune finanzierten sportlichen und kulturellen Infrastrukturen profitiert. Der Geograph Yves Raibaud kam dabei zu der einfachen Schlussfolgerung, dass: „zwei Drittel der Nutznießer der öffentlichen Investitionen in diesem Bereich Jungen sind.“ „Skaterparks oder auch Sportgelände sind Plätze die gedacht sind für neutrale Wesen, aber in Wirklichkeit werden sie fast nur von Jungen genutzt.“
Nicht nur, dass es deutlich mehr Jungen sind, die von den Kommunen finanzierte sportliche Infrastruktur nutzen, nein diese Infrastruktur ist tendenziell sehr viel teurer als die Freizeitinfrastruktur, die Mädchen nutzen. Es ist einfach teurer, ein Fußballplatz anzulegen, als einen Tanzsaal oder einen Raum für einen Chor.
Ein kleiner Blick auf die Frechener Situation bestätigt diesen Befund:
inzwischen wurde ein sicherlich siebenstelliger Betrag aufgewandt, um alle Frechener Sportplätze mit Kunstrasen auszustatten. Untersucht man nun die typischen Nutzer, dann wird man feststellen, dass die Frechener Kunstrasenplätze in vermutlich mehr als 90% aller Fälle von Jungs bevölkert werden. Wann hat die Stadt zuletzt einen siebenstelligen Betrag für mädchenspezifische Hobbys und Sportarten aufgewandt?
In Ramonville, einer Stadt nahe Toulouse wurden in 2009 pro Jungen 23,20 Euro aufgewandt, pro Mädchen nur 12,80 Euro. Eine geschlechterorientierte Analyse des Frechener Haushalts dürfte ähnliche Ungleichheiten zu Tage befördern.
Man muss sich das mal an einem konkreten Beispiel vorstellen: was würde geschehen, wenn man feststellen würde, dass ein Krankenhaus zu 80% von Männern frequentiert wird? Natürlich müsste man sich die Frage stellen, ob Frauen unter diesen Umständen überhaupt ausreichend Zugang zu den notwendigen ärztlichen Dienstleistungen dieses Krankenhauses hat, woran dies liegen könnte und wie man diese Fehlentwicklung abstellen kann. So ähnlich ist es im Bereich der von den Kommunen finanzierten und subventionierten Freizeitinfrastruktur.
Es handelt sich hierbei klar um politische Entscheidungen, die zu einer Institutionalisierung eines männlichen öffentlichen Raums führen. Y.Raibaud führt dies auf den Mythos von einer angenommenen erhöhten männlichen Gewalttätigkeit zurück, die dazu führt, dass Kommunen alles dafür tun, um Jungen und junge Männer im Freien zu beschäftigen.
Typisch hierfür seien die Skaterparks, die von Mädchen in der Mehrzahl nur besucht würden, um als Zuschauerinnen am Spektakel der Jungen teilzuhaben. Hier wird das alte Rollenmodell von der Passivität des weiblichen Geschlechts in dem von der Kommune finanzierten Skaterpark festgeschrieben.
Aber das sind nicht die einzigen Aspekte eines geschlechterspezifischen, also männlich strukturierten öffentlichen Raums. So sind Stadtplaner und die Entscheider in den Gremien vorzugsweise Männer und diese haben auch einen anderen Blick auf die Gestaltung von Innenstädten. Sie schaffen Städte entsprechend ihrer Vorstellungen als autofreie Städte, in denen es Spaß macht, sich zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu bewegen und zu flanieren.
Eine Studie hat bspw. gezeigt, dass es schon gravierende Differenzen bei der Nutzung des Fahrrads gibt. 60% der NutzerInnen sind männlich, nur 40% weiblich. Und dies liegt nicht daran, dass Fahrradfahren der Frisur schadet. Vielmehr spiegelt sich darin die unterschiedliche Rollenverteilung bei der Erwerbs- und der Hausarbeit wider. Frauen sind oft Teilzeitbeschäftigte, organisieren daneben die Kindervergnügen, den Einkauf, die schulischen Termine usw..
Die Organisation dieser unterschiedlichen Verpflichtungen lassen sich mit dem Fahrrad oft nicht vernünftig regeln und der öffentliche Nahverkehr stellt auch keine Alternative dar. Eine städtische Infrastruktur, die den in seiner Freizeit flanierenden, kaffeetrinkenden und radfahrenden Mann im Blick hat, geht an den Bedürfnissen der vor Ort das Familienleben organisierenden Hälfte der Menschheit, also den Frauen vorbei.
Spannend, oder?
Man sollte auch in Frechen den Haushalt mal unter geschlechtspezifischen Aspekten analysieren um die Frage zu beantworten, wer denn von den Leistungen einer Kommune den größeren Nutzen zieht, Männer oder Frauen.
Quelle: Charlie Hebdo, Nr. 1186, v. 15.04.2015
Thema: Opposition
05. November 14 | Autor: antoine favier | 0 Kommentare | Kommentieren
Weil ja der 9. November ein vom Gedenken erfüllter Tag ist, an dem sowohl des Judenpogroms 1938 als auch der Maueröffnung 1989 gedacht wird, ist ein weiteres Gedenkmotiv der weitestgehenden Vergessenheit anheimgefallen:
Am 9. November 1918 wurden alle deutschen Dynastien vom aufständischen Volk gestürzt und in Berlin wurde die Republik proklamiert.
Hier nun erinnern wir an den 5. November 1918, den Tag, an dem in Friedrichshafen am Bodensee die Revolution früher als andernorts gefordert wurde.
Nach ersten Friedensdemonstrationen am 22., 24. Und 26 Oktober 1918 wurde in Friedrichshafen für den 5. November 1918 der Generalstreik ausgerufen. Auf einer Versammlung im großen Saalbau der Luftschiffbau Zeppelin AG versammelten sich rund 5.000 Arbeiter und wohl gegen 100 Soldaten, die einen Arbeiter- und Soldatenrat (bestehend aus Vertretern von SPD und USPD) wählten. Die Forderungen des Arbeiter- und Soldatenrates Stuttgart wurden übernommen:
• Sofortiger Frieden,
• Abdanken aller Dynastien,
• Regierungsübernahme durch den Arbeiter- und Soldatenrat,
• Sozialisierung,
• 7-stündige Arbeitszeit.
Die Resolution schloss mit der Ankündigung, "die Erfüllung dieser Forderungen ggf. durch die Waffe der Revolution zu unterstützen".
Bildherkunft/-rechte: Kurt Tucholsky Literaturmuseum
http://www.museum-digital.de/brandenburg/singleimage.php?imagenr=1733&inwi=1&w=1585&h=1040
Am 9. November 1918 wurden alle deutschen Dynastien vom aufständischen Volk gestürzt und in Berlin wurde die Republik proklamiert.
Hier nun erinnern wir an den 5. November 1918, den Tag, an dem in Friedrichshafen am Bodensee die Revolution früher als andernorts gefordert wurde.
Nach ersten Friedensdemonstrationen am 22., 24. Und 26 Oktober 1918 wurde in Friedrichshafen für den 5. November 1918 der Generalstreik ausgerufen. Auf einer Versammlung im großen Saalbau der Luftschiffbau Zeppelin AG versammelten sich rund 5.000 Arbeiter und wohl gegen 100 Soldaten, die einen Arbeiter- und Soldatenrat (bestehend aus Vertretern von SPD und USPD) wählten. Die Forderungen des Arbeiter- und Soldatenrates Stuttgart wurden übernommen:
• Sofortiger Frieden,
• Abdanken aller Dynastien,
• Regierungsübernahme durch den Arbeiter- und Soldatenrat,
• Sozialisierung,
• 7-stündige Arbeitszeit.
Die Resolution schloss mit der Ankündigung, "die Erfüllung dieser Forderungen ggf. durch die Waffe der Revolution zu unterstützen".
http://www.museum-digital.de/brandenburg/singleimage.php?imagenr=1733&inwi=1&w=1585&h=1040
Thema: Opposition
27. November 13 | Autor: antoine favier | 0 Kommentare | Kommentieren
Eine Pressemitteilung der Falken:
Seit 20 Jahren veranstalten die Falken in den Ferien „Stadtranderholungen“ in Frechen-Habbelrath und an anderen Orten in der Stadt.
Am 20.November hat der Jugendhilfeausschuss neue Förderrichtlinien und einen neuen Leitfaden für die Stadtranderholung beschlossen. Wichtige Fragen, Anregungen und Kritiken der Falken und anderer Träger wurden nicht gehört bzw. übergangen.
Der Leiter einer Stadtranderholung mit bis zu 100 Kindern darf nicht mehr als 350 Euro kosten. Was für unsere Leitung einen Arbeitgeberbruttostundenlohn (AGB) von 7 € bedeutet, da sie 50 Stunden in der Woche für die Kinder da ist. Alle anderen MitarbeiterInnen dürfen nicht mehr als 5 € (AGB) pro Stunde verdienen. Das gilt auch für die KollegInnen, die sich um behinderte Kinder kümmern.
Im neuen Jahr müssen alle Träger wöchentlich einen Tagesausflug veranstalten, so sehen es die neuen Richtlinien vor. Viele Kinder kennen das „Phantasialand“, „Movie-Park“ und die anderen beliebten Ausflugsziele in der Region. Für die meisten Kinder ist es sehr wohltuend und entspannend, bei den Falken nicht im Auto oder im Reisebus sitzen zu müssen. „Die Kinder lieben es, sich bei uns im geschützten Raum draußen und frei zu bewegen“, so die junge Falkenvorsitzende Michelle Schmitz.
Wenn Rosa bei ihrer Mutter in Frechen und Jonas beim Vater in Kerpen lebt und beide gemeinsam bei den Falken teilnehmen wollen, dann geht das nicht mehr. Alle teilnehmenden Kinder müssen ab 2014 aus Frechen sein, will man die Förderung nicht verlieren.
Die Mahlzeiten müssen ab 2014 auch bei 35 Grad im Schatten warm sein, denn schließlich ist jetzt täglich eine warme Mahlzeit vorgeschrieben. Auch diese und viele andere kleine und große Verrücktheiten wurden am 20.11.2013 neu geregelt.
Vom 6. bis zum 8. Dezember tagen die Falken in Essen, um mit den vielen ehrenamtlichen und den hauptamtlichen HelferInnen das neue Jahr zu organisieren. Geplant war die Diskussion über Inklusionsprojekte und neue Methoden für die pädagogische Arbeit. Die Stadtranderholungen in Frechen müssen sie jetzt ganz neu planen, denn schließlich wollen der neue „Jugendförderungsplan“ und der neue „Leitfaden“ beachtet werden. „Fack ju Förderungsplan“ wird da so mancher Falke denken, der lieber darüber nachdenken würde, die eigenen Angebote vielfältiger und bunter zu machen.
Seit 20 Jahren veranstalten die Falken in den Ferien „Stadtranderholungen“ in Frechen-Habbelrath und an anderen Orten in der Stadt.
Am 20.November hat der Jugendhilfeausschuss neue Förderrichtlinien und einen neuen Leitfaden für die Stadtranderholung beschlossen. Wichtige Fragen, Anregungen und Kritiken der Falken und anderer Träger wurden nicht gehört bzw. übergangen.
Der Leiter einer Stadtranderholung mit bis zu 100 Kindern darf nicht mehr als 350 Euro kosten. Was für unsere Leitung einen Arbeitgeberbruttostundenlohn (AGB) von 7 € bedeutet, da sie 50 Stunden in der Woche für die Kinder da ist. Alle anderen MitarbeiterInnen dürfen nicht mehr als 5 € (AGB) pro Stunde verdienen. Das gilt auch für die KollegInnen, die sich um behinderte Kinder kümmern.
Im neuen Jahr müssen alle Träger wöchentlich einen Tagesausflug veranstalten, so sehen es die neuen Richtlinien vor. Viele Kinder kennen das „Phantasialand“, „Movie-Park“ und die anderen beliebten Ausflugsziele in der Region. Für die meisten Kinder ist es sehr wohltuend und entspannend, bei den Falken nicht im Auto oder im Reisebus sitzen zu müssen. „Die Kinder lieben es, sich bei uns im geschützten Raum draußen und frei zu bewegen“, so die junge Falkenvorsitzende Michelle Schmitz.
Wenn Rosa bei ihrer Mutter in Frechen und Jonas beim Vater in Kerpen lebt und beide gemeinsam bei den Falken teilnehmen wollen, dann geht das nicht mehr. Alle teilnehmenden Kinder müssen ab 2014 aus Frechen sein, will man die Förderung nicht verlieren.
Die Mahlzeiten müssen ab 2014 auch bei 35 Grad im Schatten warm sein, denn schließlich ist jetzt täglich eine warme Mahlzeit vorgeschrieben. Auch diese und viele andere kleine und große Verrücktheiten wurden am 20.11.2013 neu geregelt.
Vom 6. bis zum 8. Dezember tagen die Falken in Essen, um mit den vielen ehrenamtlichen und den hauptamtlichen HelferInnen das neue Jahr zu organisieren. Geplant war die Diskussion über Inklusionsprojekte und neue Methoden für die pädagogische Arbeit. Die Stadtranderholungen in Frechen müssen sie jetzt ganz neu planen, denn schließlich wollen der neue „Jugendförderungsplan“ und der neue „Leitfaden“ beachtet werden. „Fack ju Förderungsplan“ wird da so mancher Falke denken, der lieber darüber nachdenken würde, die eigenen Angebote vielfältiger und bunter zu machen.
Thema: Opposition
05. November 13 | Autor: antoine favier | 0 Kommentare | Kommentieren
Aus einem Interview mit dem Hamburger Verkehrsplaner Norbert Rothfuchs:
SPIEGEL ONLINE: Was stört sie denn genau am Auto? Mittlerweile sind die Abgase neuer Fahrzeuge sauberer als Landluft. Beim E-Auto ist die Schadstoffproblematik ganz vom Tisch.
Rothfuchs: Es gibt zwei Probleme. Zum einen, der fließende Verkehr auf den Hauptverkehrsadern, der immer dichter wird. Aber viel schlimmer ist die Situation in den Wohnquartieren, da stehen viele Autos manchmal 23 Stunden am Tag herum. Ich fände es gut, wenn man in dichtbesiedelten Stadtteilen wie Eimsbüttel in Hamburg, dem Westend in Frankfurt oder Schwabing in München alle 100 Meter mindestens 30 Meter frei räumt. Platz, den wir den Menschen zurückgeben. Bewohner und Besucher des Stadtteils müssen spüren, welche Chancen wir uns mit dem Zugeparke verspielen.
SPIEGEL ONLINE: Das dürfte einen Aufschrei in der Bevölkerung geben.
Rothfuchs: Wahrscheinlich, aber schauen Sie mal mit welcher Selbstverständlichkeit die Autos die Straßen dominieren. Es ist ja nicht nur Raum weg. Autos stellen ein großes Unsicherheitsproblem dar - besonders für Kinder. Unsere Generation hat auf der Straße noch Fußball gespielt. Das geht heute gar nicht mehr. Da stehen jetzt 70.000-Euro-Autos aneinandergereiht. Wenn da ein Lackkratzer dran kommt, dann ist aber Holland in Not. Das sind Einschränkungen, die sukzessive gekommen sind und von allen gelebt und von keinem hinterfragt werden. Und darum ist dieses vermeintliche Zukunftsauto keine Lösung, wenn wir es 1:1 gegen unsere konventionellen Modelle austauschen.
SPIEGEL ONLINE: Was bedeutet das für die Parkplätze?
Rothfuchs: Erst müssen wir noch einmal festhalten: Der Raum ist endlich. Warum denken wir nicht darüber nach wie in einigen Kantonen der Schweiz, Stellplätze auf öffentlichen Grund kostenpflichtig zu machen? Jeder, der keine Garage oder privaten Stellplatz nachweisen kann, sollte zahlen, wenn er die Straße zuparkt. In den meisten neuen Wohnquartieren in Deutschland gibt es üppige Garagen. Aber ausgerechnet die großen Geländewagen stehen auf der Straße. Da frage ich mich: Haben die keine 70 bis 100 Euro im Monat übrig, um ihr Auto beiseite zu schaffen?
SPIEGEL ONLINE: Wie schafft der Mensch es denn, das Auto aus der Stadt zu verdrängen?
Rothfuchs: Wir als Stadt- und Verkehrsplaner sind davon überzeugt, dass es einen riesigen Markt für Carsharing geben wird. Neue Wohnblöcke müssen gleich mit einem Mobilitätspool geplant werden, der private Autos überflüssig macht. So ein Pool ist viel besser, denn in der Garage steht dann nicht nur mein Wagen, sondern ein Cabrio, ein 7-Sitzer und noch ein Lastenfahrrad. Alle Fahrzeuge kann ich buchen, sie werden von einem Service gewartet, ich brauche mich nicht mit Werkstattterminen
SPIEGEL ONLINE: BMW gibt zu, dass sie mit dem i3 Kunden gewinnen wollen, die Bahn und Bus nutzen. Das wäre aus Ihrer Sicht doch fatal, wenn wir gerade dabei sind, in der Stadt das Blech zur Seite zu räumen.
Rothfuchs: Ach, da bin ich ganz entspannt. Die derzeit noch relativ hohe Durchschnittsgeschwindigkeit in deutschen Städten sinkt weiter kontinuierlich. Damit wird ein Umstieg oder ein Rückschritt aufs Auto eher unwahrscheinlich. Weniger der ökologische Gedanke veranlasst uns, Bus und Bahn zu nehmen. Vielmehr zählt der Faktor Zeit. Mit der Bahn bin ich meist schneller im Zentrum, kann mit Freunden spontan ein, zwei Bier trinken. Dem öffentlichen Nahverkehr gehört die Zukunft. Vorausgesetzt, wir machen nicht den Fehler, dass wir die Qualität an die Wand fahren. Damit meine ich überfüllte Züge, U-Bahnen die liegen bleiben oder defekte Klimaanlagen im ICE bei Temperaturen von über 30 Grad.
Also, wenn man die Gedanken des Verkehrsplaners auf Frechen überträgt:
Die hier weiterhin vorherrschende Logik, dass die Stadt in erster Linie autogerecht zu sein habe, und dass kostenfreies Parken an allen Orten ein Grundrecht ist, gehört dringend hinterfragt.
Wichtiger als Parkraum und breite Straßen sind öffentliche Verkehrsmittel in ausreichender Zahl und Qualität, ein Ausbau des Car-Sharings, Räume für Fußgänger und RadlfahrerInnen und die Schaffung von Freiräumen – der Raum ist endlich sagt der Verkehrsplaner, richtig, in Frechen aber gilt die Endlichkeit nachdem man den Autoverkehr versorgt hat.
Wer jetzt noch an die Stadtteilplanungen auf Grube Carl denkt und daran, dass die Stadt Frechen hier die Chance hätte, den Stadtteil konsequent auf die sich abzeichnenden Veränderungen im Mobilitätsverhalten der Menschen auszurichten, der weiß nicht, dass Frechen in solchen Dingen mindestens 2 Generationen hinter dem Rest der Republik herhinkt.
SPIEGEL ONLINE: Was stört sie denn genau am Auto? Mittlerweile sind die Abgase neuer Fahrzeuge sauberer als Landluft. Beim E-Auto ist die Schadstoffproblematik ganz vom Tisch.
Rothfuchs: Es gibt zwei Probleme. Zum einen, der fließende Verkehr auf den Hauptverkehrsadern, der immer dichter wird. Aber viel schlimmer ist die Situation in den Wohnquartieren, da stehen viele Autos manchmal 23 Stunden am Tag herum. Ich fände es gut, wenn man in dichtbesiedelten Stadtteilen wie Eimsbüttel in Hamburg, dem Westend in Frankfurt oder Schwabing in München alle 100 Meter mindestens 30 Meter frei räumt. Platz, den wir den Menschen zurückgeben. Bewohner und Besucher des Stadtteils müssen spüren, welche Chancen wir uns mit dem Zugeparke verspielen.
SPIEGEL ONLINE: Das dürfte einen Aufschrei in der Bevölkerung geben.
Rothfuchs: Wahrscheinlich, aber schauen Sie mal mit welcher Selbstverständlichkeit die Autos die Straßen dominieren. Es ist ja nicht nur Raum weg. Autos stellen ein großes Unsicherheitsproblem dar - besonders für Kinder. Unsere Generation hat auf der Straße noch Fußball gespielt. Das geht heute gar nicht mehr. Da stehen jetzt 70.000-Euro-Autos aneinandergereiht. Wenn da ein Lackkratzer dran kommt, dann ist aber Holland in Not. Das sind Einschränkungen, die sukzessive gekommen sind und von allen gelebt und von keinem hinterfragt werden. Und darum ist dieses vermeintliche Zukunftsauto keine Lösung, wenn wir es 1:1 gegen unsere konventionellen Modelle austauschen.
SPIEGEL ONLINE: Was bedeutet das für die Parkplätze?
Rothfuchs: Erst müssen wir noch einmal festhalten: Der Raum ist endlich. Warum denken wir nicht darüber nach wie in einigen Kantonen der Schweiz, Stellplätze auf öffentlichen Grund kostenpflichtig zu machen? Jeder, der keine Garage oder privaten Stellplatz nachweisen kann, sollte zahlen, wenn er die Straße zuparkt. In den meisten neuen Wohnquartieren in Deutschland gibt es üppige Garagen. Aber ausgerechnet die großen Geländewagen stehen auf der Straße. Da frage ich mich: Haben die keine 70 bis 100 Euro im Monat übrig, um ihr Auto beiseite zu schaffen?
SPIEGEL ONLINE: Wie schafft der Mensch es denn, das Auto aus der Stadt zu verdrängen?
Rothfuchs: Wir als Stadt- und Verkehrsplaner sind davon überzeugt, dass es einen riesigen Markt für Carsharing geben wird. Neue Wohnblöcke müssen gleich mit einem Mobilitätspool geplant werden, der private Autos überflüssig macht. So ein Pool ist viel besser, denn in der Garage steht dann nicht nur mein Wagen, sondern ein Cabrio, ein 7-Sitzer und noch ein Lastenfahrrad. Alle Fahrzeuge kann ich buchen, sie werden von einem Service gewartet, ich brauche mich nicht mit Werkstattterminen
SPIEGEL ONLINE: BMW gibt zu, dass sie mit dem i3 Kunden gewinnen wollen, die Bahn und Bus nutzen. Das wäre aus Ihrer Sicht doch fatal, wenn wir gerade dabei sind, in der Stadt das Blech zur Seite zu räumen.
Rothfuchs: Ach, da bin ich ganz entspannt. Die derzeit noch relativ hohe Durchschnittsgeschwindigkeit in deutschen Städten sinkt weiter kontinuierlich. Damit wird ein Umstieg oder ein Rückschritt aufs Auto eher unwahrscheinlich. Weniger der ökologische Gedanke veranlasst uns, Bus und Bahn zu nehmen. Vielmehr zählt der Faktor Zeit. Mit der Bahn bin ich meist schneller im Zentrum, kann mit Freunden spontan ein, zwei Bier trinken. Dem öffentlichen Nahverkehr gehört die Zukunft. Vorausgesetzt, wir machen nicht den Fehler, dass wir die Qualität an die Wand fahren. Damit meine ich überfüllte Züge, U-Bahnen die liegen bleiben oder defekte Klimaanlagen im ICE bei Temperaturen von über 30 Grad.
Also, wenn man die Gedanken des Verkehrsplaners auf Frechen überträgt:
Die hier weiterhin vorherrschende Logik, dass die Stadt in erster Linie autogerecht zu sein habe, und dass kostenfreies Parken an allen Orten ein Grundrecht ist, gehört dringend hinterfragt.
Wichtiger als Parkraum und breite Straßen sind öffentliche Verkehrsmittel in ausreichender Zahl und Qualität, ein Ausbau des Car-Sharings, Räume für Fußgänger und RadlfahrerInnen und die Schaffung von Freiräumen – der Raum ist endlich sagt der Verkehrsplaner, richtig, in Frechen aber gilt die Endlichkeit nachdem man den Autoverkehr versorgt hat.
Wer jetzt noch an die Stadtteilplanungen auf Grube Carl denkt und daran, dass die Stadt Frechen hier die Chance hätte, den Stadtteil konsequent auf die sich abzeichnenden Veränderungen im Mobilitätsverhalten der Menschen auszurichten, der weiß nicht, dass Frechen in solchen Dingen mindestens 2 Generationen hinter dem Rest der Republik herhinkt.