Thema: Umwelt
Der Rat der Stadt hat sich in seiner letzten Sitzung am 08. Oktober 2019 gegen die Ausrufung des lokalen Klimanotstandes ausgesprochen.
Dies ist eine in sich konsequente und stringente Entscheidung, da weder die Verwaltung noch die hiesigen Parteien bereit sind, sich den Anmutungen der Klimakrise zu stellen.

Liest man die Anträge der Parteien die im Zusammenhang mit den Notstandsbeschlüssen anderer Kommunen auch in Frechen formuliert wurden, so stellt man fest, dass die Uhren in Frechen anders gehen. Abseits der einleitenden Sätze, die „zügiges globales Handeln“ (FPD) fordern, die von „weltweiten Bemühungen über Jahrzehnte, den Ausstoß von Klimagasen zu reduzieren“ (Grüne) fabulieren, oder ganz allgemein finden, dass „negative Auswirkungen auf das Klima zu vermeiden“ (Perspektive für Frechen) seien, findet sich nachfolgend keine konkreten Vorschlägen, was auf kommunaler Ebene getan werden könnte.

Die „Perspektive für Frechen“ findet, dass man doch bitte schön mal in die Klimadiskussion einsteigen solle und ja, „klimafreundlichen Entscheidungen und Maßnahmen sollte Priorität eingeräumt“ werden.
Die FDP verlagert das Problem gleich mal auf die nächsthöheren Etagen und findet, dass Frechen fordern solle, dass Bundes- und Landesregierung NRW umfassend und regelmäßig über den Klimawandel, seine Ursachen und Auswirkungen“ informieren solen.
Daneben soll Frechen immerhin „die ökologische, gesellschaftliche und ökonomische Nachhaltigkeit bei „relevanten Entscheidungen berücksichtigen“ und „Entscheidungen prioritär behandeln, die den Klimawandel oder dessen Folgen abschwächen.“ Und dann soll doch Frechen „gegenüber Wirtschaft und Bürgern für die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen werben.“

Die FDP-Formulierungen finden sich dann alle wieder im gemeinsamen interfraktionellen Antrag von FDP, CDU und Grünen. Das Ganze wurde in diesem Antrag noch ergänzt um die übliche kommunale Vertagungspraxis, in dem man einerseits vorschlägt, einen Arbeitskreis zu gründen und andererseits die Erstellung eines Klimaschutzkonzeptes beauftragen und, Achtung „Highlight“, die Stelle eines/einer Klimaschutzmanagers/-in schaffen will.

Das klingt doch mal gut, ist aber Mumpitz, denn konkret heißt das Alles gar nichts.

Konkret bleibt festzuhalten, dass in den vergangenen Jahrzehnten fast nichts unternommen wurde, um den Ausstoß von Klimagasen zu reduzieren. Weder lokal, noch national oder global. Das der Menschheit zur Verfügung stehende Zeitfenster, um die gravierendsten Folgen der Klimakatastrophe noch zu vermeiden, wird von Tag zu Tag kleiner. Irgendwelche Träume von der Wundermaschine, mit deren Hilfe sowohl die Klimagase der Atmosphäre entzogen werden und gleichzeitig das massive Artensterben und die Zerstörung der Umwelt gestoppt werden könnten, sind eine große Illusion. Dieser öffentlich gelebte technizistische Machbarkeitswahn ist nur funktional zu verstehen, da man mit Verweis auf technische Erfindungen, die noch zu machen sind und deren Umsetzung in noch weiterer Ferne liegen, aktuelle Veränderungen erfolgreich ausbremsen will und auch ausbremst.

Vor diesem Hintergrund sind die Äußerungen der Frechener Parteien zum Klimanotstand zu bewerten.

So wird von „relevanten Entscheidungen“ gesprochen, ohne dass auch nur ein einziger Hinweis erfolgt, welche Entscheidungen in das Raster „klimarelevant“ fallen könnten und die Aussage, man wolle „die ökologische, gesellschaftliche und ökonomische Nachhaltigkeit“ (…) berücksichtigen“, schafft auch kein wirkliches Vertrauen. „Berücksichtigen“ beschreibt eine politische Leerformel, denn beim „Berücksichtigen“ ist man zu nichts verpflichtet, insbesondere dann nicht, wenn man bestimmte Grundsätze nur bei „relevanten Entscheidungen“ „berücksichtigen“ will.

Aber es klingt halt gut.

Es wird aber sofort eine weitere Einschränkung formuliert. Bei den „relevanten“ Entscheidungen dürfe das Ziel nur lauten, dass die Entscheidungen, „soweit möglich“ positiven Einfluss auf den Klimawandel nehmen sollen. Mit anderen Worten: wenn andere Aspekte eine deutlich höhere Priorität genießen, so dürfen auch negative Einflüsse auf den Klimawandel in Kauf genommen werden.

Das nennt sich dann: Kollateralschaden, es gibt halt Wichtigeres als das Klima.

Aber „täterätää“, es wird ja nun ein/e Klimaschutzmanager/-in eingestellt und der oder diese wird uns retten. Naja, nur ein bisschen und nur auf Zeit, denn er oder sie soll nur befristet eingestellt werden. Und dann soll er oder sie sich auch nur um die Erstellung des Klimaschutzkonzeptes kümmern. Und wenn dann ganz viel klimaneutral erzeugtes Papier vollgeschrieben ist, dann wird der/die Klimamanager/in die Stadt Frechen auch wieder verlassen dürfen. Inzwischen werden die übrigen Ressorts der Stadt munter Entscheidungen vorbereiten und umsetzen, die grundsätzlich alle als irrelevant im Hinblick auf das Klima zu betrachten sind.

Und dann hat Frechen ein Klimakonzept und alles wird gut. So viel Lösungsorientierung war selten in Frechen. Echt.

Der Vertreter der SPD, Jürgen Weidemann, sprach die Haltung des gesamten Stadtrates, politisch vielleicht etwas unklug, aber in seiner Offenherzigkeit dafür glaubwürdig, sehr deutlich aus. Die Möglichkeiten der Stadt, auf den Klimawandel Einfluss zu nehmen, sei gering und im Bereich Gebäude und Fuhrpark sei schon vieles geregelt. (KStA v. 12./13.10.2019)

Ein Armutszeugnis, denn natürlich kann auf kommunaler Ebene einiges unternommen werden:
So entstammen gut ein Fünftel der CO2-Emissionen in Deutschland dem Verkehr. Will man diese Emissionen reduzieren, dann muss man in das individuelle Mobilitätsverhalten eingreifen. Mit Angeboten und mit Verboten. Auf lokaler Ebene wäre dabei daran zu denken, dass man endlich ein flächendeckendes Netz an abgetrennten Fahrradwegen baut (=Angebot) und gleichzeitig den Verkehrsraum, den man Autos eingeräumt hat, reduziert, also Parkplätze am Straßenrand zurückbaut, Autospuren zu Gunsten von Radwegen reduziert und generell das Parken im öffentlichen Raum so unattraktiv wie möglich gestaltet und mit einem hohen Preis belastet.(=Verbot). Erweiternd müsste man ganz dringend den schienengebundenen Nahverkehr ausbauen, also die Linie 7 nach Habbelrath verlängern, man müsste über eine neue Ringbahn nachdenken, die statt eines autobahnmäßigen Ausbaus der Bonnstraße, Pullheim – Brauweiler – Frechen – Hürth und Brühl verbindet. Ebenso wichtig wäre eine Verlängerung der Linie 1 bis zum westlichen Ortsende von Königsdorf und ein Ausbau der P+R-Angebots (=Angebot). Man könnte über überdachte Fahrradabstellplätze nachdenken und am Bahnhof Königsdorf ein Fahrradparkhaus wie in Horrem errichten.
Alles wunderbare Angebote, zielführend und in der Folge emissionsmindernd, da nur ein massiver Ausbau von schienengebundenem ÖPNV und der separierten Radwege dazu führen werden, dass die Menschen sich von ihren eingeübten Mobilitätsverhalten lösen und auf andere Verkehrsmittel umsteigen.



Für Köln wird für 2050 im heißesten Monat des Jahres ein Anstieg der Höchsttemperaturen um fast 6 Grad prognostiziert, berechnet auf der Basis eines CO2-Eintrags in die Atmosphäre, der bis zum Jahrhundertende mit einem Temperaturanstieg von 1,5 bis 2 Grad korrespondiert. Also alles eher konservativ und vermutlich viel zu positiv gerechnet. Selbst wenn der CO2-Ansteig jetzt massiv gebremst würde, muss in Köln also mit Höchsttemperaturen von deutlich über 30 Grad, in der Spitze von mehr als 35 Grad gerechnet werden. Da wird Frechen nur unwesentlich darunter liegen. Damit werden dann regelmäßig Temperaturen erreicht, die für ältere und kranke Menschen schnell tödlich werden können.
Statt nun also großräumig neue Wohn- und Gewerbegebiete zu planen, wäre es daher sinnvoller, einen Grünflächenentwicklungsplan aufzustellen.

Dabei geht es nicht nur darum, für genügend Bäume und Grünflächen zu sorgen, um die eng bebauten Stadtzonen gegen die kommenden extrem belastenden Hitzetage zu wappnen, nein, es muss auch damit gerechnet werden, dass die stadtbildprägenden Bäume, so etwa die Platanen, in den kommenden Jahren zu fällen sind.
Denn die Klimakrise führt zu einer trocken-heißen Witterung, die mit Wassermangel verbunden ist. Davon profitieren Pilze wie der Massaria-Pilz, der Platanen befällt. Bei älteren Platanen bildet sich dadurch verstärkt Totholz, das leichter bricht. Dieser Pilz war noch vor 10 Jahren in Deutschland unbekannt. Dank der steigenden Temperaturen ist er hier nun heimisch. Die Robinie ist durch den Eschenbaumschwamm bedroht, die Kastanie durch die Kastanienminiermotte, aus Asien kommend wurde der Laubbockholzkäfer hier heimisch, der gesunde Laubbäume befällt und zerstört. Die Liste der hier dank höherer Temperaturen heimisch gewordener Baumschädlinge könnte leicht verlängert werden. Es reicht, sich vorzustellen, wie der Freiheitsring, wie die Fußgängerzone, wie der Marktplatz ohne seine Platanen, wie der alte Friedhof neben St. Audomar ohne seine Kastanien aussehen wird.

Es gäbe also viel zu tun, aber: lassen wir es liegen. Nach diesem Motto handelt der Frechener Stadtrat mit der impliziten Unterstützung aller Parteien.

Dank der Fridays for Future – Bewegung wird aber täglich offenkundiger, dass diese Form des gepflegten Nichtstuns an ihr logisches Ende stößt. Die Wahlergebnisse der letzten Monate sprechen eine deutliche Sprache. Die Parteien, die systematisch jegliches Handeln verweigert haben, und bis heute gerne Handeln vortäuschen, wurden abgestraft. Die Grünen haben, im Grunde unverdient, davon profitiert.

Man denke nur an die Frechener Jamaika-Koalition und ihre klimapolitische Erfolgsbilanz. Wem hierzu etwas Substantielles einfällt, ist aufgefordert, darüber zu berichten ….

Aber die FFFs werden weiter demonstrieren. Extinction Rebellion wird weiter Straßen und Brücken blockieren. Das Frühjahr wird kommt und mit ihm wird deutlich werden, wie viele Bäume, die letzten beiden, der Klimakrise geschuldeten, heißen und trockenen Sommer nicht überlebt haben werden. (Wer mit offenen Augen durch Frechen läuft, kann die Baumleichen schon jetzt sehen. Und es werden mehr werden.)

Es ist zu hoffen, dass wir bei den Kommunalwahlen im kommenden Spätsommer auch hier erleben werden, dass das in der Bevölkerung gewachsene Bewusstsein über die Klimakrise sich auch im Wahlverhalten niederschlagen wird. Weder SPD, FDP und CDU dürften davon profitieren und für die Grünen ist zu hoffen, dass Anhänger und Anhängerinnen der FFF die Partei majorisieren, verjüngen und programmatisch wieder auf Kurs bringen.

Ein Erfolg der jetzigen Grünen ist klimapolitisch nicht mehr als ein Pyrrussieg.





clement_a_frechen, Donnerstag, 17. Oktober 2019, 22:08
"Radweg ist Parkplätzen gewichen" KStA
https://www.ksta.de/region/rhein-erft/frechen/empoerung-ueber-frechener-verwaltung-radweg-ist-parkplaetzen-gewichen-33254536

antoine favier, Donnerstag, 17. Oktober 2019, 22:18
Im Fußball heißt es, “...und am Ende gewinnt Deutschland“.
In Frechen gilt: “... und am Ende gewinnt das Auto.“

5 uhr-teefix, Montag, 21. Oktober 2019, 23:03
Wie immer eine zutreffende Analyse, besonders was den Koalitions-Antrag zum Klimaschutz betrifft, der in der Sache völlig substanzlos ist. Deshalb hat die SPD auch dagegen gestimmt, denn der Antrag bestand (wie oben treffend nachzulesen) fast ausschließlich aus heißer Luft.

Die Produktion von heißer Luft scheint auch eines der wenigen Dinge zu sein, die in dieser Koalition gut klappen. Man denke nur an den nach der letzten Kommunalwahl vollmundig angekündigten "Masterplan", der immer wieder mal thematisiert wird, für den auch Geld im Haushalt eingestellt wurde, der aber bisher nicht mehr als eine Fata Morgana geblieben ist.

Natürlich kann auf kommunaler Ebene im Bereich Klimaschutz noch einiges mehr gemacht werden, als nur Gebäudesanierung und E-Fahrzeuge für den Fuhrpark und es ist auch richtig, dass im Verkehrsbereich das größte Einsparpotenzial in Bezug auf den Ausstoß von Treibhausgasen besteht. Darüber wird in den städtischen Gremien auch diskutiert. Es werden auch Beschlüsse gefasst (oft einstimmig). Aber dann geht in der Regel erst einmal alles seinen bürokratischen Gang und vieles versickert auch unterwegs.Doch das Jamaika-Bündnis, welches die "Stadtregierung" trägt, unternimmt nichts, um die Dinge zu beschleunigen.

Vor gut drei Jahren hat der Stadtrat einstimmiig einen Verkehrsentwicklungsplan beschlossen,der eindeutig dem Rad- und Fußverkehr Vorrang im Ausbau der Verkehrswege einräumt. Würde der Plan umgesetzt, sähen die Verkehrswege in Frechen schon deutlich anders aus.

hache, Dienstag, 22. Oktober 2019, 00:01
Oh la la:

http://www.frechenschau.de/konzept-fuer-gewerbeflaechen-in-frechen-flaechenversiegelung-contra-klimaschutz/

+

http://www.frechenschau.de/flaeche-flaeche-flaeche-und-bloss-nicht-ans-klima-denken/

lincoln1208, Freitag, 25. Oktober 2019, 14:22
Die Linke hat im Stadtrat kritisiert, dass man das Wort Klimanotstand vermeidet wie der Teufel das Weihwasser. Dem weichgespühlten Antrag von CDU, FDP und Grünen hat sie nicht zugestimmt. Sie hat sich mit dem Hinweis enthalten, dass dies alles nicht genug sei, angesichts der dramatischen Entwicklung der Erderwärmung.

In diesem Stadtrat gibt es keine Mehrheit für wirklich wirksame umweltpolitische Maßnahmen, hier regiert immer noch das Auto. Selbst die Grünen waren ja in ihrer Mehrheit gegen eine Baumschutzsatzung. Sie hecheln den Koalitionspartnern von CDU und FDP nur hinter her!


antoine favier, Sonntag, 27. Oktober 2019, 10:35
Leider haben es sowohl SPD als auch die Linke versäumt in den vergangenen Jahren ein glaubwürdiges ökologisches Profil zu entwickeln.
Den FFF dagegen ist gelungen, woran die Grünen seit Jahren gescheitert sind: die Klimakrise ins Zentrum der politischen Diskussion zurücken.
Beim Thema Ökologie gibt es daher keine glaubwürdige Alternative zu den Grünen. Nur deswegen werden sie von einer Bewegung profitieren, die auch auf Grund der unzureichenden ökologischen Reformansätze der Grünen entstanden ist, die sich im Grunde auch gegen die Politik der Grünen richtet.
Solange aber eine SPD auf Bundes- und Landesebene so viel ökologischen Reformwillen ausstrahlt wie Olaf Scholz Lebensfreude und sie auf kommunaler Ebene jedem Gewerbe- und Neubaugebiet eine höhere Prioriät zuordnet, als dem Klimaschutz, solange der Linken bundesweit das Etikett anheftet, sich um die Verlorenen der Gesellschaft kümmern zu wollen, wird sich an dieser Situation nicht viel verändern.
Dabei gilt: Ohne Kapitalismus keine Klimakrise. Die an sich notwendige Ableitung wird leider von keiner Partei formuliert:
Im Kapitalismus keine Lösung der Klimakrise.

Eine ökologische und glaubwürdige Alternative zu den Grünen müsste aber diesen Punkt ins Zentrum der Auseinandersetzung rücken.