Thema: Grube Carl
23. Mai 17 | Autor: antoine favier | 1 Kommentar | Kommentieren
Vor rund 6 Wochen hat die "Perspektive für Frechen" die Verwaltung aufgefordert, eine Realisierung der Verlängerung der Linie 7 in den Stadtteil Grube Carl zu prüfen.
Die Perspektive begründet ihren Antrag so:
So weit, so richtig.
Schauen wir mal ein bisschen auf die Historie der Verlängerung der Linie 7. In einer Vorlage, die dem Stadtrat 2006 zuging, wurden die Kernelemente der Stadteilentwicklung prägnant zusammen gefasst:
Geplant war, den Stadtteil über eine Hauptsammelstraße zu erschließen, die heutige Straße Grube Carl, ansonsten aber sollte das Verkehrsaufkommen möglichst gering gehalten werden, um die "Leistungsfähigkeit des Straßennetzes zu erhalten". Dazu sollte der Stadtteil eine umfangreiche Infrastrukturausstattung erhalten (Grundschule, Kindergarten, Geschäfte und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs). Ziel war die Entwicklung eines "Stadtteils der kurzen Wege".
Zweiter zentraler Aspekt, um das Verkehrsaufkommen gering zu halten, war die frühzeitige Verlängerung der Linie 7 in den Stadtteil hinein, die zugleich eine innerstädtische Verkehrsbedeutung habe, da eine direkte Verbindung in die Innenstadt geschaffen werde.
Nun wissen alle Beteiligten, dass die umfangreiche Infrastrukturausstattung ein Versprechen ohne Wert war. Im Neubaugebiet gibt es eine Kindertagesstätte, eine Bäckereifiliale, ein Zahnarzt und einen Friseur. Damit hat es sich aber auch mit den Geschäften und Dienstleistungen für den täglichen Bedarf.
Statt eines Stadtteils der "kurzen Wege" haben wir einen Stadtteil der langen Anfahrten.
Ergänzend kommt hinzu, dass zumindest vermutet werden kann, dass Stadtteilbewohner*innen, die ihre täglichen Einkäufe mit dem Auto erledigen müssen, ihre Einkäufe nicht zwingend in Frechen erledigen. Die durch die Straßenbahn herstellbare direkte Verbindung in die Innenstadt könnte eine der Maßnahmen sein, um die Attraktivität der Frechener Innenstadt wieder zu steigern. Mit einer Verlängerung der Bahn bis Habbelrath / Grefrath würden zwei weitere größere Stadtteile von den Vorteilen einer Straßenbahnanbindung profitieren.
2006 scheiterte die Verlängerung der Linie 7 daran, dass die bei der Aufstellung der förderfähigen ÖPNV-Maßnahmen die Linie 7 wegen eines schlechten Kosten-/Nutzen-Verhältnisses als nicht förderfähig eingestuft wurde. Ohne eine entsprechende Förderung aus dem Landeshaushalt aber war an die Verlängerung der Linie 7 nicht zu denken.
Damals war allen Beteiligten klar, dass die Verlängerung der Linie 7 unabdingbar ist, wenn auf Grube Carl weitergebaut wird.
Und die SPD erklärte 2005, sie werde
Auch die Grünen im Kreis vertraten 2006 die Position, dass die Linie 7 verlängert werden müsste.
Nun ist die Verkehrssituation Frechen nicht besser geworden. Und mit jedem neuen Baugebiet in der Stadt wird es schlimmer auf Frechens Straßen. Der öffentliche Nahverkehr wird systematisch vernachlässigt, da er Geld kostet. Und eine Straßenbahn kostet doppelt. Sowohl beim Bau als auch im Unterhalt.
Die heute herrschende Logik brachte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, M. Erbacher, 2016 in ihrer Haushaltsrede, punktgenau zu Ausdruck:
Trotzdem ist die Verlängerung der Linie 7 unabdingbar, soll das Baugebiet Grube Carl in den kommenden Jahren weiterentwickelt werden.
Das Thema Grundschule im Stadtteil wurde 2008/2009 endgültig beerdigt, obwohl weiterhin damit zu rechnen ist, dass die Lindenschule, selbst wenn sie denn in drei Jahren dreizügig zur Verfügung stehen wird, nicht für alle Kinder des neuen Stadtteils reichen wird.
Es steht daher zu erwarten, dass Kinder des Stadtteils an benachbarten Grundschulen eingeschult werden müssen. Da werden dann Kinder mit dem Auto hingefahren werden.
Das Einkaufen im Stadtteil findet auch nicht statt, das wird mit dem Auto erledigt. Mit jedem neuen Bewohner im Stadtteil also zusätzliche Fahrten. Dazu die Wege zur Arbeit. Nachdem heutzutage in Familien beide arbeiten bedeutet dies meist, dass 2 Autos bewegt werden.
Wer regelmäßig Bus fährt, der weiß, dass in den Bussen Rentner*innen und Schulkinder anzutreffen sind, aber kaum Erwachsene im erwerbstätigen Alter. Damit ist schon alles gesagt zur Akzeptanz der Buslinie 965 bei der erwerbstätigen Bevölkerung des Stadtteils.
Ganz anders in der Linie 7. Diese ist morgens und abends voll mit Erwachsenen auf dem Weg zur Arbeit.
Der von der "Perspektive Für Frechen" eingereichte Prüfauftrag kommt möglicherweise etwas spät, da es ja nicht nur um eine innerstädtische Entscheidung geht, sondern um Entscheidungsprozesse bis hinauf ins Landesverkehrsministerium und wer da noch alles so mitreden darf, will und muss. Aber immerhin besinnt sich eine politische Formation auf die Notwendigkeit der Entwicklung des öffentlichen Nahverkehrs in Frechen.
Es ist ja nun nicht unbedingt so, dass weitere Straßen Frechen für die Stadtbewohner attraktiver machen würden. Eher im Gegenteil, jeder Straßenbau generiert zusätzlichen Autoverkehr. Und Autoverkehr in einer Stadt ist das Gegenteil von Lebensqualität.
Schade nur, dass Lebensqualität in der Frechener Politik einen so geringen Stellenwert besitzt. Das Thema der Verlängerung der Linie 7 würde sonst einen viel höheren Platz in der politischen Agenda der Stadt einnehmen.
Die Perspektive begründet ihren Antrag so:
Sofern im Stadtteil Grube Carl sukzessive weitere Planzellen erschlossen werden und auch in Habbelrath (z. B. an der Ammerstraße) ein neues Baugebiet entsteht, benötigen wir aus unserer Sicht zwingend die Verlängerung der Linie 7, um den ÖPNV attraktiver zu gestalten, eine steigende Nutzung zu bewirken und das zu erwartende gesteigerte Verkehrsaufkommen bewältigen zu können.Eine verkehrliche Entlastung speziell im Innenstadtbereich sei nur über den Ausbau des ÖPNV möglich. Die "Perspektive" schlägt zudem vor, eine Verlängerung der Straßenbahn bis Habbelrath / Grefrath zu prüfen.
So weit, so richtig.
Schauen wir mal ein bisschen auf die Historie der Verlängerung der Linie 7. In einer Vorlage, die dem Stadtrat 2006 zuging, wurden die Kernelemente der Stadteilentwicklung prägnant zusammen gefasst:
Geplant war, den Stadtteil über eine Hauptsammelstraße zu erschließen, die heutige Straße Grube Carl, ansonsten aber sollte das Verkehrsaufkommen möglichst gering gehalten werden, um die "Leistungsfähigkeit des Straßennetzes zu erhalten". Dazu sollte der Stadtteil eine umfangreiche Infrastrukturausstattung erhalten (Grundschule, Kindergarten, Geschäfte und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs). Ziel war die Entwicklung eines "Stadtteils der kurzen Wege".
Zweiter zentraler Aspekt, um das Verkehrsaufkommen gering zu halten, war die frühzeitige Verlängerung der Linie 7 in den Stadtteil hinein, die zugleich eine innerstädtische Verkehrsbedeutung habe, da eine direkte Verbindung in die Innenstadt geschaffen werde.
Nun wissen alle Beteiligten, dass die umfangreiche Infrastrukturausstattung ein Versprechen ohne Wert war. Im Neubaugebiet gibt es eine Kindertagesstätte, eine Bäckereifiliale, ein Zahnarzt und einen Friseur. Damit hat es sich aber auch mit den Geschäften und Dienstleistungen für den täglichen Bedarf.
Statt eines Stadtteils der "kurzen Wege" haben wir einen Stadtteil der langen Anfahrten.
Ergänzend kommt hinzu, dass zumindest vermutet werden kann, dass Stadtteilbewohner*innen, die ihre täglichen Einkäufe mit dem Auto erledigen müssen, ihre Einkäufe nicht zwingend in Frechen erledigen. Die durch die Straßenbahn herstellbare direkte Verbindung in die Innenstadt könnte eine der Maßnahmen sein, um die Attraktivität der Frechener Innenstadt wieder zu steigern. Mit einer Verlängerung der Bahn bis Habbelrath / Grefrath würden zwei weitere größere Stadtteile von den Vorteilen einer Straßenbahnanbindung profitieren.
2006 scheiterte die Verlängerung der Linie 7 daran, dass die bei der Aufstellung der förderfähigen ÖPNV-Maßnahmen die Linie 7 wegen eines schlechten Kosten-/Nutzen-Verhältnisses als nicht förderfähig eingestuft wurde. Ohne eine entsprechende Förderung aus dem Landeshaushalt aber war an die Verlängerung der Linie 7 nicht zu denken.
Damals war allen Beteiligten klar, dass die Verlängerung der Linie 7 unabdingbar ist, wenn auf Grube Carl weitergebaut wird.
Im Hinblick auf die Entwicklung des Baugebietes Grube Carl ist eine ÖPNV-Anbindung sehr wichtig. Ohne die Straßenbahn kommen wir in einem so großen Bereich gar nicht aus,erklärte damals Ulrich Volland von der CDU.
Und die SPD erklärte 2005, sie werde
als Opposition nicht nur darauf aufpassen, dass die CDU sich nicht von Ihren Wahl-Versprechen klammheimlich verabschiedet, sondern wollen darüber hinaus eigene Akzente gesetzt wissen.?Zu den aufgeführten Wahlversprechen, auf deren Umsetzung die SPD besonders achten wollte, zählte auch die Verlängerung der Linie 7.
Auch die Grünen im Kreis vertraten 2006 die Position, dass die Linie 7 verlängert werden müsste.
Nun ist die Verkehrssituation Frechen nicht besser geworden. Und mit jedem neuen Baugebiet in der Stadt wird es schlimmer auf Frechens Straßen. Der öffentliche Nahverkehr wird systematisch vernachlässigt, da er Geld kostet. Und eine Straßenbahn kostet doppelt. Sowohl beim Bau als auch im Unterhalt.
Die heute herrschende Logik brachte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, M. Erbacher, 2016 in ihrer Haushaltsrede, punktgenau zu Ausdruck:
Für den Ausbau des ÖPNV haben wir in diesem Jahr dagegen kein zusätzliches Geld eingestellt, weil wir einen Schwerpunkt beim Radverkehr setzen wollen. Investitionen in den Radverkehr sind im Verhältnis zum Nahverkehr wesentlich effizienter und umweltpolitisch wirksamer.Nachdem aber weder für Radfahrer*innen noch für den ÖPNV in den vergangenen Jahren etwas getan wurde, bleibt festzuhalten, dass "kein Geld ausgeben" als Zweck grünen Handelns übrig geblieben ist.
Trotzdem ist die Verlängerung der Linie 7 unabdingbar, soll das Baugebiet Grube Carl in den kommenden Jahren weiterentwickelt werden.
Das Thema Grundschule im Stadtteil wurde 2008/2009 endgültig beerdigt, obwohl weiterhin damit zu rechnen ist, dass die Lindenschule, selbst wenn sie denn in drei Jahren dreizügig zur Verfügung stehen wird, nicht für alle Kinder des neuen Stadtteils reichen wird.
Es steht daher zu erwarten, dass Kinder des Stadtteils an benachbarten Grundschulen eingeschult werden müssen. Da werden dann Kinder mit dem Auto hingefahren werden.
Das Einkaufen im Stadtteil findet auch nicht statt, das wird mit dem Auto erledigt. Mit jedem neuen Bewohner im Stadtteil also zusätzliche Fahrten. Dazu die Wege zur Arbeit. Nachdem heutzutage in Familien beide arbeiten bedeutet dies meist, dass 2 Autos bewegt werden.
Wer regelmäßig Bus fährt, der weiß, dass in den Bussen Rentner*innen und Schulkinder anzutreffen sind, aber kaum Erwachsene im erwerbstätigen Alter. Damit ist schon alles gesagt zur Akzeptanz der Buslinie 965 bei der erwerbstätigen Bevölkerung des Stadtteils.
Ganz anders in der Linie 7. Diese ist morgens und abends voll mit Erwachsenen auf dem Weg zur Arbeit.
Der von der "Perspektive Für Frechen" eingereichte Prüfauftrag kommt möglicherweise etwas spät, da es ja nicht nur um eine innerstädtische Entscheidung geht, sondern um Entscheidungsprozesse bis hinauf ins Landesverkehrsministerium und wer da noch alles so mitreden darf, will und muss. Aber immerhin besinnt sich eine politische Formation auf die Notwendigkeit der Entwicklung des öffentlichen Nahverkehrs in Frechen.
Es ist ja nun nicht unbedingt so, dass weitere Straßen Frechen für die Stadtbewohner attraktiver machen würden. Eher im Gegenteil, jeder Straßenbau generiert zusätzlichen Autoverkehr. Und Autoverkehr in einer Stadt ist das Gegenteil von Lebensqualität.
Schade nur, dass Lebensqualität in der Frechener Politik einen so geringen Stellenwert besitzt. Das Thema der Verlängerung der Linie 7 würde sonst einen viel höheren Platz in der politischen Agenda der Stadt einnehmen.
travelfox42,
Mittwoch, 31. Mai 2017, 22:58
"Investitionen in den Radverkehr sind im Verhältnis zum Nahverkehr wesentlich effizienter und umweltpolitisch wirksamer." - man könnte es für einen Witz halten, wenn es nicht tatsächlich ernst gemeint wäre. Was man eigentlich sagen will, ist, dass man einfach nicht das Geld hat, in den ÖPNV zu investieren. Aber das traut man sich nicht. Stattdessen das Verstecken hinter "umweltpolitischen" Gesichtspunkten. Glaubt man im Ernst, alle, die in Köln arbeiten, fahren dann einfach mal mit dem Rad? Selbst wenn der viel beschworene Radschnellweg kommt (der ja auch gar nicht Grube Carl anbindet, da muss man sich immer noch durch das Frechener Chaos wühlen), er würde das Problem nicht lösen. Einzig eine vernünftige Anbindung per Bahn würde Abhilfe bringen. Und dann sollten auch endlich mal ALLE Bahnen von Köln aus durchfahren und nicht auf freiem Feld an Haus Vorst enden. Das ist der nächste Anachronismus.