„Während die SPD durch den „Schulz-Effekt“ [in der Wählergunst] stark zulegte und neuerdings vor Selbstbewusstsein strotzt, stellt sich für die Grünen zunehmend die Frage, ob der Wiedereinzug in den Landtag gelingt.“
So schreibt es heute der KStA und er hat nicht Unrecht. Wobei der „Schulz-Effekt“ ja nur die eine Seite der Medaille ist. Die Grünen haben, hier im Blog wurde dies unter lokalpolitischem Blickwinkel schon häufiger thematisiert, sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten von ihrem programmatischen Kern immer mehr entfernt.

Wo kamen sie den her, die Grünen? Programmatisch handelte es sich in den 80ern um eine Fusion von Friedensbewegung, Ökologie, Frauenbewegung und altlinken Weltverbesserungsutopien. Von den Altlinken, den sogenannten Fundis, (bspw. Trampert, Ebermann und Ditfurth) haben sich die Grünen zuerst verabschiedet. In der Rot-Grünen Koalition unter Schröder wurde im Kosovokrieg der grundsätzliche Pazifismus beerdigt. Dass ein Joschka Fischer seinen neuen bellizistischen Moralismus mit Völkermord- und Nie-wieder-Faschismus-Argumenten schön und einem humanitären Interventionismus das Wort redete, hat den Grünen in der kleinen Restfriedensbewegung viel Kredit gekostet. Zugleich haben die Grünen die Hartz-IV-Gesetze mitbeschlossen und so ihren linken Flügel weiter geschwächt.

Die Partei Die Linke in Westdeutschland ist ja nicht nur aus enttäuschten SPDlern und Gewerkschaftern entstanden sondern auch aus ebenso frustrierten Grünen von deren ehemals linkem Flügel.

Das fiel damals alles nicht so ins Gewicht, da die Grünen, auf dem Weg in die Mitte der Gesellschaft, ihre Verluste auf dem linken Flügel leicht wettmachen konnten mit Zugewinnen im wohlsituierten Bürgertum. Wenn man der SPD gerne vorwirft, links zu blinken und dann rechts abzubiegen, auch die Grünen beherrschten dieses Spiel immer besser.

Man könnte diese Entwicklung jetzt in allen Einzelheiten aufdröseln, aber der sich hier abzeichnende Prozesscharakter ist allemal deutlich geworden. Die Grünen sind in Bezug auf ihr Hauptwahlklientel bürgerlicher geworden und das Hauptwahlklientel zählt zum Einkommensstärksten aller deutschen Parteien.

Manche programmatischen Ungereimtheiten lassen sich so leicht erklären:

Früher mal die Einführung der Flugbenzinsteuer gefordert? Na ja, nachdem Teile der Grünwähler*innen zu den Vielfliegern der Nation zählen, scheint das nicht mehr opportun.
Früher mal eine Erbschaftssteuer gefordert? Nachdem Teile der heutigen Grünwähler*innen Papas Häuschen erben, scheint auch das nicht mehr opportun.
Früher mal scharfe gesetzliche Regelungen zur Durchsetzung ökologischer Standards gefordert, die beim Individuum Verhaltensänderungen erzwungen hätten? Seitdem Teile der Grünwähler*innen im grünen Segment der Marktwirtschaft gutes Geld verdienen, träumen sie von der naturwüchsigen Durchsetzung grünen Lifestyles im Wege der Marktdurchdringung. Wie sehr sie sich dem Neoliberalismus einer FDP angenähert haben, verdrängen die Grünen gekonnt.

Und wenn man dann die NRW-Grünen von der kommunalen Basis her anschaut, dann stellt man fest, dass ganz unten dieser Rechtsdrall noch viel stärker ist, als es auf Landes- oder Bundesebene auffällt. Die Grünen im Rheinland werden in der Tagespresse noch immer dominiert vom großen Kölner Stadtverband, der sich bis vor 2 Jahren noch als linker Stadtverband verstand, während das gesamte Umland bereits schwarz-grün bzw. schwarz-grün-gelb als die politische Zukunft betrachtete.
Köln ist im Zuge der Bürgermeisterwahl nachgezogen und praktiziert nun auch ein schwarz-grünes Politikmodell.

Seit diesem Zeitpunkt war es mehr als realistisch, dass die Grünen auch in NRW gut mit einer schwarz-grünen Koalition leben können.

Das Problem ist nur: an der Basis sind die schwarz-grünen Koalitionen alles nur kein grünes Erfolgsmodell. Bleiben wir mal ganz bodenständig und Frechenverwurzelt und fragen nach, welche grünen Ideen und Positionen aus dem Wahlkampfprogramm in den letzten beiden Jahren hier vor Ort umgesetzt wurden.
Es fällt niemandem etwas ein?
Genau, das ist das Problem und dies nicht nur in Frechen.
Auch aus Hürth oder Pulheim oder Köln ist bisher nichts bekannt geworden, was sich als erfolgreiche Umsetzung grüner Inhalte verkaufen ließe.

Und auf Landesebene?
Da haben wir die Frontfrau Sylvia Löhrmann als Bildungsministerin. Kein unbedingt leichter Job, man kann es sich mit vielen verscherzen. Inzwischen aber hat sie sich in manchen Punkten sogar zum Gespött gemacht.
Man spreche mal mit Eltern schulpflichtiger Kinder über die Schulausfallzeiten und erinnere sich an die Löhrmannsche Statistik über eben diese. Das subjektive Empfinden der Eltern und die Addition der Stunden, die das Kind eben nicht in der Schule verbrachte obwohl der Stundenplan anderes suggerierte, waren mit der Löhrmannschen Statistik beim besten Willen nicht mehr in Übereinstimmung zu bringen. Ebenso die sicherlich richtige Umsetzung der Inklusion, die jedoch durch eine massive personelle Aufstockung an den Schulen hätte begleitet werden müssen. Etwas, was wohl auf dem Papier passierte, an den meisten Schulen aber keine Effekte zeitigte
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Und so kommt eines zum anderen.

Das grüne Wähler*innenklientel ist verbürgerlicht, das grüne Wahlprogramm ist diesem Trend zumindest gefolgt. Zwischenzeitlich ist der grüne Wein so verwässert, dass selbst eine CDU ohne große Bauchschmerzen und jederzeit mit den Grünen in eine Koalition eintreten würde.

Und nun muss man von Fukushima aus denken … soll heißen, die Atomkatastrophe hat die Grünen bei den nachfolgenden Wahlen in Sphären katapultiert, dass sie glaubten, sie würden demnächst die SPD als linke Volkspartei ablösen. Dummerweise war eben das Linke, das Thema soziale Gerechtigkeit, das Thema Verteilungsgerechtigkeit schon lange kein urgrünes Thema mehr.

Für die Bundestagswahl 2013 war es Jürgen Trittin wohl letztmalig gelungen, diese Themen programmatisch in den Vordergrund zu stellen, mit dem Effekt, dass Teile der grünen Partei dieses als „Steuerwahlkampf“ verunglimpften und nach der verlorenen Bundestagswahl schnellstmöglich beerdigten.

Programmatisch ist da so einiges zerbrochen doch zwischen Fukushima und der Schwäche der SPD konnten dies leicht versteckt werden.

Und nun kommt ein Martin Schulz und legt den Finger in die offene Wunde …. Soziale Gerechtigkeit, Verteilungsgerechtigkeit sind sehr wohl noch Themen, die die Menschen interessieren und die Grünen erleben, wie ihr sicher geglaubtes Wählerklientel ihnen von der Fahne geht.

Und, sie haben keine Antwort auf diese Entwicklung, können keine Antwort darauf haben, da eben das, womit Martin Schulz punktet, die Gerechtigkeitsfrage, von den führenden Grünen still und heimlich beerdigt worden ist.

Dafür darf man nun lesen, wie ein Cem Özdemir sich einem Martin Schulz, einer SPD anbiedert … ziemlich durchschaubar und wenig glaubwürdig und eher ein Zeichen von Schwäche denn von Stärke und wer wählt schon eine schwache Partei?

Die Grünen haben wirklich ein Problem und die 5%-Hürde scheint nicht das Größte dabei zu sein.