Freitag, 19. Mai 2017
Nun gibt es auch eine knappe Wahlanalyse der Bertelsmann-Stiftung mit einigen insbesondere für die SPD wichtigen Erkenntnissen:

1. Die Wahlbeteiligung ist gestiegen, das ist schön. Aber sie ist nicht gleichmäßig gestiegen.
Je wirtschaftlich schwächer und sozial prekärer die Milieustruktur in einem Stimmbezirk ist, desto geringer ist die Wahlbeteiligung, und desto geringer fiel auch der Anstieg der Wahlbeteiligung aus.
Zugelegt hat die Wahlbeteiligung überdurchschnittlich im „wirtschaftlich stärkeren Milieu der Mittel- und Oberschicht.“
Für Frechen bedeutet das: in den innerstädtischen Wahlkreisen lag die Wahlbeteiligung schon bei den vergangenen Jahren unter derjenigen von bspw. Königsdorf. In Königsdorf ist die Wahlbeteiligung nun aber auch noch stärker gestiegen als in der Innenstadt.
In den wirtschaftlich starken Wählerhochburgen ist die Wahlbeteiligung von rund 73 auf 79 Prozent um überdurchschnittliche 6 Prozentpunkte gestiegen. In den Nichtwählerhochburgen, wo überwiegend wirtschaftlich schwächere Haushalte leben, stieg die Wahlbeteiligung dagegen nur unterdurchschnittlich um weniger als 5 Prozentpunkte.
2. Auch bei der Mobilisierung der Nichtwähler waren FDP und CDU erfolgreicher als die SPD, gut 64% der Nichtwähler stimmten für CDU und FDP, für die SPD nur 21%.

3. Entscheidend für die SPD aber war, dass es ihr nicht gelungen ist, ihr Stammwählermilieu zu aktivieren. Die SPD hat, so auch in Frechen, dort ihre besten Ergebnisse erzielt, wo die Wahlbeteiligung am geringsten war. D.h.: diese Stimmbezirke hatten schon 2012 eine schlechtere Wahlbeteiligung als bspw. das wirtschaftlich wohlhabendere Königsdorf, der Anstieg der Wahlbeteiligung 2017 fiel schwächer aus als in Königsdorf und in eben den Stimmbezirken mit der schlechtesten Wahlbeteiligung erzielte die SPD ihre besten Ergebnisse. Diese für die SPD negative Entwicklung war hier auf dem Blog schon im Zusammenhang mit der Bürgermeisterwahl diskutiert worden. Eine Verbesserung der Verhältnisse hat nicht stattgefunden, vielmehr ist die soziale Spaltung bei der Wahlbeteiligung noch etwas deutlicher geworden.

4. Und ergänzend zur Diskussion über die Bedeutung der AfD-Wähler für das Erststimmenergebnis in Frechen die Aussage der Bertelsmann-Studie: die AfD hat insbesondere von den ehemaligen Protestwählern der Piraten profitiert.

Das könnte erklären, warum die Piraten bei den Zweitstimmen in Frechen gerade mal 0,94% erhalten haben, bei den Erststimmen aber erhielt der Direktkandidat der Piraten 2,4%.

Und daran anschließend noch ein lustiges Rechenspiel:
mal angenommen, die 1.843 AfD-Wähler in Frechen sind im Kern rechtsradikal oder Protestwähler, so könnte eine Wählerwanderungsbilanz zwischen Zweit- und Erststimme wie folgt aussehen:
300 AfD-Wähler wandern ins Lager der Nichtwähler (die Rechtsradikalen)
500 AfD-Wähler wählen den Direktkandidaten der Piraten (Protestwähler)
160 AfD-Wähler wählen den Direktkandidaten der Linken (Protestwähler)
180 AfD-Wähler wählen den Direktkandidaten der SPD (die 10%, die die AfD bei den Zweitstimmen von der SPD abgezogen hat)

Verbleiben noch 700 AfD-Wähler die den Weg zu FDP und CDU gefunden haben können.

Das eklatant schlechte Abschneiden von Brigitte DMoch im 2. Wahlkreis Rhein-Erft gegenüber den Wahlkreisen 1 und 3 lässt sich so aber nicht erklären.




Montag, 15. Mai 2017
Die Sieger stehen fest, die Verlierer ebenfalls. Aber was sich auf kommunaler Ebene getan hat, das bedarf noch eines intensiveren Blicks.

Im ersten Schritt der grobe Überblick über das Zweitstimmenergebnis:

Die Anzahl der abgegebenen Stimmen ist um 2.559 Stimmen gestiegen, die Wahlbeteiligung erhöhte sich von 62, 3 auf 68,3 %. Insgesamt waren es 23.028 gültige Stimmen.

Von der gestiegenen Wahlbeteiligung haben vorrangig profitiert die CDU mit einem Zugewinn von 2.541 Stimmen auf 8.568 Stimmen, ein Plus von 42% gegenüber der Stimmenzahl von 2012, die FDP mit einem Zugewinn von 1.412 Stimmen auf nun 3.588 Stimmen, einem Plus von 56% gegenüber der Stimmenzahl von 2012 und die AfD, die bei ihrem ersten Antreten 1.843 Stimmen erhielt. Ebenfalls zu den Gewinnern darf sich die Linke zählen, die 494 Stimmen hinzugewann und damit gegenüber 2012 um 82% zulegte auf nun 1.096 Stimmen.

Verloren haben SPD und Grüne, die Grünen kamen 2012 von 2.490 Stimmen und sind abgestürzt auf 1.436 Stimmen, einem Minus von 42% und die SPD hat gegenüber 2012 974 Stimmen verloren, was einen Verlust von 11% der eigenen Stimmenzahl bedeutet.

Nachdem rund 25 % aller abgegebenen Stimmen Briefwahlstimmen waren, kann vermutet werden, dass das Ergebnis sich für SPD und Grüne sogar noch etwas positiver darstellt, da die Dynamik der letzten Woche bei den Briefwählern nur noch teilweise angekommen sein dürfte.

Ebenso bestätigen sich die an dieser Stelle schon vor einiger Zeit gemachten Feststellungen: die innerstädtischen Wahlkreise haben wieder eine deutlich niedrigere Wahlbeteiligung als die Wahlbezirke im „schwarzen Gürtel“: Königsdorf, Buschbell, Bachem, Habbelrath und Grefrath. Die niedrigere Wahlbeteiligung spielt gegen SPD und Linke, die ihre besten Ergebnisse in eben den innerstädtischen Wahlbezirken errungen haben. Der SPD scheint es nicht gelungen zu sein, ihr Wählerklientel zu mobilisieren.

Das Erststimmenergebnis weicht dabei nur unwesentlich vom Zweitstimmenergebnis ab. Hier fallen dann die „strategischen“ Stimmengewinne zu Buche, so hat F.Rock (CDU) rund 3.300 Stimmen (= 10.840 Stimmen) mehr erhalten als seine CDU, Stimmen, die aus dem Pool der FDP-, aber auch der AfD-Wähler stammen können. Der Direktkandidat der FDP lag rund 1.100 Stimmen unter dem Zweitstimmenergebnis und die AfD verfügte über keinen Direktkandidaten. Möglicherweise wilderte F.Röck auch bei den Grünen ( minus 250 Stimmen). B. D’Moch-Schweren kam auf 8.879 Stimmen, das sind immerhin gut 900 Stimmen mehr als SPD auf sich vereinen konnte, aber gut 700 Stimmen weniger als 2012. Die zusätzlichen 900 Stimmen können aus dem Pool der Linken- oder auch AfD-Wähler stammen.

B.D’Moch-Schweren ist es also weder gelungen von der gestiegenen Wahlbeteiligung zu profitieren, noch, ihr Stimmenpotential gegenüber 2012 zu erweitern. Sie hat Stimmen verloren.

Schaut man nun, wie das an dieser Stelle schon 2012 erfolgte, auf die Wahlergebnisse auf Grube Carl, so ist der Wahlbezirk 13 (Haus am Bahndamm) extrem auffällig.
Die Anzahl der abgegebenen Stimmen stieg um 30 Stimmen auf 713. Das bedeutet nicht die Welt. Jedoch verlor die SPD 63, die Grünen 49, die Piraten 69 und die Sonstigen 22 Stimmen. Saldiert man, so müssen an anderer Stelle 240 Stimmen als Gewinn zu Buche schlagen. Davon gewann die CDU 88, die FDP 40, die Linke 10 und die AfD 70 Stimmen. Der Stimmenanteil der SPD sank so von über 42 % auf gerade noch 31,7% währenddessen der CDU-Anteil von 19% auf knapp 31% stieg.
Die FDP legte von 7,7% auf 13,1% zu, die Linke von 3,1% auf 4,4% und die AfD erreichte beim ersten Antreten 10% der Stimmen. Lagen die Grünen 2012 noch bei über 12 % und war Grube Carl einer ihrer besten Wahlbezirke so sind sie nun unter die 5%-Schwelle gesunken (4,57%).

Im Hinblick auf die AfD gibt es derzeit 2 Denkschulen wovon die eine behauptet, es handle sich zu beträchtlichen Teilen um Protestwähler, die sich aus Ärger von den etablierten Parteien abgewandt hätten, währenddessen die andere Schule in der AfD ein Sammelbecken harter Rechtsradikaler sieht. Es kann vermutet werden, dass Teile der AfD-Wähler einem rechten / rechtsradikalen Weltbild anhängen und mit der AfD „endlich“ eine ihnen gemäße Partei auf dem Wahlzettel gefunden haben. Es wird aber, so ist zu vermuten, Frustwähler geben, die den Etablierten, um der rechtsradikalen Anmutung wissend, genau deshalb die AfD gewählt haben. Dann spricht das für ein gehöriges Maß an Frust und Ärger hier im Stadtteil, der von den etablierten Parteien nicht mehr aufgefangen werden kann.

Auf der anderen Seite ist festzustellen, dass weder Grüne noch SPD auf Grube Carl wahlkämpfend in Erscheinung getreten sind. Die CDU präsentierte sich mindestens 2 Mal vor der lokalen Bäckereifiliale währenddessen die SPD ihr Desinteresse an den hiesigen Wählerstimmen durch komplette Abstinenz dokumentierte.

Dementsprechend fiel auch das Erststimmenergebnis aus B.D’Moch-Schweren (SPD) verlor von ihren 313 Stimmen von 2012 69 und landete noch bei 244 währenddessen F.Rock (CDU) von 172 Stimmen 2012 um 114 Stimmen auf 286 Stimmen zulegte.

Wie hieß es doch mal so schön? Mit der ersten Stimme entscheidet der Wähler über seinen Wahlkreiskandidaten. Es handelt sich also um eine Persönlichkeitswahl. Wenn eine Partei bewusst und freiwillig darauf verzichtet, sich und ihre Kandidatin im Wahlbezirk zu präsentieren, muss sie sich über ein derart verheerendes Ergebnis nicht wundern. Andernorts gilt dies als ein Misstrauensvotum.




Dienstag, 2. Mai 2017
Die Hürther Grünen sind gegen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge und in den Wahlumfragen liegen die NRW-Grünen bei 6%.

Nun kann man ja unterschiedlicher Meinung sein zu den Fahrverboten.
Wir GRÜNEN wollen keine Fahrverbote, weil es ja nicht sein kann, dass Autofahrer das Tricksen und Betrügen der Autoindustrie und das Weggucken der Bundesregierung ausbaden sollen.
Man könnte aber auch die Frage stellen, warum der Autofahrer auch heute noch Dieselfahrzeuge erwirbt, wo doch seit nun sicherlich zwei Jahren bekannt ist, dass die Autoindustrie trickst und betrügt ohne Ende. Ist es dem Dieselfahrer einfach egal, dass die Europäische Umweltagentur mehr als 10.000 Todesfälle aufn Stickoxide zurückführt, wie die Hürther Grünen so richtig zitieren?

Und nun mal die Wahlprognosen und diese Botschaft zusammen gedacht: wäre es für die Grünen nicht wichtiger, sich auf ihre Kernklientel zu besinnen und diese mit knackigen Botschaften zu erfreuen?

Wie viele Dieselfahrer wählen die Grünen und auch nur dann, wenn diese sich gegen Fahrverbote aussprechen? Wahrscheinlich kann man diesen Typ Autofahrer an einer Hand abzählen.

Man hätte vielleicht über das Fahrverbot besser geschwiegen und eine Erhöhung der Kraftstoffsteuer auf Diesel gefordert, um Erwerb und Nutzung eines Diesel-PKWs unattraktiver zu machen. Vielleicht hätte man doch ein Fahrverbot fordern sollen, bis die PKWs nachgerüstet sind, soweit dies überhaupt möglich ist.

Man hätte als Grüne gezeigt, dass man für die Verbesserung der Luftqualität in Hürth auch willens ist, von allen Bürgerinnen und Bürgern Opfer zu verlangen.

So aber bleibt: die Grünen schützen den dieselverbrauchenden Autofahrer. Und dafür wollt ihr in 2 Wochen gewählt werden?

Ihr seid echt lustig.




Man kann sich diese Frage 2017 Bezug auf die SPD_Kandidatin für den Landtag Brigitte D’Moch-Schweren schon stellen.
2012 wurde an dieser Stelle in Form einer Wahlkampfimpression folgendes geschrieben:
Ein eher schüchterner Auftritt, man muss sich dem Stand nähern und selbst dann erhält man nur ein bisschen Material zu Frau Klöpper, nichts wirklich Ansprechendes, alles eher trocken. Will Frau Klöpper das Mandat wirklich haben? Zumindest am Klüttenbrunnen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die eigene Mannschaft das Spiel schon aufgegeben hat.

Ganz anders dagegen die Frauschaften der SPD, ja genau, Frauschaften – im Gegensatz zu 2009 sind es nicht die Männer, die den Stand beherrschen, sondern die Frauen. Ebenso auffällig: vemehrtes Auftreten des Parteinachwuchses (und der Symphatisanten). Dieses Jahr trägt die SPD die rote Kluft und verkündet mit großem Stand und breiter Brust den Anspruch aufs Direktmandat.
Nun hat sich der Wahlkampf gewandelt, es findet mehr im Netz statt. Homepage und sozialen Medien wird eine viel größere Bedeutung beigemessen.
Ich bin also nicht nur durch die Frechener Fußgängerzone gebummelt, ich habe mir auch Homepages und Facebookauftritte angeschaut. Alles natürlich ganz unwissenschaftlich und sehr subjektiv.

Aber der Eindruck auf allen Ebenen: Frank Rock ante portas. Auf der CDU-Homepage findet sich alle 3 Tage eine neue Presseerklärung des Kandidaten. Bei Facebook scheint er sozusagen im Stundentakt Bilder und kurze Statements zu veröffentlichen. Das Werbematerial scheint von der gleichen Werbeagentur gestaltet zu sein, wie das Material von Susanne Stupp bei ihrem erfolgreichen Bürgermeisterwahlkampf 2014.

Und die SPD-Kandidatin? Von den Frauschaften sieht man deutlich weniger, es sind wieder die Männer des hiesigen Ortsvereins, die am Wahlkampfstand herumstehen. Die Stimmung war eher gedämpft – zumindest nicht so überschwenglich wie noch 2012. Und die Internetpräsenz? Wenig ist los bei Frau D’Moch-Schweren. Anscheinend sehr wenige Termine über die es zu berichten lohnt. Die Jusos sind aktiv, aber sonst?
Die Bürgerveranstaltung „Auf ein Wort…“ am 27. April 2017 soll dürftig, sehr dürftig besucht worden sein.
Mal ehrlich, das wirkt lieblos, wenig interessiert, das wirkt wie: wählt doch die anderen.

Aber vielleicht ist das ja genau der Wahlkampf, der die alten Genossinnen und Genossen in Frechen anspricht. So ziert die SPD-Homepage immer noch die Einladung zu einer Busfahrt durch Frechen, die am 18. April stattgefunden hat. Ein bisschen Butterfahrt für’s Alterheim? Hat man so schon vor 10, 15 Jahren gemacht, das passt auch heute noch?

Erinnert sich noch jemand an die Komödie „Good bye, Lenin?“, die treue SED-Genossin erleidet am 7. Oktober 1989 einen Herzinfarkt und fällt ins Koma. Als sie im Juni 1990 wieder aufwacht, ist die Mauer gefallen. Um der Mutter diesen Schock zu ersparen lässt ihr Sohn mit viel Aufwand die DDR für die bettlägrige Mutter fortleben bis diese stirbt.

Der SPD-Wahlkampf wirkt auf mich wie so eine Zeitreise, Alles alt, kein Pep, keine Dynamik. Und nein SPD-Frechen, das ist nicht retro, denn retro greift alte Moden auf, als Zitat, vielleicht auch nur als Persiflage. Das hier ist nur alt.

Aber das war ja auch schon im Bürgermeisterwahlkampf 2014 der SPD ein Problem: der Laden ist überaltert. Die SPD-Wahlkämpfe hier vor Ort erinnern mich an meine Jugend und das ist nun auch schon mehr als 3 Jahrzehnte her.

Marx schrieb im „Achtzehnten Brumaire des Louis Bonaparte“:
>blockquote> Hegel bemerkte irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce. Das ist natürlich etwas hoch gegriffen, wenn man nur ein bisschen Wahlkampf beobachtet, aber mal ehrlich, wer 2017 noch Wahlkampf macht wie vor 30 Jahren, wer kein Konzept für die sinnvolle Nutzung der sozialen Medien hat, dessen Wahlkampf wirkt wie von vorgestern, wie eine Farce.

Nun mag das ja auch an den Inhalten liegen, denn wo nichts ist, da kann auch nur wenig transportiert werden, aber bei einer gestandenen Landtagskandidatin sollte das ja kein Problem sein, oder? Oder doch?




Dienstag, 21. März 2017
„Während die SPD durch den „Schulz-Effekt“ [in der Wählergunst] stark zulegte und neuerdings vor Selbstbewusstsein strotzt, stellt sich für die Grünen zunehmend die Frage, ob der Wiedereinzug in den Landtag gelingt.“
So schreibt es heute der KStA und er hat nicht Unrecht. Wobei der „Schulz-Effekt“ ja nur die eine Seite der Medaille ist. Die Grünen haben, hier im Blog wurde dies unter lokalpolitischem Blickwinkel schon häufiger thematisiert, sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten von ihrem programmatischen Kern immer mehr entfernt.

Wo kamen sie den her, die Grünen? Programmatisch handelte es sich in den 80ern um eine Fusion von Friedensbewegung, Ökologie, Frauenbewegung und altlinken Weltverbesserungsutopien. Von den Altlinken, den sogenannten Fundis, (bspw. Trampert, Ebermann und Ditfurth) haben sich die Grünen zuerst verabschiedet. In der Rot-Grünen Koalition unter Schröder wurde im Kosovokrieg der grundsätzliche Pazifismus beerdigt. Dass ein Joschka Fischer seinen neuen bellizistischen Moralismus mit Völkermord- und Nie-wieder-Faschismus-Argumenten schön und einem humanitären Interventionismus das Wort redete, hat den Grünen in der kleinen Restfriedensbewegung viel Kredit gekostet. Zugleich haben die Grünen die Hartz-IV-Gesetze mitbeschlossen und so ihren linken Flügel weiter geschwächt.

Die Partei Die Linke in Westdeutschland ist ja nicht nur aus enttäuschten SPDlern und Gewerkschaftern entstanden sondern auch aus ebenso frustrierten Grünen von deren ehemals linkem Flügel.

Das fiel damals alles nicht so ins Gewicht, da die Grünen, auf dem Weg in die Mitte der Gesellschaft, ihre Verluste auf dem linken Flügel leicht wettmachen konnten mit Zugewinnen im wohlsituierten Bürgertum. Wenn man der SPD gerne vorwirft, links zu blinken und dann rechts abzubiegen, auch die Grünen beherrschten dieses Spiel immer besser.

Man könnte diese Entwicklung jetzt in allen Einzelheiten aufdröseln, aber der sich hier abzeichnende Prozesscharakter ist allemal deutlich geworden. Die Grünen sind in Bezug auf ihr Hauptwahlklientel bürgerlicher geworden und das Hauptwahlklientel zählt zum Einkommensstärksten aller deutschen Parteien.

Manche programmatischen Ungereimtheiten lassen sich so leicht erklären:

Früher mal die Einführung der Flugbenzinsteuer gefordert? Na ja, nachdem Teile der Grünwähler*innen zu den Vielfliegern der Nation zählen, scheint das nicht mehr opportun.
Früher mal eine Erbschaftssteuer gefordert? Nachdem Teile der heutigen Grünwähler*innen Papas Häuschen erben, scheint auch das nicht mehr opportun.
Früher mal scharfe gesetzliche Regelungen zur Durchsetzung ökologischer Standards gefordert, die beim Individuum Verhaltensänderungen erzwungen hätten? Seitdem Teile der Grünwähler*innen im grünen Segment der Marktwirtschaft gutes Geld verdienen, träumen sie von der naturwüchsigen Durchsetzung grünen Lifestyles im Wege der Marktdurchdringung. Wie sehr sie sich dem Neoliberalismus einer FDP angenähert haben, verdrängen die Grünen gekonnt.

Und wenn man dann die NRW-Grünen von der kommunalen Basis her anschaut, dann stellt man fest, dass ganz unten dieser Rechtsdrall noch viel stärker ist, als es auf Landes- oder Bundesebene auffällt. Die Grünen im Rheinland werden in der Tagespresse noch immer dominiert vom großen Kölner Stadtverband, der sich bis vor 2 Jahren noch als linker Stadtverband verstand, während das gesamte Umland bereits schwarz-grün bzw. schwarz-grün-gelb als die politische Zukunft betrachtete.
Köln ist im Zuge der Bürgermeisterwahl nachgezogen und praktiziert nun auch ein schwarz-grünes Politikmodell.

Seit diesem Zeitpunkt war es mehr als realistisch, dass die Grünen auch in NRW gut mit einer schwarz-grünen Koalition leben können.

Das Problem ist nur: an der Basis sind die schwarz-grünen Koalitionen alles nur kein grünes Erfolgsmodell. Bleiben wir mal ganz bodenständig und Frechenverwurzelt und fragen nach, welche grünen Ideen und Positionen aus dem Wahlkampfprogramm in den letzten beiden Jahren hier vor Ort umgesetzt wurden.
Es fällt niemandem etwas ein?
Genau, das ist das Problem und dies nicht nur in Frechen.
Auch aus Hürth oder Pulheim oder Köln ist bisher nichts bekannt geworden, was sich als erfolgreiche Umsetzung grüner Inhalte verkaufen ließe.

Und auf Landesebene?
Da haben wir die Frontfrau Sylvia Löhrmann als Bildungsministerin. Kein unbedingt leichter Job, man kann es sich mit vielen verscherzen. Inzwischen aber hat sie sich in manchen Punkten sogar zum Gespött gemacht.
Man spreche mal mit Eltern schulpflichtiger Kinder über die Schulausfallzeiten und erinnere sich an die Löhrmannsche Statistik über eben diese. Das subjektive Empfinden der Eltern und die Addition der Stunden, die das Kind eben nicht in der Schule verbrachte obwohl der Stundenplan anderes suggerierte, waren mit der Löhrmannschen Statistik beim besten Willen nicht mehr in Übereinstimmung zu bringen. Ebenso die sicherlich richtige Umsetzung der Inklusion, die jedoch durch eine massive personelle Aufstockung an den Schulen hätte begleitet werden müssen. Etwas, was wohl auf dem Papier passierte, an den meisten Schulen aber keine Effekte zeitigte
.
Und so kommt eines zum anderen.

Das grüne Wähler*innenklientel ist verbürgerlicht, das grüne Wahlprogramm ist diesem Trend zumindest gefolgt. Zwischenzeitlich ist der grüne Wein so verwässert, dass selbst eine CDU ohne große Bauchschmerzen und jederzeit mit den Grünen in eine Koalition eintreten würde.

Und nun muss man von Fukushima aus denken … soll heißen, die Atomkatastrophe hat die Grünen bei den nachfolgenden Wahlen in Sphären katapultiert, dass sie glaubten, sie würden demnächst die SPD als linke Volkspartei ablösen. Dummerweise war eben das Linke, das Thema soziale Gerechtigkeit, das Thema Verteilungsgerechtigkeit schon lange kein urgrünes Thema mehr.

Für die Bundestagswahl 2013 war es Jürgen Trittin wohl letztmalig gelungen, diese Themen programmatisch in den Vordergrund zu stellen, mit dem Effekt, dass Teile der grünen Partei dieses als „Steuerwahlkampf“ verunglimpften und nach der verlorenen Bundestagswahl schnellstmöglich beerdigten.

Programmatisch ist da so einiges zerbrochen doch zwischen Fukushima und der Schwäche der SPD konnten dies leicht versteckt werden.

Und nun kommt ein Martin Schulz und legt den Finger in die offene Wunde …. Soziale Gerechtigkeit, Verteilungsgerechtigkeit sind sehr wohl noch Themen, die die Menschen interessieren und die Grünen erleben, wie ihr sicher geglaubtes Wählerklientel ihnen von der Fahne geht.

Und, sie haben keine Antwort auf diese Entwicklung, können keine Antwort darauf haben, da eben das, womit Martin Schulz punktet, die Gerechtigkeitsfrage, von den führenden Grünen still und heimlich beerdigt worden ist.

Dafür darf man nun lesen, wie ein Cem Özdemir sich einem Martin Schulz, einer SPD anbiedert … ziemlich durchschaubar und wenig glaubwürdig und eher ein Zeichen von Schwäche denn von Stärke und wer wählt schon eine schwache Partei?

Die Grünen haben wirklich ein Problem und die 5%-Hürde scheint nicht das Größte dabei zu sein.




Mittwoch, 8. März 2017
Bundesweit schafft es der CDU-Landtagsabgeordnete des Nachbarwahlkreises G.Golland immerhin auf Platz 11 unter den Landtagsabgeordneten mit den höchsten Nebenverdiensten, sagt der SPIEGEL heute.



Chapeau!






Drei Wahlprognosen und ein unverkennbarer Trend: der Schulztrend.
Wurde Ende Januar noch ein ungefährer Gleichstand zwischen den beiden Volksparteien prognostiziert und lagen die Grünen damals noch bei rund 10 Prozent, so zeigt sich eine in den letzten 6 Wochen komplett veränderte Prognoselandschaft. Die SPD nähert sich, unaufhaltsam (?) dem Ergebnis von 2010 an und hat sich inzwischen von 31 % auf 38 %, also um satte 7 Prozent gesteigert. Die CDU dagegen hat bei den Wahlintentionen verloren, bis zu 5 % gegenüber dem bisher besten Prognoseergebnis von 32 % im Januar 2017.

Nun pfeifen es ja die Spatzen von den Dächern, dass der Schluzeffekt sich aus zwei Quellen speist: die Reaktivierung verlorenen gegangener SPD-Wählerinnen und -Wähler bedeutet einerseits, dass entäuschte SPD-Wählerinnen und Wähler, die in die Wahlabstinenz geflohen waren, wieder an die Wahlurne zurückkehren wollen. Andererseits aber kehren auch diejenigen Frustrierten zurück, die in den vergangenen Jahren grün oder links gewählt haben.
Sichtbar wird das bei den Prognosen der Grünen und der Linken. Beide haben sich substantiell verschlechtert. Die Grünen werden um 3 bis 4 % schlechter prognostiiert als noch im Januar, die Linke hat ebenfalls rund 3 % Verlust zu verbuchen und läuft Gefahr, an der 5%-Hürde zu scheitern.

Für die Linke eine sehr unglückliche Position, denn die linke Stammwählerschaft hat in NRW noch nie ausgereicht, in den Landtag gewählt zu werden. Sie war schon immer auf Stimmen aus der SPD-Wählerschaft angewiesen.
Die Neukonturierung der SPD als Partei der sozialen Gerechtigkeit und die augenscheinliche Korrektur des politischen Fehltritts "Agenda 2010" gräbt der westdeutschen Partei "die Linke", die sich ja eben aus der Gegnerschaft zur "Agenda 2010" gegründet hat, das Wasser ab.

Aber auch die Grünen, die sich immer stärker als rein bürgerliche Lifestyle- und Umweltbewegung mit nach rechts offener Anschlussfähigkeit bis hin zur CSU präsentieren, verlieren das, was links von Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt noch für soziale Gerechtigkeit stand. Dieser Aspekt akzentuiert sich dabei insbesondere an der Basis der Partei, die in den letzten Monaten und Jahren einen Aderlaß an Mitgliedern erlebt hat, die sich dem linken Flügel zugehörig gefühlt haben.
Man darf bezweifeln, dass die Rückbesinnung auf die sogenannten "urgrünen Themen", die nun im Schwange ist, zu einem deutlich besseren Ergebnis als 7 oder 8% führen werden.

Unangenehm aber ist es auch für die CDU, denn je weiter sich diese von einer möglichen eigenen Mehrheit entfernt, im Januar wäre das rechnerisch als Jamaika-Koalition zumindest möglich gewesen, desto deutlicher zeigt sich, dass Teile der Wählerschaft der CDU deutlich rasistischer sind, als die CDU-Führung unter Laschet.
Die Notwendigkeit ein strategischen Stimmabgabe zugunsten einer möglichen CDU-Regierung entfällt und der rassistische Teil der Wählerschaft kann sein Kreuz dort machen, wo der Rassismus offener und besser bedient wird: bei der AFD, denn diese wieder legt zu .... und dies trotz innerparteilicher Querelen und einer relativer Ruhe an der Flüchtlingsfront.

Wir dürfen gespannt sein, wie der Trend, der von der SPD endlich mal wieder als "Genosse" tituliert wird, sich auf regionaler Ebene auswirkt. Eine ausgeprägte Abwahlstimmung gegenüber den SPD-Landtagsabgeordneten des Rhein-Erft-Kreis scheint sich vor diesem Hintergrund nicht entwickeln zu wollen.

Vermutlich wird in der SPD schon an einer Neuformulierung der 10 Gebote gearbeitet:

"Ich bin der Herr, Dein Schulz. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben."

Aber, bei diesen Prognosen ist das ja auch schon wieder fast verständlich.




Montag, 6. Februar 2017
Wir dürfen gespannt sein auf die Wahlprognosen für die Landtagswahl NRW.

Der Aufwärtstrend der SPD im Bund nämlich hält an. Laut der heute in der BILD veröffentlichten Wahlumfrage liegt die SPD mit Martin Schulz nun ein Prozent vor der CDU.



Durch die Fokussierung der Presse auf den "Zweikampf" Schulz gegen Merkel wird aber leicht übersehen, dass der grüne Abwärtstrend sich im Gefolge der Schulz-Hype in den letzten beiden Wochen massiv beschleunigt hat. Die Traumergebenisse des Fukushimajahres sind ja schon längst Vergangenheit. Nun aber liegen die Grünen bei einer Umfrage nur noch bei 7%. Vor wie vielen Jahren hatten sie den zuletzt eine so verheerende Bundesprognose?

Tritt nun das ein, was schon oft geraunt, vermutet, vorhergesagt wurde, dass nämlich die Verbürgerlichung der Grünen und ihre Verwandlung in eine grüne FDP (Herr Özdemir findet das Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta) plötzlich gut) irgendwann auf die Wahlergebnisse durchschlagen wird?

Es scheint so zu sein, also ob ein Martin Schulz auch im grünen Milieu wildert, dass er SPD-Wähler*innen zurückzuholen im Stande ist, die das Thema Gerechtigkeit bei den Grünen nicht mehr verankert sehen.

Mal schauen, wie sich diese Entwicklung auf die NRW-Landtagswahlen auswirkt .... kann die hiesige SPD auch vom Schulz-Effekt profitieren? Und wer wird darunter leiden? Auch die Grünen?