Donnerstag, 13. Juni 2019
Thema: Umwelt
Vor einigen Tagen hat die Stadt Köln bekannt geben, dass sie an der Aachener Straße an der westlichen Stadtgrenze eine Pförtnerampel setzen will. Damit soll die Anzahl der während der Stoßzeiten Richtung Kölner Innenstadt fahrenden Autos von stündlich 1.200 auf 700 reduziert werden. Das ist wohl notwendig, damit die geplanten Schnellbusse, die auch auf der Aachener Straße verkehren sollen nicht zu „Staubussen“ degenerieren.

Die Reaktion der Königsdorfer CDU passt vollständig in die Kategorie „Realitätsverweigerung“. Die CDU-Königsdorf lehnt die Pläne vehement ab, weil durch die Pförtnerampel der „gemeine Rhein-Erft-Pendler“ aus Köln ausgesperrt werde. Ja, genau das ist das Ziel einer Pförtnerampel. Die Stadt Köln will die Belastung reduzieren. Man könnte jetzt sagen, hätte ihr schon früher einfallen können, denn es leben viele Menschen an der Aachener Straße in Köln, deren Belastung durch den automobilen Lärm und Dreck solange weder in Köln und noch viel weniger in Königsdorf interessiert hat, solange die Stadt Köln keine Lösung für die Schnellbusse suchte. Nun also will Köln die Belastung mit Hilfe einer Pförtnerampel intra muros reduzieren. Und schon stellt die CDU-Königsdorf fest, dass er „gemeine Rhein-Erft-Pendler“ nun die eigene Gemeinde mit Lärm und Schmutz belastet. Zugegebenermaßen eine schlimme Situation für die Anwohner*innen der Aachner Straße in Königsdorf.

Nur, die CDU-Königsdorf macht sich keine Gedanken über das Pendlerunwesen und mögliche grundsätzliche Abhilfen sondern verbleibt im Empörungsmodus. Das Verhalten der Stadt Köln zeuge von „unfassbarer Ignoranz“, so gehe „man nicht mit Nachbarn um!“, das könne „nicht das letzte Wort sein“.

Man vertauscht Ursache und Wirkung, um sich mit dem Problem nicht auseinander setzen zu müssen. Nicht die Pförtnerampel ist das Problem, sondern der automobile Pendler.

Inzwischen müsste es selbst in Frechen-Königsdorf angekommen sein, dass das Auto das Problem und nicht die Lösung ist, nur in Königsdorf sieht man das anders.

Warum plant man denn nicht längst eine Verlängerung der Linie 1 bis ans östliche Ortsende von Königsdorf inklusive der Errichtung eines großen Park&Ride-Parkplatz? Und bis es zur Verlängerung kommt, könnte man auch in Königsdorf und Pulheim mit Hilfe von Schnellbussen für eine Entlastung der Straßen sorgen. Warum fordert niemand eine Sanierung der Radwege entlang der Aachener Straße in Köln und einen entsprechenden Ausbau unter Wegfall von Parkplätzen in Königsdorf? Warum streitet man sich nicht mit der Landesregierung über Tempo 30 auf der Aachener Straße oder plant selber eine Pförtnerampel östlich von Königsdorf?

Dass nun auch die Frechener SPD ins gleiche Horn stößt, muss nicht verwundern. Eine Verkehrspolitik, die nicht autozentriert ist, ist für diese Partei nicht vorstellbar, oder wie soll man den Frechener SPD-Fraktionschef Hans Günter Eilenberger anders verstehen: „Was die Stadt Köln da plant, ist eine Verkehrspolitik nach dem Sankt-Florians-Prinzip zu Lasten der Nachbarstädte“?

Was muss geschehen, damit der „gemeine Rhein-Erft-Pendler“ darüber nachdenkt, ob man mit anderen Verkehrsmitteln nicht auch ans Ziel kommen könnte? Das Auto sollte schon längst ein Auslaufmodell moderner Mobilität sein. Wer aber nicht mehr in der Lage ist, über sein Lenkrad hinauszudenken, wird sich dieser einfachen Wahrheit verschließen.

Nein, diese beiden Parteien brauchen keinen Youtuber Rezo, oder wie ihn neckisch Philipp Amthor, der Jungbrunnen der CDU nannte, „Rezo, du Zerstörer“, das können die CDU- und SPD-Kader ganz alleine. Wer sich die katastrophalen Wahlergebnisse der beiden Parteien bei der Europawahl in Frechen ansieht, der weiß, dass selbst in Frechen das Thema Klimakatastrophe angekommen ist.
Und das Thema wird auch nicht mehr von der Agenda verschwinden, es wird uns die kommenden Jahre und Jahrzehnte begleiten und zwar mit wachsenden negativen Auswirkungen auf unser tägliches Leben.
Umsonst und ohne Veränderungen des eigenen Verhaltens wird sich die Klimakatastrophe nicht abwenden lassen. Darüber sollten SPD und CDU in Frechen schnellstens nachdenken. Die Abwendung von einer autozentrierten Verkehrspolitik wäre ein erster lokaler Schritt. Die Klimakatastrophe nimmt keine Rücksicht auf denkfaule ehemalige Volksparteien.

Aber zurück zur Pförtnerampel: alle Aufgeregtheit ist komplett überflüssig, denn das Kölner Verkehrsdezernat wird von Frau Andrea Blome geleitet, einer treuen CDU-Seele, deren Herz, wenn man die Kölner Verkehrspolitik der vergangenen Jahre Revue passieren lässt, für das Automobil schlägt. So wurden aus vom Rat der Stadt geforderten reinen Busspuren auf der Aachener Straße für die Schnellbusse nun Buslinien, die immer dann abseits der Aachener Straße verlaufen, wenn durch echte Busspuren das Autofahren auf der Aachener gestört werden könnte. Womit das Thema Schnellbus vermutlich bereits der Vergangenheit angehört. Und das ist sicherlich noch nicht das Ende der Entwicklung. Frau Blome und ihr Dezernat werden aus den ursprünglich geplanten Schnellbussen kölnfunktionale Staubusse machen. Dazu braucht es dann auch keine Pförtnerampel.

Mit Frau Blome ist es wie mit dem berühmten kläffenden Hund, von dem Herrchen oder Frauchen beruhigen immer sagen: „der beißt nicht, der will nur spielen.“




Freitag, 7. Juni 2019
Thema: Umwelt
Wer wissen will, warum die CDU bei den Europawahlen so abgeschmiert ist und warum die Grünen derzeit einen Lauf haben, der muss sich nur das Interview durchlesen, dass das Handelsblatt mir Friedrich Merz geführt hat.
Daraus ein Zitat, das den Abstand zwischen der CDU und der Realität beschreibt:
Wie kann die Union deren Aufschwung aufhalten? Ich würde ihren Umweltpopulismus mit der Wirklichkeit konfrontieren. Die Grünen schwimmen auf einer Welle von Sympathie, weil sie eine schöne neue Welt versprechen und auf komplexe Fragen zu einfache Antworten geben. Ich würde ihnen die Frage stellen, wie und wovon unsere Kinder und Enkelkinder denn in 20 oder 30 Jahren eigentlich leben sollen.
Dazu zwei Informationen, die sozusagen zeitgleich durch die Presse laufen:
1. Die monatliche Kohlendioxidkonzentration hat im Mai 2019 mit 414,8 parts per million (ppm) einen neuen Höchststand erreicht. Das sind 3,5 ppm mehr als im vergangenen Jahr. Vor einigen Jahrzehnten lag der jährlich Zuwachs noch bei 0,7 ppm in den 1980er Jahren steigerte er sich auf 1,6 ppm, inzwischen sind wir bei jährlich 2,2 ppm jährlich. Tendenz weiter steigend.

2. Die Methankonzentration in der Atmosphäre ist aktuell um das 25-fache höher als in der vorindustriellen Zeit. Seit 2007 stieg der Methananteil in der Luft um 5,7 parts per billion (ppb) jährlich. Die Klimawirkung von Methan übersteigt diejenige von Kohlendioxid um das 25-fache. Für das Klima ein Supergift, das vor allem bei der Massentierhaltung und bei der Zersetzung von organischem Material unter Luftabschluss entsteht. Die größten Methanlager finden sich (noch) im Permafrostboden in den Polargebieten.

Nun ist es ja so, dass die Grünen nur die glücklichen Gewinner, sozusagen der Kollateralschaden der Fridays-Bewegung sind, der es gelungen ist, die bereits laufende Klimakatastrophe zum beherrschenden politischen Thema der vergangenen Monate zu machen. Und weder die Fridays-Bewegung noch die Grünen versprechen uns eine schöne neue Welt, wenn auch die Grünen deutlich positiver unterwegs sind als die Fridays-Bewegung. Aber die Antworten der Wissenschaftler/-innen, die die Fridays unterstützen, geben sind nicht wirklich einfach. Sie sind nur eindeutig und sie lassen sich sehr vereinfachend formulieren. Sozusagen auf den kleinsten Nenner verdichtet, sagen die Lösungsvorschläge alle: „Weniger ist mehr“: weniger CO2-Verbrauch, weniger individuelle Mobilität mit Hilfe von Verbrennungsmotoren, weniger Flugreisen, weniger Fleisch. Denn andernfalls werden wir die Erde in einen für Menschen kaum mehr bewohnbaren Planeten verwandeln.

Und so kommt „Umweltpopulismus“ daher, findet Herr Merz? Da sollte wohl mit dem Schlagwort „Populismus“ mal schnell diffamiert werden. Umweltschutz ist also populistisch. Erinnert sich noch zufällig jemand, wie die klimastreikenden Schülerinnen und Schüler aus der CDU (und der AFD) heraus gefaltet wurden für ihr Engagement? Wie in der Öffentlichkeit statt über die Klimakrise über die Schulpflicht diskutiert wurde? Und wie die CDU das Thema um’s Verrecken nicht in den Griff bekam? Wo war denn wohl die populistische Anwandlung beheimatet, bei den Schülerinnen und Schülern oder bei der CDU?
Es ist jedenfalls das erste Mal, dass man von den Menschen Verzicht verlangt und sich dafür als „Populisten“ beschimpfen lassen muss.

Und was weiß Herr Merz zur Klimakatastrophe selbst zu sagen?
Dann fragen die Grünen, ob wir denn in einer Welt leben wollen, in der wir nicht überleben können.

Das ist der Dissens, über den wir in unserer Demokratie offen streiten müssen. Ich bin mir sicher, dass wir da als Stimme der Vernunft viel Zustimmung von der arbeitenden Bevölkerung bekommen. Denn als Verursacher von unter drei Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes kann Deutschland die Welt nicht im Alleingang retten. Aber wir haben und entwickeln neue Technologien, die weltweit eingesetzt werden können. Die latente Technikfeindlichkeit der Grünen hilft dem Klimaschutz nicht, sie schadet ihm. Und darüber müssen wir reden.
Auch hier scheitert Herr Merz an der Realität. Es ist keine demokratisch zu entscheidende Frage, ob die Welt, wie wir sie kennen, untergehen wird oder nicht. Die Welt wie wir sie kennen, wird zerstört werden, wenn nicht schnellstens gehandelt wird. Der Selbstzerstörungsprozess ist bereits angelaufen alleine aufgrund der Situation, dass wir Menschen zu verschwenderisch mit den begrenzten Ressourcen der Erde umgegangen sind. Jetzt muss die Menschheit auf die Bremse treten. Und wie beim rechtzeitigen Bremsen entscheidet die Reaktionszeit über Erfolg oder Misserfolg.

Und dabei gilt dann die einfache Regel, dass man am besten, wie es so schön heißt, vor der eigenen Haustüre anfängt, denn nur hier ist ein direktes Handeln möglich. Der doppelte Verweis auf die Verantwortung der anderen („Deutschland kann die Welt nicht im Alleingang retten“) und die deutsche Technologie (der feuchte Traum deutscher Ingenieure: wir erfinden die Weltrettungsmaschine), ist ein Ablenkungsmanöver und verweist darauf, dass die CDU weiter gerne auf Zeit spielen möchte.
Das Ziel hierbei ist klar: man möchte sich harte Entscheidungen ersparen, die bei der ganzen Bevölkerung eine Änderung bisheriger Lebensgewohnheiten erzwingen würden. Das wird nicht auf ungebremste Begeisterung stoßen. Insbesondere nicht in einem politischen System, das sich daran gewöhnt hat, Zugewinne als Verteilungsmasse zu nutzen. Niemandem wird etwas weggenommen, alle erhalten mehr, da die Rentner/-innen, da die Familien, da die Bauherren, da die Autobesitzer ...

Nun stehen wir vor der Situation, dass Entscheidungen anstehen, die, wenn den Vorschlägen der Wissenschaftler/-innen gefolgt wird, dazu führen wird, dass wir alle weniger haben werden, weil Produkte und Dienstleistungen verteuert werden müssen, um unser aller Verhalten ins Klimaschonende umzulenken. Weniger Fleisch, weniger Auto, weniger Flugreisen, weniger Kreuzfahrten, weniger Flächenverbrauch.

Die CDU verweigert sich dieser Einsicht. Das scheint selbst vielen Wählerinnen und Wählern der CDU aufgefallen zu sein. Für die CDU könnte man hoffen, es handle sich um ein Generationenproblem, aber auch die Junge Union ist, trotz der Andeutung von Jugendlichkeit im Namen, ebenso aus der Realität gefallen.

Der Niedergang hat erst begonnen.




Dienstag, 28. Mai 2019
Thema: Umwelt
Es gibt Tage, da erstaunt einen selbst der KStA, so etwa am letzten Freitag (24.05.2019), als auf der Meinungsseite der Psychologe Stephan Grünwald, Geschäftsführer des „rheingold“-Instituts zu Wort kam, der über die Bewegung „Fridays for Future“ schrieb. Sein Institut hat mittels Tiefeninterviews der Motivlage der streikenden Schülerinnen und Schüler nachgespürt, die zwischen Revolte gegen eine lethargische Politik und Kampf nach (elterlicher) Anerkennung schwanken würden. Er charakterisierte die Bewegung daher noch als „Kuschel-Revolte“.
Entscheidend dabei sein letzter Absatz:
„In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob die Bewegung im unentschiedenen Kuschelkurs austrudelt oder ob sie durch radikalere Forderungen einen Generationenkonflikt riskiert, der tatsächlich den gesellschaftlichen Bequemlichkeitskonsens angreift. Diesen polarisierenden Streit würde das Land brauchen, um vorwärtszukommen und in Sachen Klima aktiv zu werden.“
Ja, da hat er Recht, noch tut die Debatte niemandem wirklich weh. Selbst die Europawahlen, mit dem für CDU und SPD katastrophalen Abschneiden, wird daran wenig ändern. Es handelte sich nur um Europawahlen und die politischen Machtverhältnisse in Bund, Ländern und Kommunen sind weitestgehend intakt. Selbst die Grünen, aktuell im 7. Himmel, sind nur auf Bewährung. Sie werden den Generationenkonflikt als erste erleben. In Köln melden die aus der jugendlichen Umweltbewegung entstammenden Neumitglieder erste Ansprüche an. Indirekt stellen sie die „Reker-Koalition“, die Kölner Variante von Jamaika, in Frage und verweisen zu Recht darauf, dass es in Köln viele Pläne und Entscheidungen gibt, die aus Köln eine umweltfreundlichere Stadt machen könnten, dass aber seit Jahren, ach Jahrzehnten, nichts umgesetzt werde. Korrekt. Und die eigene grüne Partei mit den inzwischen grauhaarigen Mandatsträger und –trägerinnen sind integraler Bestandteil der Kölner Verweigerung durch Nichtstun.

Und dies ist keine Kölner Spezialität. Die Grünen haben es sich in den Machtgefügen der Republik gemütlich gemacht. Sie sind müde, träge und bequem geworden. Sie haben ihren Frieden mit der Republik und dem Kapitalismus gemacht.
Was die Grünen erleben ist ein zweiter Frühling, aber ein geliehener. Sie verdanken ihren Erfolg einer Bewegung die sich abseits der parteiförmiger Strukturen und in bewusster Absetzung von den Parteien gebildet hat. Es ist das Glück der Grünen, dass die überparteilichen Aufrufe der Bewegung „Fridays for Future“, klimabewusst zu wählen, im bundesdeutschen Parteiengefüge nur mit einem „wählt Grün“ übersetzt werden konnte.

Das muss so nicht bleiben, denn die Bewegung drängt über den bundesdeutschen Bequemlichkeitskonsens hinaus. In den Forderungen ist dies bereits angelegt, da die „Fridays“ anscheinend als einzige begriffen haben, dass die Zeit für Entscheidungen sehr endlich ist. Die Wissenschaft gibt uns Menschen noch rund 10 Jahre, um tiefgreifende Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe zu ergreifen. Die Menschheit hat also nur noch rund 10 Jahre Zeit, um die Erwärmung der Atmosphäre in einem für Natur, Mensch und Gesellschaften erträglichen Rahmen zu halten. Ähnlich problematisch ist der Schutz der Biodiversität. Auch hier müssen in einem kurzen Zeitraum grundsätzliche Entscheidungen für Natur und Umwelt getroffen werden, denn andernfalls werden wir das vierte Massenaussterben der Erdgeschichte erleben. Und dieses Mal ist es menschengemacht.

Bienenschutz ist wichtig, aber beim Thema Biodiversität nur die kleinste unserer Baustellen.
Auffällig ist, dass alle Parteien inklusive der Grünen sich sehr viel von technischen Lösungen versprechen, Lösungen, die entweder noch gar nicht vorhanden oder noch nicht ausgereift sind oder die vielleicht in hochentwickelten Ländern Verbesserungen bringen könnten, im weltweiten Maßstab aber nicht mehr sind als Tropfen auf einen heißen Stein.
Und über die Zeiträume, die notwendig wären, solche technischen Lösungen umzusetzen, darüber schweigen unsere technikaffinen Propheten.

Gerne wird dabei die Digitalisierung als neues Allheilmittel zur Rettung der Menschheit philosophiert, wir vergessen in unserer digitalen Abgehobenheit aber die realen materiellen Grundlagen jeglicher menschlichen gesellschaftlichen Existenz.

Reden wir also über das Materielle am Beispiel von vier Grundstoffen menschlicher Existenz: Stahl, Sand, Soja und Baumwolle (mman könnte auch andere wählen ...).

1. Ist menschliches Leben heutzutage ohne Beton denkbar? Kein Neubau, keine U-Bahn, keine Brücke in den uns heute bekannten Formen existierte ohne den Baustoff Beton. Beton ist Infrastruktur. In Abwandlung der Fleischerwerbung kann man sagen: Beton ist ein Stück Lebenskraft. Aber: der zur Betonproduktion notwendige Grundstoff Sand ist endlich und sein Abbau zerstört Landschaften. Ein Schutz der Umwelt bedeutet hier, dass der Abbau von Sand eingeschränkt wird.
Und - Kapitalismus verpflichtet - dass er mit allen Kosten die bei Abbau, Verarbeitung, Transport und Renaturierung entstehen, belastet wird. Auch die Natur, der Lebensraum von Tieren und Pflanzen, die zerstört wird, muss mit einem Preis versehen werden. Spätestens dann wäre absehbar, dass Beton kein preiswerter Baustoff mehr ist, sondern teuer und damit wertvoll.

2. Ist menschliches Leben heutzutage ohne Stahl denkbar? Stahl steckt als Armierung im Beton, nur in dieser Kombination halten Brücken, Häuser und U-Bahn-Tunnel zusammen. Stahl steckt in jedem Auto, in jeder Maschine, ohne Stahl keine Industrie, kein Flugzeug, kein Zug, kein Kraftwerk. Die Liste ist unendlich. Und wo kommt der Grundstoff für die Stahlproduktion her? Europa hat noch eine kleine Produktion in Schweden, die größten Eisenerzlager liegen aber im brasilianischen Amazonas, wo zu Sklavenbedingungen im größten Tagebau der Welt Eisenerz gefördert wird. Dazu werden Ureinwohner/-innen vertrieben, der Urwald großflächig zerstört und die bei der Förderung entstehenden hochtoxischen Stoffe werden in flüssiger Form hinter instabilen Deichen „gelagert“. In den vergangenen Jahren sind Deiche gebrochen, die unterhalb der Deiche liegenden Dörfer wurden überflutet, Menschen erstickten im toxischen Schlamm, die Flussläufe und Uferzonen verwandelten sich in Todeszonen.
Auch hier muss gelten: Kapitalismus verpflichtet - alle Kosten der Zerstörung von Lebensraum, Natur, Umwelt und Menschenleben müssen im Preis enthalten sein. Ein möglicherweise durch Glyphosphat zerstörtes Menschenleben ist in den USA ein Mrd. Dollar wert. Welchen Wert haben im giftigen Schlamm erstickte Menschen in Brasilien?

3. Ist menschliches Leben ohne Baumwolle denkbar? Na ja, unser Kleiderschränke wären deutlich leerer, die Anzahl an Modelabels, Boutiquen und Laufstegen deutlich geringer. Tierische Grundstoffe wie Wolle dagegen können den weltweiten Bedarf an Baumwolle nicht ersetzen.
Baumwolle wird unter hohem Einsatz von Pestiziden produziert. Erntearbeiter werden damit besprüht mit gesundheitlich grausamen Folgen. Die größten Produktionsländer sind Indien, China und Brasilien. Die Arbeitsbedingungen sind, wenn wundert’s, nur hinreichend als Sklavenarbeit zu definieren. Dank Globalisierung wird die Rohbaumwolle im Pazifikraum zu ebenso schlimmen Arbeitsbedingungen für die westlichen Märkte zu Hosen, T-Shirts, Pullovern verarbeitet. Und am Ende der Produktion wird bestes Trinkwasser als vergiftete Brühe ungeklärt in die anliegenden Flüsse geleitet. Bei H&M oder C&A können wir dann die Endprodukte kaufen, für 5 bis 10 Euro. Sehr wenig Geld für sehr viel Zerstörung.
Aber Kapitalismus verpflichtet, auch hier müssen alle im Produktionsprozess anfallenden Kosten in die Produkte hineingerechnet werden. Vom fairen Lohn über die auf den Feldern zerstörten Menschenleben, die Verschmutzung der Gewässer, der Zerstörung von Lebensraum für die Baumwollfelder.

4. Ist menschliches Leben ohne Soja denkbar? Die größten Produzenten sitzen in Nord- und Südamerika. Die EU bezieht 80 Prozent des hier benötigten Sojas aus Südamerika. Das wenigste wird als Sojaprodukt von Menschen verzehrt. Der allergrößte Teil landet in den Futtertrögen unserer Schweine- / Geflügel- und Rinderzüchter, nämlich rund 90%. In Südamerika wurden bereits 24 Millionen Hektar Savanne und Urwald in Ackerland umgewandelt und die Ackerbodengewinnung durch die Rodung des Urwaldes geht munter weiter. Die heute in Einsatz befindlichen Hochleistungssorten gedeihen dabei nur mit Hilfe von Pestiziden, vorzugsweise mit dem glyphosphathaltigen aus dem Hause Monsanto. Für billiges Fleisch auf unseren Tellern.
Wie bei den übrigen hier genannten Produkten muss gelten: Kapitalismus verpflichtet - alle Kosten inklusive der Kosten für die Zerstörung der Umwelt müssen im Produkt enthalten sein. Grillen als Luxus.

zum Abschluss daher nur als hässliche Überlegung am Rande: was würde aus der Globalisierung, wenn alle Kosten der Umweltzerstörung, die durch Erdöl provoziert werden, Bestandteil des Treibstoffpreises würden? Wäre der weltweite Transport von Waren noch finanzierbar?

Anhand dieser Beispiele wird schnell deutlich, dass unser auf Massenkonsum beruhender Kapitalismus die weitestgehend kostenfreie Ausbeutung der Natur zur Grundlage hat. In der Logik des Kapitalismus: diese Stoffe haben keinen eigenständigen Preis. Die Gestehungskosten resultieren alleine aus den Kosten der Entnahme aus der Natur.
Die Natur hat im Kapitalismus bestimmte Rohstoffe möglichst preiswert „zur Verfügung“ zu stellen, damit am Ende der Produktionskette breite Bevölkerungsschichten davon profitieren können. Erhält alles einen Preis, der auch das bei der Produktion, Verarbeitung und Transport verursachte Zerstörungswerk beinhaltet, dann steht der Massenkonsum zur Disposition und damit unsere Lebensweise.

Damit wird klar, dass der Schutz von Klima und Biodiversität in der volkswirtschaftlichen Logik nicht als Win-Win-Situation abbildbar ist. Die Menschheit hat im Rahmen der kapitalistischen Produktionsweise dem System Erde zu viele Ressourcen entnommen und zu viel Abfallstoffe „unbearbeitet“ zurück gelassen (ein Symbol hierfür: die Plastiktüte in 8.000 Metern Wassertiefe im Mariannengraben), als dass in der bestehenden Logik weiter agiert werden könnte. Ein „Green New Deal“, ein „grüner Kapitalismus“ ist ein Widerspruch in sich und wird nicht funktionieren.

Die internationale Arbeitsteilung, die in weiten Teilen darauf beruht, dass Umweltkosten und bei uns teure Handarbeit externalisiert werden, also schädliche Produktionen und schlecht vergütete Handarbeit unter infernalischen Bedingungen nach Asien, Afrika oder Südamerika ausgelagert werden, während bei uns mit Hilfe modernster Kläranlagen, Katalysatoren und Verboten die offenkundige Belastung von Luft und Wasser reduziert wird und Gewerkschaften und Behörden über die Arbeitsbelastung wachen, diese Arbeitsteilung kann, sollen Klima und Biodiversität gerettet werden, nicht länger aufrechterhalten werden.

Wir Menschen werden unser gesamtes Leben auf eine neue Basis stellen müssen, Einkommen und Vermögen muss weltweit gerecht geteilt werden, die Ausbeutung der Rohstoffe muss reduziert werden, die Produktionsbedingungen verbessert, die damit einhergehende Zerstörung von Lebensraum beendet werden. Wenn dies nicht gelingt, wenn also in den industrialisierten Ländern weiterhin besser und sicherer gelebt wird als in wenig entwickelten Gesellschaften, wird die Dynamik des Ausgleichs der Lebensverhältnisse ungebrochen bleiben. Entweder die weniger entwickelten Länder folgen dem westlichen Entwicklungspfad der Industrialisierung durch die Zerstörung der Lebensgrundlagen oder wenn dies nicht gelingen sollte, dann erfolgt der ausgleich durch eine mal langsame, mal schnelle Wanderungsbewegung aus den zerstörten und unterentwickelten Ländern in die entwickelten Länder des Nordens. Und niemand wird an die Errichtung einer Mauer denken ...

Auch wenn es den „Fridays“ akut noch nicht bewusst sein sollte, ihre Forderungen sind jetzt bereits dergestalt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie entweder die Systemfrage stellen werden. Falls sie jedoch davor zurückschrecken bleiben sie Bestandteil des westlichen Bequemlichkeitskonsenses und die Bewegung wird einen leisen Tod sterben. Gleich einem Ikarus.


Was bricht zuerst, das Klima oder das System, das ist die zentrale Frage, die es zu beantworten gilt.

Sollte die Bewegung vor der Größe der Herausforderung zurückschrecken, dann wissen wir alle wie es ausgeht. Der Kapitalismus und wir Menschen als handelnde Subjekte im kapitalistischen System werden unsere Welt zugrunde richten.

Sehenden Auges und doch blind.