Freitag, 22. September 2017
Im Grunde war es, wenn man diesen Wahlkampf betrachtet, aus umweltpolitischer Sicht ein verschenkter Wahlkampf. Das sei hier aus aktuellem Anlass am Beispiel der Quecksilberemissionen aus deutschen Kohlekraftwerken belegt.

Aktuell ist nicht die Tatsache, dass unsere Kohlekraftwerke jährlich rund 5 Tonnen Quecksilber ausstoßen, aktuell ist dies, da der Spiegel über die Quecksilberemissionen aus deutschen Kohlekraftwerken berichtet.

Dem Spiegel liegt eine neue Studie der Umweltorganisation European Environment Bureau vor, deren Erstellung von der Partei Bündnis 90/Die Grünen unterstützt wurde.

Bei den Quecksilberemissionen handelt es sich um kein ganz kleines Problem, denn Quecksilber zählt zu den schädlichsten neurotoxischen Substanzen. Es entsteht bei der Verbrennung von Kohle und wird in die Atmosphäre abgegeben. Dort verbleibt es jedoch nicht, sondern es reichert sich in Lebewesen an. Im menschlichen Körper wird es nicht wieder abgebaut.
„Bereits kleine Mengen von bestimmten organischen Quecksilberverbindungen können dem Menschen schaden. Besonders gefährdet sind Embryos und Kleinkinder. Untersuchungen beweisen, dass Quecksilberbelastung die geistige Entwicklung von Kindern verlangsamen und damit den Intelligenzquotienten mindern kann. Nach UNEP kann eine erhöhte Methyl-Quecksilberbelastung in der frühkindlichen Entwicklungsphase zu verschiedenen neurologischen Schäden wie geistiger Behinderung, Krampfanfälle, Seh-und Hörverlust, verzögerter Entwicklung, Sprachstörungen und Gedächtnisverlust führen.„
Welche Mengen sich bereits heute in der Umwelt befinden belegt ein kleine Anfrage der Grünen Bundestagsfraktion, in der die Bundesregierung mitteilte dass, Deutschland von der Umweltqualitätsnorm für Quecksilber weit entfernt sei: „Die Umweltqualitätsnorm für Quecksilber ist in Fischen der Umweltprobendatenbankstellen an Rhein, Saar, Elbe, Mulde, Saale und Donau dauerhaft und flächendeckend um das Fünf-bis 15 fache überschritten.“

In einem aktuellen Biomonitoring der EU wurde festgestellt, dass bereits jedes dritte neugeborene Kind in Europa im Haar eine Methylquecksilberkonzentration (Quecksilber-Verbindung) über dem tolerierbaren Höchstwert aufweist.

Bei den Ergebnissen und Schlussfolgerungen weicht diese Studie dabei von der schon länger bekannten Studie von Greenpeace nicht wesentlich ab. Die Argumentation ist dagegen deutlich technischer und zahlenlastiger.

Aus der Zusammenfassung ergibt sich aber:
a.) deutschen Kohlekraftwerke, insbesondere aber die Braunkohlekraftwerke, stoßen im Jahr rund 5 Tonnen Quecksilber aus.

b.) Mit der heute in den USA bereits verpflichtenden Technik (Katalysator) ließe sich dieser Ausstoß um rund 80% reduzieren.

c.) Eine Umrüstung deutscher Kraftwerke wäre innerhalb von 2 bis 3 Jahren möglich.

d.) Die Kosten sind überschaubar und würden auf die Produktionskosten des Stroms aus diesen Kraftwerken um maximal 2% verteuern.

e.) Der ab 2019 geltende Grenzwert ist so schwach, dass die Quecksilberemissionen in Deutschland nicht sinken werden.

Und zur Willigkeit der deutschen Stromerzeuger, sich den neuen Anforderungen zu stellen, noch ein Zitat aus der Studie:
„In Deutschland ist ein Katalysator bei Steinkohlekraftwerken seit Jahrzehnten schon Standard, die Betreiber von Braunkohlekraftwerken wurden jedoch von dieser Anforderung, die Zusatzabscheidungen von mindestens 85% NOx und ca. 36-49 % Quecksilber erzielt, befreit. Die Betreiber wollen diese Anforderung mit Komplizenschaft der Bundesregierung ab 2020 aber umgehen.“
An dieser Stelle deshalb ein müder Abgesang auf diesen verschenkten Wahlkampf. Es gab spannende Umweltthemen, über die man hätte streiten können. Mit dem Dieselskandal hätte es sogar einen Trigger gegeben, um von der Stickoxidbelastung zu weiteren Umweltthemen zu kommen, bspw. zum Quecksilber aus Kraftwerken oder auch zur Überdüngung landwirtschaftlicher Flächen und daraus folgend der Nitratbelastung unseres Wassers, zum Fächenverbrauch durch Straßenbau und daraus folgend die Frage, was für eine Form der Mobilität zukünftig noch möglich ist usw..

Das sind Themen, die vor unserer Haustüre liegen: unser Trinkwasser, unsere Gesundheit, unser Leben.

Unsere Parteien haben diese Debatten aber erfolgreich verhindert. Geblieben sind Treueschwüre aller politischen Gruppierungen von rot, über grün, schwarz, gelb und braun zum Dieselmotor und eine Pseudodebatte um das Recht auf Sammelklagen von Autobesitzern gegen die Autoindustrie.

Mal ehrlich: Was war daran zukunftsweisend?




Freitag, 15. September 2017
Die ganze Zeit überlege ich schon, ob ich über die Bundestagswahl schreiben soll … aber worüber soll man denn nun wirklich schreiben? Wo ist das Thema dieser Wahl?

Die Schulz-Hype? Ist seit Monaten durch und die SPD scheint eher auf dem Weg in die Depression.

Über die Bundeskanzlerin und ihren Wahlverein? Muttibashing? Macht die AfD ist also auch keine Alternative. Über das CDU-Wahlprogramm? So aussagekräftig wie die CDU-Wahlplakate.

Über Lindner? Ich habe gelernt, dass es nicht angeht, sich bei Politikerinnen über ihre Frisur, ihre Kleider oder ihr Schuhwerk auszulassen, da dieses als Form einer sexistischen Abwertung verstanden werden kann. Würde ich mich nun über Lindners Dreitagebart mokieren, müsste ich dann aus Gründen ausgleichender Gerechtigkeit auch bspw. über Katrin Göring-Eckardts Kleider, Hosen oder sonst was lästern.
Geht also auch nicht.
Andererseits gibt das FDP-Wahlprogramm auch nichts her. In Anlehnung an die letzte Presseerklärung der Frechener SPD kann man nur sagen: Alter Wein in digital aufgepeppten Schläuchen. Wer neoliberal will, hier bekommt er’s.

Was bleibt ist am Ende doch nur die SPD und die Frage, warum es so schief gehen konnte, wie es nun schief zu gehen scheint, oder anders formuliert: warum es so schief gehen musste.

Ich habe die ganze Zeit schon überlegt, wie ich Schulz mit einem Bild beschreiben soll, weil er ja einerseits ein netter Kerl ist, die SPD andererseits auch einiges getan hat, um programmatisch andere Zeichen zu setzen und trotzdem reagiert die Öffentlichkeit so desinteressiert und gelangweilt.

Gestern kam mir das Bild.

Auf mich wirkt Martin Schulz wie ein kleiner bellender Hund von dem Frauchen sagt "Der tut nichts, der will nur spielen."
Genau das ist es, was auf Dauer rüberkommt. Im Grunde will er da weitermachen, wo die Merkel aufgehört hat und seine "Angriffe" sind nicht ernst gemeint. Warum also Schulz wählen?

Das beschreibt m.E. das Problem des gesamten SPD-Wahlkampfs. Es ist der Partei weder mit der Person noch mit den programmatischen Inhalten gelungen der Öffentlichkeit klar zu machen, dass die SPD eine andere Politik will.

Das begann mit der leidigen Diskussion um die Koalitionsmöglichkeiten. Allen politisch interessierten war klar, dass Martin Schulz nur in einer rot-rot-grünen Koalition Bundeskanzler werden kann. Rot-Gelb-Grün hätte vielleicht auch funktionieren können, aber die Lindner-FDP zieht es ganz stark zur CDU. Schon alleine aus diesem Grund war die zweite Variante nur eine Scheinvariante.
Und was machen die SPD und Martin Schulz? Geben der LINKEN einen Korb. Offiziell weil die LINKE außenpolitisch nicht zuverlässig sei, vermutlich aber vielmehr deshalb, weil die LINKE die SPD immer an ihren Sündenfall Hartz IV erinnert. Die Wagenknecht als die Personifizierung des schlechten Gewissens der SPD….

Hartz IV ist ja auch so ein Punkt, mit dem Schulz hätte wuchern können. Seine ersten Hinweise, was er an den Hartz IV-Gesetzen ändern wolle wurden im eigenen Wählerklientel sehr positiv aufgenommen. Tja da hätte der Kandidat nachlegen müssen, das aber war nicht gewollt. Es sollte bei ein paar oberflächlichen kosmetischen Korrekturen bleiben.

Und dann kam der Dieselskandal und Frau Merkel präsentierte sich als die Schutzgöttin der Autoindustrie. Zwar war die göttin ein bisschen zornig, aber deswegen ließ sie trotzdem nichts auf die deutsche automobilindustrie kommen. Ein bisschen so wie Elternliebe, wenn das eigene Kind Dummheiten gemacht hat ....

Da hätte die SPD die Chance gehabt, sich als Schutzmacht aller Bürgerinnen und Bürger aufzuschwingen. Alle Menschen, auch die allerärmsten, haben das Anrecht auf saubere Luft, selbst wenn sie neben der dichtbefahrensten Straße wohnen. und wenn zum Schutz der Menschen Dieselmotoren aus dem Verkehr gezogen werden müssen, dann hat das zu geschehen. Und zwar auf Kosten derjenigen, die diese Dreckschleudern in den Verkehr gebracht haben.
Aber auch diese Chance wollte der Kandidat nicht ergreifen, denn es hängen ja viele Arbeitsplätze am Dieselmotor und was zählen da schon Menschen, deren Konstitution mit der Stickoxidbelastung nicht zurecht kommen?

Auch bei der Rente wäre die Kanzlerin angreifbar, denn à la Blüm findet sie, dass unsere Rentenversicherung um Grunde eine tolle Sache sei und Änderungen eigentlich überflüssig.
Ganz so sieht das der Kandidat nicht, jedoch will er und die SPD nur das weitere Absinken des Rentenniveaus für die Zukunft verhindern. Das ist was für einen wie mich, ein Mittelschichtler mit einem ordentlich bezahlten Arbeitsplatz. Die Altersarmut des unteren Drittels der Gesellschaft, der prekär Beschäftigten, derjenigen mit gebrochenen Erwerbsbiographien, bekämpft er mit diesem Vorschlag aber nicht. Hier wäre deutlich mehr möglich gewesen. Mit einem solchen Thema hätte die SPD auch bei Menschen punkten können, die schon lange nicht mehr wählen gehen, weil ihre alltäglichen Sorgen und Nöte von der Politik nicht aufgegriffen werden.

Man könnte die Liste beliebig verlängern: Europa, Türkei, Flüchtlinge, aber das würde zu keinen neuen Erkenntnissen führen. Es verfestigt sich nur der Eindruck, dass hier im Grundsätzlichen so weiter gemacht werden soll wie bisher, vielleicht mit einem bisschen mehr sozialdemokratischem Korrektiv, aber im Grunde wie Merkel, nur mit Bart.

Das ist irgendwie ein bisschen wenig. Also wurde die SPD wieder auf ihre Kernwählerschaft zurückgeworfen, die so irgendwo knapp oberhalb der 20% Marke zu liegen scheint.

Bedauerlich, man hätte die Wahl spannender gestalten können, wenn man sich in seinen Handlungsmöglichkeiten nicht selber zu sehr beschnitten hätte.




Freitag, 1. September 2017
Schon zwei Mal wurde hier im Blog ( hier und hier) über die Gesundheitsgefahren berichtet, die vom Quecksilber ausgehen, das von den Braunkohlekraftwerken emittiert wird.

Nun hat die EU-Kommission endlich entschieden und die Grenzwerte für den Ausstoß von Quecksilber und andere Schadstoffe deutlich abgesenkt.
Und was passiert? Die vier Braunkohleländer Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt schreiben die Wirtschaftsministerin B.Zypries an und fordern diese auf, gegen den Beschluss einzuschreiten und „alle politischen und rechtlichen Mittel auszuschöpfen“.

Die neuen Grenzwerte entsprächen nicht, so wird argumentiert, dem Stand der Technik und seien „absehbar nicht erreichbar“.
Tja, das ist nun blöde gelaufen, denn die EU-Mitgliedsländer haben den neuen Grenzwerte bereits im April 2017 mehrheitlich, d.h., gegen die Stimmen der Länder mit den größten Dreckschleudern, also Deutschland, Polen und Tschechien, zugestimmt. Aber so ist das halt bei einem Mehrheitsbeschluss: Mehrheit ist Mehrheit.

Nun ist Umwelt-, Verbraucher- und Gesundheitsschutz eine primäre Aufgabe der EU, insofern ist die EU aufgefordert einzugreifen, wenn die Gesundheit der EU-Bürgerinnen und Bürger gefährdet ist. Da die Emissionen aus den Kraftwerken sowohl gesundheitsschädlich als auch klimarelevant (Stickoxide) sind, war das Handeln der EU unumgänglich.

Und in Kenntnis der Tatsache, dass in den USA deutlich strengere Grenzwerte gelten und die US-Kraftwerke in der Lage sind, diese Grenzwerte einzuhalten, kann wohl auch das Argument vom „Stand der Technik“ in das Reich der Legenden verwiesen werden.

Es ist aber immer schön, wenn auch unser hiesiger Ministerpräsident A.Laschet findet, der Gesundheitsschutz der eigenen Bevölkerung habe einen geringeren Stellenwert als die „unnötigen“ Kosten für entsprechende Filtertechnologien.
Aber was dem einen sein Diesel ist dem anderen halt sein Braunkohlekraftwerk. Da darf weder die Gesundheit der Menschen noch der Klimawandel eine Rolle spielen. Hauptsache, die Gewinne der betroffenen Industrieunternehmen leiden nicht unter irgendwelchen einzuhaltenden Grenzwerten.

Ach ja, der Herr Lindner von der FDP hat ja bereits die neue Leitlinie politischen Handelns in dieser Frage ausgegeben. Er findet, dass die Grenzwerte soweit abgesenkt werden sollen, bis die betroffenen Industriezweige diese ohne Aufwand einhalten können. Die Idee kam ihm, als klar wurde, dass der deutsche Dieselmotor die Stickoxidgrenzwerte nur zu hohen Kosten würde einhalten können. Aber wie gesagt. was dem einen sein Diesel ist dem anderen sein Kraftwerk.

Also: eine geniale, weil auf andere Bereiche leicht übertragbare Idee.

Soll sich doch der Mensch im evolutionären Prozess beschleunigt an die für die deutschen Industrieunternehmen noch genehmen Grenzwerte anpassen und nicht umgekehrt.

Das hat sogar lokale Konsequenzen, auch hier in Frechen. Ich denke da nur an die hiesige FDP und ihre Trinkwasserkampagne. Zu viel Nitrat im Trinkwasser? Egal, der Grenzwert hat sich nach den Bedürfnissen der deutschen Landwirtschaft zu richten und nicht danach, was das Nitrat im menschlichen Körper anrichtet.

Also FDP Frechen: Vom Lindner lernen heißt siegen lernen, beerdigt die Trinkwasserkampagne.