Thema: Mobilität
16. Mai 23 | Autor: antoine favier | 0 Kommentare | Kommentieren
Es ist immer wieder erstaunlich, wie man den Erkenntnissen der Wissenschaft weiträumig aus dem Weg gehen kann. Ein aktuelles Beispiel findet sich ab S.55 im städtischen "Klimaschutz und Mobilitätsbericht". So ist es bspw. längst vielfach belegt und wissenschaftlich abgesichert, dass RadfahrerInnen sich eine vernünftige Infrastruktur wünschen, da diese grundlegend für die Sicherheit im Straßenverkehr ist. Wer den ADFC-Fahrradklimatest gelesen hat, der findet diese Position vielfach bestätigt. Als sichere Infrastruktur gelten abgegrenzte, breite und gut ausgebaute Fahrradwege.
Trotzdem plant die Stadt Frechen weiterhin mit sogenannten Radfahrstreifen, also einfachen Linien auf der Straße, die signalisieren sollen, dass sich auf diesem schmalen Streifen RadlerInnen bewegen sollen.
Streifen, die anderswo „Todesstreifen“ genannt werden:
In Frechen haben Politik und Verwaltung den hierzu nötigen Wegfall von Parkplätzen im Rahmen der Fortschreibung des Verkehrsentwicklungsplanes schon 2016, also vor gerade mal 7 Jahren, beschlossen. Gut passiert ist bisher eher wenig, aber wenn man dafür Alternativen darstellen will, so wie unsere Stadtverwaltung, was sind dann schon 7 Jahren?
Aber, schauen wir mal auf die sorgsam in der Verwaltung gewählten und abgestimmten Formulierungen im "Klimaschutz und Mobilitätsbericht":
1. um welche Verkehrsteilnehmer, die man nicht näher bezeichnet hat, könnte es sich handeln?
2. welche Belange, könnten wohl zu berücksichtigen sein, die bisher bei der Verkehrsraumgestaltung zu kurz gekommen sind?
Frage 1 beantwortet sich fast von selbst. Es handelt um die AutofahrerInnen und deren stehende Untersätze. Die Stadt sagt verklausuliert aber deutlich, dass es nicht sein kann, dass deren Belange unter dem Plan, Frechen „fahrrad- und fußgängerfreundlicher“ zu gestalten, leiden sollen.
Alleine schon Satzbau und sprachliche Gestaltung reflektieren den dringenden Wunsch, die Last die die automobile Mobilität für eine Stadt wie Frechen bedeutet, klein zu reden. Aus dem platzfressenden Auto werden die „andere Verkehrsteilnehmer“, ein elegant gewählter Plural, der eine Vielzahl unterschiedlicher Betroffener behauptet. Und dann wird aus den genau beschreibbaren und messbaren Anforderungen platzfressender PKW so etwas wie „Belange“, die „aber auch“ zu berücksichtigen sind. Eine Formulierung, die wie eine Verkleinerung, eine Verniedlichung wirkt, dabei handelt es sich im Kern um die sehr einfache Auseinandersetzung um den verfügbaren öffentlichen Raum. Und dieser Raum muss nutzungsseitig verteilt werden. Und da ist es im Grundsatz mal ziemlich egal, ob eine Straße von 77 oder von 1321 Autos täglich befahren wird. Eine Straße sollte im innerstädtischen Bereich über zwei Fahrspuren verfügen und die meisten AutobesitzerInnen erwarten zusätzlich ausreichenden öffentlichen Parkraum. Am besten kostenlos.
Hinter diese Grundbedürfnisse des Autoverkehrs haben Füßgänger- und RadlerInnen zurückzutreten. Und deshalb gibt es auch keine Radwege sondern bestenfalls „Todesstreifen“ oder sogenannte Fahrradstraßen, weil dadurch die „aber auch Belange“ der „anderen Verkehrsteilnehmer“ ausreichend berücksichtigt werden.
Womit klar ist, dass der im Verkehrsentwicklungsplan 2016 entschiedene Wegfall von Parkplätzen im öffentlichen Raum keine je ernsthaft erwogene Alternative im Rahmen einer Neuverteilung des zur Verfügung stehenden Raums für Mobilität darstellt.
Es handelt sich um schlecht gemachtes Greenwashing aber keinesfalls um einen ernsthaften Versuch Frechen fahrrad- und fußgängerfreundlicher zu machen
Die im Verkehrsentwicklungsplan 2016 notierten Erkenntnisse:
• Der Radwegeanteil am Gesamtaufkommen ist niedrig.
• Es gibt noch viele Defizitbereiche, die im Sinne einer verstärkten Angebotsplanung gelöst werden müssen.
• Der Radverkehr birgt noch ein deutliches Verlagerungspotential.
sind für diese Verwaltung nicht handlungsleitend.
Trotzdem plant die Stadt Frechen weiterhin mit sogenannten Radfahrstreifen, also einfachen Linien auf der Straße, die signalisieren sollen, dass sich auf diesem schmalen Streifen RadlerInnen bewegen sollen.
Streifen, die anderswo „Todesstreifen“ genannt werden:
"Und die aufgepinselten „Sicherheitsstreifen“ sind manchmal nur 80 Zentimeter breit. Mit Sicherheit haben diese Malerarbeiten auf Asphalt nichts zu tun: Rechts gehen zack die Autotüren auf, links rasen die Blechdosen eng vorbei. Auf Niederländisch heißen diese hilflosen Streifen übrigens Moordstrokje; Todesstreifen."Aber selbst hierfür sind Hindernisse zu überwinden, denn, so schreibt die Stadt:
„Problem ist hierbei, dass die Umsetzung nur mit Reorganisation des ruhenden Verkehrs (u.a. Wegfall von Parkplätzen) erfolgen kann.“Stimmt.
In Frechen haben Politik und Verwaltung den hierzu nötigen Wegfall von Parkplätzen im Rahmen der Fortschreibung des Verkehrsentwicklungsplanes schon 2016, also vor gerade mal 7 Jahren, beschlossen. Gut passiert ist bisher eher wenig, aber wenn man dafür Alternativen darstellen will, so wie unsere Stadtverwaltung, was sind dann schon 7 Jahren?
Aber, schauen wir mal auf die sorgsam in der Verwaltung gewählten und abgestimmten Formulierungen im "Klimaschutz und Mobilitätsbericht":
„Obwohl der Wegfall von Parkplätzen bereits im Rahmen des VEP vom zuständigen Fachausschuss beschlossen wurde, ist es der Verwaltung der Stadt Frechen wichtig, Alternativen darzustellen und ggf. Ersatz zu schaffen. Im Rahmen der planerischen Eigenverantwortung wurden daher entsprechende Lösungspotentiale entwickelt, um die Frechener Innenstadt fahrrad- und fußgängerfreundlicher zu gestalten, aber auch die Belange anderer Verkehrsteilnehmer zu berücksichtigen."Und nun 2 Fragen, die sich hier ergeben:
1. um welche Verkehrsteilnehmer, die man nicht näher bezeichnet hat, könnte es sich handeln?
2. welche Belange, könnten wohl zu berücksichtigen sein, die bisher bei der Verkehrsraumgestaltung zu kurz gekommen sind?
Frage 1 beantwortet sich fast von selbst. Es handelt um die AutofahrerInnen und deren stehende Untersätze. Die Stadt sagt verklausuliert aber deutlich, dass es nicht sein kann, dass deren Belange unter dem Plan, Frechen „fahrrad- und fußgängerfreundlicher“ zu gestalten, leiden sollen.
Alleine schon Satzbau und sprachliche Gestaltung reflektieren den dringenden Wunsch, die Last die die automobile Mobilität für eine Stadt wie Frechen bedeutet, klein zu reden. Aus dem platzfressenden Auto werden die „andere Verkehrsteilnehmer“, ein elegant gewählter Plural, der eine Vielzahl unterschiedlicher Betroffener behauptet. Und dann wird aus den genau beschreibbaren und messbaren Anforderungen platzfressender PKW so etwas wie „Belange“, die „aber auch“ zu berücksichtigen sind. Eine Formulierung, die wie eine Verkleinerung, eine Verniedlichung wirkt, dabei handelt es sich im Kern um die sehr einfache Auseinandersetzung um den verfügbaren öffentlichen Raum. Und dieser Raum muss nutzungsseitig verteilt werden. Und da ist es im Grundsatz mal ziemlich egal, ob eine Straße von 77 oder von 1321 Autos täglich befahren wird. Eine Straße sollte im innerstädtischen Bereich über zwei Fahrspuren verfügen und die meisten AutobesitzerInnen erwarten zusätzlich ausreichenden öffentlichen Parkraum. Am besten kostenlos.
Hinter diese Grundbedürfnisse des Autoverkehrs haben Füßgänger- und RadlerInnen zurückzutreten. Und deshalb gibt es auch keine Radwege sondern bestenfalls „Todesstreifen“ oder sogenannte Fahrradstraßen, weil dadurch die „aber auch Belange“ der „anderen Verkehrsteilnehmer“ ausreichend berücksichtigt werden.
Womit klar ist, dass der im Verkehrsentwicklungsplan 2016 entschiedene Wegfall von Parkplätzen im öffentlichen Raum keine je ernsthaft erwogene Alternative im Rahmen einer Neuverteilung des zur Verfügung stehenden Raums für Mobilität darstellt.
Es handelt sich um schlecht gemachtes Greenwashing aber keinesfalls um einen ernsthaften Versuch Frechen fahrrad- und fußgängerfreundlicher zu machen
Die im Verkehrsentwicklungsplan 2016 notierten Erkenntnisse:
• Der Radwegeanteil am Gesamtaufkommen ist niedrig.
• Es gibt noch viele Defizitbereiche, die im Sinne einer verstärkten Angebotsplanung gelöst werden müssen.
• Der Radverkehr birgt noch ein deutliches Verlagerungspotential.
sind für diese Verwaltung nicht handlungsleitend.
Thema: Radfahren
25. April 23 | Autor: antoine favier | 0 Kommentare | Kommentieren
Na, nach den euphorischen Berichten des KStA über die ach so extremen Verbesserungen der Stadt Köln im ADFC-Fahrradklimatest, bin ich mal gespannt, wie man in Frechen das Ergebnis
kunstvoll uminterpretiert.
Denn: wenn wir die konkreten Antworten auf die im Fahrradklimatest gestellten Fragen für die Stadt Frechen nehmen und diejenigen aufsummieren, die bei der jeweiligen Frage mit den schlechtesten Schulnoten geantwortet haben (Schulnote 5 und 6), dann haben wir ein eindrucksvolles Bild, warum man in Frechen besser nicht Fahrrad fährt:
• 66 % aller Befragten empfinden Radfahren in Frechen als Stress,
• 64 % sagen, dass in jüngster Zeit nichts für den Radverkehr getan wurde,
• 73 % erklären, dass in Frechen das Parken auf Radwegen großzügig geduldet wird,
• 68 % finden, dass Radwege in Frechen selten gereinigt werden,
• 71 % finden, dass Ampelschaltungen nicht gut auf Radfahrer*innen abgestimmt sind,
• 47 % haben festgestellt, dass im Winter Radwege nicht geräumt und gestreut sind (14 weitere Prozent enthalten sich bei dieser Frage, vermutlich diejenigen, die im Winter weniger auf dem Rad unterwegs sind)
• 72 % fühlen sich als Radfahrer*innen als gefährdet,
• 58 % erleben häufge Konflikte zwischen Radfahrer*innen und Autofahrer*innen,
• 60 % erklären, dass es viele Hindernisse auf Radwegen und Radstreifen gibt (z.B. Laternen, Drängelgitter, Werbeständer)
• 67 % finden, dass man auf Radwegen und Radstreifen nicht sicher fahren kann,
• 68 % fühlen sich auf der Fahrbahn bedrängt und behindert,
• 77 % halten die Wege für Radfahrer*innen oft für zu schmal,
• 69 % erklären, dass die Wege für Radler*innen holprig und in schlechtem Zustand sind
Und
• 66 % erklären, dass Radfahrer*innen an Baustellen meistens zum Absteigen und Schieben gezwungen werden.
Zugegeben, es gibt noch eine Handvoll Fragen, bei denen die Radler*innen die geantwortet haben, etwas freundlicher mit der Stadt umgehen, aber sobald es um die harten Themen geht, um die Strukturen im Sinne von: Raumangebot für Radler*innen, Qualität der Radwege etc. dann kommt halt der Hammer.
Man sollte das aber dann auch entsprechend marketingmäßig breit kommunizieren, so im Stile von:
„Lieber Gast, wenn du nach Frechen kommst, vergiss das Fahrrad."
kunstvoll uminterpretiert.
Denn: wenn wir die konkreten Antworten auf die im Fahrradklimatest gestellten Fragen für die Stadt Frechen nehmen und diejenigen aufsummieren, die bei der jeweiligen Frage mit den schlechtesten Schulnoten geantwortet haben (Schulnote 5 und 6), dann haben wir ein eindrucksvolles Bild, warum man in Frechen besser nicht Fahrrad fährt:
• 66 % aller Befragten empfinden Radfahren in Frechen als Stress,
• 64 % sagen, dass in jüngster Zeit nichts für den Radverkehr getan wurde,
• 73 % erklären, dass in Frechen das Parken auf Radwegen großzügig geduldet wird,
• 68 % finden, dass Radwege in Frechen selten gereinigt werden,
• 71 % finden, dass Ampelschaltungen nicht gut auf Radfahrer*innen abgestimmt sind,
• 47 % haben festgestellt, dass im Winter Radwege nicht geräumt und gestreut sind (14 weitere Prozent enthalten sich bei dieser Frage, vermutlich diejenigen, die im Winter weniger auf dem Rad unterwegs sind)
• 72 % fühlen sich als Radfahrer*innen als gefährdet,
• 58 % erleben häufge Konflikte zwischen Radfahrer*innen und Autofahrer*innen,
• 60 % erklären, dass es viele Hindernisse auf Radwegen und Radstreifen gibt (z.B. Laternen, Drängelgitter, Werbeständer)
• 67 % finden, dass man auf Radwegen und Radstreifen nicht sicher fahren kann,
• 68 % fühlen sich auf der Fahrbahn bedrängt und behindert,
• 77 % halten die Wege für Radfahrer*innen oft für zu schmal,
• 69 % erklären, dass die Wege für Radler*innen holprig und in schlechtem Zustand sind
Und
• 66 % erklären, dass Radfahrer*innen an Baustellen meistens zum Absteigen und Schieben gezwungen werden.
Zugegeben, es gibt noch eine Handvoll Fragen, bei denen die Radler*innen die geantwortet haben, etwas freundlicher mit der Stadt umgehen, aber sobald es um die harten Themen geht, um die Strukturen im Sinne von: Raumangebot für Radler*innen, Qualität der Radwege etc. dann kommt halt der Hammer.
Man sollte das aber dann auch entsprechend marketingmäßig breit kommunizieren, so im Stile von:
„Lieber Gast, wenn du nach Frechen kommst, vergiss das Fahrrad."
Thema: Radfahren
31. März 23 | Autor: antoine favier | 0 Kommentare | Kommentieren
Es war zu erwarten. Die Einführung einer Fahrradzone in der nördlichen Innenstadt entwickelt sich zu einer Posse. Nicht nur, dass die mit der Beschilderung beauftragte Fachfirma einiges falsch gemacht hatte, die Stadt hat auch vergessen, auf den Einführungstermin hinzuweisen. Nun sind alle autofahrenden AnwohnerInnen verärgert, wenn nicht gar empört.
Die SPD-Fraktion erklärt, dass sie das ja schon immer gewusst habe, andere schweigen still oder üben sich in diplomatischer Zurückhaltung.
So weit, so wenig Neues.
Die einen behaupteten, mit einer solchen Maßnahme Frechen fahrrad- und fußgängerfreundlicher zu machen (Verwaltung, CDU und Grüne (einstmals)), die anderen bezweifelten das und verweisen auf den „Willen der dort wohnenden Menschen“ (SPD, Perspektive).
Aber keine der Ratsfraktionen ist bereit, der Anspruchshaltung der AutobesitzerInnen entgegen zu treten. Denn jede Stadt, die plant, für FußgängerInnen und RadlerInnen attraktiver zu werden, muss dem Auto Platz wegnehmen, muss das Autofahren unattraktiver machen.
Entweder will Frechen eine Stadt werden, die für FußgängerInnen und RadlerInnen attraktiv(er) ist, oder Frechen bleibt das, was sie schon seit Jahrzehnten ist, eine Stadt, die sich „chic“ gemacht hat für die ausschließliche Autonutzung. Kostenlosen Parken im öffentlichen Raum, ein kostenfreies Parkhaus und rudimentäre Radwege, die nicht selten im Nirwana enden.
Der Anspruch der Maßnahme in der nördlichen Innenstadt spiegelt ja genau diese Schizophrenie wieder: die Maßnahme darf nur geringe Kosten verursachen und es dürfen keine Parkplätze wegfallen. Also die „wasch mich, aber mach mir den Pelz nicht nass“ Methode. Das kann nicht klappen, das wird auch nicht klappen.
Die Fachliteratur spricht dabei von einer Autopfadabhängigkeit. Wir erleben diese am konkreten Beispiel hier vor Ort:
Aber mit diesen im Rat vertretenen politischen Parteien wird sich an dieser Schizophrenie nichts ändern.
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Anhang: aus oben genanntem Buch ein kommunalpolitisches Programm für eine nachhaltige kommunale Verkehrswende:
Die SPD-Fraktion erklärt, dass sie das ja schon immer gewusst habe, andere schweigen still oder üben sich in diplomatischer Zurückhaltung.
So weit, so wenig Neues.
Die einen behaupteten, mit einer solchen Maßnahme Frechen fahrrad- und fußgängerfreundlicher zu machen (Verwaltung, CDU und Grüne (einstmals)), die anderen bezweifelten das und verweisen auf den „Willen der dort wohnenden Menschen“ (SPD, Perspektive).
Aber keine der Ratsfraktionen ist bereit, der Anspruchshaltung der AutobesitzerInnen entgegen zu treten. Denn jede Stadt, die plant, für FußgängerInnen und RadlerInnen attraktiver zu werden, muss dem Auto Platz wegnehmen, muss das Autofahren unattraktiver machen.
Entweder will Frechen eine Stadt werden, die für FußgängerInnen und RadlerInnen attraktiv(er) ist, oder Frechen bleibt das, was sie schon seit Jahrzehnten ist, eine Stadt, die sich „chic“ gemacht hat für die ausschließliche Autonutzung. Kostenlosen Parken im öffentlichen Raum, ein kostenfreies Parkhaus und rudimentäre Radwege, die nicht selten im Nirwana enden.
Der Anspruch der Maßnahme in der nördlichen Innenstadt spiegelt ja genau diese Schizophrenie wieder: die Maßnahme darf nur geringe Kosten verursachen und es dürfen keine Parkplätze wegfallen. Also die „wasch mich, aber mach mir den Pelz nicht nass“ Methode. Das kann nicht klappen, das wird auch nicht klappen.
Die Fachliteratur spricht dabei von einer Autopfadabhängigkeit. Wir erleben diese am konkreten Beispiel hier vor Ort:
„die scheinbar selbstverständliche und unangefochtene Verfügungsstellung des öffentlichen Raums für die rollende oder stehende Autoblechkarawane. Die kognitive Dissonanz ist auch hier augenfällig: Alle wollen das öffentliche Gut des Raumes möglichst unbeschwert genießen, (…) wenn es aber um den eigenen Parkplatz auf öffentlichen Straßen geht oder wenn die Neuaufteilung der Raumnutzung ansteht, waren das Auto und der Straßenausbau bisher fast immer die Sieger.(Peter Hennicke, Thorsten Koska, Jana Rasch, Oscar Reutter, Dieter Seifried, Nachhaltige Mobilität für alle. Ein Plädoyer für mehr Verkehrsgerechtigkeit, München 2021, S. 320.)
(…)
Effektiv verwandelt der doppelte Prozess des sozialen und physischen Umbaus die Straße von einem Gemeingut, das für alle zugänglich ist, in einen Raum, der den Autonutzern vorbehalten ist, wodurch das Auto zu einem kritisch wichtigen Bedürfnisbefriediger wird, während gleichzeitig die Fähigkeit anderer Verkehrsmittel, die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, eingeschränkt wird. Diesem angemaßten Autovorrang und scheinbaren Gewohnheitsrecht auf Priorität bei der Raumordnung und Stadtentwicklung muss mit gezielter und geduldiger Aufklärung über die externalisierten Schäden und Risiken entgegengetreten werden.“
Aber mit diesen im Rat vertretenen politischen Parteien wird sich an dieser Schizophrenie nichts ändern.
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Anhang: aus oben genanntem Buch ein kommunalpolitisches Programm für eine nachhaltige kommunale Verkehrswende:
Der Nahbereich, die eigene Stadt oder Gemeinde, ist für die Mobilitätsbedürfnisse und -erfahrungen der meisten Menschen prägend. Deshalb wirkt die kommunale Verkehrswende nicht nur komplementär und unterstützend zur überörtlichen Verkehrspolitik, sondern sie kann diese vorantreiben, wenn sie ihren kommunalen Gestaltungsspielraum nutzt, Lust auf mehr Verkehrswende weckt und Druck auf die Bundesebene entfaltet. Im folgenden 10-Punkte Programm werden dafür zentrale Ansatzpunkte herausgegriffen.(S. 345-351)
1. Umsteuern und Kurswechsel
Kommunale Verkehrswende bedeutet: Umsteuern! Es geht um die klare Abkehr vom überkommenen Leitbild einer autogerechten Stadt. Stattdessen gilt es, die Ansprüche der Menschen an lebenswerte Stadtqualitäten und ein gutes Wohnumfeld in den Mittelpunkt zu stellen ebenso wie die Ansprüche der Gesellschaft an eine klima- und umweltschonende Mobilitätsgestaltung. Das erfordert, die Verkehrsmittel des Umweltverbundes gegenüber dem motorisierten Individualverkehr zu priorisieren – also das Zu-Fuß-Gehen, das Radfahren, das Fahren mit Bussen und Bahnen im öffentlichen Nahverkehr sowie ergänzend mit Ridepooling, Carsharing und Taxi als öffentlichen Autos. Dieser Strategiewechsel ist keine Kleinigkeit. In den meisten deutschen Städten ist das ein radikaler Kurswechsel, der klar, massiv und schnell erforderlich ist.
2. Haltungswechsel und Gewinne
Kommunale Verkehrswende argumentiert nicht nur gegen zu viel Autoverkehr. Vielmehr wirbt sie mit einem Gewinndiskurs für mehr Qualität. Sie will den Menschen und den Unternehmen ihre Mobilität ermöglichen und dabei zugleich ökologisch verträglich, sozial verpflichtet und gerecht sowie ökonomisch effizient sein. Eine lokal und konkret erlebbare Verkehrswende schafft viele Gewinne für die Menschen, die Umweltqualität und die Stadt. Alle gewinnen mehr Ruhe, eine gesündere Atemluft, verbesserte Verkehrssicherheit, höhere Wohnumfeldqualität, freien Bewegungsraum für Kinder, mehr öffentlichen Raum für Begegnung und Kommunikation; ebenso erweitern sich umweltschonende Mobilitätsmöglichkeiten für alle, die letztlich einen Beitrag leisten für ein enkelverträgliches Klima. Es entstehen, kurz gesagt, eine lebenswerte Stadt und eine nachhaltigere Umwelt. Diese Gewinne übertreffen die Verluste, die es auch gibt, wenn künftig in der Stadt nicht mehr jederzeit und überall beliebige Autos ohne nennenswerte Einschränkungen gefahren und abgestellt werden dürfen.
3. Gemeinschafswerk kommunale Verkehrswende
Kommunale Verkehrswende ist ein Gemeinschaftswerk von vielen. Kommunalpolitik und -verwaltung sollten dafür den klaren Kurs setzen. Die lokalen Unternehmen können mit einem betrieblichen Mobilitätsmanagement einen Beitrag leisten. Die Industrie- und Handelskammer oder die Kreishandwerkerschaft sind wichtige Kooperationspartner:innen. Die örtliche Wohnungswirtschaft kann mit wohnstandortbezogenem Mobilitätsmanagement beitragen. Die städtische Mobilitätswirtschaft (kommunale Nahverkehrsunternehmen, Carsharing-Anbieter und das Taxigewerbe) sind ohnehin die natürlichen Verbündeten der kommunalen Verkehrswende. Die lokalen Medien in Zeitung, Hörfunk, Fernsehen und Social Media können jeden Tag die vielfältigen Themen der kommunalen Verkehrswende aufgreifen. Jede und jeder Einzelne kann die eigene alltägliche Mobilität weniger autoorientiert gestalten, sich autounabhängiger fortbewegen, mehr multimodal und intermodal unterwegs sein oder sich gleich ganz für ein autofreies Leben entscheiden. Die Zivilgesellschaft kann sich politisch für die kommunale Verkehrswende engagieren und dafür mitstreiten. Wissenschafler:innen können die Verkehrswende in ihrer Stadt unterstützen. Kommunale Verkehrswende macht die unterschiedlichsten Akteur:innen zu aktiven Mitgestalter:innen. Sie leistet Empowerment.
4. Kommunale Verkehrswendeplanung
Kommunale Verkehrswende ist eine dauerhafte kommunalpolitische Großaufgabe. Stadtpolitik und Stadtverwaltung sollten sie mit hoher Priorität und Kontinuität angehen. Strategische Verkehrswendepläne sind dafür genauso erforderlich wie entsprechende konkrete Projekte. Kommunale Verkehrswendeplanungen behandeln Folgendes integriert: die verschiedenen Verkehrs- und Wegezwecke, die verschiedenartigen Verkehrsmittel im motorisierten Individualverkehr und im Umweltverbund, vertikal die übergeordneten Planungsebenen und horizontal die mitbetroffenen, benachbarten Planwerke wie Bauleitplanung, Klimaschutzplanung, Lufreinhalteplanung oder Lärmminderungsplanung, die unterschiedlichen Akteur:innen, die zeitlichen Planungshorizonte der kurz-, mittel- und langfristigen Planungen und manches mehr.
5. Leitbild, Ziele und Zielwerte
Das Leitbild nachhaltige Mobilität für alle und nachhaltiger Verkehr ist von den Zielvorstellungen und den angestrebten Gewinnen aus im Heute zu gestalten. Es gilt, vom Ziel her zu denken. Dafür ist es notwendig, konkret zu werden und operationale Zielwerte zu formulieren. Zum Beispiel heißt Klimaschutz auch im Stadtverkehr: für 2035 und 2050 anspruchsvolle Ziele festlegen, die den kommunalen Handlungsspielraum ausschöpfen und eine bundesweite Dekarbonisierung des Verkehrssystems voranbringen. Solche operationalisierten Zielvorstellungen müssen stadtpolitisch diskutiert und definiert werden. Doch nur mit solchen konkreten Zielen und Zielwerten kann eine Kommune beurteilen, wo sie bei ihrer Verkehrswende geradesteht und welchen Beitrag ein gesamter Verkehrsentwicklungsplan oder ein bestimmtes Verkehrsprojekt tatsächlich zur Zielerreichung leistet.
6. Strategietrias Vermeiden-Verlagern-Verbessern
a.) Drei grundlegende Strategien dienen der kommunalen Verkehrswende. a. das Vermeiden von Verkehr, bevor er überhaupt erst entsteht, insbesondere indem Wege verkürzt werden. Dafür sollte die kommunale Verkehrswendeplanung eine Stadt der kurzen Wege durch eine Mischung der Nutzungen wie Wohnen, Arbeiten, Einkaufen usw. gestalten. Mobilität
b.) das Verlagern von Wegeanteilen vom motorisierten Individualverkehr zu den Verkehrsmitteln des Umweltverbundes durch eine gezielte Modal-Shift-Politik. Dem dient eine kluge Kombination von Einschränkungen und Anreizen – die sogenannte Push-und-Pull Strategie. Damit die Anreize zum Umsteigen durch Förderung des Umweltverbundes ihre volle Wirkungskraft entfalten können, ist es notwendig, sie mit komplementären Einschränkungen des motorisierten Individualverkehrs zu kombinieren. Mit einem flächenhaften Tempolimit auf 30 km/ h innerorts – auch auf den Hauptverkehrsstraßen. Notwendig sind ferner die Verknappung und Verteuerung des öffentlichen Parkraumangebotes im Straßenraum und die Verlagerung der abgestellten Kraftfahrzeuge in bestehende Parkhäuser und Tiefgaragen. Besonders effektiv sind Maßnahmen, die in sich die Anreiz- und Einschränkungswirkung miteinander verbinden – zum Beispiel die Umwandlung von Fahrspuren auf Hauptverkehrsstraßen vom MIV zu kombinierten Umweltspuren für Busse, Taxis und Fahrräder.
c.) das Verbessern, um einen stadtverträglichen Verkehrsablauf zu gestalten und um fahrzeugseitige, technische Verbesserungen zu realisieren. Eine flächendeckende Tempo-30-Regelung innerorts gestaltet den Verkehrsablauf lärm- und schadstoffärmer. Das in immerhin mehr als 50 deutschen Städten bestehende Instrument Umweltzone zur Verringerung der lokalen Luftschadstoffemmissionsbelastung sollte durch die Ergänzung einer blauen Plakette als zusätzliche vierte Schutzstufe zu einer Klimazone weiterentwickelt werden. Darin dürften dann künftig nur noch Kraftfahrzeuge mit spezifisch niedrigen Treibhausgasemissionen fahren. Selbst können Kommunen ihre eigenen Fuhrparks im Konzern Kommune als kommunale Flottenwende umrüsten und effzienter gestalten– lärmarm, luftschadstoffreduziert, verbrauchsgünstig und CO2-sparsam. Auch die Busse und Bahnen der kommunalen Verkehrsunternehmen sollten besonders effizient, schadstoffarm und klimaschonend ausgelegt werden, z.B. durch speziell schadstoffreduzierte, verbrauchsarme Antriebe.
Instrumente
Kommunen sollten für die Umsetzung ihrer Verkehrswende die fünf grundsätzlichen Instrumententypen konzertiert einsetzen:
a.) Planen und Bauen, z.B. eine neue Straßenbahnlinie, einen zentralen Omnibusbahnhof oder dezentrale Fahrradquartiersgaragen und Mobilstationen. Umwidmung von Straßen und Parkplätzen in Fahrradwege und Plätze für Fußgänger:innen.
b.) Regeln und Anordnen, z.B. ein innerörtliches flächendeckendes Tempolimit von 30 km/ h oder verkehrsberuhigte Bereiche in Wohngebieten, sodass dort Fußgänger:innen und Aufenthalt klaren Vorrang vor dem Kfz-Verkehr haben, der darin nur mit Schrittgeschwindigkeit (6 km/ h) fahren darf.
c.) Bepreisen und Finanzieren, z.B. die Gebühren für das Parken von Kfz im öffentlichen Straßenraum oder die Einführung einer Citymaut für das Fahren im Stadtgebiet wie im Ausland in Bergen (seit 1985), Oslo (seit 1990), London (seit 2003), Stockholm (seit 2006), Bologna (seit 2006), Mailand (seit 2008) und Göteborg (seit 2013).
d.) Werben für den Umweltverbund, wie z.B. bei der bundesweiten Aufklärungskampagne »Kopf an. Motor aus. Für null CO2 auf Kurzstrecken« in den Jahren 2009 und 2010 in Bamberg, Berlin, Braunschweig, Dortmund, Freiburg, Halle an der Saale, Herzogenaurach, Karlsruhe und Kiel. Unterstützt mit Bundesfördermitteln, haben diese Städte mit einer systematischen und positiven Public-Awareness-Kampagne erfolgreich für das Gehen und Radfahren in ihrer Stadt geworben.
e.) Organisieren und Managen, denn Mobilitätsmanagement ist ein immer wichtiger werdendes Werkzeug für die kommunale Verkehrswende. Schulen, Wohnungsunternehmen, Betriebe, Verwaltungen, Universitäten oder Freizeiteinrichtungen sind Handlungsfelder für das Mobilitätsmanagement nach dem Grundsatz »eher regeln als bauen«. Kommunen können dafür mit den Akteuren:innen in Wirtschaft, Bildungseinrichtungen und Verwaltungen kooperieren, wie zahlreiche gute Beispiele zeigen (DEPOMM o.J.; Transferstelle Mobilitätsmanagement 2019). 8. Fokusprojekte Kommunale Verkehrswende braucht konkrete Fokusprojekte – zusätzlich zu einem klaren Verkehrswendeplan, der den Rahmen steckt. Sie spiegeln die Gesamtstrategie im Konkreten wider, veranschaulichen sie und strahlen kraftvoll als kommunale Leuchttürme. Zum Beispiel die Einrichtung von Umweltspuren für Busse, Fahrräder und Taxis durch Umverteilung des vorhandenen Straßenraums auf der wichtigsten, meistbefahrenen, überbreiten Hauptverkehrsstraße der Stadt, wie etwa in Berlin, Bielefeld oder Münster.
9. Erprobung
Kommunale Verkehrswende sollte neue Lösungswege mit Realexperimenten, Reallaboren oder Modellvorhaben systematisch erproben und wissenschaftlich evaluieren. In solchen räumlich und zeitlich begrenzten Erprobungsformaten können innovative Ideen gezielt eingeführt, getestet und reflektiert werden. Sie helfen, die Verkehrswende beschleunigt durch die Kraft des Vorbildes voranzubringen. Sie können in den Kommunen bei allen Beteiligten erste Lernprozesse zur Machbarkeit der Verkehrswende unterstützen. Die StVO eröffnet prinzipiell sowohl mit ihrer Erprobungsklausel (§ 45 Abs. 1 Nr. 6) als auch in § 45 Abs. 1b–1 g weitere Regelungsmöglichkeiten aus städtebaulichen Gründen und solchen des Umweltschutzes; sie stehen allerdings fast alle unter dem Vorbehalt des § 45 Abs. 9 (»für die Sicherheit des Verkehrs erforderlich«) und sind somit nur sehr begrenzt wirksam. Diese einengenden Vorgaben in § 45 Abs. 9 sollten deshalb gestrichen werden.146 146 »Die Straßenverkehrsbehörden können die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Das gleiche Recht haben sie […] zur Erforschung des Unfallgeschehens, des Verkehrsverhaltens, der Verkehrsabläufe sowie zur Erprobung geplanter verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen«
10.Verkehrswende als Lernprozess
Kommunale Verkehrswende bedeutet: umsteuern! Diesen Kurswechsel gilt es als längerfristigen Lernprozess zu gestalten. Die kontinuierliche Selbstüberprüfung des schon Erreichten und des noch nicht Erreichten anhand der eigenen Ziele und Zielwerte dient der ständigen lernorientierten Reflexion im Prozess– und dann dem Nachsteuern.