Thema: Mobilität
Es ist immer wieder erstaunlich, wie man den Erkenntnissen der Wissenschaft weiträumig aus dem Weg gehen kann. Ein aktuelles Beispiel findet sich ab S.55 im städtischen "Klimaschutz und Mobilitätsbericht". So ist es bspw. längst vielfach belegt und wissenschaftlich abgesichert, dass RadfahrerInnen sich eine vernünftige Infrastruktur wünschen, da diese grundlegend für die Sicherheit im Straßenverkehr ist. Wer den ADFC-Fahrradklimatest gelesen hat, der findet diese Position vielfach bestätigt. Als sichere Infrastruktur gelten abgegrenzte, breite und gut ausgebaute Fahrradwege.

Trotzdem plant die Stadt Frechen weiterhin mit sogenannten Radfahrstreifen, also einfachen Linien auf der Straße, die signalisieren sollen, dass sich auf diesem schmalen Streifen RadlerInnen bewegen sollen.
Streifen, die anderswo „Todesstreifen“ genannt werden:
"Und die aufgepinselten „Sicherheitsstreifen“ sind manchmal nur 80 Zentimeter breit. Mit Sicherheit haben diese Malerarbeiten auf Asphalt nichts zu tun: Rechts gehen zack die Autotüren auf, links rasen die Blechdosen eng vorbei. Auf Niederländisch heißen diese hilflosen Streifen übrigens Moordstrokje; Todesstreifen."
Aber selbst hierfür sind Hindernisse zu überwinden, denn, so schreibt die Stadt:
„Problem ist hierbei, dass die Umsetzung nur mit Reorganisation des ruhenden Verkehrs (u.a. Wegfall von Parkplätzen) erfolgen kann.“
Stimmt.

In Frechen haben Politik und Verwaltung den hierzu nötigen Wegfall von Parkplätzen im Rahmen der Fortschreibung des Verkehrsentwicklungsplanes schon 2016, also vor gerade mal 7 Jahren, beschlossen. Gut passiert ist bisher eher wenig, aber wenn man dafür Alternativen darstellen will, so wie unsere Stadtverwaltung, was sind dann schon 7 Jahren?

Aber, schauen wir mal auf die sorgsam in der Verwaltung gewählten und abgestimmten Formulierungen im "Klimaschutz und Mobilitätsbericht":
„Obwohl der Wegfall von Parkplätzen bereits im Rahmen des VEP vom zuständigen Fachausschuss beschlossen wurde, ist es der Verwaltung der Stadt Frechen wichtig, Alternativen darzustellen und ggf. Ersatz zu schaffen. Im Rahmen der planerischen Eigenverantwortung wurden daher entsprechende Lösungspotentiale entwickelt, um die Frechener Innenstadt fahrrad- und fußgängerfreundlicher zu gestalten, aber auch die Belange anderer Verkehrsteilnehmer zu berücksichtigen."
Und nun 2 Fragen, die sich hier ergeben:

1. um welche Verkehrsteilnehmer, die man nicht näher bezeichnet hat, könnte es sich handeln?
2. welche Belange, könnten wohl zu berücksichtigen sein, die bisher bei der Verkehrsraumgestaltung zu kurz gekommen sind?

Frage 1 beantwortet sich fast von selbst. Es handelt um die AutofahrerInnen und deren stehende Untersätze. Die Stadt sagt verklausuliert aber deutlich, dass es nicht sein kann, dass deren Belange unter dem Plan, Frechen „fahrrad- und fußgängerfreundlicher“ zu gestalten, leiden sollen.

Alleine schon Satzbau und sprachliche Gestaltung reflektieren den dringenden Wunsch, die Last die die automobile Mobilität für eine Stadt wie Frechen bedeutet, klein zu reden. Aus dem platzfressenden Auto werden die „andere Verkehrsteilnehmer“, ein elegant gewählter Plural, der eine Vielzahl unterschiedlicher Betroffener behauptet. Und dann wird aus den genau beschreibbaren und messbaren Anforderungen platzfressender PKW so etwas wie „Belange“, die „aber auch“ zu berücksichtigen sind. Eine Formulierung, die wie eine Verkleinerung, eine Verniedlichung wirkt, dabei handelt es sich im Kern um die sehr einfache Auseinandersetzung um den verfügbaren öffentlichen Raum. Und dieser Raum muss nutzungsseitig verteilt werden. Und da ist es im Grundsatz mal ziemlich egal, ob eine Straße von 77 oder von 1321 Autos täglich befahren wird. Eine Straße sollte im innerstädtischen Bereich über zwei Fahrspuren verfügen und die meisten AutobesitzerInnen erwarten zusätzlich ausreichenden öffentlichen Parkraum. Am besten kostenlos.
Hinter diese Grundbedürfnisse des Autoverkehrs haben Füßgänger- und RadlerInnen zurückzutreten. Und deshalb gibt es auch keine Radwege sondern bestenfalls „Todesstreifen“ oder sogenannte Fahrradstraßen, weil dadurch die „aber auch Belange“ der „anderen Verkehrsteilnehmer“ ausreichend berücksichtigt werden.

Womit klar ist, dass der im Verkehrsentwicklungsplan 2016 entschiedene Wegfall von Parkplätzen im öffentlichen Raum keine je ernsthaft erwogene Alternative im Rahmen einer Neuverteilung des zur Verfügung stehenden Raums für Mobilität darstellt.
Es handelt sich um schlecht gemachtes Greenwashing aber keinesfalls um einen ernsthaften Versuch Frechen fahrrad- und fußgängerfreundlicher zu machen

Die im Verkehrsentwicklungsplan 2016 notierten Erkenntnisse:

• Der Radwegeanteil am Gesamtaufkommen ist niedrig.
• Es gibt noch viele Defizitbereiche, die im Sinne einer verstärkten Angebotsplanung gelöst werden müssen.
• Der Radverkehr birgt noch ein deutliches Verlagerungspotential.

sind für diese Verwaltung nicht handlungsleitend.