Freitag, 18. Oktober 2013
Ganz im Gegensatz zum Frechener Vorgehen bei der Neugestaltung der Schullandschaft hat Pulheim sich für die kommenden Jahre ein straffes Programm verordnet. Dafür bekommt die Stadt aber auch eine Primus-Modellschule, eine Schule die das längere gemeinsame Lernen ermöglichen wird und wie es ausschaut auch eine Gesamtschule. Im Gegensatz zur im vergangenen Jahr gescheiterten Sekundarschule hat sich der Elternwunsch, in Pulheim endlich eine Gesamtschule zu erhalten, in der Elternbefragung bestätigt. Sowohl bei den Eltern der Dritt- als auch bei denen der Viertklässler haben jeweils fast 200 Eltern bekundet, ihre Kinder sicher oder ziemlich sicher an der Gesamtschule anmelden zu wollen.
Auch wenn sich manche Eltern aus unterschiedlichen Gründen um entscheiden werden, so spricht diese hohe Zahl an anmeldewilligen Eltern eine deutliche Sprache: Eine Gesamtschule wird von vielen Eltern als Bereicherung der Schullandschaft angesehen.

Die rudimentäre Elternbefragung, die vom „Aktionsbündnis für eine Gesamtschule in Frechen“ vor ziemlich genau einem Jahr initiiert worden ist, hat vergleichbare Ergebnisse erbracht. Eine Elternbefragung durch die Stadt, die immerhin seit rund 3 Jahren als politisches Versprechen im Raum steht, würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein ähnliches Ergebnis erbringen. Auf Basis einer solchen Befragung befände sich Frechen auf Augenhöhe mit Pulheim.
Es ist davon auszugehen, dass die Verantwortlichen in Verwaltung und Politik die Situation ähnlich einschätzen. Wie alle Interessierten aber aus den Sitzungen des Schulausschusses der vergangenen Jahre wissen, ist sich die stadtinterne große Koalition in diesem Punkt immerhin insoweit einig, dass das Thema Schulentwicklung in Frechen auf die ganz lange Bank geschoben werden soll. Gründe mag es mehrere geben, zentral ist aber die aus einer Elternbefragung resultierende Pflicht der Stadt, zu handeln, sollte die Elternbefragung die Notwendigkeit einer Veränderung dokumentieren. Würden also ganz viele Eltern erklären, sie wünschten für ihre Kinder eine Gesamtschule, dann wäre dies ein Handlungsauftrag. Wie in Pulheim …
Alle Versprechungen der Politik, ob sie nun von der SPD stammen und ein verdruckstes „eigentlich sind wir für eine Gesamtschule“ beinhalten, oder von der CDU, die vollmundig erklärt für Bildung zu stehen und den Elternwillen zu respektieren, sind aber das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind, da Stadt und Politik keinen Handlungsauftrag entgegen nehmen wollen. Also gilt: lieber gar nicht erst gefragt ….

In einem der letzen Schulausschusssitzungen wurden daher alle Anträge, die darauf abzielten, zumindest einen aktuellen Schulentwicklungsplan zu beauftragen, abgelehnt, denn im Rahmen des Schulentwicklungsplans hätte man unter anderem auch das Szenario „Einführung einer Gesamtschule“ von den Gutachtern überprüfen lassen müssen. Schon das alleine war der Ausschussmehrheit nicht geheuer.

Ein Blick in den Haushaltsentwurf 2014 der Stadt Frechen genügt, um sich in dieser Einschätzung bestätigt zu sehen. Noch im Haushaltsplan 2013 fand sich nachfolgendes Ziel des Verwaltungsvorstandes formuliert:
Bis 31.12.2013 ist der Schulentwicklungsplan anlassbezogen fortgeschrieben sowie im Schulausschuss vorgestellt. Zielmotivation Klärung der Frechener Schullandschaft Sek. I und II für die nächsten Jahre
Dieser Haushalt wurde im März 2013 verabschiedet. Im aktuellen Haushaltsplan, „immerhin“ 6 Monate später taucht der Begriff „Schulentwicklungsplan“ nicht einmal mehr auf. Irgendwelche Ziele hat die Stadt in dieser Hinsicht auch nicht mehr.
Aber lauschen wir den wohlklingenden Worten des Haushaltsplans 2014:
Der Rat der Stadt Frechen hat einen politischen Schwerpunkt im Bereich „Schulische Bildung“ gesetzt. Hieraus resultieren einerseits Investitionen in die allgemeine bauliche Substanz der Schulen (…) Zu nennen sind hier insbesondere die Schulstandorte Burgschule, Johannesschule, Lindenschule, Gymnasium, Hauptschule.
Zur besseren Einordnung lohnt es sich zu erwähnen, dass die Lindenschule seit rund 20 Jahren auf eine Sanierung wartet. In einer früheren Planung war vorgesehen, dass der Neubau der Lindenschule 2016 bezogen werden kann. Laut Haushaltsplan wird die neue Schule erste ein Jahr später bezugsfertig. Die Burgschule wird auf den Beginn der Totalsanierung daher auch ein Jahr länger warten müssen. Hier will die Stadt erst 2018 beginnen. Laut Haushaltsplan sind in den kommenden Jahren weder für das Gymnasium noch für die Hauptschule größere bauliche Investitionen geplant. Und die Schule, die neben den beiden Problemschulen Linden- und Burgschule, den höchsten Sanierungsbedarf hat, die Realschule, die findet sich im Haushalt an keiner Stelle berücksichtigt.

Aber der Sirenengesang des Haushaltsplans geht noch weiter:
Die Ergebnisse aus den Diskussionen zu den zukünftigen Schulformen werden möglicherweise auch Auswirkungen auf bauliche Veränderungen am den Schulstandorten Realschule und Hauptschule haben. Weitere finanzielle Auswirkungen werden sich aus den Maßnahmen zur Inklusion an Schulen ergeben. Die baulichen Umsetzungen können je nach politischer Entscheidung einen Finanzierungsbedarf von über 30 Mio. € auslösen.“
Nachdem in den vergangenen beiden Jahren alle Diskussionen abgewürgt worden sind, scheint es fraglich, ob eine ernsthafte Diskussion zukünftiger Schulformen in Frechen überhaupt gewollt ist.

Da in diesem Zitat auch die Inklusion erwähnt wird, fällt mir noch folgendes Zitat aus Köln ein:
„Nach Einschätzung der Verwaltung hängt die Geschwindigkeit der weiteren Inklusionsentwicklung maßgeblich vom Elternwillen bzw. dem Elternwahlverhalten ab. Die Verwaltung geht davon aus, dass sich sukzessive mehr Eltern für ihre Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarfen gerade mit Blick auf die Einschulung bzw. den Übergang in die weiterführende Schule für eine allgemeine Schule entscheiden werden. Die Verwaltung würde dies sehr begrüßen und wird eine solche Entwicklung unterstützen.
Die Kölner Verwaltung würde es sehr begrüßen, wenn vermehrt Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarfen sich für eine Regelschule entscheiden würden. Die Kölner Verwaltung wird eine solche Entwicklung unterstützen.

Wer kann sich ein derartiges Angebot von der Frechener Verwaltung vorstellen? Man begrüßt und unterstützt?
Also mal ehrlich, ein Einziger, der sich das hier in Frechen vorstellen kann, das würde mir schon genügen, dann könnte gelten: Noch ist Polen nicht verloren.



Bitte, nur ein Einziger ………




Montag, 14. Oktober 2013
Thema: Inklusion
Das Thema der Inklusion wird uns die kommenden Jahre in Frechen massiv beschäftigen. Derzeit lassen sich an Frechens Schulen zwei unterschiedliche Herangehensweisen an das Thema beobachten. Bevor die beiden Wege näher beschrieben werden, leite ich mit etwas theorielastigen Überlegungen ein, die m.E. notwendig sind, um die beiden Herangehensweisen einordnen zu können.

Inklusion, wie sie in der UN-Behindertenrechtskonvention definiert ist, besagt, dass alle Kinder, unabhängig von ihren Problemen an der Regelschule zu unterrichten sind. Die Vorsitzende des Kölner Elternvereins mittendrin e.V. bringt die schulische Verantwortung dabei auf einen einfach zu verstehenden Nenner:
Die inklusive Schule heißt jedes Kind willkommen. Die Kultur des Willkommens ist die Grundvoraussetzung für das Gelingen der Inklusion.“
Man muss sich aber keinen Illusionen hingeben: eine Kultur des Willkommens ist im heutigen Schulsystem (noch) nicht verankert und die Kultur des Willkommens muss im weiteren Verlauf ergänzt werden mit einer Kultur des sich Kümmerns. Das kennt unser Schulsystem noch viel weniger, denn an unseren weiterführenden Schule endet das sich Kümmern an der Schwelle zum siebten Schuljahr: dann wird ausgesiebt und abgeschult. Vom Gymnasium auf die Realschule, von der Realschule auf die Hauptschule, und von allen Schulen bei Bedarf auf die Förderschule.

Jürgen Oelkers, emeritierter Professor für Pädagogik an der Universität Zürich beschreibt die von den Schulen zu erbringende Leistung in folgenden Worten:
Es geht vorrangig darum, die Schulen zu Orten der Inklusion auszubauen und die Abweichungen [der Kinder] wie Normalfälle zu behandeln, ohne dass ihre Besonderheiten zu versteckten Diskriminierungen führen.“
Umgesetzt jedoch ist davon noch recht wenig.

Um die Nichtumsetzung der Inklusion zu verstehen, muss man einen knappen Blick auf die lange Geschichte der Exklusion werfen. Die Adressaten der Bildung in Deutschland waren nie einheitlich
es waren nie einfach „alle“ Kinder, sondern immer die „normalen“ und die „behinderten“, die schon kategorial keine Einheit bildeten, was in praktischer Hinsicht zu getrennten Lernräumen führte, die von zwei verschiedenen Pädagogiken betreut werden und wurden. … Die Sonderpädagogik hat sich lange Zeit einer Sonderbehandlung ihrer Klientel verschrieben und in der allgemeinen Pädagogik kamen behinderte Kinder und Jugendliche nicht vor.“
Inklusion ist also ein Paradigmenwechsel weg von der Auslagerung und hin zur Inklusion aller Kinder. Dieser Paradigmenwechsel fällt den Schulen auch deswegen schwer, da sie selber Behinderungen definieren: sie definieren, wann ein Kind lernbehindert ist, wann es „verhaltensauffällig“ ist*, diese Kinder aber werden nicht inkludiert sondern von den Schulen gerade ausgeschlossen. Im Gegensatz zu vielen anderen Behinderungsformen ist in diesen Fällen Definitionsmacht deckungsgleich mit der Macht, über die Zugehörigkeit zu einer Schule zu entscheiden.

Vor diesem Hintergrund ist die Aussage der Rektorin des Frechener Gymnasiums in der Schulausschusssitzung vom 19.06.2013 einzuordnen, als sie über die vom Regierungspräsidium mit „sanftem Druck“ erzwungene Zuweisung von Kindern mit Förderbedarf berichtete:
Wenn ich gewusst hätte, was mit dem Thema Inklusion auf mich zukommt, hätte ich diesen Beruf nicht gewählt.
Uns begegnet hier eine Rektorin, die in der alten Spartenpädagogik aufgewachsen ist und die die Trennung der Kinder in „normal“ und „behindert“ verinnerlicht hat. Ein Gymnasium ist eine Schule für „normale“ Kinder, dafür wurden und werden auch heute noch alle LehrerInnen ausgebildet, das wollen sie mehrheitlich auch ihren gesamten beruflichen Lebtag machen. Inklusion ist in deren Vorstellungswelt wohl immer ein Thema für die anderen Schulen, nicht aber für ein Gymnasium. Dementsprechend war das Frechener Gymnasium nach Aussagen der Rektorin auch nicht auf diese Situation vorbereitet. Die Inklusionsanforderung kam subjektiv überraschend. Auf allen Ebenen.
In der Schulausschusssitzung versicherte die Rektorin daher auch
mehrfach, dass diese Kinder doch an dieser Schule nichts verloren hätten. Es handle sich um Kinder, die bestenfalls einen Hauptschulabschluss anstreben würden.
Stigmatisierung ist wohl der Fachbegriff, der sich hier anbietet, eine „Kultur des Willkommens“ sieht anders aus.

Ein Seitenblick auf die Frechener Realschule bietet sich hier an. In einer aktuell verbreiteten Broschüre berichtet die Schule über ihren Umgang mit Inklusion:
Um den Bildungsprozess für alle Kinder optimal zu gestalten, hat sich die Realschule Frechen intensiv vorbereitet. (…) Auf Antrag der Schule hat die Bezirksregierung für die Integrationsklasse zusätzliche Stellenanteile zur Verfügung gestellt. Darum ist es möglich, dass die Klasse durchgängig mit zwei Lehrkräften besetzt ist.
Für die Integrationsklasse wurde außerdem ein Differenzierungsraum von der Stadt hergerichtet und ausgestattet – unter anderem mit einem Laptopwagen, mit dem die individuelle Förderung unterstützt werden kann.
Unter intensiver Vorbereitung versteht der Rektor der Realschule auch, dass LehrerInnen sich in den vergangenen Jahren fachlich vorgebildet und qualifiziert haben. Inklusion kam - zumindest für die Realschule - nicht überraschend. Weswegen die Realschule auch kurzfristig einen Antrag auf Einrichtung einer GU-Klasse stellte. Die Einrichtung einer GU-Klasse aber war bisher Voraussetzung für die zusätzlichen Stellenanteile, mit denen die Realschule nun die Integrationsklasse durchgehend mit zwei Lehrkräften besetzen kann.

Auch der zweite Teil der Darstellung ist interessant, denn hier wird ausdrücklich die Leistung der Stadt Frechen bei der Einrichtung eines Differenzierungsraums gewürdigt. Hierbei lohnt ein zweiter Rückblick auf besagte, geradezu legendär zu nennende Schulausschusssitzung vom 19.06.2013. In dieser Sitzung wurde nämlich ein Antrag des Vertreters der Schulpflegschaften der Grundschulen, Herr Tietz abgelehnt, in dem dieser gefordert hatte, zu beschließen, dass die Stadt im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alles tun solle, um diese Schulen bei der Inklusion zu unterstützen.
Spannend waren die Argumente, mit denen die Ablehnung begründet wurde: Der Antrag fordere Personalmittel, so wurde behauptet, und damit etwas, was Landesaufgabe sei. Das tat der Antrag natürlich nicht. Er forderte von der Stadt, dass sie ihren ureigenen Auftrag erfüllen müsse: die sachliche Ausstattung der Schule gewährleisten. Was in Bezug auf die Realschule bedeutete, einen Differenzierungsraum zur Verfügung zu stellen und auszustatten. Es ist zu vermuten, dass das Gymnasium auch hier wenig auf die Beine gestellt hat, denn: Inklusion hat an einem Gymnasium ja nichts verloren. (Nachzulesen hier)

Man kann in diesem Zusammenhang nur nochmals darauf verweisen, dass seit 2010 Bürgeranträge und Anträge einzelner Fraktionen vorlagen, in denen die Stadt aufgefordert wurde, aufzuzeigen, was in den Schulen getan werden müsse, um zukünftig eine inklusive Beschulung zu gewährleisten. Die Anträge wurden auf Nimmerwiedersehen vertagt.

Nun aber ist das Überraschungsmoment weg. Nun muss das Frechener Gymnasium beweisen, dass die fehlende Willkommenskultur überwunden werden kann und ein Kulturwandel eingeleitet wird. Der schulische Umgang mit den drei inklusiv zu beschulenden Kindern am Gymnasium wird die Ernsthaftigkeit des Bemühens des Gymnasiums um Inklusion belegen, oder auch nicht. Die Schule kann Mittel und Wege finden, den Kinder und ihren Eltern das Leben so schwer zu machen, dass diese „freiwillig“ die Segel streichen – oder sie tut alles in ihrer Macht stehende, um diese Kinder in der Schule und im Klassenverband zu halten.

Wir dürfen gespannt sein.
Wie formuliert es Raul Krauthausen, Mitbegründer von Sozialhelden e.V., einem Verein für Inklusion im Alltag:
Ich finde manchmal Diskussionen sehr schwierig, in denen es jetzt schon um Ausnahmen der Inklusion geht, bevor wir sie umgesetzt haben. Dabei stören mich besonders Sätze wie: „Nicht jedes Kind kann an einer Regelschule sein, weil es so stark behindert ist.“ Hier werden theoretische „Extremfälle“ erzeugt, der entscheidenden Frage eines gleichen Zugangs für alle wird ausgewichen.“

* Jürgen Oelkers, Ganztagsschule und Inklusion: Neue Aufgaben der Lehrerbildung, in: Neue Gesellschaft / Frankfurter Hefte, 10.2013, S.40-44.




Mittwoch, 9. Oktober 2013
Thema: RWE
Das Gerücht um eine vorzeitige Schließung des Tagebaus Garzweiler II durch die RWE schlägt hohe Wellen.

Wir wollen hier mal sortieren und beginnen mit den Reaktionen aus der Region. Was sagen die Vertreter der CDU? Der alte Landrat Werner Stump scheint sich nicht so sicher zu sein, denn statt der üblichen Durchhalteparolen verweist er auf den wirtschaftlichen Druck, unter dem die Braunkohle seit Neuestem steht:„Die Braunkohle ist unter erheblichen Druck geraten, ihre Wirtschaftlichkeit ist infrage gestellt“. Sein Verweis auf den zweiten Frühling der Braunkohle bei europaweiter Abschaltung der Atomkraftwerke scheint denn auch eher theoretischer Natur.
„Werden zum Beispiel morgen alle europäischen Atommeiler abgeschaltet, wird man schnell wieder nach dem heimischen Energieträger rufen.“
Auch der neue Landrat, Michael Kreuzberg wirkt unsicher, aber sein Vertrauen in die RWE ist wohl ungebrochen:
„Sobald ich offiziell im Amt bin, wird es eine meiner ersten Handlungen sein, mich von RWE aus erster Hand informieren zu lassen.“
Der Landtagsabgeordnete der CDU sieht „interessierte Kreise am Werk“, die bewusst Gerüchte in die Welt setzen. „Da will einer eine sich selbst erfüllende Prophezeiung auf den Weg bringen“. Nun sagt er leider nicht, wer die interessierten Kreise sind, denn da gibt es zwei mögliche "Verdächtige": da ist einerseits die RWE, die ihre aktuell nicht kostendeckend arbeitenden Kraftwerke gerne als unverzichtbar für die Versorgungssicherheit erklärt sähe, womit der Staat RWE Teile der Kosten erstatten müsste, oder meint er andererseits Umweltschützer, die damit einen ganzen Konzern in Misskredit bringen wollen? Man muss wohl annehmen, er hat die Umweltschützer im Visier, denn als Landtagsabgeordneter, der zugleich auf der Lohnliste der RWE steht, hat er sich seinem Arbeitgeber gegenüber ja loyal zu erweisen. Er hält, logisch die Braunkohle „im Sinne der Versorgungssicherheit“ für unverzichtbar.
Der scheidende Bundestagsabgeordnete der CDU, Willi Zylajew sieht die Schuld beim Erneuerbare-Energien-Gesetz: „Fakt ist, dass die viel zu hohe Subventionierung der erneuerbaren Energien die Braunkohle in Bedrängnis bringt. Hier müssen wir etwas ändern.“ Womit er genau so reagiert, wie es sich RWE vermutlich wünscht, wenn die folgende Einschätzung von Herrn Zylajew richtig ist:
„Tatsache sei aber auch, dass die „holländische Heeresleitung in Essen“ – gemeint ist RWE-Chef Peter Terium – gerne mal Dinge in den Raum stelle, um Druck im Sinne des Konzerns aufzubauen. „Ich glaube nicht, dass Garzweiler II so schnell zu Ende geht.“
Im Grunde liegt Zylajew in diesem Punkt auf einer Linie mit dem NRW-Umweltminister Johannes Remmel (NRW), der:
glaubt, dass die Meldung dazu gezielt lanciert wurde. „Damit wird eine Diskussion angeschoben, um in dem offenen Konflikt um die Energiewende die konventionellen Kraftwerke zu stärken“, sagte er der taz. Auf diese Weise solle Druck auf die Koalitionsverhandlungen in Berlin ausgeübt werden.
Für die FDP meldet sich deren Landtagsabgeordneter Ralph Bombies zu Wort, der das Problem auch im Erneuerbaren-Energien-Gesetz zu entdecken meint: „Die Überarbeitung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ist längst überfällig“, nur so seien verlässliche Rahmenbedingungen für die Braunkohle zu schaffen.
Auf der anderen Seite die Riege der „Beschwichtiger“, die darauf verweisen, dass alleine eine solche Debatte die Menschen in der Region verunsichere, so bspw. die SPD-Landtagsabgeordneten Dagmar Andres, Brigitte Dmoch-Schweren und Guido van den Berg
„Eine Debatte über vorzeitige Tagebauschließungen ist nicht hilfreich, da vor allem die Menschen verunsichert werden, die von Umsiedlungen betroffen sind.“
Damit liegen sie auf einer Linie mit dem Leitartikler des KStAs, die von einem politischen Gerücht reden:
„Zwar bleibt erst einmal unklar, ob nun RWE das Gerücht in die Welt gesetzt hat, um seine Verhandlungsposition und die Rolle der Braunkohle in der Energiewende zu stärken, oder vielleicht ein anderes Lager, das den Energieriesen schlecht aussehen lassen will. Klar ist aber: Ausgetragen wird dieses politische Spielchen auf dem Rücken jener Menschen im Revier, die von der Braunkohle leben, die um ihre Heimat bangen oder sich um den Wald vor der Haustür sorgen.“
Aber, das eigentliche Problem wird nicht angesprochen und das lautet doch eher, dass die RWE, ganz egal, was die Menschen hiervon halten, alleine aus wirtschaftlichen Gründen in ihren Stabsabteilungen darüber nachdenken muss, wo der Konzern, sagen wir mal, in 10 Jahren stehen soll. Dieses Nachdenken operiert vermutlich auf Basis unterschiedlicher Zukunftsszenarien. Und ein mögliches Szenario beruht auf Annahmen, dass sich die wirtschaftliche Situation für die Braunkohle entweder nicht wesentlich verbessert, schlimmer noch, sogar verschlechtert.

Dazu nur ein einziger Hinweis, warum ein solches Szenario seine Berechtigung hat: Ganz aktuell erklärt der „Sachverständigenrat für Umweltfragen“, der die Bundesregierung berät:
„Braunkohlekraftwerke sind eine große Gefahr für die Energiewende“, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats, Martin Faulstich, am Dienstag. Um ihre Stilllegung zu erreichen, solle Deutschland nach britischem Vorbild eine CO2-Steuer einführen oder Grenzwerte für den Ausstoß des klimaschädlichen Gases festlegen. Damit sich klimafreundlichere Gaskraftwerke am Markt gegen Kohlemeiler durchsetzen können, sei ein Preis von 25 bis 35 Euro je Tonne CO2 notwendig.
Man kann es also drehen und wenden wie man will: RWE prüft, wie es weitergehen soll mit der braunkohlebasierten Energieerzeugung. Sterben die Braunkohlekraftwerke so stirbt der Tagebau. Die „Augen zu“-Parolen der lokalen PolitikerInnen scheinen vor diesem Hintergrund nicht wirklich hilfreich. Wichtiger wäre vielmehr, dass die lokale Politik sich ebensolcher Szenarien bedient, um sich zu überlegen, wie es in der Region weitergehen soll. Ein Szenrario müsste dann lauten: Starker Rückgang der Braunkohleindustrie in den kommenden 10 Jahren. Das wird Folgen haben – beim Steuereinkommen, auf dem Arbeitsmarkt usw. Aber man kann auch noch mal warten …. Der Strukturwandel im Ruhrgebiet gibt einen Eindruck wie es laufen kann, wenn man zu lange wartet.

Alle weiteren nicht markierten Zitate finden sich hier:
KStA v. 09.10.2013