Es ist schon ein echtes Problem, das die CDU in Frechen umtreibt. Jahrelang konnte man sich bei allen schulpolitischen Debatten zurücklehnen und die Ereignisse an sich vorbeiziehen lassen. Die Frechener dreigliedrige Schullandschaft schien in Eisen gegossen und nur wenige löckten den Stachel wider diesen Zustand.
Eine Ursache hierfür war der Ruf der Stadt Frechen, bei der es sich in der Eigen- als auch der Fremdwahrnehmung um eine Arbeiterstadt in der Hand der Braunkohleindustrie handelte. Bildung hatte in solchen Gemeinden einen geringeren Stellenwert als andernorts. So entstandt das Frechener Gymnasium erst 1963 – ein deutliches Zeichen dafür, dass der Wert der höheren Schulbildung in Frechen mit Verzögerung erkannt wurde. Die Stadt kam sehr spät zum eigenen Gymnasium, doch diese Schule entwickelte sich zu einer echten Erfolgsgeschichte. Heute ist das Gymnasium die größte Schule vor Ort.
Das Gymnasium war der Schlussstein der Frechener dreigliedrigen Schullandschaft und in dieser Form steht die Dreigliedrigkeit heute immer noch für eine erfolgreiche lokale Schulpolitik. An diese Reflexe kann immer wieder appelliert werden, denn, wer an der lokalen Schullandschaft rüttelt, der stellt die Erfolge der Vergangenheit in Frage.
So schreibt die CDU in ihrem aktuellen Bürgerbrief vollmundig:
„Wir haben eine Hauptschule die … exzellente Ergebnisse vorweisen kann. Wir haben im Rhein-Erft-Kreis die stärkste Realschule … Wir haben ein innovatives Gymnasium, … das weit über die Stadtgrenzen hinaus Beachtung findet!“
Entscheidend ist dabei jedoch nicht, ob unser Gymnasium weit über die Stadtgrenzen hinaus Beachtung findet, oder ob die Realschule die stärkste im Kreis ist und die Hauptschule exzellente Ergebnisse liefert – nein entscheidend ist: hier wird das Bild einer schulpolitisch erfolgreichen Stadt gezeichnet. Und diese Erfolge werden mit dem dreigliedrigen Schulsystem verknüpft.
Im Grunde, so suggeriert es dieser Abschnitt, besteht keinerlei Änderungsbedarf:
„Mit der CDU in Frechen wird keine bestehende Schulform ohne Not beschädigt.“
Dass unsere Hauptschule mangels Neuanmeldungen kurz vor der Schließung steht und sich nun als inklusive Hauptschule auf Kosten der kommunalen Förderschule neu erfinden will, wird an keiner Stelle thematisiert.
Die Auspendlerquote von rund 26 %, d.h.: jeder vierte Schüler besucht eine Schule ausserhalb Frechens, widerspricht diesen Sichtweise auch grundlegend. Wäre der lokale Schulstandort so exzellent, so wäre, das sagt zumindest der gesunde Menschenverstand, mit einem hohen Prozentsatz an Einpendlern zu rechnen. So besuchen aktuell gut 300 Kinder eine weiterführende Schule ausserhalb Frechens, von ausserhalb dagegen kommen nur rund 125 Schüler nach Frechen. (Schulstatistik 2012).
Wie schreibt die CDU: „Eltern wissen am besten, was gut ist für ihre Kinder.“ Weswegen die Eltern von mehr als 300 Frechener Kindern ihr schulisches Glück ausserhalb Frechens suchen.

Ein zweites Topos der Argumentation der CDU sind die Finanzen:
„Die weitere Gestaltung der Frechener Schullandschaft muss sich am Machbaren messen lassen. … Die Frage nach der Zukunft unserer Kinder darf nicht am Geld scheitern – sie darf aber auch nicht die Zukunftsentwicklung unserer Stadt lähmen!“, sagt die stellv. Bürgermeisterin und CDU-Fraktionsvorsitzende Susanne Stupp.“
„Die Frechener CDU legt gezielt den Schwerpunkt auf eine gute Schulbildung für Frechener Kinder und Jugendliche. Allerdings stehen wir vor einem großen Umbruch in der Finanzstruktur unserer Stadt … Spätestens mit der Energiewende müssen auch wir uns mit großen finanziellen Einschnitten befassen.“
Das klingt im ersten Moment ja vernünftig, dahinter steckt aber nur ein sehr zugkräftiges Bild, das Bild vom „pater familias“, vom vernünftig wirtschaftenden Familienvater, der ja auch nur so viel ausgebe, wie er zur Verfügung habe. Frau Merkel zitiert an dieser Stelle gerne auch die „schwäbische Hausfrau“. Beide Bilder reduzieren komplexe Haushaltsthemen auf das Niveau des Familienbudgets und was beim Familienbudget „vernünftig“ ist kann ja auf kommunaler Ebene nicht falsch sein …. Zwar investieren die wenigsten von uns jährlich Millionensummen in den Bau von Schulen, Feuerwachen und Hallenbäder aber es ist beruhigend zu glauben, ein städtischer Haushalt funktioniere wie das eigene Familienbudget.
Tut es natürlich nicht – aber das Argument funktioniert, denn es stellt einen Bezug zwischen dem Finanzgebaren der Kommune und den lebensweltlichen Erfahrungen der Wählerinnen und Wähler her.
Was also haben diese Bilder, die hier angesprochen werden mit dem Thema „Schullandschaft“ zu tun?
Im Grunde werden hier – sozusagen vorausschauend- bereits die Argumente eingeführt, die gegen eine Veränderung sprechen: einer Machbarkeit wird aus finanziellen Gründen eine Absage erteilt, da andernfalls die
„Zukunftsentwicklung unserer Stadt“
gelähmt wird.

Nun gibt es nur noch ein Problem: die Eltern der Grundschulkinder, die sich, wie es das Aktionsbündnis für eine Gesamtschule belegt hat, in großem Umfang für eine Gesamtschule ausgesprochen haben. Eltern, die auch die CDU mitnehmen muss, da sie auf deren Stimmen bei den kommenden Wahlen angewiesen ist.
Nicht umsonst verspricht die CDU seit 2011, dass die Eltern zum Thema Schulen befragt werden sollen:
„Es macht Sinn, noch mal gezielt bei den Eltern nachzufragen“, schloss sich gestern auch CDU-Fraktionschefin Susanne Stupp dem Vorschlag an. Die CDU sperre sich nicht gegen eine erneute Befragung. „Auch solle mit einer neuen Umfrage nicht wieder so viel Zeit ins Land gehen. Stupp: „Wir müssen das Thema angehen, bevor die bauliche Umplanung der Realschule läuft.“ (= KStA v. 25.10.2011)
Bedarf für eine neue Befragung sieht auch die Politik. „Natürlich wären neue Zahlen sinnvoll, wenn wir die Schullandschaft neu ordnen wollen. (= KR v. 26.10.2011)
„Dazu müssen wir nicht nur die Entwicklung der Schülerzahlen neu bewerten, sondern auch die Eltern der Grundschüler befragen, an welcher Schule sie ihr Kind künftig anmelden wollen“, sagt die CDU-Fraktionsvorsitzende Susanne Stupp. (CDU-Homepage, 9.2011)
Und ganz frisch im Bürgerbrief:
„Folgerichtig muss der nächste Schritt eine Elternbefragung sein. Hierbei sollen alle in Frage kommenden Schulformen – auch die neu in NRW angebotene Sekundarschule – abgefragt werden. Es ist uns wichtig, das ganze schulische Angebot einzubeziehen.“
Mit dieser folgenfreien Ankündigungspolitik hat sich die CDU über die vergangenen 18 Monate gerettet und es werden noch viele Monate ins Land gehen, bis es in Frechen zu der Elternbefragung kommen wird.
Denn, es ist klar, aktuell hat die Gesamtschule unter den Frechener Eltern sehr viele Freunde - ganz im Gegensatz zur hiesigen CDU.
Ganz vorsichtig wird deshalb versucht, die Befürworter der Gesamtschule unter Ideologieverdacht zu stellen:
„Es geht in der Entscheidung über die Schullandschaft in Frechen nicht um ein ideologisches Pro und Contra zur Gesamtschule, sondern um die grundlegende Architektur unserer Bildungslandschaft.“
Mit der CDU wird es keine
„Ideologische Luftschlösser (geben), die dann leer stehen“
und überhaupt ist es, erklärt die CDU
„unsere Verantwortung (…) nachhaltige Politik zu betreiben.“
Mit anderen Worten: Der CDU wäre es am liebsten, wenn sich die Frechener Schullandschaft nicht verändert. Das bisherige Modell war, so die Schtweise der CDU, in den letzten 50 Jahren erfolgreich, das wird schon noch einige Jahre weiterlaufen. Änderungen an der Schullandschaft können finanzielle Belastungen zur Folge haben. Grundsätzlich soll es ja am Geld nicht scheitern, erklärt uns die CDU, aber aktuell, vor dem Hintergrund der finanziell angespannten Haushaltslage bedeuten schulische Investitionen bspw. in eine Gesamtschule, dass für ein „ideologisches Luftschloss“ die „Zukunftsentwicklung“ Frechens gelähmt wird.

Und das kann ja kein vernünftiger Mensch wollen.