Thema: Inklusion
17. September 14 | Autor: antoine favier | 0 Kommentare | Kommentieren
Es handelt sich nicht gerade um eine Lektüreempfehlung, aber auch ein Koalitionsvertrag kann mit Gewinn gelesen werden. Zumindest mit einem Zugewinn an Information.
Im Frechener Stadtrat wurde vor kurzem die Schließung der Anne-Frank-Förderschule zum Ende des Schuljahres beschlossen. In dieser Vorlage wurde die Alternativlosigkeit der Schließung auch damit begründet, dass Kooperationsangebote an den Kreis von diesem abgelehnt worden seien.
Nun braucht man sich keinen Illusionen hingeben. Die Anne-Frank-Schule muss geschlossen werden, da Eltern förderbedürftiger Kinder mit den Füssen abgestimmt haben. Soll heißen: diese Eltern wollen ihre Kinder an Regelschulen unterrichtet sehen, nicht an Förderschulen.
Man braucht kein Hellseher zu sein, um zu erkennen, dass dieser Trend auch vor den Förderschulen des Kreises keinen Halt machen wird. Die Folgen sind absehbar: auch die Förderschulen des Kreises müssen mit in den kommenden Jahren mit stark rückläufigen Kinderzahlen rechnen. Die Existenz vieler Förderschulen im Kreis ist gefährdet. Wenn nicht schon heute, dann spätestens in drei bis vier Jahren.
Bereits im vergangenen Jahr sind in vielen Kommunen des Kreises Förderschulen geschlossen oder zusammengelegt (Wesseling/Hürth/Brühl, Kerpen und Erftstadt sowie Bergheim mit mit den kleineren Nordkreiskommunen) worden. Man redet von Kooperationen, die vereinbart wurden, dabei sind es Operationen am offenen Herzen, Notmaßnahmen um die Lebenszeit einzelner Förderschulen künstlich zu verlängern. Den Preis dieser Maßnahmen müssen oft genug die betroffenen Kinder und ihre Familien tragen, denn deren Fahrtzeiten zu den Förderschulen verlängern sich dadurch nicht unwesentlich.
Es ist kaum anzunehmen, dass die längeren Fahrtzeiten zu Steigerung der Popularität der Förderschulen beitragen werden.
Wenn man aber diese Effekte bereits vor Augen hat, wie kann man dann in einen Koalitionsvertrag diese Sätze hineinschreiben?
a.) Es gibt eine Rechtslage, die das Recht des Kindes in den Vordergrund stellt: das Recht des Kindes auf Beschulung in einer Regelschule. Formal gilt sogar: dieses Recht des Kindes kann sogar den Elternwillen (bei der Wahl der Schule) brechen.
b.) Es gibt einen dokumentierten Elternwillen, der sich darin ausdrückt, dass immer weniger Eltern ihre Kinder auf Förderschulen anmelden. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass immer mehr förderbedürftige Kinder an Regelschulen unterkommen wollen und müssen.
c.) Bei diesem Thema nachfrageorientiert zu argumentieren, wirkt an dieser Stelle etwas deplatziert. Es gibt keinen von Angebot und Nachfrage gesteuerten Markt, der hier, im liberalen Duktus gesprochen, segensbringend funktionieren würde. Bis vor zwei Jahren wurden förderbedürftige Kinder zwangsweise einer Förderschule zugewiesen. ZWANGSWEISE! Die Nachfrage nach Förderschulplätzen entstand nicht, weil Eltern das so wollten, sondern weil man ihre Kinder einer bestimmten Förderschule zugewiesen hat. Man hat aber auch diese Zwangsmaßnahmen sicherlich damals bereits mit dem Kindswohl begründet.
d.) Fiel eine Förderbedürftigkeit eines Kindes erst im Laufe der Schulzeit auf, so konnte bisher die Schule die „Feststellung des Förderbedarfes“ beim zuständigen Amt veranlassen. Auch das ist vorbei. Es bleibt nun Eltern überlassen, ob sie einen besonderen Förderbedarf amtlich festgestellt sehen wollen oder nicht. Noch vor zwei Jahren führte dieses Verfahren dazu, dass Kinder von Amts wegen aus den Regelschulen herausgenommen und zwangsweise einer Förderschule zugewiesen wurden. Vorbei, passé, auch diese Form der von Regelschulen und Ämtern in friedlicher Eintracht produzierten Nachfrage nach Förderschulen gibt es nicht mehr.
Die Jamaika-Koalition will aber „das Förderschulangebot des Kreises (…) im Umfang der Nachfrage erhalten (…), um Wahlfreiheit zu sichern“
Das ist Unsinn. Eine aktive Nachfrage nach Förderschulen ist, wenn wir das Thema Mehrfachbehinderungen in dieser Debatte vorläufig ausblenden, kaum spürbar.
Und wenn auf das Thema der Wahlfreiheit referiert wird, so muss der Fokus nicht auf den Förderschulen liegen, sondern auf den Regelschulen. Wirkliche Wahlfreiheit bedeutet doch wohl, dass die Regelschulen fähig und willens sind, förderbedürftige Kinder aufzunehmen und zu fördern. Was unternimmt der Kreis, um Regelschulen bei der Umsetzung der Inklusion zu helfen? Welche Pläne hat die Jamaika-Koalition?
Der Koalitionsvertrag erweckt den Eindruck kompletter Ahnungslosigkeit bei den Jamaika-Abgeordneten. Sollten die Formulierung nicht Produkt kollektiver Ahnungslosigkeit sein, so ist sogar noch Schlimmeres zu vermuten.
Das wundert einen ja nicht unbedingt bei CDU und FDP – aber was für ein trauriges Bild geben die Kreisgrünen bei diesem Thema ab?
Im Frechener Stadtrat wurde vor kurzem die Schließung der Anne-Frank-Förderschule zum Ende des Schuljahres beschlossen. In dieser Vorlage wurde die Alternativlosigkeit der Schließung auch damit begründet, dass Kooperationsangebote an den Kreis von diesem abgelehnt worden seien.
Nun braucht man sich keinen Illusionen hingeben. Die Anne-Frank-Schule muss geschlossen werden, da Eltern förderbedürftiger Kinder mit den Füssen abgestimmt haben. Soll heißen: diese Eltern wollen ihre Kinder an Regelschulen unterrichtet sehen, nicht an Förderschulen.
Man braucht kein Hellseher zu sein, um zu erkennen, dass dieser Trend auch vor den Förderschulen des Kreises keinen Halt machen wird. Die Folgen sind absehbar: auch die Förderschulen des Kreises müssen mit in den kommenden Jahren mit stark rückläufigen Kinderzahlen rechnen. Die Existenz vieler Förderschulen im Kreis ist gefährdet. Wenn nicht schon heute, dann spätestens in drei bis vier Jahren.
Bereits im vergangenen Jahr sind in vielen Kommunen des Kreises Förderschulen geschlossen oder zusammengelegt (Wesseling/Hürth/Brühl, Kerpen und Erftstadt sowie Bergheim mit mit den kleineren Nordkreiskommunen) worden. Man redet von Kooperationen, die vereinbart wurden, dabei sind es Operationen am offenen Herzen, Notmaßnahmen um die Lebenszeit einzelner Förderschulen künstlich zu verlängern. Den Preis dieser Maßnahmen müssen oft genug die betroffenen Kinder und ihre Familien tragen, denn deren Fahrtzeiten zu den Förderschulen verlängern sich dadurch nicht unwesentlich.
Es ist kaum anzunehmen, dass die längeren Fahrtzeiten zu Steigerung der Popularität der Förderschulen beitragen werden.
Wenn man aber diese Effekte bereits vor Augen hat, wie kann man dann in einen Koalitionsvertrag diese Sätze hineinschreiben?
Zurzeit wird die Thematik der schulischen Inklusion im Rahmen einer gemeinsamen Schulentwicklungsplanung von Kommunen und Kreis erarbeitet. Die Koalitionsfraktionen orientieren sich dabei am Elternwillen und Kindeswohl. Das Förderschulangebot des Kreises soll im Umfang der Nachfrage erhalten bleiben, um Wahlfreiheit zu sichern.Man muss das Geschwurbsel mal auflösen, um zu verstehen, was nicht mehr wirklich zu verstehen ist:
a.) Es gibt eine Rechtslage, die das Recht des Kindes in den Vordergrund stellt: das Recht des Kindes auf Beschulung in einer Regelschule. Formal gilt sogar: dieses Recht des Kindes kann sogar den Elternwillen (bei der Wahl der Schule) brechen.
b.) Es gibt einen dokumentierten Elternwillen, der sich darin ausdrückt, dass immer weniger Eltern ihre Kinder auf Förderschulen anmelden. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass immer mehr förderbedürftige Kinder an Regelschulen unterkommen wollen und müssen.
c.) Bei diesem Thema nachfrageorientiert zu argumentieren, wirkt an dieser Stelle etwas deplatziert. Es gibt keinen von Angebot und Nachfrage gesteuerten Markt, der hier, im liberalen Duktus gesprochen, segensbringend funktionieren würde. Bis vor zwei Jahren wurden förderbedürftige Kinder zwangsweise einer Förderschule zugewiesen. ZWANGSWEISE! Die Nachfrage nach Förderschulplätzen entstand nicht, weil Eltern das so wollten, sondern weil man ihre Kinder einer bestimmten Förderschule zugewiesen hat. Man hat aber auch diese Zwangsmaßnahmen sicherlich damals bereits mit dem Kindswohl begründet.
d.) Fiel eine Förderbedürftigkeit eines Kindes erst im Laufe der Schulzeit auf, so konnte bisher die Schule die „Feststellung des Förderbedarfes“ beim zuständigen Amt veranlassen. Auch das ist vorbei. Es bleibt nun Eltern überlassen, ob sie einen besonderen Förderbedarf amtlich festgestellt sehen wollen oder nicht. Noch vor zwei Jahren führte dieses Verfahren dazu, dass Kinder von Amts wegen aus den Regelschulen herausgenommen und zwangsweise einer Förderschule zugewiesen wurden. Vorbei, passé, auch diese Form der von Regelschulen und Ämtern in friedlicher Eintracht produzierten Nachfrage nach Förderschulen gibt es nicht mehr.
Die Jamaika-Koalition will aber „das Förderschulangebot des Kreises (…) im Umfang der Nachfrage erhalten (…), um Wahlfreiheit zu sichern“
Das ist Unsinn. Eine aktive Nachfrage nach Förderschulen ist, wenn wir das Thema Mehrfachbehinderungen in dieser Debatte vorläufig ausblenden, kaum spürbar.
Und wenn auf das Thema der Wahlfreiheit referiert wird, so muss der Fokus nicht auf den Förderschulen liegen, sondern auf den Regelschulen. Wirkliche Wahlfreiheit bedeutet doch wohl, dass die Regelschulen fähig und willens sind, förderbedürftige Kinder aufzunehmen und zu fördern. Was unternimmt der Kreis, um Regelschulen bei der Umsetzung der Inklusion zu helfen? Welche Pläne hat die Jamaika-Koalition?
Der Koalitionsvertrag erweckt den Eindruck kompletter Ahnungslosigkeit bei den Jamaika-Abgeordneten. Sollten die Formulierung nicht Produkt kollektiver Ahnungslosigkeit sein, so ist sogar noch Schlimmeres zu vermuten.
Das wundert einen ja nicht unbedingt bei CDU und FDP – aber was für ein trauriges Bild geben die Kreisgrünen bei diesem Thema ab?