Dienstag, 16. Juli 2013
Thema: Inklusion
Nach den Erfahrungen der letzten Wochen ist es mal wieder an der Zeit, das Thema Inklusion grundsätzlich zu betrachten, denn hier in Frechen scheint es derzeit so zu sein, als müssten alle beteiligten Institutionen (Politik, Verwaltung, Schulen) zum Jagen getragen werden.

Wir haben in der letzten Schulausschusssitzung gehört, das Inklusion ein Menschenrecht ist und wir haben aus dem Munde eines Rektors einer der hiesigen Schulen gehört, dass Inklusion etwas anderes ist als Integration.

Konkrete Schritte aber, diesem Menschenrecht auf lokaler Ebene Geltung zu verschaffen, diese Schritte suchen wir vergeblich.
Hier wäre die Stadt als Schulträgerin in einer besonderen Verantwortung. Schaut man jedoch darauf, was die Stadt in den vergangenen Jahren unternommen hat, um dieses Menschenrecht umzusetzen, so muss man leider konstatieren, dass keine öffentlichen Maßnahmen erkennbar sind.

Inklusion und Diskriminierung

Beate Ludwig, Direktorin des Dt. Instituts für Menschenrechte beschreibt den Zusammenhang von Inklusion und Diskriminierung folgendermaßen:
Inklusion ist ein untrennbarer und zentraler Bestandteil des Diskriminierungsverbots. Das Diskriminierungsverbot wiederum wohnt jedem Menschenrecht inne. Denn die Menschenrechte verpflichten den Staat, sie gleichermaßen gegenüber allen Menschen zu achten, zu schützen und sie für alle zu gewährleisten. Inklusion ist also kein eigenständiges Recht, sondern ist Bestandteil jedes Menschenrechts.
Man kann es aber auch umdrehen: wird Inklusion nicht umgesetzt, so wird diskriminiert:
Das Diskriminierungsverbot zielt auf die Herstellung von Gleichheit - alle Menschen sollen ihre Freiheit gleichermaßen ausüben können. Doch die Hindernisse für die gleiche Freiheitsausübung sind unterschiedlich; Menschen werden auf unterschiedliche Weise ausgegrenzt: Diskriminierung kann durch Recht erfolgen ebenso wie durch tatsächliche Umstände und Strukturen.
Ein zentrales, inklusiv auszugestaltendes Recht ist das Recht auf Bildung. In Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention lautet dies:
Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen...
Im englischen Original, welches rechtsverbindlich ist, steht geschrieben … inclusive education system ….
Der Unterschied ist ein fundamentaler und besagt, dass alle Kinder im Regelschulsystem unterrichtet werden sollen, dazugehören und damit die Möglichkeit der uneingeschränkten Teilhabe in allen Bereichen der Gesellschaft haben.

Dahinter steht der Grundgedanke, dass sich die Umweltbedingungen, die Strukturen, die Umstände verändern müssen, so dass jeder Mensch, ganz so wie er ist, selbstverständlich dazu gehört.

Integration dagegen besagt, dass die Strukturen sind wie sie sind und Menschen Hilfe bekommen, um von außen kommend in diese Strukturen wieder eingebunden werden. Integration reagiert also auf den Sachverhalt des Ausschließens.

Bezogen auf unser Schulsystem bedeutet dies, dass Kinder zuerst ausgegrenzt, separiert werden – man weist sie einer Förderschule zu, um sie hinterher wieder in das „Normalsystem“ zu integrieren.

Inklusion besagt dagegen, dass das Schulsystem sich so ändern muss, dass man kein Kind separiert – was auch den zeitlich nachgelagerten Weg der Wiedereingliederung überflüssig macht.

Das ist ein klarer Auftrag, der hierzu ergangen ist. Die Kinder haben einen Anspruch auf gemeinsamen Unterricht an einer ganz normalen Regelschule. Es handelt sich dabei nicht um einen Gnadenbeweis sonder um ein einklagbares Recht.

Die erzwungene Inklusion

Im letzten Schulausschuss wurde deutlich, dass die Stadtverwaltung hierauf nicht ausreichend reagiert hat. Zwischen 15 und 18 Kinder wollten von ihrem Recht auf den Besuch einer weiterführenden Regelschule Gebrauch machen. Die Hauptschule hat Erfahrung mit Integration, die Realschule hat sich dieses Wissen in den vergangenen Jahren versucht anzueignen, das Gymnasium hat nichts getan.

Die Kinder wurden mit „sanftem“ Druck der Schulaufsicht jedoch auf alle drei Schulen verteilt, da eine Schule allein mit dieser Anzahl Kinder überfordert gewesen wäre.
Das Gymnasium versicherte dabei mehrfach, dass diese Kinder doch an dieser Schule nichts verloren hätten. Es handle sich um Kinder, die bestenfalls einen Hauptschulabschluss anstreben würden.
Wir wissen nicht, was das Frechener Gymnasium unter Inklusion versteht, diese Form der öffentlichen Stigmatisierung von Kindern jedenfalls gehört aber auf keinen Fall dazu!

Damit nicht genug, auch erfolgten einfache Schuldzuweisungen in der Form, dass die Landesregierung doch Schuld daran trage, dass nun ein Gymnasium sich um Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf kümmern müsse. Die Landesregierung habe es bisher nicht geschafft, verbindlichen rechtlichen Grundlagen für die Inklusion zu schaffen.
Man muss an dieser Stelle festhalten, dass die UN-Behindertenrechts-konvention seit 2009 geltendes Recht in der BRD ist und damit auch in Frechen. Bei der Übersetzung in Landesrecht gibt es einen deutlichen zeitlichen Versatz, wobei das entsprechende Gesetz inzwischen in der Endabstimmung ist. Auch in Frechen hätte man sich auf die sich ändernde Situation einstellen können. Der hiesige Realschuldirektor erklärte dem Schulausschuss, dass er seine Schule seit 2010 auf diese Situation vorbereite, da die Folgen erkennbar gewesen seien – und die Stadtverwaltung war dazu nicht in der Lage?
Man muss nur nach Köln oder Bonn schauen, um zu sehen, dass diese Kommunen frühzeitig mit eigenen Planungen reagiert haben.

Frechen hat es mehrfach abgelehnt, sich planerisch und vorausschauend mit dem Thema Inklusion zu beschäftigen. Frechen hat nichts getan. Und daran ist sicherlich nicht nur die Landesregierung schuld. Die Effekte jedenfalls sind klar: durch dieses Nichtstun werden behinderte Kinder diskriminiert.