Dienstag, 23. Mai 2017
Thema: Grube Carl
Vor rund 6 Wochen hat die "Perspektive für Frechen" die Verwaltung aufgefordert, eine Realisierung der Verlängerung der Linie 7 in den Stadtteil Grube Carl zu prüfen.

Die Perspektive begründet ihren Antrag so:
Sofern im Stadtteil Grube Carl sukzessive weitere Planzellen erschlossen werden und auch in Habbelrath (z. B. an der Ammerstraße) ein neues Baugebiet entsteht, benötigen wir aus unserer Sicht zwingend die Verlängerung der Linie 7, um den ÖPNV attraktiver zu gestalten, eine steigende Nutzung zu bewirken und das zu erwartende gesteigerte Verkehrsaufkommen bewältigen zu können.
Eine verkehrliche Entlastung speziell im Innenstadtbereich sei nur über den Ausbau des ÖPNV möglich. Die "Perspektive" schlägt zudem vor, eine Verlängerung der Straßenbahn bis Habbelrath / Grefrath zu prüfen.

So weit, so richtig.

Schauen wir mal ein bisschen auf die Historie der Verlängerung der Linie 7. In einer Vorlage, die dem Stadtrat 2006 zuging, wurden die Kernelemente der Stadteilentwicklung prägnant zusammen gefasst:
Geplant war, den Stadtteil über eine Hauptsammelstraße zu erschließen, die heutige Straße Grube Carl, ansonsten aber sollte das Verkehrsaufkommen möglichst gering gehalten werden, um die "Leistungsfähigkeit des Straßennetzes zu erhalten". Dazu sollte der Stadtteil eine umfangreiche Infrastrukturausstattung erhalten (Grundschule, Kindergarten, Geschäfte und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs). Ziel war die Entwicklung eines "Stadtteils der kurzen Wege".
Zweiter zentraler Aspekt, um das Verkehrsaufkommen gering zu halten, war die frühzeitige Verlängerung der Linie 7 in den Stadtteil hinein, die zugleich eine innerstädtische Verkehrsbedeutung habe, da eine direkte Verbindung in die Innenstadt geschaffen werde.

Nun wissen alle Beteiligten, dass die umfangreiche Infrastrukturausstattung ein Versprechen ohne Wert war. Im Neubaugebiet gibt es eine Kindertagesstätte, eine Bäckereifiliale, ein Zahnarzt und einen Friseur. Damit hat es sich aber auch mit den Geschäften und Dienstleistungen für den täglichen Bedarf.

Statt eines Stadtteils der "kurzen Wege" haben wir einen Stadtteil der langen Anfahrten.

Ergänzend kommt hinzu, dass zumindest vermutet werden kann, dass Stadtteilbewohner*innen, die ihre täglichen Einkäufe mit dem Auto erledigen müssen, ihre Einkäufe nicht zwingend in Frechen erledigen. Die durch die Straßenbahn herstellbare direkte Verbindung in die Innenstadt könnte eine der Maßnahmen sein, um die Attraktivität der Frechener Innenstadt wieder zu steigern. Mit einer Verlängerung der Bahn bis Habbelrath / Grefrath würden zwei weitere größere Stadtteile von den Vorteilen einer Straßenbahnanbindung profitieren.

2006 scheiterte die Verlängerung der Linie 7 daran, dass die bei der Aufstellung der förderfähigen ÖPNV-Maßnahmen die Linie 7 wegen eines schlechten Kosten-/Nutzen-Verhältnisses als nicht förderfähig eingestuft wurde. Ohne eine entsprechende Förderung aus dem Landeshaushalt aber war an die Verlängerung der Linie 7 nicht zu denken.

Damals war allen Beteiligten klar, dass die Verlängerung der Linie 7 unabdingbar ist, wenn auf Grube Carl weitergebaut wird.
Im Hinblick auf die Entwicklung des Baugebietes Grube Carl ist eine ÖPNV-Anbindung sehr wichtig. Ohne die Straßenbahn kommen wir in einem so großen Bereich gar nicht aus,
erklärte damals Ulrich Volland von der CDU.

Und die SPD erklärte 2005, sie werde
als Opposition nicht nur darauf aufpassen, dass die CDU sich nicht von Ihren Wahl-Versprechen klammheimlich verabschiedet, sondern wollen darüber hinaus eigene Akzente gesetzt wissen.?
Zu den aufgeführten Wahlversprechen, auf deren Umsetzung die SPD besonders achten wollte, zählte auch die Verlängerung der Linie 7.

Auch die Grünen im Kreis vertraten 2006 die Position, dass die Linie 7 verlängert werden müsste.

Nun ist die Verkehrssituation Frechen nicht besser geworden. Und mit jedem neuen Baugebiet in der Stadt wird es schlimmer auf Frechens Straßen. Der öffentliche Nahverkehr wird systematisch vernachlässigt, da er Geld kostet. Und eine Straßenbahn kostet doppelt. Sowohl beim Bau als auch im Unterhalt.

Die heute herrschende Logik brachte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, M. Erbacher, 2016 in ihrer Haushaltsrede, punktgenau zu Ausdruck:
Für den Ausbau des ÖPNV haben wir in diesem Jahr dagegen kein zusätzliches Geld eingestellt, weil wir einen Schwerpunkt beim Radverkehr setzen wollen. Investitionen in den Radverkehr sind im Verhältnis zum Nahverkehr wesentlich effizienter und umweltpolitisch wirksamer.
Nachdem aber weder für Radfahrer*innen noch für den ÖPNV in den vergangenen Jahren etwas getan wurde, bleibt festzuhalten, dass "kein Geld ausgeben" als Zweck grünen Handelns übrig geblieben ist.

Trotzdem ist die Verlängerung der Linie 7 unabdingbar, soll das Baugebiet Grube Carl in den kommenden Jahren weiterentwickelt werden.
Das Thema Grundschule im Stadtteil wurde 2008/2009 endgültig beerdigt, obwohl weiterhin damit zu rechnen ist, dass die Lindenschule, selbst wenn sie denn in drei Jahren dreizügig zur Verfügung stehen wird, nicht für alle Kinder des neuen Stadtteils reichen wird.
Es steht daher zu erwarten, dass Kinder des Stadtteils an benachbarten Grundschulen eingeschult werden müssen. Da werden dann Kinder mit dem Auto hingefahren werden.

Das Einkaufen im Stadtteil findet auch nicht statt, das wird mit dem Auto erledigt. Mit jedem neuen Bewohner im Stadtteil also zusätzliche Fahrten. Dazu die Wege zur Arbeit. Nachdem heutzutage in Familien beide arbeiten bedeutet dies meist, dass 2 Autos bewegt werden.

Wer regelmäßig Bus fährt, der weiß, dass in den Bussen Rentner*innen und Schulkinder anzutreffen sind, aber kaum Erwachsene im erwerbstätigen Alter. Damit ist schon alles gesagt zur Akzeptanz der Buslinie 965 bei der erwerbstätigen Bevölkerung des Stadtteils.
Ganz anders in der Linie 7. Diese ist morgens und abends voll mit Erwachsenen auf dem Weg zur Arbeit.

Der von der "Perspektive Für Frechen" eingereichte Prüfauftrag kommt möglicherweise etwas spät, da es ja nicht nur um eine innerstädtische Entscheidung geht, sondern um Entscheidungsprozesse bis hinauf ins Landesverkehrsministerium und wer da noch alles so mitreden darf, will und muss. Aber immerhin besinnt sich eine politische Formation auf die Notwendigkeit der Entwicklung des öffentlichen Nahverkehrs in Frechen.

Es ist ja nun nicht unbedingt so, dass weitere Straßen Frechen für die Stadtbewohner attraktiver machen würden. Eher im Gegenteil, jeder Straßenbau generiert zusätzlichen Autoverkehr. Und Autoverkehr in einer Stadt ist das Gegenteil von Lebensqualität.

Schade nur, dass Lebensqualität in der Frechener Politik einen so geringen Stellenwert besitzt. Das Thema der Verlängerung der Linie 7 würde sonst einen viel höheren Platz in der politischen Agenda der Stadt einnehmen.




Montag, 22. Mai 2017
Thema: Zuckungen
Der Kommentar zum Tage:
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Freitag, 19. Mai 2017
Nun gibt es auch eine knappe Wahlanalyse der Bertelsmann-Stiftung mit einigen insbesondere für die SPD wichtigen Erkenntnissen:

1. Die Wahlbeteiligung ist gestiegen, das ist schön. Aber sie ist nicht gleichmäßig gestiegen.
Je wirtschaftlich schwächer und sozial prekärer die Milieustruktur in einem Stimmbezirk ist, desto geringer ist die Wahlbeteiligung, und desto geringer fiel auch der Anstieg der Wahlbeteiligung aus.
Zugelegt hat die Wahlbeteiligung überdurchschnittlich im „wirtschaftlich stärkeren Milieu der Mittel- und Oberschicht.“
Für Frechen bedeutet das: in den innerstädtischen Wahlkreisen lag die Wahlbeteiligung schon bei den vergangenen Jahren unter derjenigen von bspw. Königsdorf. In Königsdorf ist die Wahlbeteiligung nun aber auch noch stärker gestiegen als in der Innenstadt.
In den wirtschaftlich starken Wählerhochburgen ist die Wahlbeteiligung von rund 73 auf 79 Prozent um überdurchschnittliche 6 Prozentpunkte gestiegen. In den Nichtwählerhochburgen, wo überwiegend wirtschaftlich schwächere Haushalte leben, stieg die Wahlbeteiligung dagegen nur unterdurchschnittlich um weniger als 5 Prozentpunkte.
2. Auch bei der Mobilisierung der Nichtwähler waren FDP und CDU erfolgreicher als die SPD, gut 64% der Nichtwähler stimmten für CDU und FDP, für die SPD nur 21%.

3. Entscheidend für die SPD aber war, dass es ihr nicht gelungen ist, ihr Stammwählermilieu zu aktivieren. Die SPD hat, so auch in Frechen, dort ihre besten Ergebnisse erzielt, wo die Wahlbeteiligung am geringsten war. D.h.: diese Stimmbezirke hatten schon 2012 eine schlechtere Wahlbeteiligung als bspw. das wirtschaftlich wohlhabendere Königsdorf, der Anstieg der Wahlbeteiligung 2017 fiel schwächer aus als in Königsdorf und in eben den Stimmbezirken mit der schlechtesten Wahlbeteiligung erzielte die SPD ihre besten Ergebnisse. Diese für die SPD negative Entwicklung war hier auf dem Blog schon im Zusammenhang mit der Bürgermeisterwahl diskutiert worden. Eine Verbesserung der Verhältnisse hat nicht stattgefunden, vielmehr ist die soziale Spaltung bei der Wahlbeteiligung noch etwas deutlicher geworden.

4. Und ergänzend zur Diskussion über die Bedeutung der AfD-Wähler für das Erststimmenergebnis in Frechen die Aussage der Bertelsmann-Studie: die AfD hat insbesondere von den ehemaligen Protestwählern der Piraten profitiert.

Das könnte erklären, warum die Piraten bei den Zweitstimmen in Frechen gerade mal 0,94% erhalten haben, bei den Erststimmen aber erhielt der Direktkandidat der Piraten 2,4%.

Und daran anschließend noch ein lustiges Rechenspiel:
mal angenommen, die 1.843 AfD-Wähler in Frechen sind im Kern rechtsradikal oder Protestwähler, so könnte eine Wählerwanderungsbilanz zwischen Zweit- und Erststimme wie folgt aussehen:
300 AfD-Wähler wandern ins Lager der Nichtwähler (die Rechtsradikalen)
500 AfD-Wähler wählen den Direktkandidaten der Piraten (Protestwähler)
160 AfD-Wähler wählen den Direktkandidaten der Linken (Protestwähler)
180 AfD-Wähler wählen den Direktkandidaten der SPD (die 10%, die die AfD bei den Zweitstimmen von der SPD abgezogen hat)

Verbleiben noch 700 AfD-Wähler die den Weg zu FDP und CDU gefunden haben können.

Das eklatant schlechte Abschneiden von Brigitte DMoch im 2. Wahlkreis Rhein-Erft gegenüber den Wahlkreisen 1 und 3 lässt sich so aber nicht erklären.