Thema: Opposition
Sollte man irgendwann einmal geglaubt haben, die Rot-Grüne Koalition im NRW-Landtag würde auch auf die kommunale Ebene abfärben, so muss man für Frechen feststellen: Nein, da geht nichts zusammen.
Seit den Kommunalwahlen 2009 gibt es keine eindeutigen Mehrheitsverhältnisse mehr im Rat der Stadt Frechen. Aus der Landespolitik kennen wir das ja. Die „Koalition der Einladung“, wie Rot-Grün sich zu Beginn nannte, war knappe zwei Jahre erfolgreich. Eine sachliche Zusammenarbeit über die klaren Grenzen von Regierung und Opposition hinweg schien im Landtag möglich. Vor gut einer Woche scheiterte die Koalition an der Ablehnung des Haushalts durch rot-schwarz-gelb. Und so dürfen wir nun in wenigen Wochen ein weiteres Mal wählen.

Solche massiven Effekte sind natürlich auf kommunaler Ebene nicht zu erwarten, jedoch werden die Ergebnisse fehlender Eindeutigkeit vor Ort komplett unterschiedlich interpretiert und wahrgenommen - sowohl wenn man zwischen der Landes- und der Kommunalebene differenziert als auch, wenn man die Wahrnehmungen von Rot und Grün gegenüberstellt. Es gibt anscheinend keine Gemeinsamkeiten zwischen Rot und Grün:
Erkennbar war, dass es allen Fraktionen daran gelegen ist, zielführend zu diskutieren und zu guten Ergebnissen zum Wohle Frechens zu kommen. Man merkt aber auch, dass in Frechen keine Partei die alleinige Mehrheit hat.
So die Wahrnehmung der SPD in den Worten ihres Fraktionsvorsitzenden Günter Eilenberger.

Ganz anders die Interpretation der grünen Fraktion, die eine Rückkehr der großen Koalition konstatiert und sich von der sachlichen Zusammenarbeit seit Anfang 2011 ausgeschlossen sieht:
Klare Mehrheitsverhältnisse liegen hier in Frechen nicht vor. Das haben wir nach der Kommunalwahl 2009 begrüßt, da die beiden größeren Fraktionen gezwungen waren, mit uns und allen anderen das Gespräch zu suchen. In den Ausschüssen wurde sachorientierter, das heißt auch sachlicher, diskutiert und die Entscheidungen waren durchaus Kompromisse auf breiteren Füßen. Im zurückliegenden Jahr, also in 2011, schliefen diese Gespräche komplett ein, der Umgangston verschärfte sich und in den Diskussionen um unsere Vorschläge und Anträge konnten wir leider zu häufig keine Kompromissfähigkeit (…) erkennen. Stattdessen erlebten wir eine große Koalition von CDU und SPD. Äußerlich fechten Sie mit harten Bandagen, aber im Endeffekt sind Sie sich dann doch einig. Das sind für uns Schaukämpfe – wie bei diesem Haushalt.
Auch Aussenstehende erkennen eher die Elemente einer großen Koalition von SPD und CDU, denn eine sachorientierte Politik über alle Fraktionen hinweg. Nur zu oft hatte man vergangenes Jahr das Gefühl, CDU und SPD hätten sich im Vorfeld bereits abgestimmt. Erinnert sei an die Idee der Einführung einer Sekundarschule, die zeitgleich und mit gleicher Tonalität von CDU und SPD in die Debatte eingebracht wurde. Es bedurfte des Einsatzes Frechener Eltern, um hier eine öffentliche Debatte zu erzwingen und das Thema Gesamtschule zumindest gleichwertig behandelt zu sehen.

Da Eltern nur wenige direkte Rechte haben, um in der Kommunalpolitik ihre Interessen direkt einzubringen, sind sie auf die Hilfe von Parteien angewiesen. Im Bereich des Themenbereichs Sekundarschule / Gesamtschule hat sich einzig die Grüne Fraktion eindeutig auf Seiten der Gesamtschule platziert. Die SPD ist in dieser Frage wachsweich und laviert. Sie will sich nicht festlegen:
Ein bedeutsames Thema im Bereich der weiterführenden Schulen ist die mögliche Einrichtung einer Gesamtschule oder Sekundarschule, um dem starken Wunsch nach längerem gemeinsamem Lernen Rechnung zu tragen. (…) Für Frechen wurde gerade ein Gutachten beauftragt, dessen Ergebnisse abgewartet werden müssen. Dann werden wir entscheiden, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Ich mache keinen Hehl daraus: Die SPD steht einer Gesamtschule oder Sekundarschule sehr positiv gegenüber. Sie muss aber auch realisierbar sein und angenommen werden, sprich: die notwendige Zahl von Anmeldungen muss auch erfolgen
Ebenso wachsweich positionierte sich die SPD zum aktuellen Thema der Sanierung der Toilettenanlagen der Burgschule:
Schon lange gibt es Bedarfe an der Burgschule, den die SPD jahrelang in den Haushaltsberatungen dargestellt hat. Sei es für Räumlichkeiten für eine Schulküche oder weitere Räume für die Betreuung der Schulkinder. Deshalb ist zu begrüßen, dass jetzt ein Gesamtkonzept erarbeitet werden soll. In dessen Rahmen müssen zusätzliche Räume für die OGS geschaffen und auch die Toiletten angepackt werden.
Es wird dabei aber verschwiegen, dass die SPD, wie auch die CDU und im Grunde der gesamte Rat, sich seit 2008 an keiner Stelle für die Burgschule eingesetzt hat. Die Burgschule wurde von allen einfach „vergessen“.
Jetzt wäre die Gelegenheit gewesen, zumindest den größten Schandfleck der Schule, die stinkenden Toilettenanlagen im 60erJahrelook kurzfristig zu sanieren. Die SPD hat es vorgezogen, zusammen mit der CDU ein Gesamtkonzept erarbeiten zu lassen. Unter Haushaltsgesichtspunkten kostet das Gutachten 2012 50.000 Euro, die Sanierung hätte dieses Jahr mit vermutlich 400.000 Euro zu Buche geschlagen. Da ist der Ankauf des Kunstrasens in Bachem natürlich wichtiger.
Im Sinne großkoalitonärer Anwandlungen wurde der Antrag, 50.000 Euro Planungskosten in den Haushalt einzustellen, von den Fraktionen CDU und SPD gemeinsam gestellt.

In beiden Punkten ist die grüne Fraktion klarer. Sie forderte mit mehreren Anträgen die Einrichtung einer Gesamtschule und sie waren die einzigen, die an einer sofortigen Sanierung der Toilettenanlagen festhalten wollen:
Nun zur Burgschule. In den letzten Wochen zeigte sich mit Deutlichkeit die angespannte Lage bei der Mittagsbetreuung. Das Thema liegt uns allen am Herzen und wir hoffen, dass schnell eine akzeptable Übergangslösung gefunden wird. Aber die Toiletten bleiben ein Trauerspiel. (…) Wir sind nicht gegen ein gut durchdachtes Gesamtkonzept für das gesamte Schulgelände, wollen aber die größten Mängel zeitnah abgestellt wissen. Bis zum Schuljahresende müssen Lösungen für eine hygienische Benutzungsmöglichkeit der Toiletten gefunden werden. Es eilt, wir haben keine Zeit zu verlieren.
Zwischen den Zeilen jedoch wird deutlich, dass Frau Nußbergers Hinweis auf die „große Koalition“ nicht weit hergeholt sein kann, denn die SPD Frechen schießt scharf gegen die Grünen, insbesondere dann, wenn diese sich Themen annehmen, die doch, so die Wahrnehmung der SPD, ihre Themen sind:
Zu häufig erleben wir, dass einzelne Fraktionen aus Vereinbarungen ausbrechen und mit Anträgen auftreten, die einem kurzfristigen populistischen Impuls Rechnung tragen. (…) das führt zu nichts, so können wir nicht arbeiten! Einige Beispiele. Da wären die fast wöchentlichen Anträge der Grünen im Schulbereich,
Für den Busverkehr zur Grube Carl gilt für die SPD-Fraktion die Beschlusslage des Verkehrsausschusses, an die wir uns halten werden. Auch hier hat eine Fraktion mal wieder versucht, populistisch auszuscheren.
so Herr Eilenberger.

Die Grünen machen der Frechener SPD die Meinungsführerschaft im Bereich Schulpolitik streitig und im Stadtteil Grube Carl, in der sozialdemokratischen Wahrnehmung eine SPD-Erfindung, punkten die Grünen mit ihrem Thema, dem Ausbau des ÖPNV. Auch hier hat die SPD einfach zu wenig getan, hat zugeschaut, wie das ursprüngliche Konzept des „Stadtteils der kurzen Wege“ zerstört wurde, aber hat aus dieser Entwicklung keine Schlussfolgerungen gezogen. Mit dem Ergebnis, dass der Autoverkehr sich zum größten Ärgernis im Stadtteil auswächst. Mehr ÖPNV alleine löst die Probleme nicht – aber immerhin: da gibt es eine Fraktion im Stadtrat, die nicht nur darüber nachdenkt, wie die Leiche „Verlängerung des Freiheitsrings“ wiederzubeleben ist.

Eine Politik nahe an den Menschen, das war mal die Stärke der SPD. Inzwischen belegt sie ein solches Vorgehen mit dem Verdikt des „Populismus“.

Wer sich also fragt, wie der Niedergang der SPD in Frechen zu erklären ist, der sollte an solchen Punkten ansetzen: wer ein „sich kümmern“ als Populismus diffamiert, muss sich nicht wundern, wenn die Menschen sich von solchen Parteien abwenden.