Freitag, 12. Dezember 2014
Gestern Abend wurden im Rahmen einer Sondersitzung des Schulausschusses erste Ergebnisse des im Sommer beauftragten Schulentwicklungsplans vorgestellt.

Im Bürgerbrief 1/2013 formulierte die CDU ihr Credo:
„„Wir haben eine Hauptschule die … exzellente Ergebnisse vorweisen kann. Wir haben im Rhein-Erft-Kreis die stärkste Realschule … Wir haben ein innovatives Gymnasium, … das weit über die Stadtgrenzen hinaus Beachtung findet! (…) Es geht in der Entscheidung über die Schullandschaft in Frechen nicht um ein ideologisches Pro und Contra zur Gesamtschule, sondern um die grundlegende Architektur unserer Bildungslandschaft.“
Die CDU-Bürgermeisterkandidatin Susanne Stupp erklärt auf ihrer kürzlich freigeschalteten Homepage:
das derzeit gut funktionierende Schulsystem mit allen gängigen Schulformen (Haupt-, Realschulen und Gymnasien) grundsätzlich nicht in Frage stellen. Sollten zukünftig weitere Schulformen erforderlich sein, soll dies im Rahmen einer Elternbefragung abgefragt und belegt werden. Erfolgreiche Inklusion steht ebenfalls auf unserer Agenda. Im Vordergrund steht für uns dabei die für Kinder und Eltern bestmögliche Lösung.
Im Grunde, so der Tenor, ist alles so ziemlich gut in Frechen.

Seit gestern wissen wir es besser.

Die Frechener Schullandschaft ist strukturell ungerecht, so der Gutachter, sie weist Besonderheiten im Vergleich mit Nachbarkommunen oder dem Land auf, die erklärungsbedürftig sind.

Aber mal in medias res:
die Frechener Sozialstruktur spiegelt sich nicht in der Verteilung der Kinder auf die unterschiedlichen Schulformen wider. So haben bspw. auf den Grundschulen 38% der Kinder einen Migrationshintergrund, am Gymnasium sinkt diese Quote aber auf 28%. In Hürth dagegen lässt sich dieser Effekt in dieser scharfen Form nicht nachvollziehen. Sind unsere Kinder mit Migrationshintergrund dümmer als in Hürth? Oder haben wir ein anderes Problem?

Bisher haben vorzugsweise zwei Schulen es übernommen, sich um Kinder mit Förderbedarf zu kümmern, also Inklusion umzusetzen: Burgschule und Hauptschule. In der Johannesschule (Königsdorf) dagegen findet Inklusion bisher nicht statt.
Ist es gerecht, Inklusion nur den Schulen zu überlassen, die aufgrund ihres Einzugsgebietes sowieso schon genug Probleme an ihrer Schule haben?
Der Gutachter stellte daher zu Recht die Frage: "Sollen wir die Aufgabe der Inklusion nicht gerechter auf alle Schulformen verteilen?"

Ebenso seltsam sind die sogenannten Übertrittsquoten, soll heißen: auf welche Schulen wechseln die Kinder einer Grundschule nach der vierten Klasse. Zwei städtische Extremwerte müssen hier gegenüber gestellt werden:
Von der Burgschule wechseln 25% der Kinder auf das Gymnasium, von der Johannesschule dagegen aber 70%.
Darin dokumentiert sich eine an bestimmte Schulen fixierte ungewöhnliche Ungleichgewichtigkeit in der Stadt.
Dabei stellte der Gutachter, der beide Schulen besucht hat fest, dass die eine Schule nicht so schlecht und die andere nicht so gut ist, dass dadurch diese Differenz erklärt werden kann.

Sein Erklärungsansatz verwies dann auf die soziale Gebundenheit von Schulempfehlung und Schulwahlverhalten: je größer die Häuser und Grundstücke, desto "klüger" die Kinder, so seine lapidare Begründung. In Frechen jedoch ist dieser Aspekt besonders ausgeprägt. Ist es gerecht, dass Kinder aus sozial schwächeren Familien in deutlich geringerem Umfang Zugang zum Abitur erhalten, als unsere besseren Bürgerkinder?

Ebenso spannend der Zusammenhang, den der Gutachter im Bereich des Gymnasiums aufzeigte. Das Gymnasium hat sich als technisch-mathematisches Gymnasium profiliert. Damit schreckt diese Schule aber Kinder mit anderen Interessen (bspw. Sprache, Musik) ab. Das verschränkt sich damit, dass insbesondere Mädchen in dieser Gruppe zu finden sind. Folge: die Mädchenquote am Frechener Gymnasium ist außergewöhnlich gering, Mädchen werden zum Auspendeln an Umlandgymnasien / Gesamtschulen gezwungen. Oder sie besuchen die hiesige Realschule.
Ist das gerecht unseren Mädchen gegenüber?

Allgemeiner formulierte es der Gutachter: „Passen Stadt und Schule zusammen?“

Seine Schlussfolgerungen, die er abschließend zur Diskussion stellte, hatten es dann in sich.

Er betonte nochmals, dass die Hauptschule eine auslaufende Schulform sei, Eltern würden diese Schule nicht mehr annehmen.
Er verwies darauf, dass wir einerseits extreme Raumprobleme an der Realschule haben, andererseits aber die Hauptschule Raumreserven hat.
Frechen könne sich aber einen solchen Leerstand nicht leisten, Frechen benötige drei Schulstandorte, brauche drei funktionierende weiterführende Schulen.

Aus Sicht des Gutachters gibt es nur eine einzige Lösung, um die hiesige Schullandschaft zu retten:

Frechen braucht eine Gesamtschule, um den Ungerechtigkeiten in der aktuellen Schullandschaft entgegen zu wirken.
Frechen braucht die Gesamtschule so schnell als möglich – nämlich zum Schuljahresbeginn 2016/17.
Frechen hat einen guten Standort für eine Gesamtschule, das Hauptschulgebäude Herbertskaul.

Implizit hat er die Frechener Parteien aufgefordert, diesen Beschluss in großer Einmütigkeit zu treffen – am besten sofort.

Vor sechs Wochen hat das „Aktionsbündnis für eine Gesamtschule in Frechen“ ihr Thesenpapier: „Eine Gesamtschule in Frechen ist möglich“ veröffentlicht. Der Gutachter hat die Aussagen des Aktionsbündnisses in allen Punkten bestätigt. Auf Basis dieser Ausarbeitung hat Ferdi Huck erklärt, dass er als Bürgermeisterkandidat der SPD für eine Eröffnung einer Gesamtschule 2016/17 stehe. Die SPD hat daher für die Ratssitzung am 16.12.2014 den entsprechenden Antrag gestellt.
Es ist jetzt an den übrigen Parteien im Rat, zu zeigen, dass die Botschaften des Gutachters angekommen sind.


ES IST ZEIT, DAS TRAUERSPIEL ZU BEENDEN.
DER RAT MUSS JETZT DIE ENTSCHEIDUNG FÜR DIE GESAMTSCHULE TREFFEN.



letzte Änderung: 15.12.2014




Dienstag, 11. November 2014
Vor einiger Zeit hat das Aktionsbündnis für eine Gesamtschule dargelegt, dass Frechen einerseits eine 6-zügige Gesamtschule benötigt. Gleichzeitig wird die Hauptschule auslaufen, die ja seit Jahren an innerer Auszehrung leidet. Nicht, weil es eine schlechte Schule ist, sondern weil Eltern diese Schulform nicht mehr akzeptieren. Schon in einer Elternbefragung 2011 an Frechener Grundschulen wollten sahen nur noch 2% der Eltern ihr Kind an einer Hauptschule.

Soll nun eine Gesamtschule nicht komplett neu gebaut werden, sondern auf bestehende Schulgebäude zurückgegriffen werden, so bleiben nur die Gebäude der Hauptschule. Die letzten starken Schülerjahrgänge der Hauptschule verlassen die kommenden 2 bis 3 Jahren die Schule. Die freiwerdenden Räume kann die neue Gesamtschule nutzen, bis sie nach 5 Jahren das gesamte Gebäude übernommen hat. In dieser Zeit müssen fehlende Räume für die jahrgangsweise wachsende Schule zugebaut werden.

Entscheidend ist jedoch, dass der hierfür notwendige politische Beschluss im Rat der Stadt Frechen gefasst wird. Der Frechener Stadtrat ist aber die „Problemzone“ im gesamten Prozess, sind doch die hinhaltenden oder auch ablehnenden Kräfte (CDU, FDP, (Perspektive) und Einzelpersonen) mehrheitsfähig. Bisher wurde von dieser Mehrheit jede Veränderung der lokalen Schullandschaft mit Verweis auf einen fehlenden Schulentwicklungsplan abgelehnt. So kam 2012 das Gutachterbüro Komplan im Rahmen der „Schulentwicklungsplanung für die Weiterentwicklung des Schulangebots in der Sekundarstufe in der Stadt Frechen“ zu dem Schluss, dass die Problemlagen im Bereich der weiterführenden Schulen einzig durch die Gründung einer Gesamtschule zu lösen seien. Da das Ergebnis aber nicht erwünscht war wurde das Gutachten im Schulausschuss zur „Machbarkeitsstudie“ herabgestuft.
Womit kein akuter Handlungsdruck mehr bestand und eine Entscheidung über die Einführung einer Gesamtschule weitere 2 Jahre hinausgeschoben werden konnte.

Inzwischen hat sich der Druck im Kessel aber erhöht. Die Hauptschule hat im aktuellen Schuljahr weniger als 50 Kinder aufgenommen, der Fortbestand der Schule ist akut gefährdet. Zugleich verbleiben immer mehr Kinder an den lokalen weiterführenden Schulen und zusätzlich haben Kinder mit Förderbedarf Anspruch auf einen Platz an einer Regelschule. Realschule und Gymnasium platzen jetzt schon aus allen Nähten und in den kommenden Jahren wird es schlimmer.

Der sich hier abzeichnende Gezeitenwandel spiegelt sich in der Neupositionierung der SPD. War die SPD in den vergangenen Jahren eher unschlüssig, wie sie mit dem Thema umgehen soll, so hat sich ihr Bürgermeisterkandidat Ferdi Huck nun klar zur sofortigen Eröffnung einer Gesamtschule bekannt. Partei und Fraktion stehen hinter dieser Position.
Eigentlich scheint der Zeitpunkt günstig, um das Thema voranzutreiben.

Aber Frechen wäre nicht Frechen, wenn es nicht jetzt bereits Hinweise gäbe, die auf Rückschritte hindeuten. So verhandeln die Grünen mit CDU und FDP über eine Jamaika-Koalition. Vor den Verhandlungen waren die Grünen die vehementesten Unterstützer einer Gesamtschule, jetzt aber wollen Teile der Grünen an die Fleischtöpfe der Macht. Störendes kann da schon mal verloren gehen. Es gibt Anzeichen, dass die Grünen nach Wegen suchen, ihr Wahlversprechen für die sofortige Einführung einer Gesamtschule so umzuformulieren, dass eine Vereinbarung mit CDU und FDP möglich wird. Sollte es also zu dieser Koalition kommen, so ist damit zu rechnen, dass die grüne Wahlaussage „kurzfristige Errichtung einer Gesamtschule“ sehr auslegungsfähig ist. Eine Gesamtschule, die irgendwann nach 2018 ihre Pforten öffnet, ist für die hiesigen Grünen möglicherweise dann immer noch „kurzfristig“.

Nachdem die Grünen bereit zu sein scheinen, zugunsten einer Jamaika-Koalition Wahlversprechen zu verraten und die grüne Seele zu verkaufen, steigt die Bedeutung des Schulentwicklungsplans. Enthält dieser eine klare Aussage „pro Gesamtschule“, so wird es für alle hinhaltenden Kräfte im Rat schwierig, sich gegen eine Gesamtschule auszusprechen.

Es ist inzwischen schon sehr schwer geworden, die Augen vor den realen Problemlagen der Frechener Schulen zu verschließen. Kommt dann noch ein Gutachten, in dem eine Gesamtschule empfohlen wird, dann können Mehrheiten kippen.

Voraussetzung hierfür aber ist die Kenntnis des Schulentwicklungsplans. Sollte dieser, wie angedeutet, zur Schulausschusssitzung im Januar 2015 vorliegen, so besteht eine reale Chance im der Ratssitzung im März 2015 die Probe auf’s Exempel zu wagen.
• Wer in Frechen ist offen für Veränderungen? Steht die SPD 100%ig hinter ihrem Bürgermeisterkandidaten?
• Wo stehen die Grünen im Frühjahr 2015? Ist Jamaika wichtiger als die eigenen Wahlversprechen?
• Erinnert sich die „Perspektive“ noch an ihr verhülltes Bekenntnis zu einer Gesamtschule?

Solange jedoch der neue Schulentwicklungsplan nicht vorliegt, werden sich alle Kräfte der Verhinderung hinter diesem Sachverhalt verstecken. Und es würde kein größeres Erstaunen auslösen, wenn Teile der Grünen sich dieser Argumentation anschlössen. Eine feine Unterwerfungsgeste gegenüber dem größeren Partner.

So bleibt nur auf eine frühzeitige Veröffentlichung des Schulentwicklungsplans zu drängen.




Dienstag, 4. November 2014
Es gibt Gerüchte, der Frechener Schulentwicklungsplan liege vor und empfehle eine Gesamtschule.

Wer hätte es gedacht.




Mittwoch, 23. Juli 2014
NIcht dass wir die Berichterstattung vernachlässigen würden.
Die Erftstädter Elternbefragung hat ein eindeutiges Ergebnis erbracht.
Eltern wollen Gesamtschule, so betitelte die Rundschau ihren Artikel. Und nun wird bereits über den Standort diskutiert. Mitten in den Ferien ....
Undenkbar in Frechen, oder ist der neue Rat der Stadt beweglicher als der alte?




Freitag, 7. Februar 2014
Die Eltern in Erftstadt werden darüber entscheiden, ob es eine Gesamtschule in der Stadt geben wird. Nachdem die CDU die Elternbefragung bereits in ihrem Wahlprogramm festgeschrieben hat, hat nun auch die SPD bekanntgegeben, dass sie den Elternwillen einholen will. Würden die Eltern sich für eine Gesamtschule entscheiden, und würde das Verfahren im Eilschritt durchgeführt, könnten für die in Erftstadt neue Schulform schon im kommenden Jahr das Anmeldeverfahren starten. (…) [Der SPD-Fraktionsvorsitzende Bernd] Bohlen ist sich sicher, dass die Eltern der Kinder, die die zweite und dritte Klasse einer Erftstädter Grundschule besuchen, sich mit deutlicher Mehrheit für diese Schulform aussprechen werden. Eine Befragung könnte seiner Meinung noch vor der Kommunalwahl am 25. Mai auf den Weg gebracht werden.
So was würde man doch gerne mal über Frechen lesen, oder?




Mittwoch, 10. Juli 2013
Womit niemand mehr gerechnet hat, Pulheim hat es geschafft. Die Gesamtschule soll kommen.

Geplant wird sie an Stelle der Realschule in Brauweiler. Ein Verlust, der für die Eltern in Brauweiler verkraftbar scheint, da mehr als 60% der RealschülerInnen nicht aus Pulheim kommen.
Die Gesamtschule dagegen wird die Pulheimer Schullandschaft bereichern.

Wir gratulieren. und freuen uns auch für die Frechener Gesamtschulbefürworter, deren Kinder ab kommendem Jahr neben der Horremer und Bergheimer Gesamtschule zwei weitere Gesamtschulen zur Auswahl haben werden: Pulheim-Brauweiler und Hürth.

Kinder, Kinder ... so viel Auswahl war nie!




Montag, 13. Mai 2013
Also, eigentlich … gar nicht.
Wie die Grünen aktuell berichten, verfolgt die Verwaltung die an dieser Stelle im Dezember 2012 beschriebene Strategie des Aussitzens.

Das Verfahren hatte der Frechener Schuldezernent in einem Schreiben an die Mitglieder des Schulausschusses beschrieben:
Dem SchulA habe ich zusätzlich empfohlen, nach Klärung des Zeitpunktes der Machbarkeit den anlassbezogenen SEP in Auftrag zu geben, den Entwurf vorzuberaten, ggfls. Varianten auszuschließen und auf dieser Grundlage dann eine Elternbefragung zur Bedürfnisfeststellung durchzuführen. Deren Ergebnis kann dann in den SEP-Entwurf einfließen, der dann vom Rat beschlossen wird.
Der jüngste Beschluss des SchA zu Erarbeitung eines SEP kann verwaltungsseitig zur Abfrage von Angeboten genutzt werden. Eine Beauftragung setzt aber voraus, dass das Zeitfenster bestimmt wird, ab dem der Gutachter die 5 Jahre zum Nachweis der Nachhaltigkeit berechnet. Das wurde noch nicht bestimmt.
Also: ein Schulentwicklungsplan kann erst beauftragt werden, wenn ein möglicher Eröffnungstermin für eine Gesamtschule definiert ist. Über den Termin aber entscheidet nicht die Verwaltung, sondern die politischen Gremien. Bis heute jedoch hat der Schulausschuss sich des Themas Gesamtschule nicht wieder angenommen. Die Verwaltung schweigt, der Schulausschuss schweigt und der Rat, der über die Auftragsvergabe eines Schulentwicklungsplanes entscheiden soll, ja der schweigt auch. Und die Parteien? Bis heute: Schweigen im Walde. Keine SPD, kein Soziales Bündnis, keine Perspektive haben sich bisher des Themas angenommen, trotz aller hehren Formulierungen in den jeweiligen Haushaltsreden.

Nun ja, genau so wurde es hier im Blog ja bereits vorhergesagt, aber es ist immer wieder erstaunlich, wie durchschaubar das Verhalten von Politik und Verwaltung sind.
„Bis zum 31.12.2013 ist der Schulentwicklungsplan anlassbezogen fortgeschrieben sowie im Schulausschuss vorgestellt“.
Genau so steht es im kürzlich verabschiedeten Haushalt der Stadt Frechen, es wurden sogar Mittel für den Schulentwicklungsplan zurückgestellt.

Es ist nun aber nicht zwingend so, dass solche Ziele auch erreicht werden müssen. Erreichungsgrade werden in Frechen mit Smileys dargerstellt. Für das Thema Gesamtschule wurde wohl bereits im vergangenen Dezember dieser Smiley reserviert:
Man darf annehmen, dass genau das so gewollt ist, denn zwar wollen viele Eltern eine Gesamtschule, doch was interessiert in der Frechener Politik so etwas Randständiges wie der Wunsch vieler Eltern?

Eben, sehr wenig bis gar nichts.




Dienstag, 7. Mai 2013
Die Debatte ist wieder in vollem Gange, besser läßt sich die Pulheimer Situation nicht beschreiben. Mitte April hatte die liberal-konservative Stadtratsmehrheit die Stadtverwaltung nochmals beauftragt, die Einrichtung einer Sekundarschule zu prüfen. Nach den Brauweiler Erfahrungen ein seltsam anmutender Beschluss, der bestenfalls belegt, dass Lernunfähigkeit auch in politischen Gremien beheimatet sein kann. Die von eben dieser Mehrheit und um die Pulheimer SPD verstärkte Gruppe war mit der Einrichtung einer Sekundarschule in Brauweiler auf Kosten der dortigen Realschule am Elternwillen gescheitert. Trotzdem wollen es FDP und CDU nun wohl noch ein zweites Mal versuchen, wobei ihnen die SPD von Bord gegangen ist. Da fällt mir dann nur noch Berthold Brecht ein:
Nach dem Aufstand des 17. Juni
Ließ der Sekretär des Schriftstellerverbands
In der Stalinallee Flugblätter verteilen
Auf denen zu lesen war, daß das Volk
Das Vertrauen der Regierung verscherzt habe
Und es nur durch verdoppelte Arbeit
Zurückerobern könne. Wäre es da
Nicht doch einfacher, die Regierung
Löste das Volk auf und
Wählte ein anderes?
Nun ja, in Pulheim sind sie wohl auf dem besten Wege dazu – und das alles nur zur Rettung der gymnasialen Schullandschaft.

Dafür machen nun die Grünen wieder mobil und werden heute den Antrag stellen, zum kommenden Schuljahr eine Gesamtschule im Pulheimer Zentrum einzurichten.

Aus Sicht der Frechener Gesamtschulbefürworter ein Vorschlag der jegliche Unterstützung verdient. Nachdem die Frechner Kinder auch nach Stommeln fahren, um einen Gesamtschulplatz zu ergattern, ist zu vermuten, dass eine Gesamtschule im Pulheimer Zentrum weitere Frechener Kinder anziehen wird.

Dann steht Frechen ziemlich alleine da: Köln hat Gesamtschulen, Kerpen hat eine Gesamtschule, Hürth bekommt eine Gesamtschule und Pulheim steht in den Startlöchern. Das ist ja wie bei Asterix:
„Wir befinden uns im Jahre 50 v. Chr. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt ... Ganz Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten"

Das für Frechen Traurige ist nur: Frechen hat keinen Zaubertrank womit das dreigliedrige Schulsystem gegen das Eindringen der Gesamtschule verteidigt werden könnte. In diesem Kampf kann Frechen nur unterliegen ….




Mittwoch, 17. April 2013
Es ist schon ein echtes Problem, das die CDU in Frechen umtreibt. Jahrelang konnte man sich bei allen schulpolitischen Debatten zurücklehnen und die Ereignisse an sich vorbeiziehen lassen. Die Frechener dreigliedrige Schullandschaft schien in Eisen gegossen und nur wenige löckten den Stachel wider diesen Zustand.
Eine Ursache hierfür war der Ruf der Stadt Frechen, bei der es sich in der Eigen- als auch der Fremdwahrnehmung um eine Arbeiterstadt in der Hand der Braunkohleindustrie handelte. Bildung hatte in solchen Gemeinden einen geringeren Stellenwert als andernorts. So entstandt das Frechener Gymnasium erst 1963 – ein deutliches Zeichen dafür, dass der Wert der höheren Schulbildung in Frechen mit Verzögerung erkannt wurde. Die Stadt kam sehr spät zum eigenen Gymnasium, doch diese Schule entwickelte sich zu einer echten Erfolgsgeschichte. Heute ist das Gymnasium die größte Schule vor Ort.
Das Gymnasium war der Schlussstein der Frechener dreigliedrigen Schullandschaft und in dieser Form steht die Dreigliedrigkeit heute immer noch für eine erfolgreiche lokale Schulpolitik. An diese Reflexe kann immer wieder appelliert werden, denn, wer an der lokalen Schullandschaft rüttelt, der stellt die Erfolge der Vergangenheit in Frage.
So schreibt die CDU in ihrem aktuellen Bürgerbrief vollmundig:
„Wir haben eine Hauptschule die … exzellente Ergebnisse vorweisen kann. Wir haben im Rhein-Erft-Kreis die stärkste Realschule … Wir haben ein innovatives Gymnasium, … das weit über die Stadtgrenzen hinaus Beachtung findet!“
Entscheidend ist dabei jedoch nicht, ob unser Gymnasium weit über die Stadtgrenzen hinaus Beachtung findet, oder ob die Realschule die stärkste im Kreis ist und die Hauptschule exzellente Ergebnisse liefert – nein entscheidend ist: hier wird das Bild einer schulpolitisch erfolgreichen Stadt gezeichnet. Und diese Erfolge werden mit dem dreigliedrigen Schulsystem verknüpft.
Im Grunde, so suggeriert es dieser Abschnitt, besteht keinerlei Änderungsbedarf:
„Mit der CDU in Frechen wird keine bestehende Schulform ohne Not beschädigt.“
Dass unsere Hauptschule mangels Neuanmeldungen kurz vor der Schließung steht und sich nun als inklusive Hauptschule auf Kosten der kommunalen Förderschule neu erfinden will, wird an keiner Stelle thematisiert.
Die Auspendlerquote von rund 26 %, d.h.: jeder vierte Schüler besucht eine Schule ausserhalb Frechens, widerspricht diesen Sichtweise auch grundlegend. Wäre der lokale Schulstandort so exzellent, so wäre, das sagt zumindest der gesunde Menschenverstand, mit einem hohen Prozentsatz an Einpendlern zu rechnen. So besuchen aktuell gut 300 Kinder eine weiterführende Schule ausserhalb Frechens, von ausserhalb dagegen kommen nur rund 125 Schüler nach Frechen. (Schulstatistik 2012).
Wie schreibt die CDU: „Eltern wissen am besten, was gut ist für ihre Kinder.“ Weswegen die Eltern von mehr als 300 Frechener Kindern ihr schulisches Glück ausserhalb Frechens suchen.

Ein zweites Topos der Argumentation der CDU sind die Finanzen:
„Die weitere Gestaltung der Frechener Schullandschaft muss sich am Machbaren messen lassen. … Die Frage nach der Zukunft unserer Kinder darf nicht am Geld scheitern – sie darf aber auch nicht die Zukunftsentwicklung unserer Stadt lähmen!“, sagt die stellv. Bürgermeisterin und CDU-Fraktionsvorsitzende Susanne Stupp.“
„Die Frechener CDU legt gezielt den Schwerpunkt auf eine gute Schulbildung für Frechener Kinder und Jugendliche. Allerdings stehen wir vor einem großen Umbruch in der Finanzstruktur unserer Stadt … Spätestens mit der Energiewende müssen auch wir uns mit großen finanziellen Einschnitten befassen.“
Das klingt im ersten Moment ja vernünftig, dahinter steckt aber nur ein sehr zugkräftiges Bild, das Bild vom „pater familias“, vom vernünftig wirtschaftenden Familienvater, der ja auch nur so viel ausgebe, wie er zur Verfügung habe. Frau Merkel zitiert an dieser Stelle gerne auch die „schwäbische Hausfrau“. Beide Bilder reduzieren komplexe Haushaltsthemen auf das Niveau des Familienbudgets und was beim Familienbudget „vernünftig“ ist kann ja auf kommunaler Ebene nicht falsch sein …. Zwar investieren die wenigsten von uns jährlich Millionensummen in den Bau von Schulen, Feuerwachen und Hallenbäder aber es ist beruhigend zu glauben, ein städtischer Haushalt funktioniere wie das eigene Familienbudget.
Tut es natürlich nicht – aber das Argument funktioniert, denn es stellt einen Bezug zwischen dem Finanzgebaren der Kommune und den lebensweltlichen Erfahrungen der Wählerinnen und Wähler her.
Was also haben diese Bilder, die hier angesprochen werden mit dem Thema „Schullandschaft“ zu tun?
Im Grunde werden hier – sozusagen vorausschauend- bereits die Argumente eingeführt, die gegen eine Veränderung sprechen: einer Machbarkeit wird aus finanziellen Gründen eine Absage erteilt, da andernfalls die
„Zukunftsentwicklung unserer Stadt“
gelähmt wird.

Nun gibt es nur noch ein Problem: die Eltern der Grundschulkinder, die sich, wie es das Aktionsbündnis für eine Gesamtschule belegt hat, in großem Umfang für eine Gesamtschule ausgesprochen haben. Eltern, die auch die CDU mitnehmen muss, da sie auf deren Stimmen bei den kommenden Wahlen angewiesen ist.
Nicht umsonst verspricht die CDU seit 2011, dass die Eltern zum Thema Schulen befragt werden sollen:
„Es macht Sinn, noch mal gezielt bei den Eltern nachzufragen“, schloss sich gestern auch CDU-Fraktionschefin Susanne Stupp dem Vorschlag an. Die CDU sperre sich nicht gegen eine erneute Befragung. „Auch solle mit einer neuen Umfrage nicht wieder so viel Zeit ins Land gehen. Stupp: „Wir müssen das Thema angehen, bevor die bauliche Umplanung der Realschule läuft.“ (= KStA v. 25.10.2011)
Bedarf für eine neue Befragung sieht auch die Politik. „Natürlich wären neue Zahlen sinnvoll, wenn wir die Schullandschaft neu ordnen wollen. (= KR v. 26.10.2011)
„Dazu müssen wir nicht nur die Entwicklung der Schülerzahlen neu bewerten, sondern auch die Eltern der Grundschüler befragen, an welcher Schule sie ihr Kind künftig anmelden wollen“, sagt die CDU-Fraktionsvorsitzende Susanne Stupp. (CDU-Homepage, 9.2011)
Und ganz frisch im Bürgerbrief:
„Folgerichtig muss der nächste Schritt eine Elternbefragung sein. Hierbei sollen alle in Frage kommenden Schulformen – auch die neu in NRW angebotene Sekundarschule – abgefragt werden. Es ist uns wichtig, das ganze schulische Angebot einzubeziehen.“
Mit dieser folgenfreien Ankündigungspolitik hat sich die CDU über die vergangenen 18 Monate gerettet und es werden noch viele Monate ins Land gehen, bis es in Frechen zu der Elternbefragung kommen wird.
Denn, es ist klar, aktuell hat die Gesamtschule unter den Frechener Eltern sehr viele Freunde - ganz im Gegensatz zur hiesigen CDU.
Ganz vorsichtig wird deshalb versucht, die Befürworter der Gesamtschule unter Ideologieverdacht zu stellen:
„Es geht in der Entscheidung über die Schullandschaft in Frechen nicht um ein ideologisches Pro und Contra zur Gesamtschule, sondern um die grundlegende Architektur unserer Bildungslandschaft.“
Mit der CDU wird es keine
„Ideologische Luftschlösser (geben), die dann leer stehen“
und überhaupt ist es, erklärt die CDU
„unsere Verantwortung (…) nachhaltige Politik zu betreiben.“
Mit anderen Worten: Der CDU wäre es am liebsten, wenn sich die Frechener Schullandschaft nicht verändert. Das bisherige Modell war, so die Schtweise der CDU, in den letzten 50 Jahren erfolgreich, das wird schon noch einige Jahre weiterlaufen. Änderungen an der Schullandschaft können finanzielle Belastungen zur Folge haben. Grundsätzlich soll es ja am Geld nicht scheitern, erklärt uns die CDU, aber aktuell, vor dem Hintergrund der finanziell angespannten Haushaltslage bedeuten schulische Investitionen bspw. in eine Gesamtschule, dass für ein „ideologisches Luftschloss“ die „Zukunftsentwicklung“ Frechens gelähmt wird.

Und das kann ja kein vernünftiger Mensch wollen.




Montag, 4. März 2013
Die Eltern haben abgestimmt - nicht an der Wahlurne, aber bei der Anmeldung. In dem sie nicht hingegangen sind, zur Anmeldung. Nur 71 Eltern haben ihr Kind an der geplanten Sekundarschule in Brauweiler angemeldet. Die Schule hätte aber 75 Anmeldungen benötigt, um genehmigt zu werden.
So bleibt in Pulheim für den Moment alles beim Alten. Brauweiler behält neben seinem Gymnasium nun auch seine Realschule. Die Pulheimer Hauptschule hat zudem eine Gnadenfrist erhalten.
In Pulheim herrscht nun leichtes Entsetzen, denn das Ende des Projekts Realschule bedeutet auch das Ende der bisher geplanten Neuordnung der Pulheimer Schullandschaft. Auch die geplante Reformschule in Pulheim selber ist damit vermutlich vom Tisch.
Man mag nun zur Sekundarschule stehen, wie man will, aber es handelt sich trotz allem bestenfalls um einen Etappensieg der Realschulbefürworter in Brauweiler. Und vielleicht ist der Etappensieg gerade mal ein Phyrrussieg.

Einer der Gründe für die Gründung einer Sekundarschule ist das in ganz NRW beobachtbare Sterben der Hauptschule. Diese geht in Pulheim (aber auch in Frechen) ihrem sicheren Ende entgegen. Offen ist allenfalls, wie schnell die Hauptschulen ihre Pforten schließen werden.

Mit dem Ende der Hauptschule muss es aber eine schulische Alternative geben, die diese Kinder aufnimmt. Das Schulgesetz kennt hier nur 2 Optionen: die Sekundarschule als Fusion von Haupt- und Realschule, oder die Gesamtschule, die alle Bildungsabschlüsse bis zum Abitur bietet.

Die Sekundarschule ist gescheitert und es ist kaum zu erwarten, dass die Pulheimer Politik einen zweiten Anlauf wagen wird. Welche Möglichkeiten bleiben dann aber der Pulheimer Politik, sollten die Anmeldezahlen an der Pulheimer Hauptschule im Gefolge des Streits um die Sekundarschule nochmals sinken? Dann unterschreitet die Hauptschule vielleicht schon dieses Jahr die Mindestgröße und muss geschlossen werden.

Und dann? Richtig, dann muss Pulheim über die kurzfristige Einrichtung einer Gesamtschule nachdenken.

Es kann also sein, dass zum Schuljahr 2014 / 15 nicht nur in Hürth sondern auch in Pulheim eine Gesamtschule eröffnet werden wird. Dann ist Frechen umzingelt von Gesamtschulen: Kerpen, Bergheim, Pulheim und Hürth sind dann Gesamtschulstandorte und jede Gesamtschule zieht Frechener Kinder an. Die Auswertung der Unterschriftensammlung des „Aktionsbündnis für eine Gesamtschule in Frechen“ zeigt diesen Bedarf deutlich an. 341 Eltern können sich vorstellen ihre Kinder an einer Gesamtschule anzumelden und diese Zahl ist sicherlich zu tief gegriffen, da nur ein kleiner Teil der Elternschaft der Grundschuleltern befragt wurde.



In den ersten drei Grundschuljahrgängen finden sich sogar genug Eltern, die sich eine Gesamtschule in Frechen wünschen. Der Elternwunsch „Gesamtschule“ ist also manifest. Und wie die Brauweiler Erfahrungen zeigen, wollen die Eltern sich nicht mit der kleinen Schwester der Gesamtschule, der Sekundarschule abspeisen lassen.



Auch wenn es die Frechener Politik vermutlich nicht zugeben will, aber mit dem Scheitern der Sekundarschule in Brauweiler ist auch die Sekundarschuloption für Frechen erledigt – oder will irgendjemand den „Frechener Schulkrieg“? Vermutlich nicht. Und die Überlebenschancen der Frechener Hauptschule sind auch nicht wirklich gut.

Und dann steht Frechen vor einer mit Pulheim vergleichbaren Situation: es führt kein Weg an einer Gesamtschule vorbei. Es steht aber zu befürchten, dass Stadt und Politik genau so lange warten wollen – bis zum bitteren Ende und durch äußere Umstände gezwungen.