Thema: Grube Carl
Ja doch, hat doch gerade das gesamte Präsidium der CDU-West seinen kollektiven Rücktritt erklärt.

Und warum?

Weil etwas geschehen ist, was selten vorkommt. Der Ausschuss für Stadtplanung und Strukturwandel hat bezüglich der Grube Carl einen Beschluss gefasst, der alle guten Argumente auf seiner Seite hat.
Die Idee, die im Kommunalwahlkampf 2022 das Licht der Welt erblickte, die Fläche vor der ehemaligen Brikettfabrik umzuwidmen, ist vom Tisch. CDU und Grüne hatten vorgeschlagen, die für den Nahversorger reservierte Fläche in einen „Bürgerpark“ und weitere Parkplätze umzuwandeln.
Die „Perspektive für Frechen“ beantragte die Einschaltung eines Gutachtens, um prüfen zu lassen, ob gleichwertige Alternativstandorte für einen Nahversorger im Stadtteil auffindbar sind.

Dabei hat die Verwaltung einen klaren Fokus aufgrund der Diskussionen um Nahversorger in anderen Stadtteilen:
„die Entwicklung ‚Grube Carl‘ (sollte) nicht ohne gesicherte Nahversorgung erfolgen!“
Dieser Vorgabe ist uneingeschränkt zu folgen.

Das Gutachten lag dem Ausschuss nun in seiner letzten Sitzung vor und war in seinen Ergebnissen eindeutig. Ein Standort an der Hauptzufahrtsstraße (Straße Zur Grube Carl) ist der günstigste, den es im Stadtteil geben kann:
> „Die Besonderheit des ursprünglichen Standortes ist, dass dieser an der Hauptzufahrt zum Stadtteil ‚Zur Grube Carl‘ und somit zu den vorhandenen und zukünftigen Wohnbauflächen liegt und somit unmittelbar PKW-Verkehre ohne zusätzliche Fahrten am Standort ein- und ausfahren bzw. vorbeifahren.“

> Die „negative Wirkungen “eines „Nahversorgungsbetrieb durch seine Emissionen (Anlieferung, Pkw-Kundenverkehre) (…) sind für den Planstandort bereits berücksichtigt. (...) erfordern bei der Entscheidung für einen der beiden Alternativstandorte jedoch ggf. Anpassungen der Wohnraumplanungen im näheren Standortumfeld.

> „Im Hinblick auf Klimaschutz und die damit verbundenen umweltrelevanten Erfordernisse einer Nahmobilität (Fuß- und Raderreichbarkeit) (…) dient ein zentraler Standort auch der Versorgungssicherheit aller Bevölkerungsgruppen/ -schichten und steht auch dann zur Verfügung, sollte die ÖPNV-Erreichbarkeit anderer Standorte außerhalb des Stadtteils einmal nicht gegeben sein.“
(…)
„Die Ausweisung von möglichst fußläufigen und stadtteilintegrierten Nahversorgungsstandorten wirkt sich positiv auf das Mobilitätsverhalten und die Vermeidung von Fahrten mit dem motorisierten Individualverkehr aus.“
Die CDU-West wirft nun ihrer eigenen Partei und der Verwaltung in ihrem Rücktrittsschreiben vor
„sich den Realitäten, neuen Fakten (wie anderen Eigentumsverhältnissen) und geänderten Bedürfnissen“
zu verweigern.

Man hat aber bei der Lektüre der Rücktrittserklärung nicht den Eindruck, dass die vorliegenden Unterlagen wirklich zur Kenntnis genommen wurden. Vielmehr fällt auf, dass das eigene, aktuell praktizierte Mobilitätsverhalten zum Maßstab erhoben wird:
„Stichwort: Verkehrskonzept. Am Ende des Ausbaus des Gebietes werden tausende Menschen mehr dort leben – natürlich mit ihren Autos (es ist schlicht realitätsfremd anzunehmen, dass sie alle nur noch mit elektrischen Fahrrädern den Anschluss an die Innenstadt und die sonstige Umgebung suchen).“
Wenn man diese These vertritt, und sie ist ja auch nicht weltfremd, so sollte man aber auch alle sich daraus ergebenden Folgen beleuchten. Es gibt beispielsweise eine Studie zur Belastbarkeit des Kreisverkehrs Zur Grube Carl / Dürener Straße. Diese Studie besagt recht deutlich, dass der Kreisverkehr irgendwann an seine Belastungsgrenze kommen wird. Gleichzeitig wäre zu beachten, wie es sich auf den Verkehr im Stadtteil auswirkt, wenn sich kein Nahversorger etabliert, weil Alternativstandorte unattraktiv sind, oder, wenn sich ein Nahversorger an einer anderen Stelle im Stadtteil ansiedelt. Welche Verkehre entstehen dann und welche Gefährdungen für Kindergartenkinder, Schüler*innen und andere nicht Motorisierten ergeben sich hieraus?

Was in dieser ganzen Debatte fehlt, ist die weiterhin mehr als berechtigte Kritik an einem veralteten Verkehrskonzept. Veraltet, weil es die Folgen der Klimakatastrophe auf unser aller Mobilitätsverhalten an keiner Stelle reflektiert. Auch in diesem Gutachten wird sehr prominent von der „KFZ-Erreichbarkeit“ der verschiedenen Standorte gesprochen und es wird mit zu erwartenden „Zusatz-/ Umwegfahrten“ argumentiert. Mit anderen Worten, auch das Gutachten denkt automobil.

Aber selbst automobil denkend, kommt das Gutachten in Bezug auf das aktuelle Einkaufsverhalten der Bewohner*innen der Grube Carl zu einem ernüchternden Ergebnis. Alle Alternativstandorte liegen ungünstiger als der bisher geplante Standort, da man diese Standorte, mit dem Auto zur Arbeit pendelnd, deutlich schlechter erreicht:
„Ein zu hoher Anteil an Umwegfahrten führt nachweislich dazu, dass bestehende „Einkaufsstrukturen“ nicht verändert werden und die gewohnten anderen Standorte weiterhin angefahren werden. Dies wäre voraussichtlich der Auto-Standort Dürener Straße mit dem dortigen Fachmarktzentrum, welches bereits aktuell für einerseits hohe Verkehrsbelastungen auf der Dürener Straße sorgt und zu mit seinen Ein- und Ausfahrten zu Schulwegunsicherheiten (gefährliche Situationen) beiträgt. Diese Situation würde sich dann zukünftig verschärfen.“
(Dazu aktuell: Petition für einen sicheren Schulweg der Lindenschule. Hier wird die katastrophale Situation thematisiert, die sich aus dichtem Verkehr und Elterntaxidienste auf der Dürener Straße schon heute ergibt.)

Insofern: wenn alle Neubürger*innen sich so verhalten, wie der zurückgetretene Vorstand der CDU-West erwartet, dann ist ein Standort eines Nahversorgers an der Haupteinfallstraße das Beste, was dem Stadtteil passieren kann.

Vor diesem Hintergrund wäre wohl deutlich zielführender, die dem Stadtteil verpflichteten Politiker*innen würden sich endlich ebenso massiv um die Verlängerung der Linie 7 kümmern, wie sie sich um die potentielle Verschlechterung der Nahversorgungssituation im Stadtteil gekümmert haben.

Je dichter der Stadtteil bebaut werden wird, desto wichtiger sind Alternativen zum Auto und kurze Wege zu einem Nahversorger. Jede Autofahrt die nicht stattfindet, ist eine gewonnene Autofahrt.