Thema: Grube Carl
Kein Klimagutachten, so entschied der Planungsausschuss gestern in seiner Sitzung mit klarer Mehrheit bei nur einer Gegenstimme durch den Vertreter der „Perspektive für Frechen.“

Man kann es als ein Lehrstück kommunaler Vernebelungspolitik verstehen, denn es wurde viel geredet, einiges erklärt und doch Elementares nicht besprochen.

Was ist der Streitpunkt? Der Streitpunkt ist ein ganz einfacher: welche Folgen hat die Bebauung auf Grube Carl für die darunter liegende Frechener Kernstadt?
Erhält die Kernstadt noch Kaltluft von den Höhen des Ville oder wird die Bebauung diese Belüftung unterbinden?
Vor dem Hintergrund der Klimaerwärmung eine Frage, die an Bedeutung gewinnt, da die Durchschnittstemperatur im Rheinland in den kommenden 100 Jahren um rund 3 Grad ansteigen soll. Möglicherweise ist der Durchschnitt noch nicht einmal das gravierendste Problem, zu einem massiven Problem werden aber die Extremwetterlagen im Sommer. Spätestens dann werden alle EinwohnerInnen Frechens sich glücklich schätzen, sollte sie abends ein kühlender Windhauch erreichen.

Nun handelt es sich bei besagtem Windhauch um ein thermisches Ereignis. Warme Luft steigt auf und am Boden fließt kalte Luft nach. Da sich die Luft in Städten stärker erwärmt und Städte dank ihrer Bebauung Wärme länger speichern, wird die Luft hier aufsteigen. Entscheidend ist dann jedoch, ob im Bodenbereich Kaltluft nachfließen kann.

Nun scheint es hier zwei Zonen auf dem Stadtgebiet zu geben, die belüftungsrelevant sind. Bei Zone 1 handelt es sich um die Flächen unterhalb der Quarzwerke. Hier bildet sich auf den agrarisch genutzten Hangflächen Kaltluft, die Richtung Krankenhaussiedlung abfließt.

Dieser Bereich wurde in der gestrigen Sitzung regelmäßig angeführt, um dem Ausschuss und den ZuhörerInnen zu verdeutlichen, dass die Kaltluft im Hangbereich selber entstehe. Da der Hangbereich unterhalb der Grube Carl aber bereits bebaut sei, könne hier keine Luft mehr abfließen. (Die Bebauung rund um die "Alte Straße" wurde in diesem Zusammenhang als "Bausünde der 80er Jahre" bezeichnet.)

Dumm nur, dass das Umweltgutachten aus dem Jahr 1997 einen Aspekt thematisiert, und damit sind wir bei der Zone 2, auf den in den Erläuterungen der Verwaltung nicht eingegangen wurde:
„Klimatisch relevante Flächen im Planungsgebiet befinden sich im Westhangbereich des Villehanges, wo sich über freien, agrarisch genutzten Flächen Kaltluft in Strahlungswetterlagen bildet und Richtung Freiheitsring abfließen kann.“
Also: Es fließt heute noch Kaltluft Richtung Frechener Innenstadt und zwar über die Trasse der Verlängerung des Freiheitsrings. Damit dieser Kaltluftstrom entstehen kann, benötigt es freier Flächen, über denen die Luft abkühlen kann. Diese Flächen befinden sich im Westhangbereichs des Villehangs.
Westhangbereich? Richtig, der Villerücken fällt im Frechener Bereich nach Westen hin leicht ab, bevor er dann zur Erft runter steil abfällt.
Wir reden also über die Baufelder 5 bis 9, die heute noch agrarisch genutzt werden und die für die Kaltluftentstehung von hoher Bedeutung sind.

Im Monitoringbericht des Umweltministeriums sind die Zusammenhänge einfach und klar formuliert:
Positiven Einfluss können sie nehmen, indem sie z. B. bestehende grüne Flächen erhalten, miteinander vernetzen und zusätzlich neues Grün schaffen. Idealerweise sind die Grünflächen über Ventilationsbahnen an Kaltluftentstehungsgebiete wie Wiesen und Felder im ländlichen Umland angebunden.
Zur Entstehung von Kaltluft sind (freie) Flächen notwendig. Zur Versorgung von Städten mit Kaltluft benötigt man Ventilationsbahnen. Die Bebauung auf Grube Carl führt dazu, dass die freien Flächen, auf denen Kaltluft entstehen kann, verschwinden. Ob es dann noch Ventilationsbahnen gibt, ist dann fast nebensächlich.

Darüber hätte geredet werden müssen. Darüber wurde nicht geredet. Dieser Zusammenhang wurde vernebelt.

Und wie haben sich die Anwesenden Parteien und Fraktionen präsentiert?
Positiv formuliert: Ahnungslos.
Bis auf eine Ausnahme hat keiner der Anwesenden das alte Gutachten aus dem Jahr 1997 zur Kenntnis genommen. Eigene Sachkenntnis war nicht vorhanden, man hat sich auf die Ausführungen der Verwaltung verlassen.

Besonders peinlich war dabei der Auftritt der Grünen. Auf der Homepage loben sie sich dafür, dass sie sich für ein „kommunales Klimaschutzmanagement“ einsetzen, aber in Fragen des kommunalen Klimas erwies sich die Fraktion als komplett unvorbereitet, planlos und frei jeder Sachkenntnis. Wurden die Grünen nicht eben dafür gewählt? Für ihre Kompetenz in Umwelt- und Klimafragen?
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen war nicht einmal in der Lage, auch nur eine kritische Frage zu formulieren. Da ist man in der Jamaika-Koalition gut aufgehoben. Da kann man das Denken den anderen überlassen.

Und die CDU? Freundlich aber bestimmt versuchte man das Thema zu „personalisieren“. Da wurde dem Sprecher der Bürgerinitiative unterstellt, er wohne ja selber in der Klimaschneise und habe sich um dieses Thema beim Erwerb seiner Immobilie nicht gekümmert. Grundsätzlich stimmt ein solcher Einwand immer, denn die wenigsten Immobilienkäufer lassen eigenständig Klimagutachten erstellen, bevor sie eine bestimmte Immobilie erwerben. Dummerweise führt eine solche Form der Personalisierung nicht weiter, denn wir reden dann über Bausünden der Vergangenheit. Und wer diese Debatte führen will, sollte Ross und Reiter benennen: Verwaltung und Politik, die die Bebauung solcher Flächen genehmigt haben.

Ach ja und die SPD? Über diese Partei sollte besser der Mantel des Schweigens gebreitet werden. Hier wurde stramm mit der Jamaika-Koalition gestimmt. Ein Klimagutachten wird auch von dieser Partei für irrelevant gehalten.

Dafür wurden alle darauf vertröstet, dass im Rahmen der Aufstellung von Bauplänen nochmals eine Umweltprüfung stattzufinden habe. In diesem Rahmen könne es zur Erstellung eines Klimagutachtens kommen. Wie aber im Nachsatz betont wurde: die Erstellung eines Klimagutachtens muss aber nicht erfolgen. Das ergebe sich erst im weiteren Prozess der Konkretisierung der weiteren Bebauung.
Mit anderen Worten: wir können damit rechnen, dass kein Klimagutachten erwünscht ist.