Thema: Umwelt
2011 ist mir ein Text von Johano Strasser, Schriftsteller, Politologe und seit 1975 Mitglied der SPD-Grundwertekommission untergekommen.
Der ökologische Umbau – ein linkes Projekt so lautete der Titel.

Es lohnt sich, auch heute, den Text näher anzusehen, denn bei den Grünen ist zu beobachten, dass der konkrete Bezug von linken Politikinhalten und Ökologie sukzessive verloren geht.
Das ist nicht unbedingt verwunderlich, denn Ökologie kann auch verstanden werden als die Bewahrung von Schöpfung und Heimat. Und Ökologie, verstanden als Natur- und Heimatschutz ist kein linkes Thema mehr. Damit kann sich auch ein konservativer Christdemokrat ohne Probleme anfreunden.
Als grünes Grundsatzproblem war diese Ambivalenz bereits in die Gründungsgeschichte der Grünen eingewebt, denn entgegen aller Mythen profitierte die Parteigründung in erheblichem Umfang von der Unterstützung einer christlich motivierten Gegenerschaft zur Nachrüstung und eben dem christlichen Grundgedanken der Bewahrung der Schöpfung.

Bis zu ihrem Ausscheiden bei den Grünen 1990 prägten aber insbesondere die sogenannten Ökosozialisten (Rainer Trampert, Thomas Ebermann und Jutta Ditfurth) das öffentliche Erscheinungsbild der Grünen. In dieser Phase ihrer Parteigeschichte erschien die Ökologie als linkes Projekt.
Nach dem Ausscheiden der „Ökosozialisten“ erwies sich, dass die grüne Partei Ökologie schon lange anders verstand, als ihre einstigen VordenkerInnen. Ökologie wurde als Menschheitsproblem verstanden und Menschheitsprobleme kennen weder links noch rechts sondern nur ein - zusammen. Ökologie reduziert sich, so meinte Jutta Ditfurth 1990 „auf die Ebene von Verbraucherberatung und wirkungsloser Umweltreparatur".

An einem Teilaspekt des von der grünen Partei geforderten ökologischen Wandels läßt sich der Strukturwandel grünen Denkens besonders gut nachvollziehen. Lag ein Teil des grünen Selbstverständnisses im Widerstand gegen die atomare Gefahr, verkörpert durch die Namen Wyhl, Brockdorf, Wackersdorf, so zeichnete sich in den beiden vergangenen Jahrzehnten hier ein grundlegender Wandel ab: schon in den 90er Jahren öffnete sich ein Markt für ökologische Kapitalanlagen, also die Möglichkeit Kapital, auch kleine Summen, in Windkraftanlagen, Solaranlagen etc. zu investieren. Diese Linie setzte sich fort im „Erneuerbare-Energie-Gesetz“, das implizit eine Subventionierung von Solarpaneelen auf allen Dächern der Republik bedeutete. Hatte man in den 80ern noch mit ökosozialistischen Ideen geliebäugelt, so war das grüne Milieu längstens in der gesellschaftlichen Mitte angekommen und hatte eben keine Ketten zu verlieren sondern Sparguthaben renditeträchtig anzulegen. Aus „Atomkraft - Nein Danke“ war die Energiewende geworden und die bürgerlichen Hausbesitzer gleich welcher politischen Couleur investierten in Solarzellen auf dem Dach, die einen staatlich garantierten Ertrag oberhalb der Kapitalmarktrendite erbringen – mündelsicher…..

Es ist daher nicht erstaunlich, dass Johano Strasser 2011 die Ökologie als linkes Projekt für seine SPD wiederentdeckte.
Es lasse sich, so Strasser
an wenigen Grundüberlegungen zeigen, dass der angesichts von Klimawandel und Rohstoffknappheit notwendige Umbau der Gesellschaft im Kern ein eher linkes Projekt ist, weil es ohne erhebliche steuernde Eingriffe in die Marktprozesse und ohne Umverteilung von Einkommen und Macht gar nicht zu bewältigen ist.
Er verweist dabei darauf, dass die Vermögenden jederzeit in der Lage sind, in die „letzten verbliebenen Inseln unberührter Natur zu jetten“. Vermögende können sich eine gewisse Zeit von den Folgen der Zerstörung unserer Umwelt freikaufen. Anders dagegen stellt sich die Situation für Normalverdiener dar. Diese sind darauf angewiesen, dass die wohnortnahe Umwelt möglichst intakt, dass das „Wasser trinkbar und die Luft atembar bleibt.“ Normalverdiener benötigen funktionierende Einrichtungen der Daseinsvorsorge, Parks und Naherholungsgebiete, einen funktionsfähigen öffentlichen Nahverkehr.

Eine Neuorientierung hängt aber auch an einer noch zu ändernden Sichtweise der Sozialdemokraten, so J. Strasser. Das von vielen Sozialdemokraten gepflegte Argument, dass es weiteres wirtschaftliches Wachstum brauche, damit auch die „kleinen Leute“ in den Genuss der Dinge kommen, die sich andernfalls nur die Reichen leisten können, ist seines Erachtens auf fatale Weise falsch.
Solange nur die Reichen sich ein Auto leisten konnten, war es ein Fortbewegungsmittel,
„wenn Arbeiter und Angestellte sich einen eigenen Wagen leisten können, wird das Fahrzeug immer öfter zum Stehzeug, weil in der morgendlichen und abendlichen Rush Hour sowie zu Beginn und am Ende der Ferien die Straßen meistens verstopft sind.“
.„Die große Mehrheit kann, so schlussfolgert Strasser, ihre Lebenssituation in der vermeintlichen Aufholjagd des Statuskonsums gar nicht verbessern“.

Es handelt sich dabei um einen hochpolitischer Umverteilungsauftrag, denn nur im Rahmen einer „Politik größerer Gleichheit“ lassen sich die psychologischen Wachstumszwänge abbauen. Dies ist aber eine der Grundlagen zur Bändigung der zerstörerischen Dynamik des Marktradikalismus.
Sozusagen ganz sozialdemokratisch plädiert er deshalb dafür, dass die „kleinen Leute“ in gemeinsamer Anstrengung ihre Lebens- und Arbeitswelt nach den eigenen Bedürfnissen gestaltet.
Ein größeres Maß an primärer Gleichheit ist sowohl unter sozialem wie unter ökologischem Gesichtspunkt das Gebot der Stunde. Mindestlöhne, gleicher Lohn für Frauen und Männer, für Leiharbeiter und Kernbelegschaften, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und die Anhebung des Spitzensteuersatzes – das sind Forderungen, die auch unter ökologischem Gesichtspunkt aktuell sind.
Wir reden hier von einer innergesellschaftlichen Umverteilung, denn ein sozialökologischer Kurswechsel ist nicht zum Nulltarif zu haben. Er muss gegen die Interessen der Stromindustrie und des Finanzsektors, der mit der Finanzierung der Ausbeutung der Ressourcen dieser Welt gutes Geld verdient, durchgesetzt werden.

Zugleich reden wir von einer internationalen Umverteilung, die in Hinblick auf die benachteiligten Regionen dieser Welt unerlässlich ist, um die Klimakatastrophe zu verhindern. Erste Vorzeichen dieser zukünftigen Konflikte lassen heute schon im Mittelmeer beobachten. In den Krisenregionen Afrikas haben sich die Menschen auf den Weg gemacht, sowohl um politischen und wirtschaftliche Krisenregionen zu entfliehen als auch um eine partiell immer menschenfeindlichere Umwelt (fehlender Niederschlag, Bodenerrosion usw.) zu verlassen.

Der ökosoziale Kurswechsel ist mehr als die subventionierte Solarzelle auf dem eigenen Dach. Es handelt sich im Kern um eine Umverteilung politischer und wirtschaftlicher Macht. Eben dieser Aspekt ist auf dem Weg grüner Teilbahe an Bundes- und Landesregierungen verloren gegangen. Womit auch der notwendige politische Raum sich öffnet, um der deutschen Sozialdemokratie das Thema Ökologie zurückzuerobern:
Für die Sozialdemokratie ergibt sich beim Thema ökosozialer Umbau eine große, vielleicht ihre letzte große Chance. Wenn sie begreift, dass das heute alles beherrschende Thema der Ökologie im Kern ein linkes und damit ihr Thema ist, kann sie noch einmal zur politisch gestaltenden Kraft werden – in der Bundesrepublik, in Europa, vielleicht sogar darüber hinaus.