Thema: Benzelrath
In diesem Falle, wir reden über die Ratssitzung vom vergangenen Dienstag (29.01.2013), gilt dies für den Vertreter der juristischen Fakultät, den Leiter des Frechener Rechtsamtes. Er hatte die Aufgabe, zu erläutern, warum die Stadt Frechen gegen die gerichtlich verfügte Unwirksamkeit der Baugenehmigung für die Sandstraße in die Berufung gegangen ist.
Es wurde zu einem Rundumschlag, der mit dem grundgesetzlich verbrieften Eigentumsrecht begann (auffällig war jedoch das Fehlen der naturrechtlichen Begründung des Instituts Privateigentum, aber diese Lektion wird sicherlich in der kommenden Sitzung folgen) und via Baurecht fortgeführt wurde, um bei den Grundlagen des Rechtsstaat zu enden.

Der Argumentationsgang war insoweit erhellend, als er ob seiner Ausführlichkeit bald schon dem Gedanken Nahrung gab, hier werde mehr vernebelt als erhellt.

Aber, in medias res, was blieb hängen von den Ausführungen:

1. Laut Grundgesetz darf jeder frei über sein Eigentum verfügen.
2. Dazu zählt auch das Recht zu bauen. Das Recht zu Bauen wird (im Blick auf die Sandstraße) nur eingeschränkt durch die Regelungen des Baurechts.
3. Hält sich der Investor an die im Baurecht gesetzten Rahmenbedingungen, dann muss die Stadt den gestellten Bauantrag genehmigen. Sie sei, so die Ausführungen, nicht berechtigt, in so einem Falle regulierend (im Sinne von: Veränderungen erzwingend) einzugreifen.
4. Das Baurecht kenne in diesem Falle auch keine darüber hinausgehend zu berücksichtigenden Rechte der AnwohnerInnen, auf die Rücksicht zu nehmen sei.

Da nun die Stadtverwaltung zu dem Schluss gekommen sei, dass der Antrag des Investors den Regeln des Baurechts folge, habe sie gar nicht anders gekonnt, als den Antrag zu genehmigen.

So weit so schlecht, aber was sich dem Laien dann nicht erschließt, und diese Frage wurde leider im Rat nicht gestellt:
Warum erklärte das Fachreferat B der Stadt Frechen am 25. Januar 2010 gegenüber dem früheren Eigentümer des Grundstückes, dass
Eine Bebaubarkeit mit 2 Vollgeschossen … entlang der Straße gegeben (ist), allerdings nicht im Hinterland.
Folgen wir der oben dargelegten Rechtsmeinung der Stadt, so wäre diese Intervention gegenüber dem Privateigentümer Quarzwerke unzulässig gewesen und hätte diesen Privateigentümer dazu veranlassen können, die Baugenehmigung gegen die Stadt einzuklagen.
Dem Folgeinvestor genehmigte die Stadt, sie konnte sich ja, so ihre Darstellung, nicht wehren, war selber Opfer des Baurechts, Baukörper, die die ursprünglich geplante Bebauung um ein Vielfaches überstieg.

So also kann der aktuelle Investor direkt am Rande des Rosmarparkes vierstöckig bauen.

Aber damit nicht genug: warum nur meint die Stadt in Berufung gegen die erzwungene Rücknahme der Baugenehmigung gehen zu müssen?

Und auch hier wurde das Problem ganz oben, sozusagen im Grundsätzlichen aufgehängt. Folgen wir dem Rechtsamt, so handelt es sich darum, dass die Stadt von der Richtigkeit der erteilten Baugenehmigung überzeugt ist. Es sei daher rechtsstaatlich gehandelt, wenn man, ausgehend von dieser Überzeugung, auch vor Gericht dafür einstehe. Die von der Stadt eingelegte Berufung sei somit in sich schlüssig, ja geradezu zwingend.
Nun ja, vom Recht haben zum Rechthaber ist es manchmal nur ein kleiner Schritt …
Aber weiter: Für den weiteren juristischen Fortgang ist es nun aber irrelevant, ob die Stadt an ihrer Berufung festhält, da der Investor auch in die Berufung gegangen ist. Nachvollziehbar, denn da ist ja zwischenzeitlich richtig viel Geld verbaut. Und wer bleibt schon gerne auf einer Ruine sitzen?
Die Stadt hätte also ihre Hände in den Schoss legen können. Wollte sie aber nicht weil, wir wissen ja, der Rechtsstaat zwingt die Stadt dazu ...

Es gibt aber, und hier liegt vermutlich der Hund begraben, einen ganz materiellen, sozusagen einen ganz einfachen Grund, warum die Stadt an der Berufung festhalten will:
Gegen falsche Entscheidungen, die jeder Verwaltung unterlaufen können, hat die Stadt eine Versicherung abgeschlossen. Die aber wird mögliche Schäden nur begleichen, wenn die Stadt von sich aus alles tut, um den Schaden zu minimieren. In diesem Falle hat sie nur wenige Handlungsoptionen. Sie muss, so argumentiert das Rechtsamt, alle Mittel ausschöpfen, um die erteilte Baugenehmigung zu retten. Also musste sie in die Berufung.

Über welchen Schaden wird dabei nun geredet? Geredet wird über den Schaden, den der Investor erleidet, wenn er nicht mehr weiterbauen darf, falls das Gericht die durch die Stadt erteilte Baugenehmigung weiterhin als rechtswidrig betrachtet.

Die Stadt argumentierte aber, dass der Investor die Stadt vermutlich nicht in Regress nehme könne, da er ja auf eigene Rechnung baue, nachdem die Baugenehmigung kurz vor Weihnachten für rechtswidrig erklärt worden sei.

Man kann sich dann jedoch die Frage stellen, unter welchen rechtlichen Bedingungen der Investor bis zu diesem Zeitpunkt gebaut hat. Doch wahrscheinlich im Glauben an eine rechtsgültig erteilte Baugenehmigung. Das aber bedeutet, dass Großteile des aktuell stehenden Bauvolumens, sollte die Baugenehmigung rechtswidrig ergangen sein, eben doch zu Regressforderungen gegen die Stadt führen können.

Und mal ganz irdisch und bodenständig und ganz ohne den philosophischen Überbau gedacht: das würde doch erklären, warum der Stadt so an der Berufung gegen das Urteil gelegen ist.
Tja, manchmal sind die einfachen Erklärungen irgendwie die schlüssigsten.

Bleibt die Frage, ob die Verwaltung den Rat ausreichend und richtig informiert hat und ob die Ausführungen des Rechtsamtes nicht kürzer aber prägnanter hätten ausfallen können. Aber man hätte dann vermutlich darauf hinweisen müssen:
dass die Baugenehmigung wohl angreifbarer ist als die gesamten letzten Sitzungen behauptet,
dass man mögliche Regressansprüche fürchtet,
und dass man um die Risiken schon des längeren wusste.

So aber hat der Stadtrat beschlossen, dass die Stadt ihre Berufung zurückziehen soll. Bleibt den Verantwortlichen nur, zu hoffen, dass der Investor „seine“ Baugenehmigung zurückerhält. Andernfalls werden viele Fragen zu beantworten sein.

Zum Weiterlesen: KStA v. 31.01.2013