Der kommende Kommunalwahlkampf führt zu einer weiteren Umgruppierung im Frechener Rat.
Die Wählergemeinschaften "Perspektive für Frechen" und die "Jungen Alternativen" haben sich zu einer neuen Fraktion zusammengeschlossen. Weil, so Maximilian Eßer von den "Jungen Alternativen", „neben den Inhalten stimmt auch die zwischenmenschliche Chemie. Das ist ein wichtiger Faktor“. Zudem verfolgten die beiden Wählergemeinschaften "nahezu identische kommunalpolitische Zielsetzungen".
Wenn es denn doch nur so wäre. Aber leider läßt sich feststellen, dass das Wahlprogramm der "Jungen Alternativen" aus dem Jahr 2009 bis zur Unkenntlichkeit entstellt ist.
2009 beispielsweise wollte die "Jungen Alternativen" noch geprüft wissen, ob Frechen denn nicht eine Gesamtschule benötige. Im gemeinsamen Fraktionsprogramm steht nun in verschwurbelter Politsprache die Formulierung, dass die neue Fraktion „Schulformen, die die Erschließung aller Bildungsreserven sowie die Entwicklung der individuellen Lernpotentiale aller Schülerinnen und Schüler ermöglicht" wünscht.
Entsprechende Entwicklungen lassen sich im Kapitel Bürgerbeteiligung beobachten, in dem die Formulierungen der „Perspektive“ aus deren Programm übernommen wurden, ebenso bspw. im Bereich Stadtentwicklung. Wenn es denn Punkte gibt, die den „Jungen“ zugeschrieben werden können, so finden diese sich im Bereich Jugend, Familie, Bildung („Skateranlage“ und „freie Träger“) und im Bereich der Mobilität (Ausbau ÖPNV).
Blickt man zudem auf die Aufteilung der Ausschüsse, so ist festzustellen, dass die „Perspektive“ alle Ausschüsse besetzt hat, für die sich thematische Überschneidungen mit den eigenen politischen Schwerpunkten ergeben. So besetzt die Perspektive den Hauptausschuss, den Planungsauschuss (Freiheitsring, Umgehung Buschbell, Entwicklung der Fussgängerzone) dem Umweltausschuss (Feinstaub Buschbell), den Bau- und Vergabeausschuss und den Kulturausschuss. In diesen Ausschüssen werden die grundsätzlichen strukturellen Entscheidungen über die künftige Entwicklung der Stadt getroffen und in diesen Ausschüssen sind die „Jungen“ nicht präsent, da die "Perspektive" nicht nur das offizielle Mitglied in den jeweiligen Ausschüssen stellt, sondern auch alle Stellvertreter.
Den „Jungen“ wurden die Ausschüsse überlassen, die sich um die weichen, die sozialen Themen kümmern sollen: der Jugendhilfeausschuss, der Sozial-, der Sport-, der Schul- und der Rechnungsprüfungsausschuss.
„Die Perspektive war schon immer bestrebt, Jugendliche für die Arbeit auf dem kommunalpolitischen Sektor zu gewinnen und sie aktiv mit einzubeziehen. Insofern ist die aktuelle Fraktionsbildung konsequent und im Ergebnis auch wegweisend. Wir denken eben perspektivisch“, so formuliert es Dieter Zander von der „Perspektive“ in der Presseerklärung. Die Besetzung der Ausschüsse wird weiter erklärt „ist ganz bewusst auch mit Blick auf die Interessen der Jugendlichen erfolgt.“ „Auch damit haben wir mehr als deutlich gemacht, dass wir es Ernst meinen mit der Einbeziehung der Jugendlichen und Signale gesetzt“ endet die Zandersche Äußerung.
Man muss die Chupze der „Perspektive“ wirklich bewundern, denn wer die Formulierungen kritisch wägt, spürt instinktiv den paternalistischen Zugriff: da zeigt der Große den Kleinen, wo es lang geht, da drückt sich Überlegenheit aus. Es wird, so spricht die "Perspektive" selbstgewiss und auch etwas selbstgefällig in der Fusion das „perspektivisches“ Herangehen der eigenen Formation erkennbar, deren Ziel es, im eigenen Verständnis, schon immer war, die Jugend für die politische Arbeit zu gewinnen. Die neue Fraktion hat bereits im Gründungsprozess eine deutliche Schlagseite hin zur „Perspektive“: thematisch, bezüglich der Ausschussbesetzungen und im Bereich des Aussenauftritts. Auch das die Pressemitteilung auf der Homepage der „Perspektive“ zu finden ist, die Homepage der neuen Fraktion eine Unterabteilung der „Perspektive“-Homepage verstärkt den Eindruck der Vereinnahmung.
Für die "Perspektive" ein schöner Effekt, denn durch die neue Fraktion gelingt es ihr, wieder die personalen und finanziellen Mittel zu erhalten, die sie durch die Kommunalwahlen 2009, nach dem Verlust des zweiten Mandats“, verloren hatte.* Nun verfügt sie wieder über Räumlichkeiten im Rathaus, eine Teilzeitschreibkraft, Sitz und Stimme in allen Ausschüssen und was der Vorteile mehr sind, die eine Fraktion gegenüber einem Einzelvertreter hat.
Was sich hier abzeichnet ist ein Wahlkampfkonzept: die „Perspektive“ hat sich die Ausschüsse gesichert, die mit den Themen korrespondieren, die die „Perspektive“ in den vergangenen beiden Jahren umgetrieben haben. Einerseits ist die „Perspektive“ als politische Größe in der Stadt verankert und bekannt, andererseits aber war der Stimmenrückgang bei den Kommunalwahlen 2009 ein Wanrsignal – als Einthemenwählerbündnis ist die „Perspektive“ langfristig nicht überlebensfähig. Nachdem nun das Entstehungsthema der „Perspektive“, die Verlängerung des Freiheitsrings, immer mehr an Bedeutung verlor, war beobachtbar, dass sie sich in den vergangenen beiden Jahren verstärkt anderen Themen zugewandt, sich thematisch breiter aufgestellt hat. Der Fraktionsstatus ist ein weiteres Element, diese Neuausrichtung voranzutreiben. Als Fraktion ist es möglich, den eigenen Themen eine größere Bühne zu verschaffen. Das Vorgehen beim Fraktionsbildungsprozess läßt erwarten, dass die „Perspektive“ die daraus erwachsenden Möglichkeiten voll für sich nutzen will.
Im Grunde läßt sich eine ähnliche Problemstellung bei den „Jungen“ beschreiben. Ihnen ist es bisher nicht gut gelungen, sich als eigenständige politische Kraft im hiesigen politischen Leben einen Namen zu machen. „Jugendlichkeit“ als Programm mag zwar bei einer Kommunalwahl ein erfolgreiches Wahlkampfkonzept sein, aber nach der Wahl folgen die Mühen der Ebene. Und hier ist es den „Jungen“ bisher keine erfolgreiche Aussendarstellung gelungen. Es ist auch nur schwer zu erkennen, dass die „Jungen“ von der Fraktionsbildung im gleichen Maße werden profitieren können, wie die „Perspektive“. Die Ausschüsse der „Jungen“ geben hier einfach weniger her. Einzig über den Schulausschuss scheint es möglich, dass die „Jungen“ sich profilieren, denn Gesamtschule war Thema im Wahlprogramm der Jungen und Gesamtschule ist Thema in der Öffentlichkiet und im Schulausschuss. Nachdem abzusehen ist, dass sich derzeit nur die Grünen für eine Gesamtschule in Frechen einsetzen wollen, ist hier noch viel politischer Raum, der besetzt werden will. Die „Jungen“ müssen sich entscheiden. In spätestens 2 Jahren werden auch ihre jungen Wähler erfahren wollen, was die „Jungen“ in der Lokalpolitik erreicht haben.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit es den „Jungen“ gelingt, sich dieser „wohlwollenden“ Vereinnahmung zu entziehen weiß und ihre Eigenständigkeit behält. Aktuell sind hier Zweifel angebracht.