Dienstag, 3. August 2021
Thema: Umwelt
Am gestrigen Montag fanden sich drei Beiträge im KStA, die im Zusammenhang gelesen nur eine Lösung zulassen. Man muss verdrängen. Am besten alles, also alles, was mit Klima und so zu tun hat. Also auch die Flutkatastrophe an Ahr und Erft, die gesamten wissenschaftlichen Fakten, also eigentlich alles.

Beginnen wir doch mal mit dem Interview von Dirk Messner, seines Zeichens Präsident des Bundesumweltamtes. Auf die Frage, warum denn einerseits eine große Mehrheit der Deutschen einen hohen Handlungsbedarf beim Klimaschutz sehe, die Politik aber so zögerlich handle, erhält man folgende Aussage:
Das allgemeine Umweltbewusstsein ist in den vergangenen Jahren spürbar gewachsen. Viele wissen, dass sie etwas tun sollten ? dann gibt es aber den Widerspruch zum Handeln und zwar auf individueller wie auch auf politischer Ebene. Im privaten Bereich geht es um den Fleischkonsum, den Autokauf oder die Nutzung des ÖPNV.
(?Gegen jedes Zehntelgrad Erwärmung kämpfen?, KStA v. 02.08.2021)

Mit anderen Worten, viele wissen, dass sich was ändern soll, nur machen, ja machen, das sollen wohl die anderen.
Dazu passt der Beitrag zum Mobilitätsverhalten, wenn denn mal Corona vorbei ist. Hatten doch viele die steile These aufgestellt, die Pandemie würde die Erkenntnis vermitteln, dass ein anderes Mobilitätsverhalten möglich sei. Sozusagen Klimaschutz als Kollateralschaden. Das geht wohl schief. Bewegungsdaten belegen, dass wir inzwischen wieder so mobil sind, wie vor Corona und eine Befragung hat auch ergeben, dass jetzt schon 70% der befragten Großstadtbewohner*innen an ihr Mobilitätsverhalten vor der Pandemie anknüpfen wollen. Insbesondere bei Reisen und der übrigen Freizeitmobilität wollen die Befragten sogar noch mobiler werden als vor der der Pandemie, was auch Flugreisen einschließt.
(Kein echtes Umdenken durch Corona, KStA v. 02.08.2021)

Und dann noch die Mitteilung der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion der Linken, dass die CO2-Abgabe von aktuell 25 Euro je Tonne CO2 im Grunde keinerlei Lenkungsfunktion entfaltet. Benzin und Diesel sind zwar im Schnitt um 7 bis 8 Cent teurer geworden, aber erkennbare Einschränkungen im Fahrverhalten sind nicht feststellbar. Der CO2-Ausstoß des Autoverkehrs soll dadurch um gerade mal 0,9% in 2021 sinken. Die bisher geplanten Steigerungen der CO2-Abgabe lassen eine Senkung des CO2-Ausstoßes im Verkehr für 2025 um gerade mal 2,5% erwarten. (Kohlendioxid-Abgabe bringt nur wenig Effekt, KStA v. 02.08.2021)

Daraus lässt sich ableiten, dass das theoretische Wissen um den Klimawandel wohl fast niemanden dazu bewegt, sein tägliches Verhalten zu ändern. Die bisher staatlicherseits zur Anwendung kommenden Maßnahmen erweisen sich als ineffektiv und der Wunderglaube an die gesellschaftsverändernde Kraft der Pandemieerfahrungen löst sich derzeit in Luft auf.

Mit anderen Worten: der Klimawandel wird wohl, wenn die Politik nicht endlich ihre Ordnung setzenden Funktion nachkommt, nicht zu bremsen sein. Und zwar mit Regeln, die direkt in unser tägliches Handeln eingreifen. Andernfalls werden Ereignisse wie die letzte Flutkatastrophe zum Regelfall werden. Oder Waldbrände, wie jetzt in Südeuropa. Oder lange anhaltende Hitzephasen, die insbesondere für ältere Menschen immer öfter tödlich enden werden.

Also hilft wohl nur Verdrängen.

Nachtrag:

So viel kann man gar nicht verdrängen:

Ein Zitat aus der "Zeit" vom Wochende. Der konkrete Bezug sind die Waldbrände in Südosteuropa und der Türkei.
Der letzte Satz sollte uns nach den Erfahrungen an Erft und Ahr zum Nachdenken bringen:
"Sicher ist: Extrem bedeutet nicht, was wir uns bisher darunter vorgestellt haben ? extrem ist extremer, als wir dachten."
Fachleute sehen in der Hitzeglocke, die seit Wochen über dem östlichen Mittelmeer liegt, und den Bränden ein weiteres Indiz dafür, dass sich der Klimawandel beschleunigt. Der griechische Geowissenschaftler Costas Synolakis meint, die Hitzewellen und Feuerstürme in den Mittelmeerländern wie auch der Dauerregen und die Flutkatastrophen in Mitteleuropa seien Ergebnis der globalen Erwärmung. "Unser Klima kippt", sagt Synolakis.
Auch der Weltklimarat IPCC befürchtet im Mittelmeerraum in Zukunft schlimme Hitzewellen, Dürren und Brände. Die Region mit ihren rund 500 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern gelte als "Hotspot des Klimawandels", heißt es in einem neuen Bericht.
Der Geowissenschaftler Synolakis zeigt sich aber überrascht, dass diese Phänomene schon jetzt so massiv auftreten. Eigentlich habe man nach den bisherigen Klimamodellen damit erst nach 2040 gerechnet. Es werde künftig häufiger solche extremen Wetterphänomene geben, warnt Synolakis, der als Professor an der University of Southern California über Naturkatastrophen lehrt. "Sicher ist: Extrem bedeutet nicht, was wir uns bisher darunter vorgestellt haben ? extrem ist extremer, als wir dachten."

Alles verbrannt, alles verloren ? in einer Nacht




Dienstag, 22. Juni 2021
Thema: Mobilität
"Parkplatz wird autofreies Quartier" schreibt der KStA heute über die geplante Bebauung der Wolf-Höfe (das Carré zwischen Rothkampstraße, Hauptstraße und Alte Straße).

Ein Projekt, das jeden Immobilienentwickler sicherlich in Verzückung versetzt hat. Eine große, weitestgehend als Parkplatz genutzte Fläche in der "historisch gewachsenen" Frechener Innenstadt, die nun großflächig mit mehreren 3- bis 4-geschossigen Häusern bebaut werden soll. Es werden 72 Wohneinheiten entstehen.

So weit, so gut, aber ein "autofreies Quartier", dabei handelt es sich doch bestenfalls um einen hübschen Marketing-Gag. Andernorts werden autofreie Quartiere oder Stadtteile ausgewiesen und wer dort Wohnraum erwerben will, der verpflichtet sich vertraglich, kein Auto auf seinen Namen zuzulassen.

Das ist aber nicht die Frechener Variante von "autofrei", autofrei heißt hier, dass der Raum zwischen den Häusern nicht durch parkende Autos zugestellt werden darf sondern für Gärten, Spielplätze und großzügigen Freiraum zur Verfügung steht.

Die Anwohner*innen der umliegenden Straßen dürfen jetzt nur hoffen, dass eine ausreichende Anzahl an Tiefgaragenplätzen je Wohneinheit zur Verfügung gestellt wird. Andernfalls werden nämlich die Zweit- und Drittautos der Bewohner*innen des "autofreien Quartiers" die umliegenden Straßen verstopfen. Oder wie sagen es die Autobesitzer*innen mit der ihnen gemäßen Offenheit: "Irgendwo muss das Auto ja stehen."

Die vermutlich finanziell gut ausgestatteten zukünftigen Besitzer*innen der mit einem Blockheizkraftwerk und Solarpaneelen bestückten Häuser werden ihren autofreien Innenraum auf Kosten der Bewohner*innen der umliegenden Straßen genießen, da bin ich mir sicher.
Und der Parkplatzsuchverkehr wird auch außerhalb stattfinden und man wird die eigenen Kinder ungestört im Hof spielen lassen können, ohne Angst, dass sie von einem Auto angefahren werden. Eine tolle Lösung. Halt nur für die Bewohner*innen der Wolf-Höfe.

Im Grunde wäre das nun die passende Gelegenheit gewesen, eine Lanze zu brechen für das kostenpflichtige Parken am Straßenrand. Das aber ist ja in Frechen nicht gewollt. Hier zahlt die Allgemeinheit mit ihren Steuergeldern und Abgaben die Privatisierung öffentlichen Straßenraums in Form des Abstellens privater PKWs. Und das Ganze vor dem Hintergrund, dass auch 2020 die Anzahl der zugelassenen PKWs in NRW (und der BRD) weiter gestiegen ist.

Und die Begüterten bekommen ihr kleines autofreies Paradies.




Dienstag, 4. Mai 2021
Thema: Umwelt
Das Bundesverfassungsgericht hat die Ziele des Pariser Klima-Abkommens in Verfassungsrang erhoben. Im Zuge des fortschreitenden Klimawandels, so das Gericht, nimmt das Gewicht des in Art. 20a GG geregelten Klimaschutzgebotes zu.
Zudem gilt: bereits heute hat der Staat die Aufgabe seinen Sorgfaltspflichten gegenüber zukünftigen Generationen gerecht zu werden, in dem er heute alle die klimaschützenden Maßnahmen ergreift, die notwendig sind, um die Freiheitsrechte zukünftiger Generationen nicht über die Maßen durch unser heutiges klimaschädigendes Verhalten einzuschränken. Diese Regel greift bereits trotz bestehender wissenschaftlicher Ungewissheiten über umweltrelevante Ursachenzusammenhänge.

Man kann den aus dem Urteil resultierenden Auftrag an die Politik sehr einfach übersetzen: bisher wurde zu wenig getan, um so viel CO2 einzusparen, dass die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreicht werden. Das bedeutet, dass wir alle hier auf Kosten der zukünftigen Generationen zu viel CO2 in die Atmosphäre blasen, wodurch die Lebenschancen und Freiheitsrechte der zukünftigen Generationen massiv bedroht sind.

Ein Urteil, das, wie in der Presse erkennbar, zu sofortigen Reaktionen der Politik geführt hat. Alle Parteien, mit Ausnahme der AfD, erklären unisono, dass das Klimagesetz nachgeschärft werden muss, dass die BRD schneller CO2-neutral werden muss, als geplant. Einzelne Politiker mit hohem Selbstdarstellungspotential bieten bereits erste Lösungen an. Lösungen, die im Regelfall davon ablenken sollen, dass eben diese Politiker bisher alles getan haben, um die durch eine ernsthafte Klimapolitik resultierenden Belastungen von uns Lebenden fern zu halten und auf die Zukunft zu verschieben.

Damit hat es nun ein Ende. Die Zeit des Vertagens und Verschiebens ist vorbei.
Und hierzu lohnt es sich das Urteil genauer anzuschauen. Es sagt, dass der Staat "Voraussetzungen und Anreize für die Entwicklung klimaneutraler Alternativen zu schaffen" hat um vorausschauend "künftige Freiheit" zu schonen. Hierfür sind jetzt bereits die erforderlichen Entwicklungs- und Umsetzungsprozesse einzuleiten, um schon heute für die Zeit nach 2030 Orientierung zu geben und einen entsprechenden Entwicklungsdruck aufzubauen.
Legte der Gesetzgeber beispielsweise frühzeitig konkret fest, dass dem Verkehrssektor ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch geringe jährliche Emissionsmengen zur Verfügung stehen, könnte dies Anreiz und Druck für die Entwicklung und Verbreitung alternativer Techniken und der dafür erforderlichen Infrastruktur entfalten. Die frühzeitige Erkennbarkeit einer Verteuerung und Verknappung CO2-relevanter Mobilität könnte etwa auch dazu führen, dass grundlegende Entscheidungen und Entwicklungen zu Berufs- und Arbeitsplatzwahl oder zur Gestaltung von Arbeits- und Geschäftsabläufen rechtzeitig so getroffen und eingeleitet würden, dass sie von vornherein weniger Mobilität erforderten. Würde dann der festgelegte Zeitpunkt erreicht, könnte das CO2-Budget des Verkehrssektors verringert werden, ohne damit Freiheiten erheblich zu verkürzen
An diesem vom Bundesverfassungsgericht sicherlich nur zufällig gewählten Beispiel sind wir auch wieder ganz nah an der lokalen Politik. Die meisten Wege, die Menschen zurücklegen, sind kürzere Strecken, finden vor Ort statt, und orientieren sich an der vor Ort vorhandenen Infrastruktur. Also werden die konkreten Umsetzungsmaßnahmen nicht im Bundestag in Berlin entschieden, sondern sehr oft in den Kommunen.

Die Stadt Frechen hat ein integriertes Klimaschutzkonzept, von dem sie behauptet, es repräsentiere eine Klimaschutzstrategie. Man darf nur nicht genauer hinschauen:
Einer der bedeutendsten Faktoren für den Erfolg der Klimaschutzaktivitäten ist die Sensibilisierung und das Motivieren der Bürgerinnen und Bürger. Sie sind die Hauptakteure, die das Gelingen fördern oder hemmen können. Daher sind speziell die qualitativen Ziele auf diese wichtige Zielgruppe ausgerichtet.
Aha.

Das bedeutet, dass die Stadt sich im Schwerpunkt darauf zurückzieht zu informieren und einige öffentlichkeitswirksame Kampagnen anzustoßen, die, so der einzige Anspruch, Verhaltensänderungen bei den Bürgerinnen und Bürgern auslösen sollen.

Im gesamten Klimakonzept der Stadt finden sich keine relevanten, einschneidenden Maßnahmen, die die städtische Infrastruktur derart verändern würden, dass von vornherein bspw. weniger Mobilität entsteht.
So ist das städtische Parkraumkonzept, das auf die Bereitstellung von kostenlosen Parkplätzen setzt, eine Form der Subventionierung von CO2-produzierender Mobilität.
Fehlende Radwege modellieren einen autozentrierten Verkehrsraum, der von nicht motorisierten Vekehrsteilnehmer*innen als strukturelle Gewalt erfahren wird und damit die CO2-produzierende Mobilität befördert.

Solche Grundsatzentscheidungen zu Lasten unserer Kinder sind in allen städtischen Planungen erkennbar. So müssten die gesamten städtischen Planungen in Bezug auf das Wohngebiet Grube Carl unter diesem Blickwinkel hinterfragt werden.

Wie hoch sind bspw. die CO2-Emissionen, die beim Bau von Straßen und Wohnhäusern entstehen? Die Produktion von Stahl und Beton etwa ist extrem klimaschädigend.
Welche CO2-Emissionen werden provoziert, weil kein klimaschonender ÖPNV zur Verfügung steht?
Die Liste klimaschädigender Eingriffe bei derartig großen Baugebieten ist sicherlich Legion.

Solche Fragen können auch hinsichtlich des geplante Gewerbegebiet am Krankenhaus formuliert werden.

Man muss nur wollen.

Oder bedeuten die beiden hier genannten städtischen Entwicklungsmaßnahmen nicht, dass ein klimaschädigender Politikansatz des Wachstums um jeden Preis zu Lasten zukünftiger Generationen unhinterfragt fortgesetzt wird?

Man sollte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Pflichtlektüre für alle politischen Entscheidungsträger*innen machen, denn viel zu viele Entscheidungen, die die Freiheit unserer Kinder negativ beeinflussen, fallen auf lokaler Ebene.

Wieviel Zukunft dürfen wir unseren Kindern und Enkelkindern noch stehlen?