Mittwoch, 10. Februar 2016
Eigentlich wollte ich ja einen transzendentalen Zugang zum Thema wählen und mich mit Hermann Hesses „Stufengedicht“ der neuen schulischen Situation nähern:
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.

Aber, in Frechen ist schulisch betrachtet kein Neubeginnen. In Frechen ist das große Scheitern zu beobachten.
im Gegensatz zu Pulheim und Hürth hat Frechen bei der Errichtung einer Gesamtschule gepatzt.

Die Gesamtschule kommt nicht.

Nun wird das „Schwarze-Peter-Spiel“ beginnen, wobei der grünen Fraktion eine zentrale Rolle zukommen dürfte, war doch das Jamaika-Bündnis gegenüber der eigenen Partei damit begründet worden, dass die Koalition der Preis für die Zustimmung von CDU und FDP zu einer Gesamtschule sei. Vorausgesetzt, eine vorgeschaltete Elternbefragung zeige den Willen der Frechener Eltern für eine Gesamtschule.

Es zeigt sich, dass eine Elternbefragung ein Beweis ohne Wert ist. Mehr als 200 Eltern erklärten im Sommer 2015, ihr Kind vielleicht oder sicher an einer Gesamtschule anmelden zu wollen. Im Februar 2016 wurden dann nur rund 50 Kinder angemeldet, gebraucht hätte es 100 Anmeldungen.

Wie schrieben die Grünen in ihrem Rrückblick auf das Jahr 2015 recht selbstgefällig:
Miriam Erbacher, Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen: „Im Februar des vergangenen Jahres wurde die Koalition aus CDU, FDP und Grünen besiegelt. Die neue Koalition konnte sofort danach bei wichtigen Weichenstellungen für die Gesamtschule ihre zielgerichtete und stringente Arbeitsweise unter Beweis stellen, so dass bereits im Sommer dieses Jahres die Eröffnung der Gesamtschule bevorsteht.“
In der Folgezeit war das Verhalten der Jamaika-Koalition weder stringent nocht zielgerichtet. Man hat sich zurückgelehnt und der Dinge geharrt die da kommen sollten.

Oder um mit DÖF* zu sprechen:
I steh in der Költ'n und woat auf a Gsamtschul, oba sie kummt net, kummt net.

Welchen Sinn hat nun also die Jamaika-Koalition für die Grünen noch?

Doch damit wollen wir uns heute nicht beschäftigen. Vielmehr interessiert, was geschehen ist, dass sich die Eltern innerhalb weniger Monate gegen eine Gesamtschule entschieden haben, der sie doch im Sommer noch ihre Kinder anvertrauen wollten?

Öffentlichkeitsarbeit

Zumindest Pulheim hat sich 2013 sehr viel Mühe gegeben, die Gründung einer Gesamtschule vernünftig zu begleiten. Da gab es auf der Homepage der Stadt Pulheim eine eigenständige Seite zur Gesamtschule, da gab es 2 große öffentliche Veranstaltungen, die vom Sozialbürgermeister in Person geleitet wurden und weitere Öffentlichkeitsmaßnahmen. In Pulheim hatte man den Eindruck, alle Beteiligten in Politik und Verwaltung wollten den Erfolg der Gesamtschule.

In Frechen gab es im Dezember 2014 einen Ratsbeschluss zur Einführung einer Gesamtschule und im Mai 2015 wurde der Elternwille abgefragt und dann war Funkstille. Informationen auf der städtischen Homepage?
Nada.
Erst im Oktober 2015 informierte die Stadtverwaltung unter dem Vorsitz eines Referatsleiters vor vielleicht 80 interessierten Eltern über die Gesamtschule. Frau Kusenberg, Leiterin der lokalen Hauptschule bekam breiten Raum, um zu erzählen, warum eine Gesamtschule schlecht für die Stadt sei. Genervte Eltern, die sich über die Gesamtschule informieren wollten, berichteten darüber. Schon damals hätten bei der Stadt die Alarmglocken schrillen müssen. Eigentlich hätte die Stadt im Oktober und November auf breiter Front nochmals in den Grundschulen über die Gesamtschule informieren müssen. Ist was passiert?
Nada.
Eltern bekamen Infoblätter vom Gymnasium, von der Realschule, von der katholischen Mädchenrealschule aus Horrem. Wurde über die Gesamtschule informiert?
Nada.
Dabei, alle Betroffenen wissen es, die Entscheidung für eine bestimmte Schule fällt zwischen November und Januar, wenn die Schulen mit den Tagen der offenen Türe für sich werben.

Über die Gesamtschule erfuhren die Frechener Eltern der 4-Klässler aber erst wieder etwas, als mit dem Halbjahreszeugnis die Anmeldeinformationen verteilt wurden. Zu spät kann man da nur sagen, denn zu diesem Zeitpunkt hatten sich die meisten Eltern schon für eine Schule entschieden, gegen die Gesamtschule entschieden.
Wie schlecht die neue Gesamtschule vermarktet wurde, zeigte sich auch daran, dass das „Aktionsbündnis für eine Gesamtschule in Frechen“ von einem Vater angemailt wurde mit der Frage, ob das Aktionsbündnis die Anmeldung bewerben würde …
Wer hatte in Frechen den Eindruck, alle Beteiligten in Politik und Verwaltung wollten den Erfolg der Gesamtschule?

Größe der Gesamtschule

Auch wenn die Anmeldezahlen vordergründig Verwaltung und Jamaika-Koalition Recht zu geben scheinen, als sie sich für eine vierzügige Gesamtschule aussprachen, eine der zentralen Ursachen für das Scheitern der Schule liegt in eben dieser Entscheidung. Die Entscheidung der Jamaikakoalition fiel aus Kostengründen, denn Schule darf nicht zu viel kosten, in Frechen. Das „Aktionsbündnis“ dagegen hat von Beginn an eine große Gesamtschule, eine 6-zügige Gesamtschule präferiert.
Die Gründe waren damals richtig und sie sind es heute noch:

Sekundarstufe II

Nur eine große Gesamtschule ist groß genug, um eine funktionsfähige Sekundarstufe II einzurichten und damit den Kindern das Abitur zu ermöglichen. Bei einer vierzügigen Gesamtschule muss immer damit gerechnet werden, dass die Sekundarstufe II mangels ausreichender Schülerzahlen nicht zustande kommt. Dann hat man eine Gesamtschule gegründet und erhält eine verkappte Sekundarschule. Würde man der Frechener Politik strategischen Weitblick zutrauen, so könnte man hinter der Entscheidung für die kleine Variante diese Absicht vermuten ...

Integration und Inklusion

Die Leiterin der Hauptschule hat auf einen zentralen Schwachpunkt der städtischen Gesamtschulplanung hingewiesen: ohne groß darüber zu reden hat man der Hauptschule alle Integrations- und Inklusionsaufgabe innerhalb der städtischen Schullandschaft zugewiesen.
.Mit Blick auf die weiterführenden Schulen ist anzumerken, dass die Schulform Hauptschule allein 56% der Schüler mit einem anerkannten Förderbedarf (aufnimmt). Eben diese Schulform liegt bei den Übergängen zu den weiterführenden Schulen aber nur noch bei 8%. Damit leistet die Schulform, die lediglich 8% der Sekundarschüler aufnimmt (analog zum Interesse der Eltern an dieser Schulform) derzeit weit über 50% der inklusiven Arbeit.
Bei dem Blick auf die Rückläufer (gemeint: Abschuler vom Gymnasium oder der Realschule) zeigt sich, dass die Schulform Hauptschule auch diese Aufgabe im Wesentlichen allein trägt. Die Arbeit mit ständig "neuen" Schülern (Rückläufern), die in die gebildeten Klassen dazu kommen und die gebildeten Klassengemeinschaften "sprengen" macht der Schulform Hauptschule ihre Arbeit nicht leichter. In den neunten Jahrgängen führt sie momentan über 50% Schüler mehr, als sie in den fünften Klassen aufgenommen hat!
So formuliert es das Gutachten über die zukünftige Entwicklung der Förderschulen im Kreis, das aktuell im Kreistag beraten wird.

Man kann aber noch weiter gehen: auch die Integration der Flüchtlingen scheint im Schwerpunkt Aufgabe der Hauptschule zu sein. Bisher hat nur die Hauptschule Flüchtlingsklassen eingerichtet.

Hier im Blog war bereits im September 2015 darauf hingewiesen worden, dass eine vierzügige Gesamtschule an diesen Problemen wohl scheitern kann:
Und hier ist die Politik in der Verantwortung: Eine Frechener Gesamtschule, wenn sie denn als Gesamtschule funktionieren soll und gleichzeitig im Schwerpunkt Inklusions- und Integrationsaufgaben übernehmen soll, die andere Schulen gerne links liegen lassen, muss eine ausreichende Größe haben, um allen Kindern, auch denen ohne Inklusions- und Integrationsbedarf, gerecht zu werden.
Eine vierzügige Gesamtschule ist hierfür eindeutig zu klein.
Es wird Zeit, dass die Stadtoberen diesen Zielkonflikt auflösen und die Planungen der Gesamtschule auf eine Sechszügigkeit erweitern. Andernfalls besteht das Risiko, dass weder die Integration von Zuwandererkindern noch die Inklusion von behinderten Kindern funktionieren kann.
Welche Effekte ergeben sich nun aus diesem Scheitern?

1. Der Schulentwicklungsplan war in einem Punkt sehr eindeutig: ohne Gesamtschule werden Realschule und Gymnasium in Frechen überlaufen. Sie sind einfach zu klein.
2. Die bisherigen Anmeldungen an der Gesamtschule werden sich nicht in Anmeldungen für die Hauptschule übersetzen lassen. Es ist zu erwarten, dass die Hauptschule in ihrer Entwicklung um Jahrzehnte zurückfällt. Früher gab es die Institution der Hilfsschule. Da wurden alle die Kinder abgeschoben, die schwierig, komisch oder anders waren. Dieses Schicksal droht der Hauptschule. Sie wird die Hauptlast aller integrativen und inklusiven Aufgaben zu schultern haben – und kann daran nur scheitern.

Und, welche Schlussfolgerungen soll man daraus ziehen?

1. Die Eltern der Viertklässler haben eine vernünftige Entscheidung getroffen. Eine vierzügige Gesamtschule ist zu klein, um all das leisten zu können, was man von ihr erwartet.
2. Das Scheitern der Hauptschule an eben diesen Lasten ist absehbar, die Schule wird, um es polemisch zu formulieren, zur schulpolitischen Resterampe innerhalb der Frechener Schullandschaft. Man hätte der Schule ein besseres Schicksal gewünscht. Ein Ende in Ehren wäre allemal der bessere Weg gewesen.
3. Jamaika hat den Karren in den Dreck gefahren, als mit Blick auf den städtischen Haushalt die schulische Minimalversion zum Maximum der Möglichkeiten erklärt wurde.

Der Bedarf an einer Gesamtschule in Frechen ist weiterhin gegeben – aber nicht als Sparversion, nicht als Minimallösung.

Die Gesamtschule ist tot?
Mitnichten. Der Bedarf ist weiterhin gegeben, aber anscheinend will man hier in der Stadt der Hauptschule beim Sterben zuschauen.


(für die Nachgeborenen: "Deutsch-Österreichisches Feingefühl", ein Projekt, das der Neuen Deutschen Welle zugeordnet wurde)




Dienstag, 26. Januar 2016
Die Stadt Frechen will eine alternative Nutzung von Teilen der Sportanlage Herbertskaul. Sie will dort bis zu 450 Flüchtlinge in rund 70 Containern unterbringen. Jetzt ist die Stadt Hamburg im vergangenen Jahr an einer kleinen rechtlichen Frage gescheitert. Sie wollen in dem Stadtteil Klein-Borstel 700 Flüchtlinge in zwei noch zu errichtenden Unterkünften unterbringen. Die Anwohner hatten dagegen geklagt und Recht bekommen.

Die Begründung müsste auch die hiesige Stadtverwaltung aufschrecken: es existiert kein Baurecht für die zu bebauende Fläche.

Da erhebt sich doch die berechtigte Frage, ob es denn ein Baurecht für die Sportanlage Herbertskaul gibt, oder ob sich die Stadt mit ihrem Vorgehen nicht massiv angreifbar gemacht hat.

Zum Nachlesen

Auch das Thema Verteilungsgerechtigkeit, also die Frage, wie Flüchtlinge auf die verschiedenen Stadtteile verteilt werden, war ja die letzten Tage in der Presse. Drei Essener Ortsvereine wollten mit einer Demo darauf aufmerksam machen, dass die Stadt Essen Flüchtlinge vorzugsweise in den armen und sozial sowieso benachteiligten nördlichen Stadtteilen unterbringt. Die drei SPD-Ortsvereine beklagten, dass die betroffenen Stadtteile mit dieser Integrationsleistung überfordert seien und verlangten, dass die bürgerlichen Stadtteile Essens gleichermaßen gefordert seien. Die Demo wurde abgesagt, das Problem bleibt.
Dass es keine gute Idee ist, Problem-Stadtteile noch zusätzlich mit besonders vielen Flüchtlingen zu belasten, betont der Bochumer Professor für Stadt- und Regionalpolitik, Jörg Bogumil. „Die Unterbringung von Flüchtlingen in Stadtteilen mit geringeren sozialen Problemen ist wesentlich unproblematischer. Da fühlt sich keiner bedroht.“ Die Kommunen stünden allerdings unter Druck, möglichst schnell Lösungen zu finden, weiß Bogumil auch um deren Probleme.
Auch für Frechen stellt sich natürlich die Frage, warum 600 Flüchtlinge im eh benachteiligten Stadtteil Herbertskaul untergebracht werden. Bezogen auf die Einwohnerzahl müssten in Königsdorf rund 40% aller Flüchtlinge mit Bleiberecht untergebracht werden.

Man darf gespannt sein, ob die Stadt Frechen die Verteilung der Flüchtlinge auf die Stadtteile offen legt.




Freitag, 22. Januar 2016
Pressemitteilung

Am Mittwoch den 13.01.2016 traf sich die Bürgerinitiative Planungsstopp zu ihrer konstituierenden Sitzung. Im Verlauf einer regen Diskussion wurde der bisherige vorläufige Sprecher der Initiative, Oliver Bolt, in seiner Funktion bestätigt. Das Thema Planungsstopp wurde nochmals in allen seinen Facetten diskutiert, wobei, wie schon in der Auftaktveranstaltung deutlich wurde, die Initiative einen sehr differenzierten Ansatz verfolgt. In der Diskussion, fanden nachfolgende Punkte breite Zustimmung und wurden als Leitplanken für das weitere Vorgehen akzeptiert:

• Es existiert kein sinnvolles Verkehrskonzept für die Stadtteile Grube Carl und Benzelrath. Jede weitere Bebauung, erhöht das lokale Verkehrsaufkommen und belastet die Wohnbevölkerung über die Maßen.
• Die städtische Schulinfrastruktur ist nicht darauf eingerichtet, die bei großen Wohnbaumaßnahmen zu erwartende Anzahl an Schulkindern, angemessen zu versorgen.
• Im ersten Bauschritt (Baufeld 6) ist im Schwerpunkt eine hochpreisige Bebauung mit Ein- und Zweifamilienhäusern geplant. Frechen benötigt aber eine Verstärkung des Mietwohnungsbaus bzw. des Sozialwohnungsbaus.
• Der Klimawandel scheint nur mehr schwer aufzuhalten. Die Bundesregierung untersucht bereits die Verletzbarkeit des Landes durch den Klimawandel. Das Bundesumweltministerium spricht jetzt davon, dass Deutschland „klimasicher“ gemacht werden muss.
• Zum Schutz vor Hitzefolgen im Siedlungsbereich wird insbesondere auf den Schutz von bedeutsamen klimawirksamen Freiräumen/ Ausgleichsflächen hingewiesen. So sind bspw. die Ballungsräume des Rheintals zukünftig durch Hitzewellen besonders gefährdet.
• Für die Frechener Kernstadt sind die Flächen im Hangbereich des Ville-Osthangs von hoher Bedeutung für die Kaltluftbildung und den Kaltluftabfluss. Die Kaltluftströme tragen zur Durchlüftung der unterhalb liegenden, stärker von Luftschadstoffen belasteten Siedlungsteilen bei. Jede weitere Bebauung dieser Flächen verschlechtert die Durchlüftung der Frechener Kernstadt. Die Effekte des Klimawandels werden sich dadurch noch verstärken.
• Die Frechener Kernstadt verfügt nur über sehr wenige fußläufig erreichbare Naherholungsbereiche. Jede weitere Bebauung von bisher unbebauten Flächen reduziert die noch vorhandenen Naherholungsräume.

Die Bürgerinitiative fordert daher einen Planungsstopp, um Zeit zu gewinnen, ein stadtplanerisches Gesamtkonzept für Frechen zu formulieren. Im Sinne eines Gesamtkonzepts müssen die Aspekte Verkehr, sozialer Wohnungsbau, Stadtklima und Erholung unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der eingesessenen Bevölkerung, des Klimawandels und aller durch große Baumaßnahmen ausgelösten Kosten, gewichtet und berücksichtigt werden.

Die Initiative hat sich viel vorgenommen, um das Thema Planungsstopp einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Neben einer Internetpräsenz ist geplant, Unterschriften für den Planungsstopp zu sammeln und in den politischen Gremien, mit eigenen Anträgen aktiv zu werden.