Freitag, 12. Dezember 2014
Gestern Abend wurden im Rahmen einer Sondersitzung des Schulausschusses erste Ergebnisse des im Sommer beauftragten Schulentwicklungsplans vorgestellt.

Im Bürgerbrief 1/2013 formulierte die CDU ihr Credo:
„„Wir haben eine Hauptschule die … exzellente Ergebnisse vorweisen kann. Wir haben im Rhein-Erft-Kreis die stärkste Realschule … Wir haben ein innovatives Gymnasium, … das weit über die Stadtgrenzen hinaus Beachtung findet! (…) Es geht in der Entscheidung über die Schullandschaft in Frechen nicht um ein ideologisches Pro und Contra zur Gesamtschule, sondern um die grundlegende Architektur unserer Bildungslandschaft.“
Die CDU-Bürgermeisterkandidatin Susanne Stupp erklärt auf ihrer kürzlich freigeschalteten Homepage:
das derzeit gut funktionierende Schulsystem mit allen gängigen Schulformen (Haupt-, Realschulen und Gymnasien) grundsätzlich nicht in Frage stellen. Sollten zukünftig weitere Schulformen erforderlich sein, soll dies im Rahmen einer Elternbefragung abgefragt und belegt werden. Erfolgreiche Inklusion steht ebenfalls auf unserer Agenda. Im Vordergrund steht für uns dabei die für Kinder und Eltern bestmögliche Lösung.
Im Grunde, so der Tenor, ist alles so ziemlich gut in Frechen.

Seit gestern wissen wir es besser.

Die Frechener Schullandschaft ist strukturell ungerecht, so der Gutachter, sie weist Besonderheiten im Vergleich mit Nachbarkommunen oder dem Land auf, die erklärungsbedürftig sind.

Aber mal in medias res:
die Frechener Sozialstruktur spiegelt sich nicht in der Verteilung der Kinder auf die unterschiedlichen Schulformen wider. So haben bspw. auf den Grundschulen 38% der Kinder einen Migrationshintergrund, am Gymnasium sinkt diese Quote aber auf 28%. In Hürth dagegen lässt sich dieser Effekt in dieser scharfen Form nicht nachvollziehen. Sind unsere Kinder mit Migrationshintergrund dümmer als in Hürth? Oder haben wir ein anderes Problem?

Bisher haben vorzugsweise zwei Schulen es übernommen, sich um Kinder mit Förderbedarf zu kümmern, also Inklusion umzusetzen: Burgschule und Hauptschule. In der Johannesschule (Königsdorf) dagegen findet Inklusion bisher nicht statt.
Ist es gerecht, Inklusion nur den Schulen zu überlassen, die aufgrund ihres Einzugsgebietes sowieso schon genug Probleme an ihrer Schule haben?
Der Gutachter stellte daher zu Recht die Frage: "Sollen wir die Aufgabe der Inklusion nicht gerechter auf alle Schulformen verteilen?"

Ebenso seltsam sind die sogenannten Übertrittsquoten, soll heißen: auf welche Schulen wechseln die Kinder einer Grundschule nach der vierten Klasse. Zwei städtische Extremwerte müssen hier gegenüber gestellt werden:
Von der Burgschule wechseln 25% der Kinder auf das Gymnasium, von der Johannesschule dagegen aber 70%.
Darin dokumentiert sich eine an bestimmte Schulen fixierte ungewöhnliche Ungleichgewichtigkeit in der Stadt.
Dabei stellte der Gutachter, der beide Schulen besucht hat fest, dass die eine Schule nicht so schlecht und die andere nicht so gut ist, dass dadurch diese Differenz erklärt werden kann.

Sein Erklärungsansatz verwies dann auf die soziale Gebundenheit von Schulempfehlung und Schulwahlverhalten: je größer die Häuser und Grundstücke, desto "klüger" die Kinder, so seine lapidare Begründung. In Frechen jedoch ist dieser Aspekt besonders ausgeprägt. Ist es gerecht, dass Kinder aus sozial schwächeren Familien in deutlich geringerem Umfang Zugang zum Abitur erhalten, als unsere besseren Bürgerkinder?

Ebenso spannend der Zusammenhang, den der Gutachter im Bereich des Gymnasiums aufzeigte. Das Gymnasium hat sich als technisch-mathematisches Gymnasium profiliert. Damit schreckt diese Schule aber Kinder mit anderen Interessen (bspw. Sprache, Musik) ab. Das verschränkt sich damit, dass insbesondere Mädchen in dieser Gruppe zu finden sind. Folge: die Mädchenquote am Frechener Gymnasium ist außergewöhnlich gering, Mädchen werden zum Auspendeln an Umlandgymnasien / Gesamtschulen gezwungen. Oder sie besuchen die hiesige Realschule.
Ist das gerecht unseren Mädchen gegenüber?

Allgemeiner formulierte es der Gutachter: „Passen Stadt und Schule zusammen?“

Seine Schlussfolgerungen, die er abschließend zur Diskussion stellte, hatten es dann in sich.

Er betonte nochmals, dass die Hauptschule eine auslaufende Schulform sei, Eltern würden diese Schule nicht mehr annehmen.
Er verwies darauf, dass wir einerseits extreme Raumprobleme an der Realschule haben, andererseits aber die Hauptschule Raumreserven hat.
Frechen könne sich aber einen solchen Leerstand nicht leisten, Frechen benötige drei Schulstandorte, brauche drei funktionierende weiterführende Schulen.

Aus Sicht des Gutachters gibt es nur eine einzige Lösung, um die hiesige Schullandschaft zu retten:

Frechen braucht eine Gesamtschule, um den Ungerechtigkeiten in der aktuellen Schullandschaft entgegen zu wirken.
Frechen braucht die Gesamtschule so schnell als möglich – nämlich zum Schuljahresbeginn 2016/17.
Frechen hat einen guten Standort für eine Gesamtschule, das Hauptschulgebäude Herbertskaul.

Implizit hat er die Frechener Parteien aufgefordert, diesen Beschluss in großer Einmütigkeit zu treffen – am besten sofort.

Vor sechs Wochen hat das „Aktionsbündnis für eine Gesamtschule in Frechen“ ihr Thesenpapier: „Eine Gesamtschule in Frechen ist möglich“ veröffentlicht. Der Gutachter hat die Aussagen des Aktionsbündnisses in allen Punkten bestätigt. Auf Basis dieser Ausarbeitung hat Ferdi Huck erklärt, dass er als Bürgermeisterkandidat der SPD für eine Eröffnung einer Gesamtschule 2016/17 stehe. Die SPD hat daher für die Ratssitzung am 16.12.2014 den entsprechenden Antrag gestellt.
Es ist jetzt an den übrigen Parteien im Rat, zu zeigen, dass die Botschaften des Gutachters angekommen sind.


ES IST ZEIT, DAS TRAUERSPIEL ZU BEENDEN.
DER RAT MUSS JETZT DIE ENTSCHEIDUNG FÜR DIE GESAMTSCHULE TREFFEN.



letzte Änderung: 15.12.2014




Mittwoch, 10. Dezember 2014
Thema: Inklusion
Das ist der Grundsatz des NRW-Inklusionsplans mit dem Menschen mit Behinderungen als Betroffene und Experten in eigener Sache beteiligt werden sollen. Der NRW-Inklusionsplan dient der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Im Rahmen dieses Planes wurde ein NRW-Inklusionsbeirat gegründet:
NRW-Sozialminister Guntram Schneider hat erstmals den „Inklusionsbeirat NRW“ einberufen. Dieser berät die Landesregierung künftig bei ihren Vorhaben zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen. „Damit bekommen die behinderten Menschen in unserem Land eine gewichtige Stimme – und ihre Beteiligung in allen sie betreffenden Fragen erhält ein solides Fundament“, sagte der Minister bei der Konstituierung. „Wir wollen mit den Betroffenen auf Augenhöhe reden. Dies sind zentrale Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention, die wir in NRW sehr ernst nehmen“, so Schneider weiter.
Auch auf nationaler Ebene wurden entsprechende Fachgremien eingerichtet, denn die UN-Behindertenrechtskonvention fordert alle staatlichen Ebenen, also auch die Kommunen auf, den Umsetzungsprozess aktiv zu gestalten. Ein kommunaler Inklusionsbeirat dient dazu, Menschen mit Behinderung sowie die breite Zivilgesellschaft aktiv in den Umsetzungsprozess der UN-Behindertenrechtskonvention einzubinden. Eine kommunale Koordinierungsstelle ist somit die Schnittstelle zwischen Zivilgesellschaft und der kommunalen Ebene. 

In Frechen ist eine Gruppe von Betroffenen (SHG Handicap
e.V.) an den Bürgermeister herangetreten und hat darum gebeten, auch in Frechen einen Inklusionsbeirat einzurichten.
Bezugnehmend auf die UN-Behindertenrechtskonvention weisen wir darauf hin, dass die bisherigen Lösungen zur Ermittlung und Beseitigung von Barrieren als noch nicht ausreichend zu bezeichnen sind. Hilfreich wären hierbei die Erkenntnisse und Bedürfnisse behinderter Menschen in der Stadt Frechen mit einfließen zu lassen. Um diesen Zustand verbessern zu können, erscheint die Einrichtung einer Inklusions-Gesprächsrunde sehr sinnvoll. Über dieses Gremium werden alle diese Probleme besprochen und Lösungsvorschläge können nach den Bedürfnissen der betroffenen Bevölkerung und im Sinne der UN-BRK gefunden werden.
Mit anderen Worten: hier fordern Betroffene die Stadt auf, die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention aktiv anzugehen und die Betroffenen in diesen Prozess zu integrieren, mit ihnen auf Augenhöhe zu kommunizieren.
Und wie lautet der Antwortvorschlag der Verwaltung, über den der Rat in seiner kommenden Sitzung (16.12.2014) abstimmen soll:
Von Seiten der Stadt Frechen kann festgehalten werden, dass es bereits eine Vielzahl von Beteiligungsgremien gibt, die sich mit den unterschiedlichen Fragestellungen rund um das Thema Inklusion auseinandersetzen. Des Weiteren hält die Stadt Frechen eigene Personalressourcen vor, um einerseits die unterschiedlichen Bedarfslagen behinderter Menschen in die verschiedensten Planungsprozesse der Stadt Frechen einzubeziehen sowie diese regelmäßig zu evaluieren.
Evaluation und Fortschreibung findet ebenfalls regelmäßig und in Form einer umfangreichen Jugendhilfe-und Sozialplanung statt.
Des Weiteren ist grundsätzliches Ziel der Stadt Frechen, eben nicht einzelne Bedürfnisse von Bürgern - gleich ob mit oder ohne Behinderung - in übergreifenden Gremien zu diskutieren, sondern möglichst schnell und am individuellen Bedarf orientiert, Lösungen zu schaffen. Dies gelingt aus Sicht der Verwaltung in erster Linie unmittelbar in den jeweils betroffenen Fachdiensten.
Der Einrichtung eines Inklusionsbeirates wird also eine Absage erteilt.

Man hätte sich gefreut, wenn die „Vielzahl der Beteiligungsgremien“ dargestellt worden wäre.
Man hätte sich gefreut, zu erfahren, welche „unterschiedlichen Fragestellungen rund um das Thema Inklusion“ von den Fachbereichen angegangen worden sind und mit welchem Ergebnis.
Man hätte sich auch gefreut, zu hören, in welcher Form Betroffene in diesem Prozess integriert sind.

Wir stellen aber fest: genau das scheint nicht erwünscht zu sein. Lieber redet die Verwaltung über behinderte Menschen und vermittelt den Glauben, dass die Probleme der Inklusion individuelle Probleme sind, die individuell durch die kommunalen Fachdienste gelöst werden können.

Inklusion ist ein gesamtgesellschaftliches Thema. Die UN-Behindertenrechtskonvention fordert den Übergang zu einer inklusive Gesellschaft, es handelt sich also nicht um individuelle Notlagen sondern um einen gesellschaftliche Veränderung, zu der sich der deutsche Staat auf allen Ebenen, also auch auf der kommunalen Ebene der Stadt Frechen verpflichtet hat. Die Stadt verweigert sich dieser Einsicht.




Freitag, 5. Dezember 2014
Thema: Grüne
Gewählt wurden die beiden über die Liste von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und nicht als Direktkandidaten. Wer dieses Mandat wie persönlichen Besitz behandelt, missachtet den Willen der Wählerinnen und Wähler“, so die Fraktionsvorsitzende Miriam Erbacher. „Deshalb fordern wir von Jürgen Weidemann und Susanne Neustadt die Rückgabe der Mandate und die Übergabe an die legitimen Vertreter von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN."
So tönt es von der Homepage der Grünen, die den Weggang der beiden Stadträte Jürgen Weidemann und Susanne Neuhaus wohl noch nicht wirklich verstanden, geschweige denn verschmerzt haben.

Grundsätzlich steht jedem gewählten Mandatsträger das Recht zu, aufgrund einer Gewissensentscheidung Fraktion und Partei zu verlassen, für die er in ein Gremium gewählt worden ist.

Hier nun wird behauptet, dass das Mandat kein persönlicher Besitz sei.
Stimmt, wer wollte widersprechen.
Es handelt sich um ein auf Zeit verliehenes Mandat.
Es gehört also weder dem gewählten Vertreter noch einer bestimmten Partei, für die eine Person in ein politisches Gremium gewählt worden ist.
Es gehört den Wählerinnen und Wählern.
Man kann also als Partei nur zurückfordern, was einem gehört.
Das Mandat jedenfalls gehört nicht in den Besitzstand einer bestimmten Partei.

Steht der Vorwurf im Raum, dass der Wille der Wählerinnen und Wähler missachtet worden sei.

Aber: wer definiert, was der Wähler / die Wählerin mir ihrer Stimme gewollt hat?
Der Parteivorstand?
Die Fraktionsvorsitzende?

Oder kann darüber nur der Wähler, die Wählerin selber entscheiden, ob er oder sie sich verraten fühlt davon, dass ein bestimmtes Mitglied einer Partei im Laufe einer Legislaturperiode Partei und Fraktion verlässt?

Man stelle sich vor, ich hätte bei der letzten Kommunalwahl die Grünen gewählt. Weswegen wohl hätte ich sie gewählt? Oder anders gefragt: weswegen wohl wollen die Grünen gewählt worden sein?

Genau in diesem Punkt treffen wir uns: ich könnte sie gewählt haben aufgrund ihres Wahlprogramms und die Grünen nun haben eben darum ein Wahlprogramm veröffentlicht, um gewählt zu werden.

Wenn nun aber der Vorwurf im Raum steht, die Grünen würden im Rahmen der Jamaika-Koalitionsverhandlungen ihr eigenes Wahlprogramm missachten, ja sogar Beschlüsse der eigenen Basis uminterpretieren, um ja Jamaikastromlinienförmig zu werden, so ist doch die Frage zu stellen, wer hier wen missachtet:

Missachten die Frechener Grünen ihre eigenen WählerInnen oder ist der Vorwurf der Grünen an die beiden Ausgetretenen zutreffend?

Was die beiden Ex-Grünen in ihrer Pressemitteilung veröffentlicht haben, lässt da wenig Interpretationsspielraum: die Grünen missachten den Willen ihrer WählerInnen.