Donnerstag, 2. Mai 2013
Thema: Inklusion
Es ist schon spannend, dass gerade der Landesrechnungshof (LRH) durch kritisches Hinterfragen auf die negativsten Entwicklungen im Bereich des Förderschulwesens aufmerksam macht. Der Bericht, der vor wenigen Tagen erschienen ist, hat den sperrigen Titel: Unterrichtung des Landtags nach § 99 Landeshaushaltsordnung über die Prüfung des Schulbetriebs an öffentlichen Förderschulen, er enthält aber Aussagen, die in dieser Deutlichkeit selten offen ausgesprochen werden.

Der Bedarf an sonderpädagogischer Förderung wird durch ein behördliches Feststellungsverfahren festgelegt.
Formal steht es Eltern und Schulen offen, dieses Verfahren einleiten zu lassen. In Wirklichkeit aber wird das Verfahren in 95% durch die Schulen veranlasst,
“mit oft wiederkehrenden Begründungen - von der allgemeinen Schule gestellt und nur selten abgelehnt (5 v.H.). In den meisten abgeschlossenen Fällen hatte die Schulaufsicht den beantragten sonderpädagogischen Förderbedarf festgestellt (94 v. H.) und auch den beantragten Förderschwerpunkt bestätigt (97 v. H.). (S. 10)
Es ist sicherlich so, dass qualifizierte Lehrkräfte eher erkennen, ob ein Schüler / eine Schülerin Defizite hat, die über das zu erwartende Maß hinausgehen, aber man kann natürlich auch die Frage stellen, ob die allgemeine Schule sich auf diesem Wege der schwierigeren Schülerinnen und Schüler entledigt.
“ Als problematisch erwies sich die Funktion des (Klassen-)Lehrers der allgemeinen Schule, der in der Regel sowohl maßgeblich an der Antragstellung zur Einleitung des AO-SF-Verfahrens beteiligt war als auch an der späteren Begutachtung, in der diese Lehrkraft zur Begründung oft zitiert wurde. (S. 11)
Man darf bei diesem Befund nicht stehen bleiben, denn erst vor dem Hintergrund weiterer Erkenntnisse ist das System erkennbar.

Ein Befund bspw. lautet, dass trotz zurückgehender SchülerInnenzahlen die Anzahl der förderbedürftigen Kinder steigt. Waren es 2001/2002 noch 4,1% der Kinder so sind es 2011/2012 4,7% aller Schulkinder, die einer sonderpädagogischen Förderung bedürfen. 1991 galten sogar nur 3,1% der nordrhein-westfälischen Kinder als förderungsbedürftig. In den letzten 10 Jahren hat sich die Anzahl der Kinder um immerhin 14.000 Kinder erhöht.

Laut Gesetz ist der festgestellte sonderpädagogische Förderbedarf, der Förderschwerpunkt und der Förderort jährlich zu überprüfen. Nur in den wenigsten Fällen resultierte daraus eine Rückschulung in die allgemeine Schule.
„Weitaus häufiger führte sie zu einem Wechsel vom Förderschwerpunkt Lernen zum Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung bzw. zu einer Zuordnung zur Gruppe der Schwerstbehinderten. Die Begründungen für diese von den Förderschulen beantragten Änderungen waren häufig objektiv nicht nachvollziehbar. Gleichwohl wurde den Anträgen regelmäßig entsprochen.“ (S. 5)
Das Schöner für die Förderschulen: einerseits beschreibt dieser Vorgang eine Abwärtsspirale für das betroffene Kind, das aber andererseits die personelle Ausstattung der Förderschule verbessert, denn der Förderschwerpunkt Emotionale und Soziale Entwicklung bedeutet, dass sich eine Lehrkraft um weniger Kinder zu kümmern hat, als im Schwerpunkt Lernen. Und im Schwerpunkt Schwerstbehinderte sind es nochmal weniger Kinder. Hier kümmert sich eine Lehrkraft dann nur noch um 4,17 Kinder.
„Die vom LRH stichprobenhaft eingesehenen Begründungen für die beantragten Förderschwerpunktwechsel bzw. Zuordnungen zur Gruppe der Schwerstbehinderten waren häufig objektiv nicht nachvollziehbar oder wiesen deutliche inhaltliche Schwächen auf. Gleichwohl hatten die Schulaufsichtsbehörden auch solchen Anträgen regelmäßig entsprochen.“ (S. 12)
Alleine dies zu lesen ist ein Armutszeugnis für unser System, erschreckend aber wird es, wenn man die Reaktion des Ministeriums zu Kenntnis nimmt, die da lautet:
„eine Rückführung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in die allgemeine Schule (könne) meist nicht als realistisches Ziel gesehen werden. (S. 23)
Und nun gewinnt das Modell ja an Kontur:
Eine allgemeine Schule erkennt einen gestiegenen Förderbedarf und beantragt die amtliche Feststellung desselben. Der Klassenlehrer schreibt den Bericht und er schreibt ihn so, dass er bzw. die Schule ein Problemkind los wird. Die Schulaufsicht, so schreibt der Landesrechnungshof, akzeptiert in 94% aller Fälle den Förderbedarf und den Förderort an und schwupps ist das Kind im Förderschulssystem. Und wie das so ist: einmal drin, immer drin, denn die Rückkehr in eine allgemeine Schule wird nicht „als realistisches Ziel gesehen“.

Nun ist das Kind im System und dann kann man mittels jährlicher Überprüfungen den sonderpädagogischen Förderbedarf so justieren, dass die je eigene Förderschule ein als optimal erkanntes Lehrkraft-Kind-Verhältnis erhält.

So ist es denn nur noch eine Marginalie, dass die Verordnung zur Mindestgröße der Förderschulen schon zum Zeitpunkt ihres Erlasses in sich nicht stimmig war. Eigentlich müsste die Fördergröße laut LRH bei 162 Schülerinnen und Schülern liegen. Die Verordnung erklärte jeodch, dass die Mindestgröße bei nur 144 Schülerinnen und Schülern liege. Zusätzlich verfügt heutzutage jede 10. Förderschule über eine Sondergenehmigung, mit der sie diese Zahl um 50% unterschreiten darf.

Und dieses System soll mit Verweis auf das Kindswohl vor weiteren Veränderungen geschützt werden?




Donnerstag, 25. April 2013
Innerhalb weniger Tage hat das Regierungspräsidium entschieden, dass die Hauptschule Elsdorf wegen zu geringer Anmeldezahlen keine Eingangsklasse mehr bilden darf. Diese Hauptschule ist also ein Auslaufmodell. In Fünf Jahren ist sie Vergangenheit. Die Elsdorfer Hauptschule konnte auch im vergangenen Schuljahr nur noch eine Eingangsklasse bilden. 11 Kinder hatten sich angemeldet, weitere 6 oder 7 Kinder mit Förderbedarf waren interessiert. Nicht ausreichend befand das Regierungspräsidium.

Die Elsdorfer Politik ist - gelinde gesagt - vor den Kopf gestoßen. Man habe sich mehr Zeit gewünscht für eine Änderung der Schullandschaft wird die Stadtverwaltung zitiert. Nun scheinen die geringen Anmeldezahlen aber schon des Längeren bekannt gewesen zu sein. Die Berichte im Kölner Stadtanzeiger und in der Rundschau lesen sich auch nicht so, als ob sich Elsdorf schon intensiv mit den drohenden Veränderungen beschäftigt hätte.
Was sagt der Elsdorfer Abteilungsleiter für Schule dazu:
„Das Land wird diese Schulform wegrationalisieren.“
Nun ja, so kann man das auch sehen. Es wäre aber auch Aufgabe des Schulträgers, einen Blick in die Zukunft zu wagen. Eine Schule, die unter Hängen und Würgen noch eine einzige Eingangsklasse zu bilden im Stande ist, ist ein Auslaufmodell, so oder so.

Daraus lassen sich vier Schlussfolgerungen ableiten, die auch für Frechen gelten dürften:

1. Das Hauptschulsterben ist im Kreis angekommen.
2. Ausnahmegenehmigungen für zu kleine Hauptschulen sind endlich
3. Wer nicht rechtzeitig reagiert, muss Lehrgeld zahlen - um den alten Gorbatschowspruch nicht über Gebühr zu belasten.
4. Gemeinsamer Unterricht rettet keine Hauptschule.




Dienstag, 23. April 2013
Endlich mal eine gute Idee. Die Stadt Köln will sich ein einem Wettbewerb der Landesregierung beteiligen. Die Landesregierung plant, 5 Radschnellwege zu fördern und die Stadt Köln hat sich dafür ausgesprochen, die Verbindung Köln - Frechen vorzuschlagen. Zu diesem Projekt wird nun von der Stadt Köln ein Wettbewerbsbeitrag erarbeitet. Immerhin will das Land hierfür 80% aller Kosten übernehmen.
Die Strecke bietet sich dafür hervorragend an, nachdem der automobile Berufspendelverkehr auf der Dürener Straße gerne weniger mobil ist und mit dem geplanten Bau des Frischezentrums in Marsdorf eine substantielle Verschlechterung für die AutofahrerInnen und die derzeitige Radfahrsituation bedeuten wird. Zudem ist der Weg durch das Marsdorfer Industriegebiet über die Bachemer Straße / Toyota-Allee für FahrradfahrerInnen schon heute nicht frei von Gefahren.
Was etwas erstaunt, ist die Tatsache, dass der Verkehrsausschuss der Stadt Frechen über diese Ideen anscheinend noch nicht informiert ist, obwohl der Fahrradweg am Frechener Bahnhof beginnen soll.
Eigentlich sollte man ja annehmen, dass die Stadt Köln sich bei der Stadt Frechen rückversichert hat, dass auch in Frechen ein grundsätzliches Interesse an einem Radschnellweg nach Köln besteht, aber der Verlauf der Diskussion um das Frischezentrum Marsdorf lassen auch andere Vermutungen zu.
Unabhängig davon jedoch, wie man diese Seltsamkeiten interkommunaler Kommunikation einschätzt, so ist zu hoffen, dass die Stadt Frechen sich voll hinter diesen Vorschlag stellt, denn im Wettbewerb wird auch gefordert, dass der Fahrradweg nicht an der Stadtgrenze enden darf, sondern innerorts weiter geführt wird. Also muss die Stadt mitmachen und vermutlich auch Teile der Kosten tragen.

Immerhin käme die Stadt damit aber zu einem komplett neuen Fahrradweg, der vielleicht den einen oder anderen Berufspendler dazu veranlassen könnte, das Auto zugunsten des Fahrrads stehen zu lassen.

Sicher ist aber bereits heute: entweder der Radschnellweg kommt mit Hilfe der Landesmittel, oder er kommt nicht, denn sowohl in Köln als auch in Frechen fehlt das Geld und ein übergroßes Interesse und die entsprechende Bereitschaft für die radelnden MitbürgerInnen zu investieren, ist bisher in beiden Kommunen nicht erkennbar.

Und hier der Pressebericht des Kölner Stadtanzeigers




Sie sind ja in der CDU. Trotzdem haben Sie sich in ihrer Haushaltsrede eines fast klassenkämpferischen Tonfalls befleissigt. Zuviel Brecht gelesen?
"Aber bitte beziehen sie in ihre Erklärung der sozialen Gerechtigkeit auch ein, warum ihrer Ansicht nach nur in einem Stadtteil - und das in dem, in dem es mehr einkommensstarke Haushalte gibt, als in anderen - die Schülerbeförderung über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus erstattet werden soll."
Durften Sie das? Und es gab keine Rücktrittsforderungen, weil dieses Argument von irgendwelchen Linken und Internetspinnern unterstützt wurde? Na, da ging es Ihnen ja besser als Frau von der Leyen.

Dabei haben Sie natürlich vollkommen recht, man muss den Kindern der Wohlhabenden dieser Welt nicht auch noch die Fahrt zur Schule subventionieren. Wo kommen wir denn da hin. Schade nur, dass Sie für diese Erkenntnis mehr als ein Jahrzehnt benötigt haben. Was hätte man mit diesem Geld in dieser Zeit für die wirklich Bedürftigen anstellen können. Jetzt aber soll es nicht denen zugute kommen, die es wirklich brauchen können, sondern dem Frechener Haushalt.

Schade, dabei hatten Sie so gut angefangen und dann so ein unbefriedigendes Ende.

Nächstes Mal ziehen Sie aber durch, oder?