Montag, 21. Mai 2012
Thema: Grube Carl
Am 23. Mai 2012 tagt der Planungsbeirat Grube Carl ein erstes Mal.
"Zur Sicherung einer Planung für die Menschen im neuen Stadtteil Grube Carl sind die Interessen derer, die bereits hier wohnen, zu berücksichtigen! Mehr noch sollten aber die Ideen der zukünftigen Bürgerinnen und Bürger in die Planungsprozesse eingebunden werden."
Dies war der Antrag der SPD-Fraktion im September 2011, auf dessen Grundlage der Stadtrat die Einrichtung eines Planungsbeirates beschloss.

Einfache Geister schlussfolgerten, dass damit eine zumindest partielle Transparenz im Planungsprozess hergestellt werden würde und es Politik und Stadtverwaltung Ernst sein könnte, die Interessen der hier lebenden Stadtteilbewohnerinnen und Bewohner für weitere Planungen aufzunehmen.

Dies scheint jedoch nicht im Interesse der Stadtverwaltung zu liegen. In der nun bekannt gewordenen Geschäftsordnung des Planungsbeirats wird eine umfassende Geheimhaltung dekretiert:
„Die Mitglieder des Beirates und die sonstigen Sitzungsteilnehmer sind zur Geheimhaltung über Inhalte, Beratungen und Wahrnehmungen verpflichtet. Eine Verletzung der Geheimhaltung führt zum Ausschluss vom Beirat."
Im Übrigen ist die Geheimhaltung sogar umfassender formuliert als im Gestaltungsbeirat für das Baugebiet Rotental. In der dortigen Arbeitsrichtlinie steht nur:
"(…) sind zu Geheimhaltung über interne Beratungen und Wahrnehmungen verpflichtet."
Man stellt sich die Frage, was Stadt und Politik auf Grube Carl vorhaben, dass diese Form der Ausgrenzung der Öffentlichkeit notwendig sein könnte. Warum dürfen die Vertreter der Bürgerschaft in diesem Gremium die Ideen und Planungen nicht öffentlich diskutieren?

Man stelle sich nur vor, ein Bürger hat eine Idee, okay, das kommt nicht oft vor, soll es aber schon gegeben haben. Der Bürger geht nun auf ein Mitglied des Planungsbeirates zu, teilt diesem die Idee mit und fragt einige Zeit später nach, was aus dieser Idee geworden ist. Er wird keine Auskunft erhalten, da alle Inhalte, Beratungen und Wahrnehmungen der Geheimhaltung unterliegen. Gelebtes Absurdistan!

Wir können es ganz einfach formulieren: über diese eng gefasste Geheimhaltungsklausel wird eben das Gegenteil von dem erreicht, was der Antrag der SPD ursprünglich intendierte: die Integration der Ideen und Vorstellungen der BürgerInnen des Stadtteils. Wie die BI Grube Carl zu Recht erklärt, schafft sich die Stadtverwaltung damit eine Alibirunde, mit einem eng beschränkten Handlungsauftrag. Inwieweit der von der Verwaltung formulierte Auftrag an den Planungsbeirat:
"(…) weitere anstehende Verfahrensschritte und politische Entscheidungen vorzubereiten und zu erleichtern (…) "
erreicht wird, ist doch ernsthaft zu bezweifeln.

Wie sollen den politische Entscheidungen vorbereitet und erleichtert werden, wenn nur einige Auserwählte vom Fortgang der Planungen Kenntnis erhalten?

Transparenz sieht mit Sicherheit anders aus.

Hier wird, so scheint es, ein Modell der „Pseudo-Beteiligung“ eingeführt. Die Stadt sollte daher nicht damit rechnen, dass die Ergebnisse von der Gesellschaft akzeptiert werden.
"Gerade dialogorientierte Methoden der Bürgerbeteiligung müssen einerseits qualitativ hochwertige und andererseits in ihrem Entstehungsprozess legitimierte Ergebnisse liefern und dabei möglichst schnell, effektiv und kostengünstig durchgeführt werden können. Von „Pseudo-Beteiligungen“ ist dabei abzuraten, weil solche Ergebnisse von der Gesellschaft nicht mehr akzeptiert werden."
Ein innerer Zusammenhang mit der massiven Stimmabgabe für die Piratenpartei bei der letzten Landtagswahl und dem Mangel an Transparenz und Offenheit, ist vermutlich nicht zu weit hergeholt.




Dienstag, 15. Mai 2012
Thema: SPD
Es gibt ein sehr informatives Portal im Internet: www.abgeordnetenwatch.de.
Auf diesem Portal kann man den Abgeordneten Fragen stellen. Viel Abgeordnete antworten. Einige nicht. Frau Klöpper von der CDU hat noch auf keine Anfrage reagiert. Unsere neue Wahlkreisabgeordnete von der SPD, Frau D’Moch-Schweren hat bereits als Kandidatin Fragen beantwortet. Eine der von ihr beantworteten Fragen sollte die kommenden Tage zu einer endgültigen Lösung kommen: die Frage danach, welche ihrer vielen Mandate sie zukünftig ausüben will. Aktuell ist sie Landtagsabgeordnete, Kreisrätin und Stadträtin. Aber wie sie ja selber formuliert hat:
nach meiner Überzeugung kann man nicht gleichzeitig allen drei Mandate gerecht werden. Sollte ich am 13. Mai in den Landtag gewählt werden werde ich mich mit meinen Fraktionsvorsitzenden darüber unterhalten.
* *Non-Cumul des Mandats“




Montag, 14. Mai 2012
Nicht nur, dass Grube Carl der höchstgelegene Stadtteil Frechens ist, nein, Grube Carl ist auch Protesthochburg.
Ja, hier oben residiert der Parteienfrust. Und keiner hat’s bemerkt. Andernorts in Frechen wurde „die Linken“ gewählt, weil man gegen Hartz IV war, weil man der Schröder-SPD eins auswischen wollten und was der Gründe mehr waren. Die Linke hat aber hier im Stadtteil nie viele Stimmen erhalten. Bei der Landtagswahl 2010 haben sie hier oben knapp die 5%-Hürde genommen, 2012 war es bereits wieder aus mit der Herrlichkeit, gerade mal 3% sind es noch geworden.

Dafür haben sich in den vergangenen beiden Jahren die „Piraten“ laut allen Wahlforschern zur hippen Protestpartei entwickelt. Die Piraten werden gewählt, weil sie anders wirken, frischer, unverbrauchter, näher an den Menschen. Das Erstaunliche hier im Wahlbezirk: Noch vor 2 Jahren haben die „Piraten“ hier im Wahlbezirk nicht stattgefunden. Und das ist wörtlich zu nehmen. 2010 haben sie hier NULL Stimmen bekommen. Nun sind es auf einen Schlag 78 Stimmen und damit 11,6% aller gültigen Stimmen. Womit die „Piraten“ auf Grube Carl ihr stadtweit bestes Ergebnis eingefahren haben.

Es gibt einen noch einen weiteren Punkt, andem eine Protestpartei erkennbar wird. Protestwähler stimmen sowohl mit der Erst- als auch der Zweitstimme für den Protest. Sie praktizieren kein strategisches Wählen und vergeben Erst- und Zweitstimme nicht an unterschiedliche Parteien. Man beobachtet eine relativ kleine „Transferrate“. Im Gegensatz dazu verteilt der Normalwähler ihre Stimmen nach strategischen Gesichtspunkten: rund 50% der FDP-Wähler im Wahlbezirk haben ihre Erststimme deshalb Frau Klöpper von der CDU gegeben. Ganz anders die „Piratenwähler“ 78 Zweitstimmen stehen 73 Erststimmen gegenüber. Die Transferrate liegt bei gerade mal 7%.

Eine Gegenprüfung bei den Grünenwählern fördert dabei Überraschendes zu Tage. Hier lag die Transferrate 2010 noch bei 31%. Diese ist innerhalb der letzten beiden Jahre auf 17% gesunken.

Die Effekte dieser Entwicklung geben Hinweise für das im städtischen Vergleich ungewöhnliche Wahlergebnis der SPD. Bei den Zweitstimmen hat die Partei um 2,2% oder 27 Stimmen zugelegt, von 258 auf 285 Stimmen. Bei den Erstimmen dagegen sind diese Effekte nicht sichbar geworden.
2010 erhielt die Kandidaten der SPD, D’Moch-Schweren noch 48,3% der Erststimmen (= 310 Stimmen absolut). 2012 dagegen reichte es mit 313 Stimmen, absolut also mit 3 Stimmen mehr, auf gerade mal 46,6% der Stimmen. Damit ist dieser Wahlbezirk stadtweit einer der wenigen (zusammen mit dem WB Ringschule), in dem die Kandidatin der SPD schlechter abgeschnitten hat als vor 2 Jahren.

Lag die SPD auf der Ebene der Zweitstimmen auf Grube Carl noch 6,8% über dem städtischen Schnitt (39,88% zu 33,11%) so hat sich dieser Vorsprung 2012 auf 3,6% vermindert (42,41% zu 38,79%).

Man kann daher formulieren, dass der Wahlbezirk in seiner Mehrheit die Politik der Landes-SPD und damit von Hannelore Kraft unterstützt sehen will, ein Teil der Wählerschaft der lokalen SPD dagegen mit Misstrauen oder Ablehnung begegnet und aus diesem Grund sogar ein strategisches Wählen ablehnt. Dies findet seine Bestätigung im Wahlverhalten der Grünwähler. Stimmten 2010 noch 86 Wähler für die Grünen, so waren es nun noch 81, woran sich zeigt, dass die Grünen über eine relativ feste Stammwählerschaft verfügen. Die aber wählen mit der Erststimme immer seltener die KandidatIn der SPD.
Hier im Wahlbezirk zeigt sich, dass die grüne Stammwählerschaft nicht mehr bereit ist, die SPD zu unterstützen.
Das grüne Wahlergebnis belegt zudem, dass die Piraten kaum bei den Grünen gewildert haben – die Stimmengewinne resultieren aus anderen Quellen. Laut allgemeinen Wählerwanderungsanalysen hat insbesondere die SPD Stimmen an die Piraten abgegeben. Diese Effekte werden im Allgemeinen durch das gute Abschneiden der SPD verdeckt, hier im Wahlbezirk sind sie aber erkennbar eben dadurch dass die SPD keinen Stimmenzuwachs erzielt hat, im Gegensatz zu den anderen städtischen Wahlkreisen. Der potentielle Zuwachs scheint einer anderen Partei zu gute gekommen zu sein - den Piraten.

Das ist sicherlich nur mit lokalen Entwicklungen zu erklären und hier gibt es aus grüner Sicht einen zentralen Punkt: die große Koalition von CDU und SPD im Rat der Stadt Frechen und die klare Ablehnung grüner Ideen durch die SPD. So wirft die SPD den Grünen Populismus vor, da die Grünen sich für eine Gesamtschule in Frechen einsetzen, eine Position, die die SPD eigentlich schon geräumt hat, es nur noch nicht öffentlich verkünden will.

Aus Sicht vieler nichtgrüner Wähler sind dagegen die „Piraten“ das optimale Protestmedium, um gegen den Umgang der städtischen Politik mit dem Stadtteil zu protestieren: die Grundschulfrage wird hier eine Rolle gespielt haben – seit 2008/2009 war für Polit-Insider klar, die Schule wird nicht kommen, da die Grundstücke anderweitig verplant wurden. Die Öffentlichkeit hat man darüber aber erst 2012 informiert. Als die im Stadtteil aktiven Bauträger ihre Objekte alle verkauft hatten.
Ebenso wird die Verkehrssituation eine Rolle spielen – der Verkehr nimmt zu, die aktuellen Planungen werden die aktuelle Situation weiter verschlimmern aber die Bewohner werden offenkundig alleine gelassen.
Dies verknüpft sich mit der Feststellung, dass alle übrigen versprochenen Infrastrukturelemente (Nahversorgung, Straßenbahn) nicht umgesetzt werden.

Diese Unzufriedenheit findet in der lokalen Politik wenige Anknüpfungspunkte, da nicht erkennbar ist, welche Parteien nicht Bestandteil des Kartells sind. Alle im Rat vertretenen Parteien, so hat es den Anschein, interessieren sich nicht für diesen Stadtteil.
Dies führt nun dazu, dass die lokale Unzufriedenheit sich sogar bei Landtagswahlen ein Ventil sucht und es in den „Piraten“ gefunden hat.