Mittwoch, 11. Januar 2012
Thema: Opposition

Auch hier in Frechen läßt sich beobachten, dass die Bindekraft der großen Volksparteien nachläßt. Noch vor 18 Jahren (1994) traten bei den Kommunalwahlen nur die vier etablierten Parteien an. Schon dieses Faktum ist nicht selbsterklärend, denn an vielen Orten in NRW gab es zu diesem Zeitpunkt bereits freie Wählerinitiativen. Das Frechener Parteiensystem reagierte also in den vergangenen 20 Jahren deutlich behäbiger als an anderen Orten. Das ist sicherlich ein Ausfluss des NRW-Kommunalwahlsystems, bei dem eine einzige Stimme vergeben werden kann (für den Kandidaten im Wahlkreis), man also mit dem Kandidaten zugleich eine Partei wählt. Ganz anders bspw. das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg. Dort hat der Wähler mehrere Stimmen (so viele Stimmen, wie Sitze im Parlament vergeben werden), die er auf verschiedene Personen und über verschiedene Listen hinweg verteilen kann. Dieses Wahlrecht stärkt einerseits den Persönlichkeitscharakter der Wahl und führt andererseits dazu, dass gesellschaftlicher Wandel ungefilterter und früher Eingang in die kommunalen Gremien findet. Diese Effekte werden durch das NRW-Kommunalwahlrecht gebremst. Der gesellschaftliche Wandel braucht länger, um die Kommunalparlamente zu erreichen.
Das politische Beharrungsvermögen spricht aber auch für eine viele Jahre vorhandene Zufriedenheit mit den beiden großen Parteien. Frechen, lange Zeit als schmutzigste Stadt im Kreis verschrieen, eine „proletarische“ Stadt, hatte den Strukturwandel, also den Verlust der Braunkohleindustrien, überraschend gut überstanden. Davon profitierten die beiden Volksparteien, denen man zugute halten konnte, den Umbau der Frechener lokale Wirtschaftsstruktur von der Braunkohlewirtschaft zu einem bunten Mix von Handel, Gewerbe und Dienstleistung unterstützt und gefördert zu haben.
Es spricht aber auch für eine gewisse Behäbigkeit, ein sich Dreinfinden der Frechener Bevölkerung in eine politische Situation, die seit Jahrzehnten von den beiden großen Parteien beherrscht wurde. Selbst das Aufkommen der Grünen änderte daran nur wenig – auch wenn die Grünen sicherlich erheblich dazu beigetragen haben, die sozialdemokratische Herrschaft in Frechen zu beenden. Trotzdem monopolisierten die beiden Großen die Frechener Politik und es gelang ihnen ein politisches Klima zu bewahren, in dem der Wunsch nach Veränderung sehr klein gehalten wurde.

„Heile Welt“

Noch 1994 musste man in Frechen den Eindruck haben, in einer heilen Welt der etablierten Parteien zu leben. CDU und SPD vereinten in diesem Jahr 90% der abgegebenen Stimmen auf sich. Dies wiederholte sich dann nochmals 1999. Die Frechener Welt kannte 2 Parteien und einen zu vernachlässigenden Rest, bestehend aus FDP und Grünen. Zusammen erhielten diese 4 Parteien knapp 100% der abgegebenen Stimmen. Andere Parteien? Fehlanzeige. Frechen, so schien es,war zufrieden mit diesen 4 Parteien. Andernorts hatte sich das linksalternative Lager schon kurz nach Wiedervereinigung und Jugoslawienkrieg auf kommunaler Ebene aufgesplittert, hatten sich kleine Interessengruppen zu Wählerbündnissen vereinigt (vorzugsweise in Universitätstädten fanden sich bspw. reine Frauenlisten, bunte Listen, Listen der Kulturschaffenden usw. usf. ) In Frechen gab es neben der FDP und den Grünen kaum Bewegung.

Hauseigentümer gegen Straßenbau – die Entstehung der „freien Wähler“

Die erste Neuerung stellte die „Perspektive für Frechen“ dar, die sich im Zuge der Auseinandersetzung um die Verlängerung des Freiheitsrings als bürgerliche Alternative und Interessenvertretung der Eigentümer entlang der geplanten Trasse etablierte. Einerseits besetzte die „Perspektive“ ein „grünes“ Thema – Verhinderung einer Straße, Schutz der Landschaft – andererseits sammelte sich in der „Perspektive“ ein Klientel, das der grünen Partei nicht wirklich grün war, das sich selber vermutlich eher dem konservativen Lager zurechnete. Da sich CDU/SPD/FDP jedoch unisono für die Verlängerung des Freiheitsringes aussprachen, fühlten sich diese Wähler und Wählerinnen bei den Parteien der Freiheitsringverlängerer nicht mehr heimisch.
Auch deshalb schrumpfte bei den Kommunalwahlen 2004 der Anteil der abgegebenen Stimmen für die beiden Volksparteien von 90 auf 83%, wobei die beiden Lager-Partner der Großen, im konservativ-bürgerlichen Lager die FDP und im linken Lager die Grüne, davon nur teilweise profitieren konnten. Der Anteil dieser beiden kleineren Parteien, die 1994 und 1999 zusammen rund 10% der abgegebenen Stimmen erreichen konnten, stieg um 3% auf 13%. Die neu angetretene „Perspektive“ erreichte immerhin 4%. Vier Jahre später war sie dem Landesverband der Freien und Unabhängigen Bürger- und Wählergemeinschaften Nordrhein Westfalen beigetreten und damit klar dem bürgerlichen Lager zuzuordnen. (Die 2015 bei den kommenden Landtagswahlen als „freie Wähler antreten wollen!)

Die Ausdifferenzierung im Zeichen der Umstrukturierungen des Sozialstaates und der Überalterung der Frechener Politik

Als echte Zäsur sind die Kommunalwahlen 2009 zu bezeichnen.
Noch nie dürfte den Wählern eine solch große Auswahl an Parteien zur Verfügung gestanden haben wie bei diesen Wahlen. Neben den vier Etablierten und der „Perspektive für Frechen“, erschienen die „Jungen Alternativen“, eine Wählerinitiative aus dem Umfeld der „Falken“. Die „Jungen Alternativen“ hatten, basierend auf ihre Erfahrungen mit der Jugendarbeit in Frechen, die Schlussfolgerung gezogen, dass die Frechener Politiker und Politikerinnen zu alt sind, der Alterschnitt im Stadtrat lag 2009 bei über 55 Jahren, und die Interessen der Frechener Jugendlichen vom Rat nicht beachtet werden.
Zudem empfanden sie politische Entscheidungen weder als transparent noch hatten sie den Eindruck, dass die Interessen der Bürgerinnen und Bürger vertreten wurden.
Des weiteren präsentierte sich 2009 „Die Linke“, das Fusionsprodukt aus der Ost-PDS und der West-WASG. Hier sammelten sich die Kritiker der Schröder-SPD, die Kritiker von „Hartz IV“ und „Agenda 2010“. In NRW war es logischerweise keine echte Ost-West-Fusion sondern die Verbindung entäuschter Sozialdemokraten und Gewerkschafter mit den Resten der Altlinken, der früheren Stalinisten, Marxisten, Leninisten und wie diese Splitter sich selber so bezeichnet hatten.
Die beiden großen Parteien erreichten bei diesen Kommunalwahlen gerade noch 70% der abgegebenen Stimmen, verloren also gegenüber 2004 weitere 13% der Stimmen. Auch hiervon kamen nur Teile bei den beiden Lager-Partner, bei FDP und Grünen, an. FDP und Grüne erhöhten ihren gemeinsamen Anteil auf zusammen 20% (Grüne von 7,5 auf 11,2% und die FDP von 5,6 auf 8,6%). Die Kleinen verbesserten sich von 4 auf mittlerweile 10% der abgegebenen Stimmen (Perspektive 3%, Linke 4,1% und JA 2,7%).
Auch unter dem Blickwinkel der Lager: Schwarz-Gelb versus Rot-Grün, lässt sich die Aufsplitterung beobachten. Schwarz-Gelb erreichte 1999 und 2004 rund 56% der abgegebenen Stimmen, wurden aber 2009 auf 49,1% reduziert. Rot-Grün erreichten 1999 noch 42,8% und verharrten 2004 und 2009 bei rund 41% der Stimmen.

Noch 1999 sammelten die vier etablierten Parteien 100% aller abgegebenen Stimmen ein, die beiden Großen alleine 90%. 2009 erreichen die vier Etablierten noch 90% der Stimmen, CDU und SPD nur noch 70%. Innerhalb der beiden Lager haben die kleinen Partner deutlich an Gewicht gewonnen, während gleichzeitig die ausserhalb dieser Lager stehenden Wählerbündnisse allen vier etablierten Parteien Stimmen abgenommen haben.

Trends

Es bedarf keiner allzu großen visionären Kraft, um sich vorzustellen, dass bei den kommenden Kommunalwahlen ein weiterer Aderlass der großen Parteien zu erwarten ist. Folgende Entwicklungen sind aus heutiger Sicht zu erwarten:

1. Die „Perspektive für Frechen“ sucht sich zu konsolidieren. Dazu diente die Anbindung an die „Freien Wähler“ ebenso wie die kürzlich erfolgte Bildung einer gemeinsamen Fraktion mit dem Vertreter der „Jungen Alternativen“. Die Anbindung an die „freien Wähler“ korrespondiert mit einer thematischen Erweiterung, die die „Perspektive“ vom Odium des Einpunktebündnisses befreien soll.

2. Die auf dem Ticket „Die Linke“ gewählten Stadträte haben sich von dieser Partei gelöst, die Fraktion wurde in „Soziales Bündnis Frechen“ umbenannt. Es spricht vieles dafür, dass die Verbindung von Altlinken und den Agenda 2010-Kritikern, den Entäuschten aus Gewerkschaft und SPD, zerbrochen ist. Das „Soziale Bündnis Frechen“ repräsentiert in seinem Schwerpunkt die Kritiker der Schröder-SPD. Nachdem sich die SPD von der Schröder-Vergangenheit zu lösen sucht und selbst die "Rente mit 67" für die SPD nicht mehr sakrosankt ist, bleibt abzuwarten, inwieweit diese "sozialdemokratischen" Kritiker der Sozialdemokratie noch mit einem eigenständigen lokalen Wählerbündnis bei den nächsten Kommunalwahlen Erfolg haben werden, eingeklemmt zwischen einer teilentschlackten Sozialdemokratie und einer Richtung Fundamentalopposition tendierenden "Linken". Der vom "sozialen Bündnis" nun praktizierte Frechen-Patriotismus wird bereits von anderen politischen Gruppierungen genutzt. Er stellt kein Alleinstellungsmerkmal dar und es ist ungewiss, ob die nachlassende Bedeutung des Gründungsmythos mit Lokalpatriotismus ausgeglichen werden kann. Viel politischer Spielraum bleibt da nicht.

3. Inwiefern die „Jungen Alternativen“ als eigenständige Kraft erhalten bleiben, ist ebenfalls noch nicht abzusehen. Die Fraktionsverbindung „Perspektive/JA“ erhöht das Risiko, dass die „Jungen“ hinter den medial deutlich gewiefteren Vertretern der „Perspektive“ verschwinden, dass sie vereinnahmt werden. Denn, die „Perspektive“ wird in der Stadt als eigenständige politische Größe wahrgenommen, was den „Jungen“ bisher weder mit ihrem Stadtratsposten, noch als eigenständige politische Formation gelungen ist. Es ist dabei auffällig, dass innerhalb der gemeinsamen Fraktion die „Perspektive“ die Ratsausschüsse für sich monopolisiert hat, die den größten politischen Ertrag versprechen und die im bürgerlichen Politikverständnis den Arkanbereich darstellen: Hauptausschuss, Auschuss f. Stadtentwicklung und Bauleitplanung, Auschuss für Bau- und Vergabeangelegenheiten, Verkehr, Sicherheit und Ordnung, Umweltausschuss und Kulturausschuss.
Die „Jungen“ dürfen sich im Sportauschuss, im Jugendhilfeausschuss und im Schulausschuss tummeln. Ohne Zweifel handelt es sich hierbei um wichtige Themen, aber politisch wirkungsmächtig sind diese Themen nur in ganz seltenen Ausnahmen.
Wollen die „Jungen“ 2014 wieder antreten, so bedarf es vermutlich eines neuen Gründungselans und eines zündenden Themas. In der aktuellen Debatte ist nur das Gesamtschulthema erkennbar, mit dem die „Jungen“ sich aktiv einbringen können. Gesamtschule war Thema im Wahlprogramm der Formation und ist Thema im Schulausschuss. Zudem zeichnet sich derzeit ab, dass von den Etablierten sich einzig die Grünen für eine Gesamtschule stark machen wollen. Es handelt sich um ein Thema, das ins Profil der „Jungen Alternativen“ passen würde …

4. Die politischen Umstrukturierungen, die sich bisher abzeichnen, lassen vermuten, dass es zu einer weiteren Zersplitterung der Frechener Parteienlandschaft kommen wird.
Auf Seiten der Kleinen ist damit zu rechnen, dass „Perspektive“, Soziales Bündnis Frechen und „Die Linke“ bei den nächsten Kommunalwahlen wieder antreten wollen. Im Hintergrund drohen zusätzlich die in Frechen bisher lokal nicht in Erscheinung getretenen „Piraten“, die sowohl in den Landtag als auch in den Bundestag wollen. Laut ihren eigenen Aussagen streben die "Piraten" in NRW eine flächendeckende Präsenz an. Die Kommunalwahlen werden für die "Piraten" dabei sicherlich der Lackmustest für die eigenen Ambitionen.
Für die „Perspektive“ sind die Kommunalwahlen auch als Probelauf für die 2015 anstehenden Landtagswahlen zu werten – ein guter lokaler Auftritt hat Folgen für Landtagswahl – generell und bei der Platzierung lokaler Kandidaten auf der Wahlliste.

5. Es ist derzeit schwer vorstellbar, dass die FDP ihr Ergebnis von 2009 (8,6%) wiederholen kann.

6. Bei der SPD besteht die große Gefahr, dass sie als Opposition weiterhin so blass bleibt wie in der ersten Hälfte der Legislaturperiode. Dann ist mit weiteren Stimmverlusten an die kleinen linken Parteien (SBF und Die Linke) als auch an die Grünen zu rechnen. Zudem muss die SPD mit zunehmenden strukturellen Verlusten rechnen. Das Hauptwählerpotential der SPD ist zwischenzeitlich älter als 60. Die SPD hat lokal keinerlei Attraktivität für jüngere Wählerinnen und Wähler – es ist ja bezeichnend, dass die „Jungen Alternativen“ im Umfeld der „Falken“ entstanden sind. Der SPD sterben die alten und treuen Wählerinnen und Wähler weg. Sie kann in ihrer derzeitigen Verfassung keine jüngeren Wählerinnen und Wähler für sich gewinnen, denn sie wirkt verstaubt und langweilig. Die Marketingexperten sprechen dann gerne vom fehlenden Sexappeal. Von einer großen Programmpartei wie der SPD ("Mehr Demokratie wagen" war mal die Devise! Heute ein Widerspruch in sich: SPD und "etwas wagen") erwartet man in dieser politischen Situation eigene Ideen und Vorstellungen, ja vielleicht sogar Visionen. Speziell von der SPD wird eine moderne Idee von der gerechten Gesellschaft und ihre Übersetzung auf die lokale Handlungsebene erwartet. Die SPD hat bis heute aber keine klare Idee von einer „gerechten Gesellschaft“ und damit logischerweise keine lokale Vision. Die zentrale Frage für große Parteien lautet aber: Wozu wird dies Partei auf lokaler Ebene benötigt? Was bietet eine große Partei, was Wählerbündnisse nicht auch können?
Die SPD kann darauf derzeit keine Antwort geben. Wahrscheinlich einer der Gründe, warum sie sich nicht klar gegen die regierende Mehrheit abgrenzt, warum sie lieber Ringelpitz mit Anfassen spielt. Kommt sie aber den Erwartungen an eine Opposition nicht nach, dann ist mit deutlichen Stimmverlusten an Parteien zu rechnen, die „Opposition“ besser können.

7. Die Grünen wiederum mögen zwar Stimmen aus dem Wählerreservoir von SPD, FDP und CDU gewinnen, je bürgerlicher sie werden, sie müssen aber mit zunehmenden Verlusten bei den Jungwählern und beim eigenen linken Flügel rechnen. Die Alternativen stehen schon in den Startlöchern. Seien es die „Piraten“, seien es die regenerierten „Jungen Alternativen“.

8. Die „Perspektive“ zielt mit ihrem Themenspektrum eher ins Wählerpotential von CDU und FDP, wertkonservativ und bewahrend, bei sparsamer Haushaltsführung und „Frechen-Fokus“. Ob dies ausreicht, um neben der CDU längerfristig zu bestehen, wird sich weisen müssen. Das Ursprungsthema: die „Verlängerung des Freiheitsrings“, hat sich überlebt und das Marketingmodell Verwaltungspartei ist bereits durch die CDU belegt. Die Monstranz des ausgeglichenen Haushalts und der sparsamen Mittelverwendung eignet sich kaum als Differenzierungsmerkmal von der regierenden CDU. Die CDU hat seit 1999 rund 12% verloren, die FDP im gleichen Zeitraum nur gut 5% zugelegt. Die „Perspektive“ konnte von dieser Entwicklung jedoch nicht profitieren. Zwar ist die „Perspektive“ als eigenständige Kraft in der Stadt bekannt, doch scheint es (noch?) zu wenige Gründe zu geben, sie zu wählen. Es bleibt abzuwarten, ob durch die thematischen Erweiterungen der vergangenen Jahre sich dies grundsätzlich verändert hat.

Familienpolitik als neuer Leibegriff

Ein Punkt jedoch bleibt noch unbeantwortet und dieser Punkt könnte sich zum entscheidenden Punkt der kommenden Wahlen auswachsen. Frechen gewinnt durch seine Neubaugebiete derzeit immer noch Einwohner und auch Wähler hinzu. Meist Familien mit Kindern. Nachdem man sich in Frechen gerne auf die Familienfreundlichkeit beruft, sie aber nicht wirklich lebt, hat sich in diesem Klientel einiges an Unmut aufgestaut. Da fehlen ausreichende Betreuungsplätze im OGS, da gibt es den Elternwunsch für eine Gesamtschule, da fehlen Mensen in den Schulen, fehlen Gebäude für den Ganztagsunterricht, da gibt es marode Schulgebäude, deren Sanierung man jahrzehntelang verschleppt hat, da fehlen ausreichend Radwege für den sicheren Schulweg, da könnte der öffentlichen Nahverkehr verbessert werden, da gibt es das Versagen der Stadtverwaltung, sich rechtzeitig um die Sicherheit auf den Spielplätzen gekümmert zu haben und was der großen und kleinen Probleme mehr sind, vor die sich Familien in Frechen gestellt sehen. Oft genug handelt es sich dabei um Probleme, die der Stadt, der Politik schon länger bekannt sind, die aber ein um’s andere Mal auf die lange Bank geschoben wurden, da es immer wichtigere Themen gegeben habe.

Wen sollen Eltern wählen? Die Parteien, die für die Stadtgeschicke seit Jahrzehnten verantwortlich sind, die die Pfründe verteilt haben, die sich nicht mehr weh tun wollen, einer SPD, die bis 1999 verantwortlich war, oder einer CDU, die die Verantwortung seit 1999 hat? Die abwechselnd oder auch gemeinsam die Schulgebäude dem Verfall anheim gegeben haben?
Einer FDP, die schockgefroren erscheint, einem „soziales Bündnis“, einer „Perspektive“, der „Linken“?

Gibt es irgendwo klar erkennbar familienfreundliche Positionen im Bereich Schule und Bildung, Verkehrssicherheit und Mobilität?
Nur ein Beispiel: Mobilität wird hier in Frechen aus der Perspektive von Autofahrern gedacht und gemacht - Fußgänger und Fahrradfahrer, also die normalen Fortbewegungsmittel der Kinder, erscheinen als Ergänzungen zum Autoverkehr und damit von nachgeordneter Bedeutung. Man stelle sich vor, der innerstädtische Verkehr würde von Fußgängern und Fahrradfahrern aus gedacht und geplant und das Auto habe sich dem unterzuordnen - nicht vorstellbar?

So manche Partei, die sich, sei’s wegen des christlichen Menschenbilds, sei’s wegen der sozialpolitischen Erfahrung, dieser Elternstimmen sicher wähnte, wird noch ihr blaues Wunder erleben.

Ach ja, hier öffnet sich natürlich noch ein weiteres, ja, ein sehr weites Feld, das zum Spekuklieren einlädt:
wenn der geplante Neubau einer einzigen Straße ausreichte, um als „Perspektive für Frechen“ beim ersten Antreten 4% der abgegebenen Stimmen zu erhalten, wenn die Jungend es aus dem Stand auf 2,7% bringt, womit kann dann wohl eine Wählerinitiative rechnen, die verspricht, sich zentral um Schule, Bildung, Betreuung und die weiteren Belange von Familien zu kümmern? Eine spannende und wie gesagt, eine noch unbeantwortete Frage. Wem alles werden dann Stimmen und Sitze im Stadtrat fehlen?





Montag, 9. Januar 2012
(Aktualisiert am 18.01.2011)

Der kommende Kommunalwahlkampf führt zu einer weiteren Umgruppierung im Frechener Rat.

Die Wählergemeinschaften "Perspektive für Frechen" und die "Jungen Alternativen" haben sich zu einer neuen Fraktion zusammengeschlossen. Weil, so Maximilian Eßer von den "Jungen Alternativen", „neben den Inhalten stimmt auch die zwischenmenschliche Chemie. Das ist ein wichtiger Faktor“. Zudem verfolgten die beiden Wählergemeinschaften "nahezu identische kommunalpolitische Zielsetzungen".
Wenn es denn doch nur so wäre. Aber leider läßt sich feststellen, dass das Wahlprogramm der "Jungen Alternativen" aus dem Jahr 2009 bis zur Unkenntlichkeit entstellt ist.
2009 beispielsweise wollte die "Jungen Alternativen" noch geprüft wissen, ob Frechen denn nicht eine Gesamtschule benötige. Im gemeinsamen Fraktionsprogramm steht nun in verschwurbelter Politsprache die Formulierung, dass die neue Fraktion „Schulformen, die die Erschließung aller Bildungsreserven sowie die Entwicklung der individuellen Lernpotentiale aller Schülerinnen und Schüler ermöglicht" wünscht.

Entsprechende Entwicklungen lassen sich im Kapitel Bürgerbeteiligung beobachten, in dem die Formulierungen der „Perspektive“ aus deren Programm übernommen wurden, ebenso bspw. im Bereich Stadtentwicklung. Wenn es denn Punkte gibt, die den „Jungen“ zugeschrieben werden können, so finden diese sich im Bereich Jugend, Familie, Bildung („Skateranlage“ und „freie Träger“) und im Bereich der Mobilität (Ausbau ÖPNV).

Blickt man zudem auf die Aufteilung der Ausschüsse, so ist festzustellen, dass die „Perspektive“ alle Ausschüsse besetzt hat, für die sich thematische Überschneidungen mit den eigenen politischen Schwerpunkten ergeben. So besetzt die Perspektive den Hauptausschuss, den Planungsauschuss (Freiheitsring, Umgehung Buschbell, Entwicklung der Fussgängerzone) dem Umweltausschuss (Feinstaub Buschbell), den Bau- und Vergabeausschuss und den Kulturausschuss. In diesen Ausschüssen werden die grundsätzlichen strukturellen Entscheidungen über die künftige Entwicklung der Stadt getroffen und in diesen Ausschüssen sind die „Jungen“ nicht präsent, da die "Perspektive" nicht nur das offizielle Mitglied in den jeweiligen Ausschüssen stellt, sondern auch alle Stellvertreter.

Den „Jungen“ wurden die Ausschüsse überlassen, die sich um die weichen, die sozialen Themen kümmern sollen: der Jugendhilfeausschuss, der Sozial-, der Sport-, der Schul- und der Rechnungsprüfungsausschuss.

„Die Perspektive war schon immer bestrebt, Jugendliche für die Arbeit auf dem kommunalpolitischen Sektor zu gewinnen und sie aktiv mit einzubeziehen. Insofern ist die aktuelle Fraktionsbildung konsequent und im Ergebnis auch wegweisend. Wir denken eben perspektivisch“, so formuliert es Dieter Zander von der „Perspektive“ in der Presseerklärung. Die Besetzung der Ausschüsse wird weiter erklärt „ist ganz bewusst auch mit Blick auf die Interessen der Jugendlichen erfolgt.“ „Auch damit haben wir mehr als deutlich gemacht, dass wir es Ernst meinen mit der Einbeziehung der Jugendlichen und Signale gesetzt“ endet die Zandersche Äußerung.

Man muss die Chupze der „Perspektive“ wirklich bewundern, denn wer die Formulierungen kritisch wägt, spürt instinktiv den paternalistischen Zugriff: da zeigt der Große den Kleinen, wo es lang geht, da drückt sich Überlegenheit aus. Es wird, so spricht die "Perspektive" selbstgewiss und auch etwas selbstgefällig in der Fusion das „perspektivisches“ Herangehen der eigenen Formation erkennbar, deren Ziel es, im eigenen Verständnis, schon immer war, die Jugend für die politische Arbeit zu gewinnen. Die neue Fraktion hat bereits im Gründungsprozess eine deutliche Schlagseite hin zur „Perspektive“: thematisch, bezüglich der Ausschussbesetzungen und im Bereich des Aussenauftritts. Auch das die Pressemitteilung auf der Homepage der „Perspektive“ zu finden ist, die Homepage der neuen Fraktion eine Unterabteilung der „Perspektive“-Homepage verstärkt den Eindruck der Vereinnahmung.

Für die "Perspektive" ein schöner Effekt, denn durch die neue Fraktion gelingt es ihr, wieder die personalen und finanziellen Mittel zu erhalten, die sie durch die Kommunalwahlen 2009, nach dem Verlust des zweiten Mandats“, verloren hatte.* Nun verfügt sie wieder über Räumlichkeiten im Rathaus, eine Teilzeitschreibkraft, Sitz und Stimme in allen Ausschüssen und was der Vorteile mehr sind, die eine Fraktion gegenüber einem Einzelvertreter hat.

Was sich hier abzeichnet ist ein Wahlkampfkonzept: die „Perspektive“ hat sich die Ausschüsse gesichert, die mit den Themen korrespondieren, die die „Perspektive“ in den vergangenen beiden Jahren umgetrieben haben. Einerseits ist die „Perspektive“ als politische Größe in der Stadt verankert und bekannt, andererseits aber war der Stimmenrückgang bei den Kommunalwahlen 2009 ein Wanrsignal – als Einthemenwählerbündnis ist die „Perspektive“ langfristig nicht überlebensfähig. Nachdem nun das Entstehungsthema der „Perspektive“, die Verlängerung des Freiheitsrings, immer mehr an Bedeutung verlor, war beobachtbar, dass sie sich in den vergangenen beiden Jahren verstärkt anderen Themen zugewandt, sich thematisch breiter aufgestellt hat. Der Fraktionsstatus ist ein weiteres Element, diese Neuausrichtung voranzutreiben. Als Fraktion ist es möglich, den eigenen Themen eine größere Bühne zu verschaffen. Das Vorgehen beim Fraktionsbildungsprozess läßt erwarten, dass die „Perspektive“ die daraus erwachsenden Möglichkeiten voll für sich nutzen will.

Im Grunde läßt sich eine ähnliche Problemstellung bei den „Jungen“ beschreiben. Ihnen ist es bisher nicht gut gelungen, sich als eigenständige politische Kraft im hiesigen politischen Leben einen Namen zu machen. „Jugendlichkeit“ als Programm mag zwar bei einer Kommunalwahl ein erfolgreiches Wahlkampfkonzept sein, aber nach der Wahl folgen die Mühen der Ebene. Und hier ist es den „Jungen“ bisher keine erfolgreiche Aussendarstellung gelungen. Es ist auch nur schwer zu erkennen, dass die „Jungen“ von der Fraktionsbildung im gleichen Maße werden profitieren können, wie die „Perspektive“. Die Ausschüsse der „Jungen“ geben hier einfach weniger her. Einzig über den Schulausschuss scheint es möglich, dass die „Jungen“ sich profilieren, denn Gesamtschule war Thema im Wahlprogramm der Jungen und Gesamtschule ist Thema in der Öffentlichkiet und im Schulausschuss. Nachdem abzusehen ist, dass sich derzeit nur die Grünen für eine Gesamtschule in Frechen einsetzen wollen, ist hier noch viel politischer Raum, der besetzt werden will. Die „Jungen“ müssen sich entscheiden. In spätestens 2 Jahren werden auch ihre jungen Wähler erfahren wollen, was die „Jungen“ in der Lokalpolitik erreicht haben.

Es bleibt abzuwarten, inwieweit es den „Jungen“ gelingt, sich dieser „wohlwollenden“ Vereinnahmung zu entziehen weiß und ihre Eigenständigkeit behält. Aktuell sind hier Zweifel angebracht.

Pro Jahr erhalten kleine Ratsfraktionen 17.500 Euro für Sach- und Personalkosten im Zusammenhang mit der politischen Arbeit des Rates. Einzelmitglieder des Rates ohne Fraktion erhalten 3.000 Euro pro Jahr. Die finanzielle Ausstattung der neuen Fraktion verbessert sich also deutlich. Zudem erhält der Fraktionsvorsitzende laut Homepage der "Perspektive" noch eine monatliche Aufwandsentschädigung von 670,50 Euro.




Donnerstag, 22. Dezember 2011

Seit nunmehr mindestens 4 Jahren begleitet uns Grundschuleltern das leidige Thema der fehlenden OGS-Plätze.
Erstmalig 2009 machten Eltern massiv Druck, um dringend notwendige OGS-Plätze einzufordern. Dieser akute Bedarf wurde mit Hilfe der inzwischen überall sichtbaren roten Container gelöst. Die GSG Grefrath bekam einen zusätzlichen Anbau. Auch die Edith-Stein-Schule kommt bisher ohne Container aus.
Schon 2009 war jedoch absehbar, dass der Bedarf weiter ansteigen wird. Das hat sich zu jedem Schuljahresbeginn bestätigt. Die Stadt steht inzwischen vor zwei grundlegenden Problemen:

  • die Schaffung neuer Betreuungsplätze kostet Geld, pro Betreuungsplatz kalkulierte die Stadt in 2010 mit einem Aufwand von 12.000 Euro.
  • An den Schulen fehlt der Platz für zusätzliche Erweiterungsbauten.

Mit anderen Worten: selbst wenn die Stadt die finanziellen Mittel für die Erweiterung der OGS in die Hand nehmen will, so fehlt es an den Schulen an Platz, um weitere Räumlichkeiten zu errichten
Es ist klar, dass der Bedarf an Betreuungsplätzen nicht spontan 2009 aufgetreten ist, sondern dass wir heute darunter leiden, dass die Stadt Frechen sich jahrelang davor gedrückt hat, sich des Themas OGS anzunehmen. Aus diesem Grund hechelt die Stadt nun dem aktuellen Bedarf hinterher. Und alle bisherigen Versuche, eine Lösung zu finden scheitert daran, dass der Bedarf an Betreuungsplätzen immer über den städtischen Prognosen liegt. Noch vor 2 Jahren plante die Stadt eine Betreuungsquote von 60% und alle Hinweise, dass eine Betreuungsquote von 60% nicht ausreichen würde, wurden zurückgewiesen. Bei den Neuanmeldungen für das Schuljahr 2012/13 liegt der gemeldete Bedarf bereits bei 66%, an einzelnen Schulen sogar bei über 75%.

So geht die Stadt nun davon aus, dass insbesondere an der Ringschule, der Edith-Stein-Schule, der Johannesschule und an der Lindenschule mit „nicht unerheblichen Engpässen“ gerechnet werden muss. Speziell für die Lindenschule kommt dieser Engpass nicht überraschend und er muss der Stadt bekannt sein, denn schon 2010 wurde sie darauf hingewiesen, dass die derzeit noch vorhandenen 25 Hortplätze im nahegelegenen Kindergarten St. Barbara (Grube Carl) Mitte 2012 wegfallen werden.

Die Stadt hat nun den einen oder anderen Bauerntrick versucht, 2010 bspw. meinte sie das Problem dadurch lösen zu können, dass sie die Anzahl der OGS-Plätze einfach einfriert, anscheinend in der seltsam anmutenden Erwartung, dass fehlende Plätze automatisch den Bedarf der Eltern nach einer verlässlichen Betreuung reduziert. Seit 2010 ist die Stadt jetzt dabei, Umstrukturierungen zu propagieren, soll heißen, in den Schulen eine bessere Raumnutzung zu erreichen, um so mehr Plätze anbieten zu können.

Aber auch die Umstrukturierungen stoßen an natürliche Grenzen. Und diese Grenze heißt: Mittagessen. Mehr Kinder bedeutet, dass die Küchen und Kantinen der Schulen ausreichend groß sein müssen, um die Kinder in einer angemessenen Zeit mit ausreichendem (und gutem) Essen zu versorgen. Viele Küchen und Schulmensen sind aber heute bereits an ihren Kapazitätsgrenzen angelangt. Auf diesen Aspekt wurde die Stadtverwaltung im letzten Schulausschuss durch eine Schulleiterin ausdrücklich hingewiesen.
Allein, alle diese Maßnahmen kommen zu spät! Der Bedarf steigt deutlich schneller als erwartet. Die Stadt kommt mit der Umsetzung der von ihr geplanten Maßnahmen nicht hinterher.

Vor diesem Hintergrund schreibt die Stadtverwaltung in einer Vorlage, dass „damit gerechnet werden muss (…), dass (…) nicht alle angemeldeten Bedarfe gedeckt werden können. Entsprechende Überlegungen sind sicherlich im Rahmen der bevorstehenden Haushaltsberatungen anzustellen; die Wiedereinführung eines Kriterienkataloges sollte in diese Überlegungen mit einfließen.“

In eine sachliche Ordnung gebracht, bedeutet dass: die Stadt prüft, ob sie, vielleicht unter Einsatz weiterer finanzieller Mittel, zusätzliche OGS-Plätze schaffen kann. Sollte dies jedoch nicht bis zum Schuljahresbeginn 2012/13 gelingen, so müssen wir Eltern damit rechnen, dass nicht alle Kinder den benötigten Betreuungsplatz bekommen werden.

Und mal ehrlich, wie und wo will die Stadt denn zusätzliche Plätze schaffen? Das Aufstellen weiterer Container ist bspw. weder an der Lindenschule noch an der Ringschule denkbar. An welchen Schulen ausreichend Raum und Küchenkapazität für die Mittagsversorgung weitere Kinder besteht, wurde bisher nicht dokumentiert. Zudem hat es die Stadt selten geschafft, neue Container punktgenau in Betrieb zu nehmen. An der Lindenschule brauchte es 2009 größeren öffentlichen Druck, um zu erreichen, dass die neuen Container für die OGS mit nur 2monatigen Verspätung genutzt werden konnten, die Realschule wird ihre Container mit nur 4monatiger Verspätung einweihen. Mit anderen Worten: die Stadt müsste bereits jetzt in die konkreten Planungen eintreten, um zum Schuljahresbeginn 2012/13 die notwendigen Räumlichkeiten zur Verfügung stellen zu können. Wer glaubt denn daran? Der finanzielle Aspekt des Problems wurde in die Haushaltsberatungen geschoben, die erst in den kommenden Wochen beginnen werden. Die inhaltlichen Aspekte will die Stadtverwaltung derzeit nicht diskutieren.

Die Stadt denkt daher aktiv über die Einführung eines Kriterienkatalogs nach. Das wird bedeuten, dass alle Eltern die Betreuungsnotwendigkeit für ihr Kind werden belegen müssen. Auch Eltern, deren Kinder bereits in der Betreuung sind, müssen sich auf eine Überprüfung einstellen. Die Stadt wird niemandem eine Platzgarantie aussprechen können.

Eine Mutter hat zwischenzeitlich einen Bürgerantrag eingereicht, mit dem die Stadt aufgefordert wird, ausreichende finanzielle Mittel zur Beseitigung des absehbaren Engpasses bereit zu stellen. Es bleibt zu hoffen, dass sich weitere Eltern dieser Initiative anschließen. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre kann der öffentliche Druck gar nicht groß genug sein.