Montag, 17. August 2015
Lange hat es gedauert, doch nun scheint das Thema Mobilität in Frechen angekommen zu sein - und die Jamaikakoalition will zur Trendsetterin werden, angeführt von der CDU-Bürgermeisterkandidatin S.Stupp. Dieser Eindruck kann jedenfalls entstehen, wenn man die politischen Äußerungen der vergangenen Wochen zusammen liest.

Auf Facebook etwa verkündet Frau Stupp, dass sie seit einem Monat mit einem Elektromobil durch die Gegend kutschiere und die Grünen durften vor den Ferien noch ihren kleinen kommunalpolitischen Erfolg verkünden, denn in Königsdorf am Bahnhof, wurde ein Carsharingparkplatz eingerichtet.
Etwas blauäugig erklärt Frau Erbacher für die Grünen:
„Da könnte vielleicht so mancher Zweitwagen durch die Nutzung eines Carsharing-Autos ersetzt werden - oder auch Erstfahrzeuge, die nur selten genutzt werden.“
Nun ja, eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und ein einzelnes Carsharing-Auto wird noch keinen Zweitwagen ersetzen. Aber das kann ja noch werden, wollen die Grünen doch Carsharing ausdehnen und auch in der Kernstadt einen Carsharing-Abstellplatz eingerichtet sehen. Dann haben wir 2 Schwalben. Vielleicht reicht das für einen Frechener Sommer ...

Das ist der Teil der offiziellen Verlautbarungen und Ankündigungen, es lohnt sich aber auch hier genauer hinzuschauen und etwas nachzudenken:

Eröffnen wir das Nachdenken mit einem Blick auf das Wahlprogramm von Frau Stupp: Abteilung Verkehr.
Der Programmpunkt "Verkehr" hat 6 Unterpunkte, wobei 5 der 6 Unterpunkte autozentriert sind: „Verbesserung der Verkehrswege“, „Straßen in einem guten Zustand“, „Bau von Umgehungsstraßen“ „Mobilitätskonzept mit Carsharing-Station und Ladestation für Elektrofahrzeuge“und "geeignete Gestaltung der Aachener Straße“.
Aber immerhin stellt sich das Wahlprogramm hinter den Radschnellweg Frechen – Köln.

Nun fährt Frau Stupp inzwischen ein Elektromobil und find‘ es wunderbar. Das passt ja auch zum Thema Änderungen im Bereich Mobilität und harmoniert mit dem Carsharing-Ansatz der Frechener Grünen. Das E-Auto als das grüne Anstecktüchlein im CDU-Wahlkampf. Ja das hat doch was, da hüpft das grüne Herz und vielleicht gibt es ja auch die eine oder andere grüne Leihstimme.

Leider aber löst Elektromobilität keines unserer lokalen oder bundesrepublikanischen Mobilitätsprobleme. Elektromobilität, und eben das kolportiert Frau Stupp mit ihrem Facebookauftritt, ist weiterhin in erster Linie Automobilität.
Es handelt sich um den blossen Ersatz des Verbrennungsmotors durch einen elektrischen Antrieb inklusive Batterie.

Die Folgeprobleme der Automobilität werden dadurch natürlich nicht geringer und die Autoindustrie kann sich freuen, denn der PKW bleibt weiter Symbol für Aufschwung, Wirtschaftswunder, Freiheit und sozialen Status.

Aber es kommt noch schlimmer, denn ein gleichwertiges Auto mit Verbrennungsmotor ist im direkten Vergleich einen satten 5-stelligen Eurobeitrag preiswerter als ein entsprechendes E-Auto. Da die Akkus zudem auf knappe Rohstoffe angewiesen sind, wird sich an diesen Kostennachteilen wenig ändern. Also wird das E-Auto für die meisten Menschen keine ökonomische Alternative sein.
E-Autos sind entweder reine Marketingmaßnahmen oder aber Prestigeobjekte für das obere Drittel der Gesellschaft. Da steht dann ein E-Auto neben dem Porsche Cayenne und die Haushaltshilfe darf mit dem E-Auto die Einkäufe erledigen.

Doch mal angenommen, aus den E-Autos würden bezahlbare Alternativen zu Autos mit Verbrennungsmotor, so benötigen E-Autos dann genauso viel Straßenraum und Parkraum wie Autos mit Verbrennungsmotor. Unsere innerstädtischen Probleme mit dieser Form der Mobilität werden also nicht geringer.

Daher sind wir also wieder bei der Ausgangsfrage jeglicher Mobilität: Sind private PKWs die geeigneten Fortbewegungsmittel für Städte? „NEIN“ wird diese Frage von der Mehrzahl aller Verkehrsexperten inzwischen beantworten. Die radikaleren unter den Experten gehen sogar noch einen Schritt weiter: Städte müssen für Autos unattraktiv gemacht werden, damit sie wieder lebenswert werden. Das wäre doch mal ein Thema für einen Bürgermeisterwahlkampf. Stattdessen reden wir über Umgehungsstraßen, die Vierspurigkeit von Straßen und den Ausbau von Autobahnanschlüssen.

Zu Fuß gehen, Öffentlicher Nahverkehr, das Fahrrad, das sind die Bestandteile eines zukunftweisenden Mobilitätskonzepts, dazu als Ergänzung Carsharing, Taxi oder Mietwagen.

Das zentrale Problem am Auto ist das Auto, ganz gleich ob unter der Motorhaube ein Verbrennungsmotor steckt oder ein Elektroantrieb. Um einen Menschen von A nach B zu bewegen wird bei einem Mittelklasseauto 1 Tonne Material in Bewegung gesetzt. Im Schnitt benötigt dieses Auto für 100 KM 60 KwH Energie.
Man muss es sich mal wieder vor Augen führen: um 80 KG Mensch zu bewegen, wird 1 Tonne Gewicht in Bewegung gesetzt. Das ist widersinnig!

Wer also ernsthaft über städtische Mobilität reden will, muss die Perspektive wechseln. Nicht das elektrogetriebene Auto darf in den Mittelpunkt der Debatte gestellt werden, nein unsere (städtische) Mobilität muss vom Fußgänger, vom Radfahrer, vom öffentlichen Nahverkehr her gedacht werden.

Und wenn man sich im Bereich der Elektromobilität profilieren will, so sollte man dies mit Elektrofahrrädern tun.
Im Gegensatz zu den E-Autos sind Elektrofahrräder technisch ausgereift und bezahlbar. Der Flächenverbrauch von Fahrrädern ist geringer, ebenso das Gefährdungspotential gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern, die Akkus sind kleiner (geringerer Ressourcenbedarf), die Räder sind einfach klimagerechter.

Der Stuppsche Umsteig ins E-Auto und der einsame Carsharing-Platz am Königsdorfer Bahnhof sind nicht mehr Marketinggags ohne substantiellen Mehrwert.

Wenn denn schon Elektromobilität, Frau Stupp, dann würde ich sie gerne auf einen E-Bike sehen (und das nicht nur im Wahlkampf …) – oder noch schöner, alleine mit Muskelkraft angetrieben, am besten zusammen mit Herrn Huck.




Das öffentlich-rechtliche Fernsehen findet zivilen Ungehorsam eine gute Sache:

Ein Kommentar von J Jürgen Döschner, WDR, ARD-Energieexperte vom 16.08.2015 direkt mit der Homepage der ARD verlinkt und schön runterkopiert.

Hier im Wortlaut:
Hut ab! Die Klima-Aktivisten im rheinischen Braunkohle-Revier verdienen Hochachtung und Respekt! Mit ihren Aktionen an diesem Wochenende sind sie mutig vorweg gegangen, haben symbolisch an einigen Stellen und für einige Stunden die gigantische Braunkohle-Maschinerie zum Stehen gebracht. Sie haben aufmerksam gemacht auf die größte Umweltbedrohung unserer Zeit: die Gefährdung des Weltklimas durch CO2 und die bedeutende Rolle, die die Braunkohle-Verstromung dabei spielt.

Es waren Aktionen des zivilen Ungehorsams: Friedlich, gewaltfrei, aber durchaus verbunden mit Regelüberschreitungen. Auf das abgesperrte Gelände der RWE-Braunkohlegrube zu laufen und sich vor die Bagger zu stellen, dürfte formal vermutlich den Tatbestand des Hausfriedensbruchs erfüllen. Aber dass RWE gemeinsam mit einem massiven Polizeiaufgebot versucht hat, seinen "Hausfrieden" mit Schlagstöcken und Pfefferspray durchzusetzen, dass RWE nun mit Massenklagen gegen rund 800 Aktivisten und Journalisten versucht, diese zu kriminalisieren - das ist nicht nur unangemessen, sondern zutiefst absurd.

Ausgerechnet jener Konzern, der mit seinen Braunkohlebaggern seit Jahrzehnten nicht nur den Frieden einzelner Häuser, sondern ganzer Dörfer und Regionen stört, ja die Häuser sogar zerstört, ausgerechnet dieser RWE-Konzern beklagt sich nun über Hausfriedensbruch, weil einige hundert Demonstranten durch die von RWE-Baggern zerstörten Landschaften wandern.

Rücksichtsloses Vorgehen

Bei seinem rücksichtlosen Vorgehen stützt sich der Konzern nicht nur auf Paragrafen, sondern auch auf seine wirtschaftliche und politische Macht. Regierende in Bund, Land und Kommunen verteidigen die Kohleverstromung, viele Städte und Gemeinden sind direkt an RWE beteiligt. Die Bilder von Polizisten, die in RWE-Geländewagen gemeinsam mit dem betriebseigenen Sicherheitsdienst Jagd auf Demonstranten machen, sprechen für sich.

Das hat die Demonstranten nicht nur wütend gemacht. Es hat sie auch in ihrer Absicht und Entschlossenheit bestärkt. Zu Recht, wie ich finde. Die Proteste im rheinischen Braunkohlerevier mögen nicht immer legal gewesen sein, aber sie sind angesichts der Ignoranz von Geld und Macht und angesichts der Bedrohung, die es abzuwehren gilt, völlig legitim.

Wer den Klimawandel stoppen will, muss den größten Teil der Kohle im Boden lassen. Selbst G7 und US-Präsident Obama haben das inzwischen eingesehen. Die Alternativen zur Kohle sind da, die Energiewende ist Realität. Noch glaubt RWE, diesen Wandel mit Schlagstöcken und Pfefferspray aufhalten zu können. Aber so wie an der Börse wird der Energieriese auch in den Braunkohlegruben früher oder später scheitern. Das Schicksal der Atomkraft sollte RWE zu denken geben.