Freitag, 21. August 2015
Vor einigen Tagen kam ich mit Unterstützern eines der Kandidaten um den Frechener Bürgermeisterposten ins Gespräch. Ich äußerte dabei, dass ich nicht erkennen könne, wo die Unterschiede zwischen den Programmen von Kandidat und Kandidatin nun liegen würden. Man könne auf das Programm von Frau Stupp leicht SPD drüber schreiben und über das Programm von Herrn Huck CDU.

Dem wurde nicht widersprochen, ja, das sei so.

Und aus welchem Grund soll ich dann bei einer bestimmten Person ein Kreuz machen, wenn ich im September in der Wahlkabine stehe?

Nun ja, jetzt bin ich ja als Kritiker verschrien und niemand wird mir abnehmen, dass ich sie oder ihn wählen werde, weil mich das jeweilige Programm so richtig überzeugt. Schaue ich auf alleine auf meinen kleinen Beritt, die Grube Carl, so kann ich guten Gewissens keinem der beiden meine Stimme geben.

Hier oben fehlt ein ganzheitliches Verkehrskonzept – keiner der beiden äußert sich hierzu.

Hier oben müsste die gesamte Bauplanung überdacht werden – keiner der beiden redet darüber.

Vor kurzem hat die Bürgerinitiative Grube Carl die Idee eines Bürgerparks ins Gespräch gebracht – beide hüllen sich in Schweigen.

Nun hat man als WählerIn in Frechen bei der kommenden Bürgermeisterwahl jedoch ein kleines Problem. Es gibt nur zwei Kandidaten: S.Stupp von der CDU und F.Huck von der SPD.

Und wenn man beide höchst ungern an der Spitze der Stadt sehen möchte?
Bei der Bürgermeisterwahl 2009 gab es ja noch Alternativen: die Bündnisgrünen hatten einen eigenen Kandidaten, ebenso die „Perspektive für Frechen“, die „Junge Alternative“ und selbst die FDP. Man hatte eine relativ breite Auswahl und verschiedene Vorstellungen, was für Frechen in den kommenden Jahren richtig und wichtig ist. Ja, das macht eine Demokratie aus: der Wähler, die Wählerin kann zwischen verschiedenen Optionen auswählen, kann bei Interesse Personen und Programme studieren und danach eine aus seiner / ihrer Sicht vernünftige Wahlentscheidung treffen.

Und 2015: tja, zwei Personen, deren politischen Inhalte sich nicht wesentlich unterscheiden. Grüne und FDP haben sich auf die Seite der CDU geschlagen, Ausfluss der Jamaika-Koalition, die „Jungen Alternativen“ gibt es nicht mehr, die „Perspektive für Frechen“ und die Linke haben auf eigene Kandidaten verzichtet.

Als guter Demokrat würde man jetzt ja trotzdem gerne wählen gehen, aber was bleibt als Auswahlkriterium übrig:
Alter?
Altersdiskriminierung: nicht erlaubt.
Geschlecht?
Diskriminierung aufgrund des Geschlechts: nicht erlaubt.

Das dürfen also alles keine relevanten Gründe sein, sich auf die eine oder andere Seite zu schlagen.

Was bleibt denn dann noch? Ja, genau, ein Argument, naja, eher ein Scheinargument, oder doch eher ein Pseudoargument?
DAS KLEINERE ÜBEL.

Wird ja oft bemüht und wir selber betrügen uns damit ja gerne selber, indem wir unsere eigene Wahlentscheidung vor uns selbst als die Wahl des KLEINEREN ÜBELS rechtfertigen. Soll heißen: überzeugt hat uns die Partei, die Person, der wir unsere Stimme gegeben haben, nicht. Aber den Anderen oder die Andere haben wir aus diversen Gründen für noch weniger wählbar gehalten.

Das genau ist das KLEINERE ÜBEL, eine bedingtes Misstrauenserklärung.

Die echte Misstrauenserklärung lautet Wahlabstinenz oder Abgabe einer ungültigen Stimme. Das aber traut man sich als guter Demokrat nicht. Da ist der gute Demokrat falsch sozialisiert für. Wir haben doch gelernt, dass wir als aufgeklärte gute StaatsbürgerInnen bei allen Wahlen unsere Stimme abzugeben haben, da Nichtteilnahme bedeuten würde, dass andere über unser Schicksal befinden würden. Man dürfe seine Stimme nicht verschenken …

Darüber ließe sich noch fechten, wenn es denn zwischen A und B eine wählbare Differenz gäbe. In Frankreich ist das häufiger der Fall, wenn es bei Stichwahlen zu einem Zweikampf zwischen dem rechtsextremen Front National und den Sozialisten oder den Konservativen kommt. Dann ist man als Demokrat aufgerufen, sich für die demokratische Seite zu entscheiden, gleich ob der demokratische Kandidat ein sozialistisches oder ein konservatives Parteibuch hat.

Aber in Frechen, bei einer Bürgermeisterwahl?
Ich stelle mir vor, ich finde ein KLEINERES ÜBEL und gebe diesem meine Stimme und dann gewinnt mein KLEINERES ÜBEL die Wahl und in der ersten Erklärung nach dem Wahlsieg bekomme ich zu hören, dass mein KLEINERES ÜBEL sich bei seinen Wählern und Wählerinnen für das ihm / ihr entgegen gebrachte Vertrauen bedankt.

Meine Wahl des KLEINEREN ÜBELS war eine bedingte Misstrauenserklärung, kein Vertrauensbeweis!

Und was muss ich dann feststellen?

Meine Wahl war ein großes Missverständnis. Mein KLEINERES ÜBEL hat die Botschaft meiner Wahl nicht verstanden.

Wem ist das in den letzten Jahren schon mal so gegangen? Man hat möglicherweise Rot gewählt und sie haben uns die Agenda 2010 und Hartz IV geschenkt. Man hat sie trotzdem nochmals gewählt, als KLEINERES ÜBEL und bekam im Gegenzug eine große Koalition mit Angela Merkel. Frau Merkel hätte man auch anders haben können…..

Ein jeder von uns der schon mal das KLEINERE ÜBEL gewählt hat, hat so seine eigene Liste von politischen Entscheidungen für die sein KLEINERES ÜBEL die Verantwortung trägt. In diesen Situationen würde man seinem KLEINEREN ÜBEL gerne die Stimme wieder entziehen. Aber das geht ja nicht. Einmal in die Urne geworfen gibt es kein Zurück mehr.

Und nun muss man auch bei dieser Wahl entscheiden, ob man wieder auf das KLEINERE ÜBEL setzt oder ob man aus einer bedingten eine echte Misstrauenserklärung macht.

Demokratie könnte Spass machen, reduziert auf die Entscheidung zwischen zwei KLEINEREN ÜBELN aber, vergeht einem jeder Spass.