Thema: Schulpolitik
01. Juni 15 | Autor: antoine favier | 4 Kommentare | Kommentieren
„Das Gymnasium Frechen versteht sich in erster Linie als Gymnasium für alle Frechener Kinder und Jugendliche.“So das Selbstverständnis des Frechener Gymnasiums, wie es in der Stellungnahme der Gymnasiums zum neuen Frechener Schulentwicklungsplan zu finden ist.
Bei einem Blick auf die Anmeldezahlen des Frechener Gymnasiums findet man diese Selbsteinschätzung jedoch eher nicht bestätigt. Gelang es dem Gymnasium für das Schuljahr 2013/14 noch über 35% der Eltern der Viertklässler von der Qualität der eigenen Schule zu überzeugen, so ist diese Quote inzwischen auf gerade noch 28,7 % gesunken.
Das ist natürlich schon sehr erstaunlich, denn das Gymnasium rühmt sich, dass „es als einziges Gymnasium im Rhein-Erft-Kreis den Status als MINT-ec-Schule (…)“ hat. Ja, dass es „einen exzellenten Unterricht in Naturwissenschaften“ bietet und „in allen Aufgabenfeldern interessante Angebote bereit“ hält.
Irgendetwas muss da wohl gravierend schief laufen. Auch hierzu hat das Gymnasium ein paar Erklärungen, die jedoch die eigene Selbstwahrnehmung nicht arg beeinträchtigen:
Zum einen natürlich die Eltern, die Kinder auf’s Gymnasium schicken, wo doch bereits zuvor klar war, dass für viele dieser Kinder das Gymnasium nicht geeignet ist:
Das lässt aber außer Acht, dass die Schülerzahlen gerade zum Schuljahr 2012/13 extrem angestiegen war, und zwar so extrem, dass sich bei vielen dieser Schülerinnen und Schüler herausstellte, dass sie für die Schulform Gymnasium nicht geeignet waren.Und der Rest erklärt sich relativ einfach aus einer Art Frechener Tradition, die Kinder auf externe Gymnasien zu schicken:
Die Zahl der Auspendler ist in Frechen schon lange relativ hoch. Es gibt traditionelle Bindungen zu Kölner Schulen bzw. Frechener Schülerinnen und Schüler besuchen Gymnasien in Nachbargemeinden, die für sie näher liegen als das Gymnasium Frechen.Auch hier sollte man besser nicht allzu tief in die Statistik einsteigen, denn die statistische Wahrheit und die gymnasiale Wahrheit weichen etwas voneinander ab.
Ein Blick auf die erste Grafik belegt eine abweichende Entwicklung:
2013/14 war ein sehr starker Schülerjahrgang zur Anmeldung gekommen. Von 450 Abgängen der Grundschule wollten 35% auf das Frechener Gymnasium und weitere 20% wählten ein Gymnasium oder eine Gesamtschule außerhalb Frechens aus. 2014/15 haben nur 389 Kinder von der Grundschule auf’s Gymnasium gewechselt. Bei einer Quote von 35% hätten sich 136 Kinder für’s Gymnasium entscheiden müssen, aber nur 120 Kinder (= 31%) haben das getan. 2015/16 ist wieder ein recht starker Jahrgang, 425 Kinder suchen eine weiterführende Schule. Bei einer Quote von 35% müssten sich 149 Kinder für’s Gymnasium entschieden. Es waren aber nur 122 (29%). Davon abweichend die Entwicklung bei der eh komplett überfüllten Realschule, diese hat von 2013/14 auf 2014/15 ihren Anteil von 30 auf 37% der Kinder erhöht und sich in diesem Jahr auf dieser Höhe gehalten. Absolut bedeutet das, dass dieses Jahr 156 Frechener Kinder die Realschule besuchen.
Irgendetwas scheint da ins Rutschen gekommen zu sein.
Ebenso erstaunlich ist, dass das „einzige“ MINT-ec-Gymnasium im Rhein-Erft-Kreis mit „exzellentem Unterricht in Naturwissenschaften“ es nicht vermag, auswärtige SchülerInnen anzuziehen. Noch 2013/14 haben sich 12 Kinder aus Umlandgemeinden am Frechener Gymnasium angemeldet, letztes Jahr waren es noch drei und für das nächste Schuljahr konnte das hiesige Gymnasium noch ein einziges externes Kind von der eigenen Qualität überzeugen.
Das Albert-Schweitzer-Gymnasium in Hürth, ein Gymnasium ohne jegliche Besonderheit, hat es geschafft, die Eltern von 20 Frechener Kindern zu binden.
Das räumliche Argument, das sich in der Stellungnahme des Frechener Gymnasiums findet, dass nämlich in bestimmten Wohnlagen das externe Gymnasium näher gelegen sei, als das städtische greift als Erklärungsmuster hier nicht. Der Schulweg zum Hürther Gymnasium ist, egal wo die Kinder in Frechen wohnen, immer länger als zum Frechener.
Darf man fragen, was das Hürther Gymnasium besser macht?
Noch viel weniger greift das räumliche Argument für die beiden Kinder, die bspw. das Gymnasium in Kerpen besuchen. Eine Verdoppelung, ja Verdreifachung des Schulwegs, nur um nicht das Frechener Gymnasium besuchen zu müssen, das ist erklärungsbedürftig.
Aber im Grunde liefert die gymnasiale Stellungnahme selber genügend Hinweise, warum viele Eltern das lokale Gymnasium meiden:
Da ist natürlich der gepflegte Bildungsdünkel („… für die Schulform nicht geeignet“), der sich in Aussagen wie der fehlenden Eignung bestimmter Kinder Ausdruck verschafft.
Das Problem ist aber auch sprachlich zu erkennen, denn in Bezug auf die MINT-Qualitäten wird der „exzellente Unterricht“ durch die vielen Fachlehrer gelobt, ebsnso die tolle Ausstattung der Räumlichkeiten. Daneben gebe es weitere tolle (freiwillige) Angebote in einem Leistungszentrum.
Und ansonsten hält das Gymnasium „in allen Aufgabenfeldern interessante Angebote“ bereit und verweist dabei auf freiwillige Arbeitsgemeinschaften oder Austauschprogramme mit ausländischen Schulen.
Könnte es sein, dass sich hierin implizit eine unterschiedliche Wertigkeit zwischen dem naturwissenschaftlichen und den übrigen Lernbereichen Ausdruck verschafft?
Beim derzeitigen Stand der Erkenntnis bleibt festzuhalten, dass das Frechener Gymnasium vor einem echten Problem steht:
anscheinend differieren Fremd- und Selbsteinschätzung gewaltig mit der Folge, dass jedes Jahr mehr Eltern für ihre Kinder eine schulische Alternative suchen.
Kommt nun zum kommenden Schuljahr 2016/17 die Gesamtschule, so muss das Gymnasium befürchten, in die gepflegte Vierzügigkeit zurückzufallen.
Beruhigend für alle Frechener Kinder: es gibt dann endlich eine zum Abitur führende schulische Alternative vor Ort. Kinder, denen das Gymnasium die gymnasiale Reife abspricht, können an der neuen Gesamtschule vor Ort ihr Abitur machen, ohne als „nicht geeignet“ gebrandmarkt zu werden.
Das alleine ist es wert, dass die Gesamtschule kommt.