Thema: Bundestagswahl 2013
16. September 13 | Autor: antoine favier | 0 Kommentare | Kommentieren
Wenn man die offiziellen Stimmen hört, dann eher nicht, denn: „die Uhren in Bayern ticken anders.“ Tick-tack, Tick-tack.
Neugierig, aber ohne Anspruch auf statistische Relevanz, genügt aber ein Blick auf die Ergebnisse der städtischen Wahlkreise Augsburg, Nürnberg und München, um doch ins Grübeln zu geraten:
Wir reden hier von 14 Wahlkreisen, wovon 13 Wahlkreise einen CSU-Kandidaten direkt in den Landtag gewählt haben. Eine Additiion der Erststimmen von SPD und Grünen ergibt aber, dass insgesamt 9 Wahlkreise direkt von der Opposition hätten gewonnen werden können, wenn die Erststimmen der GrünwählerInnen auf den SPD-Kandidaten übertragen worden wären.
Sind sie aber nicht. In diesen 14 betrachteten Wahlkreisen haben Grün-Wähler mit der Erst- und der Zweitstimme grün gewählt.
Da gibt es nun verschiedene Erklärungsansätze.
Es kann sein, dass es bei den bayerischen Grünen nicht das Gefühl gab, dass eine Erststimme für den SPD-Kandidaten viel bringen wird. Tenor: „Der wird den Wahlkreis eh nicht gewinnen.“
Ein weiterer Erklärungsansatz lautet, dass die SPD in ihrer derzeitigen Verfassung keine programmatische Anziehungskraft für GrünwählerInnen entwickelt. Grüne Kernanliegen sind weder mit einer CDU noch einer SPD einfach umzusetzen. Energiewende? Klar, wollen beide, aber den Energiemonopolisten weh tun, hier im rheinischen Revier bspw. die Braunkohleverstromung in Frage stellen, das will keine der beiden großen Parteien.
Oder das Thema Mobilität: da treffen sich die beiden Großen ohne Probleme. Hier vor Ort planen sie schon den vierten Kölner Ring von Niehl über Pulheim, Frechen und Hürth, fordern den vierspurigen Ausbau der Bonner Straße usw. Die Liste von geplanten oder erhofften Straßenbauprojekten in der Region ist Legion.
Andererseits fehlen Bund, Land, Kreis und Kommunen jetzt bereits die Haushaltsmittel, um das existierende Straßennetz in Schuss zu halten. In sich ist das also unschlüssig, aber, da Neubau / Ausbau besser klingt als "reparieren" und die großen Parteien sich beide als „Infrastrukturparteien“ verstehen, deren Fokus bei den Autofahrern liegt, ist Straßenneubau ein Punkt in dem sich die beiden leicht treffen.
Wer aber vor dem Hintergrund der mit dem Verkehr verbundenen Belastungen (Landschaftsverbrauch, Lärm, Kosten) fordert, den ÖPNV auszubauen, in „Fahrrad“ zu investieren, der wird immer noch milde belächelt.
Die Liste der Punkte, bei denen es aus Sicht eines Grün-Wählers /einer Grün-Wählerin, ziemlich egal ist, wer die Wahl gewinnt, wer das Dirketmandat erhält, ist also lange.
Klar, es gibt andere Politikfelder, wo sie SPD und Grüne deutlich näher sind, aber diese Punkte spielen in diesem Wahlkampf keine überragende Rolle, wie überhaupt grüne Kernanliegen es kaum auf die große Bühne geschafft haben.
Lange Jahre ging man in der SPD trotzdem davon aus, dass Grün-WählerInnen aus prinzipieller Nähe zur SPD ihre Erststimme auf den SPD-Kandidaten übertragen würden. Das hat auch so funktioniert. Bei einer genaueren Analyse der vergangenen Bundes- und Landtagswahlen in Frechen stellt man aber fest, dass der Stimmenübertrag immer schlechter klappt.
Bei der Bundestagswahl 2005 gaben 55% derjenigen, die den Grünen die Zweitstimme gaben, ihre Erststimme einer anderen Kandidatin, vermutlich der SPD-Kandidatin. Bei der Bundestagswahl 2009 lag die Transferrate noch bei 29%, bei der Landtagswahl 2010 bei 22% und bei der Landtagswahl 2012 bei gerade mal 16%. Tendenz: stark fallend.
Das hat bei der Landtagswahl 2012, als die SPD die Direktmandate im Kreis alle gewann, keine entscheidende Rolle gespielt, da die CDU mit einem massiven Mobilisierungsproblem zu kämpfen hatte. Bei einer „normalen“ Mobilisierung aber wäre der Wahlkreis nicht an die SPD-Kandidatin gefallen, sondern bei der CDU geblieben. Denn, das sei hier nur am Rande erwähnt: der Stimmentransfer hin zum CDU-Kandidaten innerhalb des bürgerlichen Lagers funktioniert bei Bundes- und Landtagswahlen bisher immer noch anstandslos.
Wenn also die SPD das Direktmandat im Wahlkreis Rhein-Erft 1 haben will, so kann sie sich heutzutage nicht mehr damit begnügen, die eigene Wählerschaft zu mobilisieren, denn die eigene Wählerschaft reicht nur unter extremen Bedingungen aus, ein Direktmandat zu erobern.
Stellt sich die Frage, ob die SPD den grünen WählerInnen im Wahlkreis in den vergangenen Jahren politisch in zentralen Fragen entgegen gekommen ist, um einen Stimmentransfer hin zum SPD-Kandidaten zu ermöglichen. Und ergänzend: glauben Grün-WählerInnen, dass die SPD den Wahlkreis erobern wird?
Diese Fragen mag jedEr für sich selber beantworten. Je nach Antwort kann man bereits heute ziemlich sicher prognostzieren, wer hier vor Ort das Direktmandat erhalten wird.
Man muss also nicht unbedingt gleich Lehren aus den bayerischen Wahlen ziehen, aber man kann am bayerischen Beispiel Fragen formulieren und die bayerischen Antworten auf ihre Übertragbarkeit überprüfen. Und siehe da, so anders ticken die Uhren in Bayern nicht.
Und sozusagen als von niemandem gerne gelesenes Postscriptum: auch die Transferrate der Linken-WählerInnen zur SPD ist unterirdisch. Wer jedoch, wie die SPD, diesen Wahlkreis direkt erobern will, muss sich fragen, wie er an dieses Stimmenpotential herankommt.
Neugierig, aber ohne Anspruch auf statistische Relevanz, genügt aber ein Blick auf die Ergebnisse der städtischen Wahlkreise Augsburg, Nürnberg und München, um doch ins Grübeln zu geraten:
Wir reden hier von 14 Wahlkreisen, wovon 13 Wahlkreise einen CSU-Kandidaten direkt in den Landtag gewählt haben. Eine Additiion der Erststimmen von SPD und Grünen ergibt aber, dass insgesamt 9 Wahlkreise direkt von der Opposition hätten gewonnen werden können, wenn die Erststimmen der GrünwählerInnen auf den SPD-Kandidaten übertragen worden wären.
Sind sie aber nicht. In diesen 14 betrachteten Wahlkreisen haben Grün-Wähler mit der Erst- und der Zweitstimme grün gewählt.
Da gibt es nun verschiedene Erklärungsansätze.
Es kann sein, dass es bei den bayerischen Grünen nicht das Gefühl gab, dass eine Erststimme für den SPD-Kandidaten viel bringen wird. Tenor: „Der wird den Wahlkreis eh nicht gewinnen.“
Ein weiterer Erklärungsansatz lautet, dass die SPD in ihrer derzeitigen Verfassung keine programmatische Anziehungskraft für GrünwählerInnen entwickelt. Grüne Kernanliegen sind weder mit einer CDU noch einer SPD einfach umzusetzen. Energiewende? Klar, wollen beide, aber den Energiemonopolisten weh tun, hier im rheinischen Revier bspw. die Braunkohleverstromung in Frage stellen, das will keine der beiden großen Parteien.
Oder das Thema Mobilität: da treffen sich die beiden Großen ohne Probleme. Hier vor Ort planen sie schon den vierten Kölner Ring von Niehl über Pulheim, Frechen und Hürth, fordern den vierspurigen Ausbau der Bonner Straße usw. Die Liste von geplanten oder erhofften Straßenbauprojekten in der Region ist Legion.
Andererseits fehlen Bund, Land, Kreis und Kommunen jetzt bereits die Haushaltsmittel, um das existierende Straßennetz in Schuss zu halten. In sich ist das also unschlüssig, aber, da Neubau / Ausbau besser klingt als "reparieren" und die großen Parteien sich beide als „Infrastrukturparteien“ verstehen, deren Fokus bei den Autofahrern liegt, ist Straßenneubau ein Punkt in dem sich die beiden leicht treffen.
Wer aber vor dem Hintergrund der mit dem Verkehr verbundenen Belastungen (Landschaftsverbrauch, Lärm, Kosten) fordert, den ÖPNV auszubauen, in „Fahrrad“ zu investieren, der wird immer noch milde belächelt.
Die Liste der Punkte, bei denen es aus Sicht eines Grün-Wählers /einer Grün-Wählerin, ziemlich egal ist, wer die Wahl gewinnt, wer das Dirketmandat erhält, ist also lange.
Klar, es gibt andere Politikfelder, wo sie SPD und Grüne deutlich näher sind, aber diese Punkte spielen in diesem Wahlkampf keine überragende Rolle, wie überhaupt grüne Kernanliegen es kaum auf die große Bühne geschafft haben.
Lange Jahre ging man in der SPD trotzdem davon aus, dass Grün-WählerInnen aus prinzipieller Nähe zur SPD ihre Erststimme auf den SPD-Kandidaten übertragen würden. Das hat auch so funktioniert. Bei einer genaueren Analyse der vergangenen Bundes- und Landtagswahlen in Frechen stellt man aber fest, dass der Stimmenübertrag immer schlechter klappt.
Bei der Bundestagswahl 2005 gaben 55% derjenigen, die den Grünen die Zweitstimme gaben, ihre Erststimme einer anderen Kandidatin, vermutlich der SPD-Kandidatin. Bei der Bundestagswahl 2009 lag die Transferrate noch bei 29%, bei der Landtagswahl 2010 bei 22% und bei der Landtagswahl 2012 bei gerade mal 16%. Tendenz: stark fallend.
Das hat bei der Landtagswahl 2012, als die SPD die Direktmandate im Kreis alle gewann, keine entscheidende Rolle gespielt, da die CDU mit einem massiven Mobilisierungsproblem zu kämpfen hatte. Bei einer „normalen“ Mobilisierung aber wäre der Wahlkreis nicht an die SPD-Kandidatin gefallen, sondern bei der CDU geblieben. Denn, das sei hier nur am Rande erwähnt: der Stimmentransfer hin zum CDU-Kandidaten innerhalb des bürgerlichen Lagers funktioniert bei Bundes- und Landtagswahlen bisher immer noch anstandslos.
Wenn also die SPD das Direktmandat im Wahlkreis Rhein-Erft 1 haben will, so kann sie sich heutzutage nicht mehr damit begnügen, die eigene Wählerschaft zu mobilisieren, denn die eigene Wählerschaft reicht nur unter extremen Bedingungen aus, ein Direktmandat zu erobern.
Stellt sich die Frage, ob die SPD den grünen WählerInnen im Wahlkreis in den vergangenen Jahren politisch in zentralen Fragen entgegen gekommen ist, um einen Stimmentransfer hin zum SPD-Kandidaten zu ermöglichen. Und ergänzend: glauben Grün-WählerInnen, dass die SPD den Wahlkreis erobern wird?
Diese Fragen mag jedEr für sich selber beantworten. Je nach Antwort kann man bereits heute ziemlich sicher prognostzieren, wer hier vor Ort das Direktmandat erhalten wird.
Man muss also nicht unbedingt gleich Lehren aus den bayerischen Wahlen ziehen, aber man kann am bayerischen Beispiel Fragen formulieren und die bayerischen Antworten auf ihre Übertragbarkeit überprüfen. Und siehe da, so anders ticken die Uhren in Bayern nicht.
Und sozusagen als von niemandem gerne gelesenes Postscriptum: auch die Transferrate der Linken-WählerInnen zur SPD ist unterirdisch. Wer jedoch, wie die SPD, diesen Wahlkreis direkt erobern will, muss sich fragen, wie er an dieses Stimmenpotential herankommt.