Freitag, 26. Oktober 2018
Thema: RWE
Da haben sie demonstriert, der RWE-Angehörigen und die Rodung des Hambacher Forstes gefeiert und alle sind sie gekommen. Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IG Bergbau, Chemie, Energie, Armin Laschet, der Ministerpräsident des Landes NRW, Rolf Martin Schmitz, Chef des Energieversorgers RWE, Landtagsabgeordnete und lokale Mandatsträger sopwie laut Polizei rund 20.000 weitere Demonstranten.
Und alle haben sie ihre Solidarität mit den Angestellten der RWE bekundet, deren Arbeitsplätze gefährdet seien, wenn denn die Energiewende zu schnell komme.

Nun ist ein Strukturwandel für die direkt Betroffenen nie schön, trotzdem sollte man die Kirche im Dorf lassen. 1990 gab es in der Braunkohleindustrie noch rund 100.000 Arbeitsplätze. Davon sind noch rund 20.000 Arbeitsplätze übrig geblieben. Ende Dezember 2016 wurden 19.854 Beschäftigte in der Braunkohlenindustrie ausgewiesen. Davon entfallen etwa 5.000 Beschäftigte auf die Braunkohlekraftwerke.

In der Studie des Umweltbundesamtes wird auch geprüft, wie sich die Arbeitsplatzsituation in Zukunft entwickeln wird. Auf Basis aller bisher bereits entschiedenen Klimaschutzmaßnahmen (also ohne den jetzt diskutierten beschleunigten Ausstieg) wird die Anzahl der in der Braunkohle Beschäftigten bis 2030 von 20.000 auf dann noch maximal 15.000 ArbeitnehmerInnen sinken. So oder so, es werden immer weniger Beschäftigte in der Braunkohleindustrie.

Diese knappen Zahlen weisen darauf hin, dass die Bedeutung der Braunkohle sowohl gesamtgesellschaftlich als auch regional stark übertrieben wird. Dazu merkt das RWI (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung) in einer Studie an:
"Auch die Beschäftigungsquote, also der Anteil der Braunkohlebeschäftigten an der Bevölkerung, weist aus, dass die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Braunkohlesektors selbst in den Braunkohleregionen eher geringer ist, als dies die öffentlichen Diskussionen über die Braunkohleindustrie gelegentlich nahelegen, in denen dessen tatsächliche Relevanz mitunter überzeichnet wird.
Wirklich bedeutend ist die Braunkohleförderung und –verstromung für die RWE, die hier seit Jahrzehnten gute Gewinne erwirtschaftet hat. Da die RWE den Umstieg auf die dezentrale alternative Stromerzeugung einfach verschlafen hat, man war ja gut in Atomkraft- und Kohlekraftwerke investiert.

Mit anderen Worten, die IG BCE hat sich vor den Wagen der RWE spannen lassen. Dieses ungleiche Bündnis verdeckt, dass die RWE die Arbeitsplätze auf dem Gewissen haben wird und nicht der Umbau der Stromversorgung hin zu einer CO2-neutralen, der Dekarbonisierung der Stromproduktion. RWE hat sich zu lange auf seinem Kraftwerkspark und seinem weit in die Politik hineinreichenden Einfluss ausgeruht und den Wandel schlicht verschlafen.

Die Arbeit der Kohlekommission verschärft nun das Dilemma der RWE, denn seit der Einrichtung der Kohlekommission ist klar, dass nicht mehr über das ‚OB‘ des Ausstiegs aus der Braunkohle gestritten wird, sondern nur noch über das ‚WANN‘. Schon heute ist klar, dass der von der rotgrünen NRW- Landdesregierung genehmigte Braunkohleabbau bis 2045 nicht mehr realisiert werden wird.

Im Gespräch sind wohl Kompromisslinien, die einen Abbau bis 2037-39 vorsehen. Aber auch diese Kompromisslinien werden nicht halten, denn der letzte Sonderbericht des Weltklimarates hat zweierlei deutlich gemacht: Einerseits ist die ursprüngliche Marschlinie, die globale Erwärmung auf maximal 2 Grad zu begrenzen wird wohl nicht ausreichen. Vermutlich wird das globale Klimasystem dann bereits in einen Modus eines nicht mehr zu bremsenden, selbsttätig ablaufenden und sich selbst verstärkenden Erwärmungsprozess umgeschlagen werden sein.

Die Klimaforschung referiert also immer stärker auf die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5%. Andererseits ist es zur Erreichung dieses ehrgeizigen Ziels unerlässlich, bis 2050 komplett und weltweit aus der kohlebasierten Stromerzeugung auszusteigen. Für Deutschland (und für Europa) heißt das, dass der Kohleanteil an der Stromerzeugung dabei bis 2030 erheblich gesenkt werden muss. Im Bericht des Weltklimarates heißt es sehr eindeutig, „dass die Nutzung von Kohle zur Stromerzeugung in Deutschland bis 2030 eingestellt werden muss“, wenn das 1,5-Grad-Ziel erreicht werden soll. Bis 2020 müssen die kohleinduzierten Emissionen um 42% unter das Niveau von 2017 herabgefahren werden und bis 2030 auf Null heruntergefahren werden. Diese Zielvorgaben entsprechen den im Pariser Abkommen von der Bundesrepublik übernommenen Verpflichtung der CO2-Reduktion.

Diese Vorgaben werden von dem Thinktank „Climate Analytics“ auf ihre Realisierbarkeit geprüft. Dabei wird deutlich, dass die Verzögerungen beim Ausstieg aus der Kohleverstromung dazu führen, dass nun bis 2020 deutlich größere Anstrengungen unternommen werden müssen, um die Emissionen zu vermindern. Die Studie kommt dabei zu dem eindeutigen Ergebnis, dass in Deutschland Kohlekraftwerke vorzeitig stillgelegt werden bzw. ihre Leistung massiv reduzieren müssen. Wird weiter gemacht wie bisher geplant, so würden bis 2020 76 Mio und bis 2030 180 Mio Tonnen CO2 mehr ausgestoßen als mit dem Pariser Abkommen vereinbar.

Nach derzeitigen Vorgaben werden in Deutschland bis 2020 4,2 GW Kohle-Kapazitäten vom Netz gehen. Um die Vorgaben aus dem Pariser Abkommen zu erreichen, müssen jedoch inzwischen bis 2020 16 GW vom Netz gehen. Die Studie geht davon aus, dass es aktuell genügend Überkapazitäten und reaktivierbare Gaskraftwerkskapazitäten gibt, die es ermöglichen, „beträchtliche Braunkohle-Kapazitäten“ vom Netz zu nehmen, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden. Entsprechende Untersuchungen gehen daher davon aus, dass ein beschleunigter Kohleaussteig nur zu einem moderaten Anstieg der Großhandelspreise für Strom sorgen wird. Womit auch die Angst vor massiv steigenden Strompreise eher übertrieben erscheint.

Und dann sozusagen als direkte Antwort auf die Demonstrationen in Elsdorf formuliert die Studie:
„Die Befürchtung von möglichen wirtschaftlichen Folgen und Arbeitsplatzverlusten durch einen beschleunigten Kohleausstieg sind in den betroffenen Kohlegebieten ein zentrales Anliegen. Die aktive Unterstützung des seit Jahrzehnten andauernden notwendigen Strukturwandels in diesen Regionen kann jedoch dazu beitragen, wirtschaftliche Alternativen mit besseren Zukunftsperspektiven auch für jüngere Generationen zu schaffen. Finanzielle Unterstützung und Umschulung der betroffenen Mitarbeiter bei gleichzeitiger Bereitstellung alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten können die negativen sozialen Auswirkungen eines Kohleausstiegs abfedern. Die meisten Studien kommen zu dem Schluss, dass ein schneller Kohleausstieg unvermeidlich ist und dass die Folgen für die betroffenen Regionen sozialverträglich gestaltet werden können.
Doch was eigentlich an der gesamten Debatte stört, da darüber nicht geredet wird , ist die Tatsache, dass die Kohleverstromung ist ein extrem schmutziges Geschäft ist. Neben dem bekannten CO2 werden weitere gesundheitsschädliche Luftschadstoffe und Schwermetalle in erheblichen Mengen in die Atmosphäre ausgestoßen.



Erwähnenswert sind Schwefeloxide, Stickoxide, Feinstaub und Quecksilber.



Ein Ende der Kohleverstromung würde hier zu bedeutenden Co-Benefits führen, denn durch den beschleunigten Ausstieg könnte jeweils mehr als die Hälfte der Schadstoffemissionen vermieden werden:
“Zu den vermiedenen Folgen eines 1,5-Grad-kompatiblen Ausstiegspfades für Kohle bis zum Jahr 2030 gehören mehr als 20.000 vorzeitige Todesfälle, 9.400 Krankenhauseinweisungen und 420.000 "Asthmaanfälle bei Kindern und rund 6,7 Millionen verlorener Arbeitstage. Zusammen mit anderen vermiedenen Auswirkungen, etwa auf Nutzpflanzen, können damit erhebliche Kosten eingespart werden.“
Braunkohleabbau und –verstromung beinhalten also auch das Recht für die Produzenten, in großem Umfang die Gesundheit von Menschen in der direkten und weiteren Umgebung massiv zu gefährden bzw. zu schädigen. Auch andere haben dieses Recht: im Zusammenhang mit der Schadstoffbelastung in den deutschen Städten, die in einem direkten Zusammenhang mit dieselgetriebenen PKW, Transportern und LKWs stehen, wissen wir, dass das Recht, auf saubere Luft und damit ein Leben mit weniger gesundheitlichen Beeinträchtigungen einen sehr geringen Stellenwert hat. Weder dürfen die Gewinnmargen der Autoindustrie gefährdet werden, noch das Recht des Automobilisten auf ungehinderte Fortbewegung. Und so fordert RWE folgerichtig, dass auch sie so lange als möglich die gesundheitsgefährdende Produktion von Strom in der bisherigen Form fortführen darf.

Und die DemonstrantInnen haben sich vor diesen schmutzigen Karren spannen lassen.




Montag, 22. Oktober 2018
Thema: Grube Carl
"Positiv überrascht und beeindruckt" zeigte sich die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Frechener Stadtrat M.Erbacher nach der Vorstellung der neuen Planungen für die Grube Carl. Was nun Frau Erbacher so positiv überrascht hat, das erschließt sich bei näherem Hinsehen kaum.

Erkennbar ist, dass die Reihenfolge der Bebauungen der Baufelder geändert werden soll, diese also nicht mehr von Ost nach West fortschreitend erfolgen soll, sondern dass im Osten und Westen gleichzeitig entwickelt werden soll. Das hat während der Entwicklung gewisse Vorteile, da der Verkehr der westlichen Bauflächen via Rosmarer Weg / Straße Grube Carl fließen soll und damit der Grefrather Weg und die Straße Zum Bellerhammer entlastet wird. Gleichzeitig soll die Bebauung verdichtet werden, wodurch auf den noch unbebauten Flächen statt der 600 bis zu 1.000 neue Wohneinheiten entstehen sollen.

Problematisch aber ist, dass der größte Schwachpunkt aller bisherigen Planungen auch in der aktualisierten Version nicht abgestellt wird. Am Verkehrskonzept für den Stadtteil wurde im Grunde nichts verändert, es ist noch aus dem letzten Jahrhundert. Nun ist der Klimawandel kein Ereignis mehr, dass ich auf irgendwelchen Pazifikinseln abspielt, sondern der gerade vergangene Sommer war ein erster Hinweis, was uns zukünftig erwarten wird. Viele Zeichen deuten darauf hin, dass sich der Klimawandel beschleunigt hat und unsere bisherigen Maßnahmen unzureichend sind. Der gerade veröffentlichte IPCC-Bericht fordert daher unverzügliche und durchgreifende Maßnahmen, um den CO2-Ausstoß innerhalb weniger Jahre auf Null zu reduzieren.

Dieses Baugebiet soll über die kommenden beiden Jahrzehnte entwickelt werden, muss also zwingend auf diese Anforderungen reagieren. Eine der größten CO2-Quellen ist der Verkehr. Auch hier sind die Ansagen eindeutig: unser Mobilitätsverhalten muss sich grundlegende verändern. Vereinfacht formuliert: weg vom eigenen Auto. Womit auch gemeint ist, dass E-Mobilität keine Lösung darstellt, da auch E-Mobilität eine ressourcenfressende Form der Fortbewegung ist, die wir uns nicht mehr werden leisten können.
Also brauchen wir einen Ausbau der Infrastrukturen des öffentlichen Nahverkehrs und des Radverkehrs.

Zum öffentlichen Nahverkehr wird eine in weiter Zukunft liegende Idee formuliert, die schon seit Jahrzehnten im Schwange ist: die Umwidmung der Nord-Süd-Bahn, auf der aktuell noch schmutzige Braunkohle aus dem Tagebau Hambach in die Kraftwerke transportiert wird. Hier könnte der Stadtteil langfristig an den ÖPNV angebunden werden.

Gleichzeitig aber wird ein Verkehrsgutachten beauftragt, mit dem die Belastungsgrenze der Kreisverkehre Dürener Straße / Grube Carl und Neuer Weg neu berechnet werden soll, da ja mehr Menschen hier wohnen sollen als bisher geplant. Schon in einem früheren Verkehrsgutachten war festgestellt worden, dass der Kreisel Dürener Straße/ Grube Carl nicht in der Lage sein wird, bei einer Komplettbebauung des Stadtteils den gesamten Verkehr aufzunehmen. Der Zeitpunkt, ab dem der Kreisverkehr überlastet sein wird, so darf vermutet werden, wird bei einer baulichen Verdichtung also deutlich früher eintreten, als in der alten Planung.
Mit anderen Worten, der Zeitpunkt, zu dem die Verlängerung des Freiheitsrings hoch in den Stadtteil uns als „alternativlos“ verkauft werden wird, wird schneller kommen als bisher angenommen.
Dabei, „alternativlos“ ist diese Entwicklung nicht.

Was benötigt wird, ist ein sofortiger Einstieg in die Verlängerung der Linie 7. Es war bereits ein Fehler, die Linie 7 nicht direkt mit der Entwicklung der ersten Bauabschnitte in den Stadtteil hinein zu führen. Dieser Fehler wurde, so berichtete der KStA am 17.10.2018, auch im Neubaugebiet Widdersdorf begangen. In Neu-Widdersdorf war eine Straßenbahnanbindung versprochen worden, die aber bis heute auf sich warten lässt. Dort, so erklärte ein Stadtplaner „hätte die Trasse zeitgleich mit oder vor den ersten Häusern gebaut werden müssen. Wird eine Bahn in einem bereits bestehenden Wohngebiet installiert, wird sie viel weniger angenommen.“ Und warum das so ist, das erklärte eine Widdersdorferin ganz klar: „Die meisten Familien haben hier aber in dem Wissen gebaut, auf zwei Autos angewiesen zu sein.“
Eine Busverbindung, das wäre ja eine mögliche Alternative zur Straßenbahn, insbesondere in der Frechener Sparversion, wird niemals die gleiche Akzeptanz erreichen, wie eine direkte Straßenbahnanbindung bis ins Kölner Zentrum.

Die Frechener Planung geht nun von bis zu 1.000 Wohneinheiten aus, was bedeutet, dass bis zu 2.000 zusätzliche Autos dazu kommen werden, mit einer entsprechender Anzahl an täglichen Fahrten im Stadtteil, und aus dem Stadtteil heraus und wieder zurück. Ein Albtraum für den gesamten Frechener Westen, aber ein selbstgewähltes Schicksal, da die Stadtverwaltung die Investition in die Verlängerung der Linie 7 scheut und lieber in Straßen und Parkplätze investiert.

Zur Absurdität wird es dann, wenn in der Verwaltungsvorlage postuliert wird, dass man plane, ein Kreativquartier zu entwickeln, um die Wohnattraktivität zu steigern und darüber die Stadt Frechen insgesamt zu profilieren. Im Rahmen eines Workshops war dann festgestellt worden, „dass Urbanität städtebaulich nicht nur geplant, sondern auch umgesetzt und gelebt werden muss.“
Urbanität bedeutet heutzutage aber, dass das Auto als Verkehrsmittel immer unwichtiger und u.a. der ÖPNV und andere Formen der Mobilität immer wichtiger werden.

Eine grüne Politikerin, die die Entwicklung auf Grube Carl noch vor wenigen Jahren als "planlose Siedlungspolitik" bezeichnet hat, die noch vergangenes Jahr darauf hingewiesen hat, dass beim Klimawandel "der Ernst der Lage zu wenig beachtet" werde, müsste also bei dieser autofokussierten Verkehrsplanung vor Schmerzen aufschreien.

Die Frechener Grünen als Bestandteil der hiesigen Jamaika-Koalition scheinen zwischenzeitlich aber ziemlich schmerzfrei zu sein. Sie haben von allem Abschied genommen, was einmal den eigenen Markenkern ausgemacht hat. Da fällt die konsensuelle Entwicklung eines Autostadtteils nicht mehr wesentlich ins Gewicht.

Aber halt: die Grünen werden sich dafür einsetzen, dass der Stadtteil zwei Car-Sharing-Parkplätze erhält, großes Indianerehrenwort.




Montag, 8. Oktober 2018
Thema: Umwelt
Man muss das alles mal zusammen auf sich wirken lassen:

1. Der Weltlklimarat warnt, dass der Klimawandel sich schneller fortschreitet als bisher angenommen, dass das Klima heute bereits um 1 Grad wärmer ist, als zu vorindustriellen Zeiten. Die Schwelle zu den 1,5% Grad wird wohl zwischen 2030 und 2052 erreicht werden und wenn weiterhin so wenig getan wird, wie bisher, dann wird die Weltgemeinschaft die in Paris 2015 vereinbarte Schwelle von 2 Grad Erhöhung problemlos reißen. Klimaforscher sehen uns auf dem Weg zu einer Erhöhung von bis zu 4 Grad.
Spätestens ab einer Erwärmung des Weltklimas um 1,5% geht die Forschung davon aus, dass die Erwärmung unumkehrbar wird, da sogenannte Kippelemente wie bspw. das Auftauen der Permafrostböden auf der Nordhalbkugel und die damit einhergehende Freisetzung von bis zu 1.500 Milliarden Tonnen CO2 und Methan, den Erwärmungsprozess auf Dauer schalten werden.

2. Am Hambacher Forst haben bis zu 50.000 Menschen gegen die Rodung des Waldes und damit gegen die weitere Nutzung der Braunkohle demonstriert.

3. 79 % der Nordrhein-Westfalen lehnen die Abholzung des Hambacher Forstes ab, 66% der Bürger/-innen NRWs sprechen sich für einen Ausstieg aus der Braunkohle aus. Und Verantwortlich für die Zuspitzung sind RWE (39%) und die Landesregierung (24%).

4. Im NRW-Trend verliert die CDU 7% an Zustimmung und erreicht noch 28%, die SPD verliert ein weiteres Prozent auf 21% und Gewinner sind die Grünen, die um 5% zulegen und 17% erreichen.

Was können wir daraus für die SPD für Schlussfolgerungen ziehen?

Feststellung 1: im Bund wollen große Teile der Partei aus der GroKo raus, um in der Opposition wieder Profil zu gewinnen.
Feststellung 2: in NRW ist die SPD in der Opposition und gewinnt trotzdem kein Profil. Sie steht auf dem schlechtesten Wert seit Menschengedenken.
Feststellung 3: bei der Nutzung der Braunkohle lebt die GroKo auf Landesebene fort. CDU, FDP und SPD haben sich unerschütterlich hinter RWE und die Räumung des Hambacher Forsts gestellt.
Die SPD steht also auf der anderen Seite des Zauns. Hier 50.000 Menschen für Umwelt- und Klimaschutz, dort Landesregierung, Polizei und SPD auf Seiten der RWE für die Rodung eines Waldes und die fortdauernde Vergiftung des Weltklimas.

Zwar redet die SPD davon, dass sie sich für die Interessen der Arbeitnehmer/-innen in den betroffenen Industrien einsetzt, aber diese Zielsetzung scheint nur noch erreichbar im Schulterschluss mit einem Unternehmen, das mit seinen Braunkohlekraftwerken einen entscheidenden Anteil daran hat, dass die Bundesrepublik die 2015 in Paris gegebene Zusage der CO2-Reduktion nicht einhalten kann.

Ach ja, der Weltklimarat hat eine klare Ansage gemacht: Um das 1,5%-Ziel zu erreichen, muss der CO2-Ausstoß bis 2030 um 45% sinken, bis 2050 muss er dann bei 0 liegen. Das geht nur wenn der Energiehunger der Welt komplett ohne Kohle auskommt …. Und zwar ganz schnell.
Auch weitere Gewissheiten unserer auf Verschwendung aufgebauten Lebensweise sind dann in Frage gestellt: gefordert wird eine drastische Reduzierung des Energieverbrauchs, eine Verringerung des Fleischkonsums , ein Abschied vom Verbrennungsmotor bei Autos. Da eine drastische Reduzierung des Energieverbrauchs und eine komplette Umstellung unserer Autos auf Elektromobilität zusammen kaum denkbar ist, steckt hierin auch eine klare Ansage: Wir benötigen eine andere Form der Mobilität.

Eigentlich also eine echte Herausforderung für unsere Gesellschaft, für Politik und Wirtschaft und die Parteien, die Transmissionriemen zwischen Gesellschaft und Politik.
Hier wäre eine Partei wie die SPD gefordert.
Der Klimawandel erfordert viele grundsätzliche Entscheidungen in kurzer Zeit und zwar Entscheidungen, die ganz erheblich in unser aller Lebensgewissheiten eingreifen werden. Abschied vom eigenen Auto und neue Formen der Mobilität – kann man sich einen gravierenderen Eingriff in unser Leben vorstellen? Vermutlich würde es uns allen sogar leichter fallen, auf Fleisch zu verzichten, denn auf das eigene Auto. Auf Sicht droht aber beides. Und je länger grundsätzliche Veränderungen aufgeschoben werden, desto heftiger werden die Anpassungsschmerzen werden.

Solange wir in einer kapitalistischen Welt leben, in der es Gewinner und Verlierer, Menschen mit gutem und solche mit geringem Einkommen gibt, solange ist davon auszugehen, dass der Klimawandel auch die Kosten ungleich verteilen wird. Die Welt wird durch den Klimawandel nicht gerechter, sie wird ungerechter werden.

Außer es wird massiv dagegen gesteuert. Sozialdemokratische Politik kann also nicht lauten, dass man an alten Industrien, an alten Standorten, an alten Produktionsweisen festhält, die den Klimawandel verschärfen und so der sich dadurch verschärfenden Ungerechtigkeit Vorschub leisten.
Der Sozialdemokratie muss es gelingt, Umwelt- und Klimapolitik mit einem sozialen Programm zu versehen, Gleichheit in Zeiten dramatischer Umbrüche zu definieren und in klare politische Forderungen zu übersetzen. Andernfalls wird sie zerrieben.

Zerrieben von einerseits diejenigen, die nichts ändern wollen, die den Klimawandel leugnen müssen, um in ihrer rückwärtsgewandten Weltanschauung fortleben zu können. Man prüfe nur mal das Programm der AfD … rassistisch, fremdenfeindlich, antiemanzipatorisch, ultranationalistisch, das ist inzwischen in der öffentlichen Debatte allseits anerkannt, aber hier finden sich auch diejenigen, die ihr bisheriges Leben nicht ändern wollen, für die es keinen Klimawandel gibt, Braunkohlekraftwerke einzig der sicheren Energieerzeugung dienen, ausreichend Fleisch auf jeden Grill gehört, bei geringstem Preis, logisch, und das Auto ein Stück vom eigenen Ego ist. Alles kann und soll so bleiben wie bisher.
Auch Teile von CDU und SPD fallen in dieses Raster.
Diejenigen, die die Notwendigkeit grundsätzlicher Änderungen erkannt haben, sind in beiden Parteien stark in der Minderheit. Beide Parteien leben immer noch den Traum, dass die grundsätzlichen Änderungen, die durch den Klimawandel erzwungen werden, ohne Eingriffe in die Lebenswirklichkeit ihrer Wählerinnen und Wähler zu haben seien.

Auf der anderen Seite stehen die Grünen, die sich als die einzige wirkliche Gegenkraft zu den Bewahrern, den „es muss sich doch nichts ändern“- Vertretern positionieren, für die der Klimawandel belegt, dass ihre alten Naturschutzforderungen schon immer richtig waren und nun noch richtiger sind, da unsere heutige Welt in ihrer Gesamtheit gefährdet ist.

Trotzdem lohnte der Blick auf den sozialen Gehalt der grünen Vorstellungen. Und … die Luft wird schnell ganz dünn. Der Klimawandel wird massiv in unsere Gesellschaften eingreifen, wird massive Kosten verursachen, materielle und immaterielle. Die grüne Programmatik ist ganz auf Umwelt- /Klima- und Naturschutz fokussiert. Welche sozialen Folgen die Umsetzung aller ihrer Forderungen zeitigen würden, spielt dabei eine sehr geringe Rolle. Das ist auch nicht verwunderlich, ist doch die grüner Wähler-/innenschaft die akademischste und bestverdienenste alle Parteien. Im Justemilieu der deutschen Gesellschaft sind die sozialen Kosten überschaubar, der Arbeitsplatz durch den Klimawandel weniger bedroht als in anderen Bereichen, die sozialen Folgen überschaubar.

Damit wird das Feld beschreiben, auf dem sich die Sozialdemokratie zukünftig positionieren muss. Gleichheit und Gerechtigkeit bei der Umsetzung aller zum Klimaschutz notwendigen Maßnahmen muss das Ziel der SPD werden. Die Rückbesinnung auf alte sozialdemokratische Werte wurde ja von vielen in der Partei übersetzt als eine Rückkehr zur alten Malocheridylle, so dass sich die SPD erschöpft in der, mittelfristig sinnlosen, Verteidigung von Besitzständen: im Braunkohletagebau, in der Energieerzeugung, im Autobau. Nur, da braucht es gar keine SPD. In all diesen Wirtschaftszweigen ist zu beobachten, dass die sogenannten Malocherinteressen inzwischen deckungsgleich sind mit den Interessen der Kapitalseite. Das ergibt die große Koalition der Bewahrer, der „wir wollen nichts verändern, alles soll so bleiben, wie es ist.“ In dieser Gemengelage ist eine Stimme für die CDU gleichwertig einer Stimme für die SPD, die einen wollen so wenig ändern wie die anderen.
Ist es wirklich das, was die SPD verkörpern will? Die SPD wurde groß als diejenige Partei, die die Interessen der „kleinen Leute“ im Industrialisierungsprozess zu vertreten beanspruchte. Der ursprüngliche Industrialisierungsprozess, die Umwandlung einer agrarisch geprägten Welt in eine industrie-kapitalistische ist nun aber abgeschlossen.
Wessen Interessen vertritt die SPD heute?
Wir erleben aktuell in einem neuen Wandlungsprozess die Umformung der alten industrie-kapitalistischen Welt durch den massierten Einzug der Informationstechnologie in alle Lebensbereiche und zeitgleich die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen durch den von uns Menschen herovrgerufenen Klimawandel, da wir die Welt als Verbrauchsartikel behandeln.

Wenn die SPD also weiterhin die „kleinen Leute“ vertreten will, so muss es ihr gelingen, und zwar zusammen mit allen zukunftsgerichteten Kräften, der Zerstörung der Welt Einhalt zu gebieten. Sich auf die Verteidigung der letzten Bastionen des alten Industriekapitalismus zu fokussieren, ist eine klare Verliererstrategie.
Sie muss die unumgänglichen Wandlungsprozesse befördern und zugleich mit einem Gleichheit und Gerechtigkeit verpflichteten Programm einrahmen, um den Zusammenhalt der Gesellschaft zu gewährleisten und so daran mitwirken, dass die "kleinen Leute" in diesem Prozess nicht unter die Räder kommen.

Die SPD, die diesen Weg nicht gehen will, wird ihren Niedergang nicht aufhalten.