Freitag, 8. März 2019
Thema: Umwelt
Aus einem Kommentar zu den SchülerInnen-Protesten, der heute in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht wurde:
Der sich rasant beschleunigende Klimawandel ist mindestens so existenzbedrohend wie die Atomrüstung, deshalb haben die Schüler jedes Recht, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zum radikalen Umsteuern aufzufordern.
Was wirklich irritiert, ist das kindliche Verhalten der Erwachsenen. … Alle loben und betwittern die Kampfbereitschaft von acht- bis 18-Jährigen. Dass die Jungen mit ihrem Protest nichts ändern werden am Abschmelzen der Gletscher und dem Ansteigen der Meere, weiß jeder. Es stört aber keinen.
Wirkungsvoller, aber anstrengender wäre es, wenn die Eltern ihr Konsumverhalten änderten und selbst auf die Straße gingen gegen einen Klimawandel, den sie mit der Nutzung von Plastik, SUVs und Urlaubsflügen mit verantworten. …
Jeder weiß, dass der Klimawandel ein Jahrhundertproblem ist, das die gesamte Menschheit betrifft. Worauf es ankommt, ist das Verhalten Einzelner, aber noch mehr das Verhalten von Staaten und Konzernen. Es geht um Wohlstand, Entwicklung, Gesundheit, Arbeitsplätze, ums nackte Überleben.
Der folgenfreie Jubel über die Schülerproteste ist die Kapitulationserklärung des Politischen, moralisch vorbildlich und doch nur Lückenbüßer für politisches Handeln. Zugespitzt gesagt: Die Schüler werden von Politikern, Lehrern und Eltern hintergangen.
Nun stellen wir also fest: die Erwachsenen finden das irgendwie gut, dass die Jugendlichen demonstrieren, denn das Anliegen ist ja wichtig und gewaltig und auch wir Erwachsenen haben Angst vor dem Klimawandel.

Als Ergänzung und Erweiterung nun aus der heutigen TAZ Auszüge aus einem Interview mit einer Mobilitätsforscherin:
Das größte Problem in den Städten allerdings lösen E-Autos nicht: das Platzproblem. Wir müssen den städtischen Verkehr rationaler und effizienter organisieren. Dafür sind private Autos nicht geeignet. Ein Parkplatz zum Beispiel misst im Schnitt 12,5 Quadratmeter – das ist so groß wie ein Kinderzimmer. Autos brauchen wahnsinnig viel Platz. Auf dem stehen sie dann durchschnittlich 23 Stunden täglich herum. Sie rauben Platz, der für Lieferzonen gebraucht würde, für Rad- und Fußwege, für Spielplätze und so weiter.
Wenn Städte Parkplätze teurer machen, kritisieren das als erstes die Händlerinnen…
Viele Einzelhändler unterliegen dem Irrglauben, dass sie Kunden mit Kofferraum brauchen. Bei Umfragen unter Kundinnen nennen diese als wichtige Punkte aber die Gestaltung der Innenstädte und die Vielfalt der Geschäfte, um gerne einzukaufen. Parkmöglichkeiten rangieren viel weiter unten. Darum fordern ja auch viele Händlerinnen in Innenstädten Fußgängerzonen, in denen die Kundschaft gerne bummelt.
Wie kommen die Pendlerinnen in die Stadt?
Um das private Auto abzulösen, brauchen wir einen starken Öffentlichen Nahverkehr, der die zunehmenden Pendlerströme bewältigt. Dabei ist es wichtig, bestehende Angebote auszubauen und diese sinnvoll zu ergänzen.

Das Ziel der Verkehrsplanerinnen in den Städten sollte immer sein, dass Bewohner und Besucherinnen ohne eigenes Auto auskommen können. Heute ist ein Auto ja eine Mobilitätsgarantie, das steht so lange rum, bis ich es mal brauche.

Wie gesagt, das ist eine Frage der städtischen Planung. Die Städte müssen festlegen, welchen und wieviel Verkehr sie haben möchten. Der Spruch „Wer Straßen baut, wird Verkehr ernten“, der gilt ja auch für Fahrräder. Sichere Radwege zum Beispiel führen zu mehr Fahrradverkehr. Busspuren machen den öffentlichen Verkehr attraktiver.
Haben die Städte für solche Planungen die notwendigen Kompetenzen?
Teils, teils. Zum Beispiel können Kommunen schon heute Straßen nur für Fahrräder zulassen oder zumindest fahrradgerecht gestalten. Bei anderen Herausforderungen fehlen ihnen hingegen die Steuerungsmöglichkeiten. Zum Beispiel dürfen Autos nach Rechtslage des Bundes überall dort parken, wo es nicht verboten ist. Es ist für Kommunen sehr aufwändig, Parken einzuschränken.
Der Bund könnte es ihnen erleichtern und festlegen, dass Parken überall dort verboten ist, wo es nicht erlaubt ist. Es gilt, das Grundrecht des Parkens im öffentlichen Raum zu beenden. Viele Parkhäuser sind nicht ausgelastet, es gibt also Platz im privaten Raum, da müssen Autos nicht öffentliche Flächen okkupieren. In Stockholm zum Beispiel kostet ein Anwohnerparkausweis 800 Euro im Jahr …
… das gäbe hier einen Volksaufstand!
Ja klar, darum wird das Thema in vielen Städten auch nicht angefasst, aus Angst vor Konflikten.
Und wo ist der Zusammenhang, wird der eine oder die andere jetzt fragen?

In der fehlenden Bereitschaft von Erwachsenen, sich ein anderes Leben auch nur vorstellen zu können. Die Beispiele liegen vor der Türe:

das Parkhaus in Frechen. Es darf nicht weg, da sind sich alle Parteien und die meisten BürgerInnen der Stadt einig. Die Unterschriftenlisten werden das in wenigen Tagen beweisen.

Oder die Einrichtung einer Busspur auf der Aachener Straße in Köln, Ladenbesitzer/-innen und Anwohner/-innen haben die erste Demonstration gegen die Busspur initiiert.

Ziel beider Aktionen: es darf sich nichts ändern.

Wer sich so verhält erklärt durch sein tägliches Verhalten, dass ihm der Klimawandel am A … vorbeigeht. Klimawandel ist schlimm und alle wissen es, für unsere Kinder wird das alles noch schlimmer, aber unser eigene Verhalten, sei es im Alltag, sei es im Urlaub, das bitteschön wollen wir um kein Jota verändern.
Und es ist nicht an den Jugendlichen, die Welt zu verändern. Dazu haben sie nicht die Macht. Wir Erwachsenen sitzen an den Schalthebeln der Macht, begrüßen den Protest der Jugendlichen und Kinder, verdrücken ein paar Krokodilstränen und machen weiter wie bisher.
Mit anderen Worten: durch unser tägliches Handeln zeigen wir, dass wir diese Welt zerstören wollen, weil es so am bequemsten ist.

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Und um noch einen drauf zu setzen aus einem Interview, das heute (11.03.2019) in der Süddeutschen erschienen ist. Thema war der Marketing-Gag "Flugtaxi", darin aber dieses Statement:
Was würde stattdessen helfen, unsere Verkehrsprobleme in den Griff zu bekommen?

Erst einmal müssen wir die Zahl der Autos auf ein Drittel reduzieren und auf Elektroantrieb umstellen. Dann müssen wir dafür sorgen, dass die Autos, die herumfahren, besser ausgelastet sind - zum Beispiel durch Ridesharing, das gemeinsame Nutzen von Fahrzeugen also. Und nicht zuletzt muss der öffentliche Nahverkehr auf ein völlig neues Level gebracht werden.