Dienstag, 31. März 2015
Wie aus einer repräsentativen Befragung des Bundesumweltministeriums hervorgeht, wünschen sich über 80 %, dass sich die Verkehrsplanung stärker an Fußgängern, Radfahrern und NutzerInnen des ÖPNV ausrichtet. Unter den Jugendlichen (14 bis 17 Jahre) sind es sogar 92 Prozent.

Da sind nun die Kommunen gefordert. Und machen wir uns da mal nichts vor: die Mehrheit der Entscheider in den Kommunen sind älter als 17 Jahre, wahrscheinlich männlich und als Autofahrer gro0 und alt geworden. Diese Menschen davon zu überzeugen, dass ihr Mobilitätsverhalten historisch überholt ist, das wird schwer werden. Und dann noch in einem überschaubaren Zeitraum eine neue Verkehrsplanung zu erreichen, das könnte zu einer Sisyphosaufgabe werden.

Man schaue nur mal auf die in Frechen regierende CDU: da feiert man den Bau eines neuen Anschluss für die A4 westlich von Königsdorf, da fordert man den vierspurigen Ausbau der Bonner Straße zwischen Pulheim und Hürth, da baut man eine „Umgehungsstraße“ um Buschbell herum.

Kennt irgendjemand ein Frechener Mobilitätskonzept? Einen Plan für den Ausbau von Fahrradwegen, eine Erweiterung des öffentlichen Nahverkehrs? Denkt man in Frechen darüber nach, wie man den Autoverkehr unattraktiver gestalten könnte?
Nein, kennt man alles in Frechen nicht, ist bisher auch nicht geplant.

Was sagt die Bundesumweltministerin erläuternd:
„Die Menschen wollen nicht mehr in Städten leben, die sich allein ums Auto drehen“, sagte Hendricks. Darauf müsse die Politik reagieren. So sei es fraglich, ob „der knappe Platz in den Innenstädten mit Parkplätzen sinnvoll genutzt“
Vor dem Hintergrund, dass in Frechen weiterhin Stadtteile (bspw. Grube Carl) mit unzureichender Anbindung an den ÖPNV geplant werden, gleichzeitig aber zu wenigen Stellplätze in den Stadtteilen eingeplant werden, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass noch viel zu tun ist, um die lokalen Probleme des Autoverkehrs in den Griff zu bekommen.

Aber ein Grundsatzproblem harrt noch der Vermittlung:
Dagegen sieht weiterhin eine Mehrheit der Befragten einen Widerspruch zwischen Umweltschutz und sozialer Gerechtigkeit. Hier sei offenbar noch viel Aufklärung erforderlich, meinte die Umwelbundesamtspräsidentin Krautzberger. Denn ärmere Menschen litten in besonderem Ausmaß an Lärm und Abgasen. „Darum profitiert die Bevölkerung mit niedrigem Einkommen besonders von der Umweltpolitik“, sagte Krautzberger.
Richtig, bisher ist es keiner Partei gelungen, den Zusammenhang von Umweltpolitik und sozialer Gerechtigkeit zu erklären und lebbar zu machen. Das grüne Umweltschutzlebensmodell referiert eindeutig auf die besser verdienende Mittelschicht.
Und die Sozialdemokratie … die lebt im Spagat. Einerseits gibt es Sozialdemokraten, für die Umweltpolitik Bestandteil einer vorsorgenden Sozialpolitik ist, kommt es aber hart auf hart, dann gewinnen die „schützt die Arbeitsplätze“-Sozialdemokraten, die weitere Umweltzerstörungen – vermutlich mit schlechtem Gewissen – in Kauf nehmen, um Arbeitsplätze zu schützen. Das erleben wir gerade wieder vor Ort: Sigmar Gabriel will die größten CO2-Schleudern der Republik, die Braunkohlekraftwerke, mit einer CO2-Abgabe belasten, wodurch deren Betrieb unwirtschaftlich wird – und schon stehen sie alle auf den Barrikaden, die Sozialdemokraten, zum Schutz der Arbeitsplätze – auf Kosten der Umwelt. Aber wie gesagt, mit schlechtem Gewissen.

Es bleibt aber richtig, dass Menschen mit geringem Einkommen in weitaus stärkerem Maße darauf angewiesen sind, dass in ihrem direkten Umfeld die Umwelt in einem guten Zustand ist. Je höher das Einkommen, desto leichter die Flucht raus aus der durch Lärm und Dreck belasteten Stadt – am besten mit dem Auto. Hier gilt es anzusetzen, um ein Modell vom guten Leben auch für Menschen mit kleinem Einkommen zu realisieren.

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