Freitag, 18. März 2011
Thema: Zuckungen
Ein kleines Rätsel:
welcher Partei entstammen die Personen, die folgende Aussagen tätigen?

"Die Politik müsse lernen, Bürger mehr, direkter und früher in Entscheidungsprozesse einzubinden – und nicht erst dann, wenn das Porzellan (…) schon fast zerschlagen ist. Die Vermittlung zwischen unterschiedlichen Interessen, Meinungen und Positionen muss am Anfang stehen – und nicht am Ende." [Alix Faßmann ]

“Wir stehen an der Schwelle zu einer neuen Form der Bürgerdemokratie. Die Politik wird ihre Entscheidungsprozesse transparenter gestalten müssen, wenn sie ihre Akzeptanz behalten will. Parteien werden sich weiter öffnen müssen, wenn sie starke Volksparteien bleiben wollen. Die Bürger müssen mehr mitreden und direkt mitentscheiden können.” [ Heiko Maas ]

Richtig, sie gehören der SPD an. Diese Partei hat sich auf die Fahnen geschrieben, Bürger und Bürgerinnen stärker in die politischen Entscheidungsprozesse zu integrieren und zwar nicht erst, wenn alle Entscheidungen bereits gefallen sind, nein schon in der Planungsphase. So zumindest die hehre Theorie.

Die Frechener SPD wünscht sich sogar eine bessere Vernetzung, "eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit engagierten Frechener Bürgerinitiativen", um darüber Profil, Wählerstimmen und aktive Mitglieder zu gewinnen.

Nun kann man ja an Hand politischer Entscheidungsprozesse auf kommunaler Ebene, der Ebene auf der die Bürger und Bürgerinnen noch am ehesten eine direkte Einmischung für möglich halten, prüfen, inwieweit wir es hier mit einer zumindest ansatzweise gelebten Praxis zu tun haben.
Zur besseren Einordnung der eigenen Erfahrungen lohnt es sich, wissenschaftlichen Beistand zu suchen. Hierzu bietet sich die Friedrich-Ebert-Stiftung an, die über einen Arbeitskreis verfügt, den "AG Bürgergesellschaft", der sich im Schwerpunkt mit genau solchen Themen beschäftigt. In einer Publikation dieses Arbeitskreises habe ich folgenden Gedanken gefunden:

„Last but not least ist ein umfassender Kulturwandel erforderlich, der als Lernprozess dazu führen sollte, dass die kommunalen Entscheidungsträger von sich aus auf die Bürger zugehen und die Beteiligung der Bürger eher als Bereicherung, denn als Beschneidung ihrer Kompetenzen und Gefährdung eingespielter Routinen empfinden. Kein Beteiligungskonzept, keine Dienstanweisung kann bewirken, dass die Bürgerkommune von den beteiligten Akteuren auch entsprechend umgesetzt wird. Kooperative Verhaltensweisen von Politik und Verwaltung, wie z.B. die frühzeitige umfassende Information der Bürger über wichtige kommunale Planungsvorhaben, lassen sich nicht anordnen, sondern kommen nur zustande, wenn die Akteure von diesen Verhaltensweisen überzeugt sind.
Gerade der letzte Punkt zeigt, wie weit man in vielen Städten wohl noch von der Bürgerkommune entfernt ist und dass die Umsetzung der Bürgerkommune eine sehr schwierige und langwierige Aufgabe ist.“ (S. 14)


Ein genauer Blick auf die Entscheidungsprozesse im Rahmen der Grundschulsituation, belegen, dass hier in Frechen eine Bürgerbeteiligung von den Beteiligten, also sowohl der Verwaltung als auch dem Stadtrat nicht gewünscht ist. Da wurde im “Inner Circle” der Frechener Politik beschlossen das Baugebiet Grube Carl nur mehr langsamer zu erschließen. Das hatte natürlich Folgen. Erste Konsequenz: der Zuzug von Neubürgern verlangsamt sich, die Anzahl der Einwohner im Stadtteil ist zu gering, um ein Nahversorgungszentrum zu etablieren. Gleiches gilt für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Ebenso klar: weniger Neubürger bedeutet auch: weniger schulpflichtige Kinder und damit einhergehend ist ein Neubau einer Grundschule im neuen Stadtteil nicht mehr zwingend erforderlich.
Wurde darüber öffentlich diskutiert? Wurden diese Zusammenhänge thematisiert? Wurden die Einwohner des neuen Stadtteils an solchen Entscheidungen beteiligt?

Nein, die von solchen Entscheidungen direkt Betroffenen wurden mit falschen Versprechungen hingehalten, so bspw. noch während des Kommunalwahlkampfs 2009 in dem von allen großen Parteien und selbst vom Bürgermeister eine Grundschule im neuen Stadtteil versprochen wurde.

Ohne jetzt in alle Untiefen Frechener Schulpolitik einzusteigen, so kann festgestellt werden, dass im weiteren Verlauf alle nachfolgenden Entscheidungen von einem kleinen Kreis der Frechener Stadtpolitik entschieden und der Öffentlichkeit als zwingend präsentiert wurde.

Alle Versuche, frühzeitig an diesen Entscheidungen und Prozessen beteiligt zu werden, gleichgültig, ob sie von der Einwohnerschaft des Stadtteils oder von den Schulpflegschaften betroffener Grundschulen gemacht wurden, wurden abgeblockt. Bürgerbeteiligung, so der Eindruck, wird nicht wirklich gewollt.
Man kann aber auch den Blickwinkel verändern und das Problem aus dem Blickwinkel der Ratsmitglieder betrachten: dann reflektiert dieses Verhalten grundlegende Vorbehalte gewählter Räte gegen eine Bürgerbeteiligung, die nicht als demokratischer Gewinn sondern als Kompetenzaushöhlung und damit als Bedeutungsverlust eigener politischer Arbeit wahrgenommen wird.

In der bereits oben zitierten Studie wird das Verhalten kommunaler Entscheidungsträger folgendermaßen beschrieben:

“Die Kommunalpolitik reagiert auf diese realen Gefährdungen mit zwei sehr unterschiedlichen Verhaltensweisen, die aus unserer Sicht beide problematisch sind. Entweder leistet sie starken, meist nicht öffentlichen Widerstand gegen alle Bürgerbeteiligungsangebote. Dies kann die Kommunalpolitik (insbesondere die Mehrheitsfraktion) aber häufig nicht lange durchhalten, weil entweder der direktgewählte Bürgermeister oder die Oppositionsfraktionen eine stärkere Bürgerbeteiligung einfordern, die außerordentlich gut beim Wähler ankommt. Oder die Kommunalpolitik überlässt der Verwaltung ehrfürchtig das gesamte Spielfeld und sagt, dass die Planung und Ausführung von Bürgerbeteiligung ausschließlich Sache der Verwaltung ist. Auch dies ist aus unserer Sicht eine falsche Reaktion, weil Entscheidungen über das konkrete Beteiligungsthema oder die einzusetzenden Beteiligungsinstrumente eminent politische Entscheidungen sind.“ (S. 41)

In Frechen sind beide Abwehrstrategien beobachtbar, wobei die unsicheren Mehrheitsverhältnisse dazu geführt haben, dass eine echte Opposition derzeit nicht stattfindet und sich ein konsensorientierter Arbeitsstil zwischen den Fraktionen entwickelt hat, der innerhalb des Rates als sehr wohltuend wahrgenommen wird, sich nach aussen aber als gemeinsame Ablehnungsfront der großen Frechener Fraktionen gegen eine Ausweitung der Bürgerbeteiligung entwickelt hat.

Derzeit ist keiner der großen Frechener Fraktionen (CDU / SPD / Grüne) wirklich an einer Erweiterung bürgerschaftlichen Engagements gelegen, die Claims zwischen den Parteien scheinen abgesteckt und alle haben ein zu ihrem Parteiprofil passendes Profilierungsthema bekommen. Die CDU macht Wirtschafts- und Finanzpolitik, die SPD macht Schul- und Sozialpolitik, die Grünen üben sich in Jugend- und Mobilitätspolitik und die Bürger schauen in die Röhre.

Die Schulpflegschaften der Grundschulen beklagen massive Kommunikationsstörungen zwischen Stadtverwaltung und der Politik auf der einen Seite und den Grundschulen auf der anderen Seite. Hierzu gibt es in der Schulausschusssitzung am 23. März einen entsprechenden Tagungspunkt. Vor dem Hintergrund unserer Analyse ist damit zu rechnen, dass die Eingabe der Schulpflegschaften abgelehnt werden wird. Vermutlich handelt es sich nur um eine gestörte Wahrnehmung der Schulpflegschaften.