Thema: Opposition
NEUBAUGEBIETE
“Die Gemeinden versuchen Grundstücke zu verkaufen und denken nicht darüber nach, dass sie auch Infrastruktur bauen müssen”, so formuliert es Ingrid Breckner, eine Soziologieprofessorin. Womit sie wohl recht hat, denn man schaue nur nach Königsdorf, da wurden in den letzten Jahren zwei große Wohngebiete entwickelt: das Atrium und das Rotental. Die Stadt hat die Grundstücke verkauft, Immobilienentwickler haben sich vermutlich ein goldenes Näschen verdient und alle waren glücklich.
Tja, bis zwischen 2011 und 2013 offenkundig wurde, dass da junge Familien mit Kindern zugezogen sind. Zuerst wurde es eng bei den Kindergartenplätzen, dann in der Grundschule. Also mussten Kindergärten gebaut werden und 2013 wurde klar, dass die Stadt holterdipolter mehr als 20 Millionen Euro in die Erweiterung der Königsdorfer Grundschule investieren muss. Zusätzlich ist das Personal in den Kindergärten zu bezahlen, die neuen Stadtteile wollen an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen werden und so werden in den kommenden Jahren sicherlich noch weitere Folgekosten auf die Stadt zu kommen.
So ist beispielsweise heute schon klar, dass in den kommenden Jahren massiv in die weiterführenden Schulen investiert werden muss, um (auch) die Kinder all der neuzugezogenen Bürgerinnen und Bürger angemessen zu versorgen.

Man hätte es wissen können, denn inzwischen gibt es dutzende Untersuchungen, die belegen, dass neue Wohngebiete den Kommunen eben nicht nur Geld in Form von Anteilen an der Einkommenssteuer oder Zuweisungen des Landes für die Zahl der EinwohnerInnen der Kommune einbringen, sondern dass solche Neubaugebiete auch Folgekosten, sogenannte Infrastrukturfolgekosten, mit sich bringen. Das Land hat dafür eine einfache Planungshilfe entwickelt mit dem sprechenden Namen: Planen in Zeiten leerer Kassen.

LANDESENTWICKLUNGSPLAN
Aktuell wird in allen politischen Gremien der neue Landesentwicklungsplan (LEP) diskutiert. Mit dem LEP sollen unterschiedliche Nutzungsanforderungen an die knappe Ressource Grund aufeinander abgestimmt werden. Der LEP ist in der Abstimmung. Die Kommunen des Landes sind aufgefordert, den aktuellen Entwurf zu kommentieren. So weit, so gut.

Der LEP hat auch eine kurze Passage zur Frage der Folgekosten von Infrastrukturmaßnahmen, also zum Thema, was kostet ein Neubaugebiet eine Kommune:
Vorausschauende Berücksichtigung von Infrastrukturkosten und Infrastrukturfolgekosten
Die Erschließung von Bauflächen ist neben den Planungs- und Erschließungskosten in der Regel mit erheblichen langfristigen Folgekosten verbunden (Aufwendungen für den Unterhalt der technischen Infrastrukturen, Bau und Betrieb sozialer Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen, etc.). Die Analyse der Infrastrukturkosten und Infrastrukturfolgekosten und ihre Bewertung hinsichtlich möglicher Alternativen eröffnet den Kommunen Einsparpotentiale. Diese können bei den technischen Infrastrukturfolgekosten bis zu ca. 30 bis 50 %, bei den sozialen Infrastrukturfolgekosten bis zu ca. 10 % betragen.
Deshalb werden die Kommunen via LEP aufgefordert, alle mittel- und langfristigen Kosten zu ermitteln, die durch die Entwicklung eines Baugebietes entstehen können. Hätte man das in Königsdorf gemacht, so hätte man frühzeitig gewusst, dass bei so viele Neubürgern eine Erweiterung der lokalen Grundschule zwingend geboten ist.. Und man hätte sich ausrechnen können, dass unsere eh schon zu vollen weiterführenden Schulen, diesen Andrang von zusätzlichen Kindern der vielen Neubürger nicht verkraften können und erweitert werden müssen. Ja, hätte man wissen können, wenn man es hätte wissen wollen. Und man hätte die Kosten offenlegen und öffentlich diskutieren und abwägen können, ob Kosten und Nutzen in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Hätte man alles tun können, wenn man es hätte wissen wollen.

JAMAIKA-KOALITION
Nun steht der Ausbau der Grube Carl ins Haus und in Habbelrath soll am Ammerweg ein weiteres Baugebiet ausgewiesen werden. Im ersten Schritt ist in beiden Bereichen die Bebauung mit Ein- und Zweifamilienhäusern geplant. Also in etwa so wie in Königsdorf. Es darf damit gerechnet werden, dass, wie in Königsdorf, junge Familien mit Kindern zuziehen werden. Mit einem ordentlichen Auskommen und wahrscheinlich hohen Erwartungen an die schulische Infrastruktur. Wenn sie denn da mal nicht massiv enttäuscht werden. Denn die uns regierende Jamaika-Koalition will die Folgekosten gar nicht kennen lernen.

In der letzten Ratssitzung wollte Jamaika Knall auf Fall eine Stellungnahme zum LEP vom Rat verabschieden lassen, mit der die Stadt Frechen gegenüber der Landesregierung erklärt, dass sie sich auf Jahre nicht in der Lage sähe, Infrastrukturfolgekosten zu berechnen. Nun ja, das wundert im ersten Moment nicht wirklich, wenn man an die Königsdorfer Entwicklung denkt. Es wird aber perfide, wenn man die Begründung liest:
Vor dem Hintergrund der zusätzlichen starken Zuwanderung aus dem südeuropäischen und außereuropäischen Raum und der damit verbundenen Aufgabe der Integration sieht die Stadt Frechen keinen Handlungsspielraum für die Kommunen, vor der Inanspruchnahme von Siedlungsflächen die Infrastrukturfolgekosten zu prüfen und zu bewerten. (...) Auf Grund dessen besteht für diese raumordnerische Festlegung zumindest für die nächsten Jahre keine Beachtenspflicht im Rahmen einer Abwägung mehr, da kein Abwägungsspielraum mehr vorhanden ist.
Ja, ich sehe sie schon, die Stadt Frechen, wie sie die anerkannten Migranten in der Regelzuweisung dauerhaft mit Wohnraum versorgt, indem sie diese in den neugebauten Ein- und Zweifamilienhäuschen auf Grube Carl unterbringt. Da ist es dann natürlich sachlich zwingend, dass eine Berechnung von Infrastrukturfolgenkosten nicht mehr stattfinden kann. Flüchtlinge haben ja einen Anspruch auf Kindergarten- und Schulplätze. Da lohnt rechnen nicht mehr. Es muss einfach gemacht werden, handelt es sich hierbei doch um eine gesetzliche Pflicht. Logisch, oder?

Ach, irgendwie mag niemand wirklich daran glauben, dass die schönsten und lukrativsten Grundstücke auf Grube Carl, die als erstes verwertet werden sollen, den anerkannten Migranten zu Gute kommen werden? Aber gerade wegen der Flüchtlinge will die Stadt doch auf die Berechnung und Offenlegung der Infrastrukturfolgekosten verzichten! Sollte das eine mit dem anderen nichts zu tun haben? Aber dann könnte die Stadt ja auch die Infrastrukturfolgekosten kalkulieren? Die Stadt stünde dann nicht unter Zugzwang, die Stadt hätte noch Abwägungsspielraum? Die Öffentlichkeit könnte informiert werden und ein Abwägen von Kosten und Nutzen einer weiteren Bebauung von Grube Carl könnte stattfinden?

Könnte, könnte könnte, wenn denn die Jamaikakoalition durch eine Stellungnahme zum LEP nicht erklärt hätte, dass "die Stadt Frechen keinen Handlungsspielraum für die Kommunen (sieht), vor der Inanspruchnahme von Siedlungsflächen die Infrastrukturfolgekosten zu prüfen und zu bewerten (…).“

Die Jamaikakoalition jedenfalls will den BürgerInnen dieser Stadt die Kenntnis der Infrastrukturfolgekosten für die geplanten Baumaßnahmen auf Grube Carl gerne vorenthalten. Anders jedenfalls ist diese Stellungnahme zum LEP kaum zu verstehen. Traurig aber muss man zur Kenntnis nehmen, dass die grüne Partei, die früher einer weiteren Inanspruchnahme von Flächen zu Siedlungszwecken ablehnend gegenüber gestanden ist, sich von dieser Position verabschiedet hat.

Gut, dass es die vielen Flüchtlinge gibt. Hinter diesen kann man seine wahren Absichten richtig gut verstecken.