Thema: Inklusion
02. Mai 13 | Autor: antoine favier | 0 Kommentare | Kommentieren
Es ist schon spannend, dass gerade der Landesrechnungshof (LRH) durch kritisches Hinterfragen auf die negativsten Entwicklungen im Bereich des Förderschulwesens aufmerksam macht. Der Bericht, der vor wenigen Tagen erschienen ist, hat den sperrigen Titel: Unterrichtung des Landtags nach § 99 Landeshaushaltsordnung über die Prüfung des Schulbetriebs an öffentlichen Förderschulen, er enthält aber Aussagen, die in dieser Deutlichkeit selten offen ausgesprochen werden.
Der Bedarf an sonderpädagogischer Förderung wird durch ein behördliches Feststellungsverfahren festgelegt.
Formal steht es Eltern und Schulen offen, dieses Verfahren einleiten zu lassen. In Wirklichkeit aber wird das Verfahren in 95% durch die Schulen veranlasst,
Ein Befund bspw. lautet, dass trotz zurückgehender SchülerInnenzahlen die Anzahl der förderbedürftigen Kinder steigt. Waren es 2001/2002 noch 4,1% der Kinder so sind es 2011/2012 4,7% aller Schulkinder, die einer sonderpädagogischen Förderung bedürfen. 1991 galten sogar nur 3,1% der nordrhein-westfälischen Kinder als förderungsbedürftig. In den letzten 10 Jahren hat sich die Anzahl der Kinder um immerhin 14.000 Kinder erhöht.
Laut Gesetz ist der festgestellte sonderpädagogische Förderbedarf, der Förderschwerpunkt und der Förderort jährlich zu überprüfen. Nur in den wenigsten Fällen resultierte daraus eine Rückschulung in die allgemeine Schule.
Eine allgemeine Schule erkennt einen gestiegenen Förderbedarf und beantragt die amtliche Feststellung desselben. Der Klassenlehrer schreibt den Bericht und er schreibt ihn so, dass er bzw. die Schule ein Problemkind los wird. Die Schulaufsicht, so schreibt der Landesrechnungshof, akzeptiert in 94% aller Fälle den Förderbedarf und den Förderort an und schwupps ist das Kind im Förderschulssystem. Und wie das so ist: einmal drin, immer drin, denn die Rückkehr in eine allgemeine Schule wird nicht „als realistisches Ziel gesehen“.
Nun ist das Kind im System und dann kann man mittels jährlicher Überprüfungen den sonderpädagogischen Förderbedarf so justieren, dass die je eigene Förderschule ein als optimal erkanntes Lehrkraft-Kind-Verhältnis erhält.
So ist es denn nur noch eine Marginalie, dass die Verordnung zur Mindestgröße der Förderschulen schon zum Zeitpunkt ihres Erlasses in sich nicht stimmig war. Eigentlich müsste die Fördergröße laut LRH bei 162 Schülerinnen und Schülern liegen. Die Verordnung erklärte jeodch, dass die Mindestgröße bei nur 144 Schülerinnen und Schülern liege. Zusätzlich verfügt heutzutage jede 10. Förderschule über eine Sondergenehmigung, mit der sie diese Zahl um 50% unterschreiten darf.
Und dieses System soll mit Verweis auf das Kindswohl vor weiteren Veränderungen geschützt werden?
Der Bedarf an sonderpädagogischer Förderung wird durch ein behördliches Feststellungsverfahren festgelegt.
Formal steht es Eltern und Schulen offen, dieses Verfahren einleiten zu lassen. In Wirklichkeit aber wird das Verfahren in 95% durch die Schulen veranlasst,
“mit oft wiederkehrenden Begründungen - von der allgemeinen Schule gestellt und nur selten abgelehnt (5 v.H.). In den meisten abgeschlossenen Fällen hatte die Schulaufsicht den beantragten sonderpädagogischen Förderbedarf festgestellt (94 v. H.) und auch den beantragten Förderschwerpunkt bestätigt (97 v. H.). (S. 10)Es ist sicherlich so, dass qualifizierte Lehrkräfte eher erkennen, ob ein Schüler / eine Schülerin Defizite hat, die über das zu erwartende Maß hinausgehen, aber man kann natürlich auch die Frage stellen, ob die allgemeine Schule sich auf diesem Wege der schwierigeren Schülerinnen und Schüler entledigt.
“ Als problematisch erwies sich die Funktion des (Klassen-)Lehrers der allgemeinen Schule, der in der Regel sowohl maßgeblich an der Antragstellung zur Einleitung des AO-SF-Verfahrens beteiligt war als auch an der späteren Begutachtung, in der diese Lehrkraft zur Begründung oft zitiert wurde. (S. 11)Man darf bei diesem Befund nicht stehen bleiben, denn erst vor dem Hintergrund weiterer Erkenntnisse ist das System erkennbar.
Ein Befund bspw. lautet, dass trotz zurückgehender SchülerInnenzahlen die Anzahl der förderbedürftigen Kinder steigt. Waren es 2001/2002 noch 4,1% der Kinder so sind es 2011/2012 4,7% aller Schulkinder, die einer sonderpädagogischen Förderung bedürfen. 1991 galten sogar nur 3,1% der nordrhein-westfälischen Kinder als förderungsbedürftig. In den letzten 10 Jahren hat sich die Anzahl der Kinder um immerhin 14.000 Kinder erhöht.
Laut Gesetz ist der festgestellte sonderpädagogische Förderbedarf, der Förderschwerpunkt und der Förderort jährlich zu überprüfen. Nur in den wenigsten Fällen resultierte daraus eine Rückschulung in die allgemeine Schule.
„Weitaus häufiger führte sie zu einem Wechsel vom Förderschwerpunkt Lernen zum Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung bzw. zu einer Zuordnung zur Gruppe der Schwerstbehinderten. Die Begründungen für diese von den Förderschulen beantragten Änderungen waren häufig objektiv nicht nachvollziehbar. Gleichwohl wurde den Anträgen regelmäßig entsprochen.“ (S. 5)Das Schöner für die Förderschulen: einerseits beschreibt dieser Vorgang eine Abwärtsspirale für das betroffene Kind, das aber andererseits die personelle Ausstattung der Förderschule verbessert, denn der Förderschwerpunkt Emotionale und Soziale Entwicklung bedeutet, dass sich eine Lehrkraft um weniger Kinder zu kümmern hat, als im Schwerpunkt Lernen. Und im Schwerpunkt Schwerstbehinderte sind es nochmal weniger Kinder. Hier kümmert sich eine Lehrkraft dann nur noch um 4,17 Kinder.
„Die vom LRH stichprobenhaft eingesehenen Begründungen für die beantragten Förderschwerpunktwechsel bzw. Zuordnungen zur Gruppe der Schwerstbehinderten waren häufig objektiv nicht nachvollziehbar oder wiesen deutliche inhaltliche Schwächen auf. Gleichwohl hatten die Schulaufsichtsbehörden auch solchen Anträgen regelmäßig entsprochen.“ (S. 12)Alleine dies zu lesen ist ein Armutszeugnis für unser System, erschreckend aber wird es, wenn man die Reaktion des Ministeriums zu Kenntnis nimmt, die da lautet:
„eine Rückführung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in die allgemeine Schule (könne) meist nicht als realistisches Ziel gesehen werden. (S. 23)Und nun gewinnt das Modell ja an Kontur:
Eine allgemeine Schule erkennt einen gestiegenen Förderbedarf und beantragt die amtliche Feststellung desselben. Der Klassenlehrer schreibt den Bericht und er schreibt ihn so, dass er bzw. die Schule ein Problemkind los wird. Die Schulaufsicht, so schreibt der Landesrechnungshof, akzeptiert in 94% aller Fälle den Förderbedarf und den Förderort an und schwupps ist das Kind im Förderschulssystem. Und wie das so ist: einmal drin, immer drin, denn die Rückkehr in eine allgemeine Schule wird nicht „als realistisches Ziel gesehen“.
Nun ist das Kind im System und dann kann man mittels jährlicher Überprüfungen den sonderpädagogischen Förderbedarf so justieren, dass die je eigene Förderschule ein als optimal erkanntes Lehrkraft-Kind-Verhältnis erhält.
So ist es denn nur noch eine Marginalie, dass die Verordnung zur Mindestgröße der Förderschulen schon zum Zeitpunkt ihres Erlasses in sich nicht stimmig war. Eigentlich müsste die Fördergröße laut LRH bei 162 Schülerinnen und Schülern liegen. Die Verordnung erklärte jeodch, dass die Mindestgröße bei nur 144 Schülerinnen und Schülern liege. Zusätzlich verfügt heutzutage jede 10. Förderschule über eine Sondergenehmigung, mit der sie diese Zahl um 50% unterschreiten darf.
Und dieses System soll mit Verweis auf das Kindswohl vor weiteren Veränderungen geschützt werden?