Freitag, 13. Dezember 2013
Thema: Zuckungen
Vor einigen Tagen wurde im städtischen Planungsausschuss die Wohnraumstudie abgenickt. Erst im Nachgang scheint einigen die der Studie innewohnende politische Sprengkraft aufgefallen zu sein, denn heute ist im KStA zu lesen, dass die SPD mit Erschrecken zur Kenntnis genommen hat, dass durch die Neubaugebiete in Königsdorf mehr Schulkinder zu versorgen sind, als die Königsdorfer Grundschule fassen kann. Es fehlt ein ganzer Zug.
Nun ist das ja keine neue Erfahrung – die soziale Infrastruktur wird, wenn überhaupt, mit einer 10-jährigen Verzögerung errichtet, denn man will als Kommune zwar wachsen, aber kosten darf es nichts.
Das Drama ist kein Neues, der Stadtteil Grube Carl kann ein Lied davon singen und wer den Wohnraumbericht gründlich liest und sich die räumlichen Zusammenhänge vorstellt, der wird feststellen, dass auch Frechens Westen der nächste Brennpunkt sein wird. Im Wohnraumbericht sind drei – unterschiedliche große – Bereiche benannt, die in den kommenden Jahren bebaut werden sollen: In Benzelrath gibt es den Bereich nördliche Sandstraße und Rosenhügel II, in Habbelrath wird das Baugebiet Ammerstraße entwickelt und für den Stadtteil Grube Carl kann 2014 das Bauleitplanverfahren eingeleitet werden.

Diese Baugebiete liegen alle im Einzugsgebiet von 2 Grundschulen, der 2-zügigen Grundschule Grefrath und der 2-½-zügigen Lindenschule. Nachdem vor 2 Jahren der Beschluss zum Neubau der Lindenschule gefallen ist, ist beobachtbar, dass einige Eltern ihre Kinder nicht mehr an der Lindenschule anmelden wollen, da sie ihre Kinder nicht mit den Problemen der Bauphase belastet sehen wollen. Von den im Einzugsgebiet der Lindenschule wohnenden Kindern wurden vergangenes Jahr nur 57% an der Lindenschule angemeldet. Bisher war die Grundschule in Grefrath eine der wichtigsten Ausweichschulen für Grube Carl. Das hat im Schuljahr 2013/14 bereits nicht mehr geklappt, da sich in den Stadtteilen Grefrath und Habbelrath genügend eigene Schulkinder fanden, um die beiden Klassen zu füllen.

Sobald die ersten Häuser im Baugebiet Ammerweg erstellt sind, ist zu erwarten, dass die Grundschule Grefrath auf Jahre voll bis übervoll sein wird. Als Ausweichschule für Grube Carl kommt sie dann nicht mehr in Frage.

Für die Neubauvorhaben Grube Carl und Benzelrath bedeutet das: zentrale Grundschule für alle Kinder wird die Lindenschule, insbesondere dann, wenn diese in komplett neuen Räumen die vermutlich modernste Grundschule in Frechen sein wird. Es ist dann zu erwarten, dass deutlich mehr als 57% aller im Einzugsgebiet der Schule lebenden Kinder dort zur Schule gehen sollen.

Problematisch an der Wohnraumstudie ist nun, dass die bauliche Entwicklung im Westen zwar benannt wird und auf „entsprechende Auswirkungen auf die soziale Infrastruktur“ ebenso verwiesen wird, wie auf so unberechenbare Entwicklungen wie „die stärker als erwartet gestiegene Zahl der Kinder“ in anderen Neubaugebieten, dass aber die konkreten Risiken im Westen bisher an keiner Stelle thematisiert wurde.

So stellt sich die Frage, wie denn der Neubau der Lindenschule mit dem Bauvorhaben auf Grube Carl harmonisiert werden soll ebenso wie die Frage, ob eine 2-½-zügigen Lindenschule nach den Erfahrungen in Königsdorf überhaupt ausreichend ist. Es kann ja nicht sein, dass hier hübsche Studien erstellt werden, aber zentrale Fragen überhaupt nicht beantwortet werden.

Wobei – wir lassen Revue passieren:

2002 Erstbezug auf Grube Carl mit dem Versprechen einer eigenen Grundschule.
2010 Beschluss des Rates: keine Schule auf Grube Carl.
2011 Sanierungs- / Neubaubeschluss für die Lindenschule.
2018 aber eher massiv später – Bezug der neuen Lindenschule.

Also, es geht auch so, für Grube Carl wird man am Ende nur mindestens 16 Jahre gebrauch haben und hat es geschadet?

Der Planungsausschuss hat die Defizite der Studie partiell zur Kenntnis genommen, denn er erwartet bis zur nächsten Sitzung:
Lösungsmöglichkeiten primär zur wohnbaulichen Entwicklung im Bereich Grube Carl und Ammerstraße und in der Innenstadt darzustellen. Inwieweit darüber hinaus eine wohnbauliche Entwicklung betrieben werden kann, ist in sekundärer Abhängigkeit von v.g. Entwicklungsmöglichkeiten zu betrachten.
Vielleicht sollte aber erwogen werden, die in Frechen übliche Reihenfolge komplett umzudrehen:
Erst werden die Schulen und Kindergärten fit gemacht und dann kommt die neue Wohnbebauung. Es soll Städte geben, da fallen solch „revolutionäre“ Ideen auf fruchtbaren Boden. Hier in Frechen ist zu vermuten, dass man bereits gemachte Fehler gerne wiederholt. Man kennt sich ja bereits.

Bisher komplett ausgeblendet wird daher auch die Frage nach den Folgen der Entwicklung für die weiterführenden Schulen. Viele Kinder in den Grundschulen bedeutet mit einem berechenbaren Verzug: viele Kinder an den weiterführenden Schulen. Reicht die soziale Infrastruktur „weiterführende Schulen“, um die Kinder, auch vor dem Hintergrund der Inklusion behinderter Kinder, dem zu erwartenden Ende der Förderschule Anne Frank und möglicherweise weiterer Förderschulen in Frechen, zu versorgen?

Im zweiten Weltkrieg gab es die Kinderlandverschickung, Kinder aus den bombenbedrohten Großstädten wurden auf's Land gebracht. Damit wurde deren Überleben gesichert.
Frechen exportiert seine Kinder noch heute - zur Sicherung einer guten Schulbildung werden sie in den Nachbarkommunen unterrichtet.




Donnerstag, 12. Dezember 2013
Vor knapp zwei Jahren wurde an dieser Stelle über die Bildung einer gemeinsamen Fraktion durch die beiden Stadträte von der „Perspektive für Frechen“ und der „Junge Alternativen“ berichtet.
Die zugleich vorgenommene politische Einschätzung beschrieb die Fusion als patriarchalischen Zugriff, als wohlwollende Vereinnahmung der „Jungen“ durch die politisch erfahrenere „Perspektive“. Der Artikel endete mit diesen Worten:

Es bleibt abzuwarten, inwieweit es den „Jungen“ gelingt, sich dieser „wohlwollenden“ Vereinnahmung [durch die Perspektive] zu entziehen weiß und ihre Eigenständigkeit behält. Aktuell sind hier Zweifel angebracht.

Nun pfeifen es die ersten Spatzen von den Dächern: die „Jungen“ werden bei der kommenden Kommunalwahl wohl als Listenverbindung mit der „Perspektive für Frechen“ antreten.

Es scheint denn so zu sein, wie vermutet, dass die „Jungen“ als eigenständige Formation von der politischen Bildfläche verschwinden.
Aus wahlkampfstrategischen Gründen kann es sein, dass uns die „Junge Alternativen“ noch als eigenständig vorgeführt werden, man will ja im angestammten jugendlichen Klientel erfolgreich wildern, aber mal ehrlich, wenn eine sogenannte junge Formation sich diesen Web-Auftritt leistet:



Und das schon seit gut 2 Jahren, ansonsten nur noch in dieser Form aufzufinden ist:



dann reden wir nur noch von Camouflage.

Die „Junge Alternativen“ sind schneller gealtert, als wir es uns vorstellen konnten.




Montag, 9. Dezember 2013
In letzter Zeit war vermehrt die Rede davon, dass Förderschulen durch eine geänderte Schulgrößenrichtlinie der rot-grünen Landesregierung gefährdet seien. Auch in Frechen wird an dieser Legende gestrickt. Der Sachverhalt ist ein einfacher: Schulen müssen eine bestimmte Größe haben, um pädagogisch vernünftig arbeiten zu können und um wirtschaftlich betrieben zu werden.
Die Größenvorgaben für Förderschulen weichen deutlich von den Vorgaben für Regelschulen ab, trotzdem, es gibt sie, die Vorgaben. Diese Vorgaben sind schon einige Jahrzehnte alt und besagen bspw. dass eine Förderschule wie die Frechener Anne-Frank-Schule 144 SchülerInnen haben muss, um existieren zu dürfen. Bisher gab es eine Sonderregelung, die besagt, dass auch Förderschulen mit mindestens 50%, also 77 Kindern mit einer Ausnahmegenehmigung weiterbetrieben werden dürfen. Diese Sonderregelung wurde abgeschafft. Wie formulierte es der Beigeordnete Uttecht schon vor einem Jahr: „Dann ist die Förderschule tot“ und hat damit doch nur eine moderne Form der Dolchstoßlegende geschaffen, denn:

Hat sich durch diese Neuregelung die Situation für die Anne-Frank-Schule grundlegend verändert?

Die Anne-Frank-Schule hatte 2007/2008 noch 132 SchülerInnen seitdem hat sie Jahr für Jahr an Zuspruch verloren. Im aktuellen Schuljahr hat sie gerade noch 75 Kinder. In der Schule werden Kinder von der 1. bis zur 10. Klasse unterrichtet. Im Grunde also eine Grund- und Hauptschule alter Form, eine Volksschule, halt für Kinder mit Problemen. Nur, die unteren 4 Klassen, also die Grundschule, die gibt es eigentlich nicht mehr, denn in diesen vier Klassen tummeln sich noch 13 Kinder, wobei die erste Klasse aus einem einzigen Kind besteht. Am Ende des Schuljahres sollten, nächste erschreckende Botschaft, 16 Kinder die Schule verlassen. In den vergangenen Jahren ist es der Schule in keinem Jahr gelungen, so viele Neuzugänge zu erhalten, wie SchülerInnen abgegangen sind. Das wird auch im kommenden Schuljahr so sein. Die Schule wird sich beglückwünschen dürfen, wenn sie dann noch etwas mehr als 65 Kinder beschult.

Nur – es rettet die Schule nicht.

Die Schule hat jetzt schon keine 77 Kinder mehr, im kommenden Jahr wird die SchülerInnenzahl weiter fallen. Zu wenige Kinder, egal ob alte oder neue Richtlinie. Die Schule stirbt am fehlenden Zuspruch der Eltern, nicht aber an den Folgen irgendeiner Richtlinie.

Es ist also langsam an der Zeit, alle Eltern über die Situation der Schule zu informieren und über die konkreten Zukunftsplanungen. Können Eltern, die ihr Kind für das kommende Schuljahr an dieser Förderschule anmelden würden überhaupt noch damit planen, dass es diese Schule in, sagen wir mal 3 Jahren noch gibt?




wir freuen uns natürlich, dass ihr „Liberalen“ eine offene und ehrliche Diskussion über die „Weiterentwicklung der Frechener Schullandschaft“ führen wollt. Wir rätseln aber noch etwas, was ihr mit dem Begriff vom „Schnellschuss zur Gründung neuer Schulformen“ meint. Wenn eine Entscheidung seit mehreren Jahren verschoben wird, handelt es sich dann noch um einen „Schnellschuss“?
Ihr redet dabei aber auch von Schulformen, die aus „reiner Ideologie“ gegründet werden sollen – da würde uns interessieren: was ist eine „reine Ideologie“ und zählt da auch der Neoliberalismus dazu?
Hier im Blog wurde die Doppelbödigkeit der FDP-Positionierung bereits thematisiert: der klar artikulierte Elternwunsch nach einer Gesamtschule wird unter generellen Ideologieverdacht gestellt.

Aber Ideologie, das sind ja immer nur die anderen oder wie sagt es der Bildungsbürger:

„Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?“