Thema: SPD
11. Mai 13 | Autor: antoine favier | 0 Kommentare | Kommentieren
Sigmar Gabriel: (...) Die entscheidende Frage ist, wie wir diese vielschichtiger gewordene Bevölkerung eigentlich wahrnehmen und wie wir Repräsentanten für sie finden. Dass es im Vorfeld von Kommunalwahlen oftmals darum geht, langjährige Mitglieder und Funktionäre mit guten Listenplätzen zu belohnen, ist kein Geheimnis und auch nicht immer verkehrt. Besser aber wäre, wenn so argumentiert wird: »In meinem Dorf ist die Feuerwehr wichtig, ich gucke mal, ob da einer ist, der bei uns kandidieren will. Und wo ist eigentlich eine Schulelternratsvorsitzende, die für uns ansprechbar ist? Oder ein Polizist, oder ein Krankenpfleger, oder ein Handwerksmeister?« Sie sind wahrscheinlich nicht bereit, sofort SPD-Mitglied zu werden. Übrigens ist meine Erfahrung mit fraktionslosen Mitgliedern meistens, dass die sich eher an die Fraktionsdisziplin halten, als die, die 30 Jahre dabei sind.Wer sich bei diesen Zitaten in irgendeiner Form an hiesige Zustände erinnert fühlt, liegt vermutlich nicht besonders falsch.
Helga Grebing: Ich will ja auch, dass es gelingt. Ich wollte nur die Problematik aufzeigen, die damit verbunden ist. Ich denke schon, dass es eine ganze Menge Möglichkeiten für die Partei gibt, Leute doch an uns binden zu können und würde Deinen Eindruck teilen, dass die besten Sozialdemokraten oft diejenigen sind, die nicht in der Partei sind – jedenfalls kommt einem das manchmal so vor...
Franz Walter: In Deutschland steht fast die Hälfte der SPD-Wählerschaft außerhalb des Erwerbslebens - dies steht im deutlichen Gegensatz zu den Anhängern libertär-ökologischer Parteien, die bis zu vier Fünfteln einen Beruf ausüben. Die sozialdemokratische Volkspartei von früher scheint sich in den nachfolgenden Generaionen nicht mehr hinreichend zu regenerieren. Was wäre eigentlich ein sozialdemokratiscvhes Expos'e für neue Kohorten in neuen Soziallagen mit neuen Problemen auf neuen Konfliktfeldern? Die Sozialdemokraten wissen es nicht. Schlimmer noch: Man hat den Eindruck, dass sie hierzulande längst aufgehört haben, darüber noch mit Eindringlichkeit nachzudenken.
alle Zitate aus: Neue Gesellschaft Frankfurter Hefte, 5.2013, S. 15, 16 und 59.
Thema: Gesamtschule
07. Mai 13 | Autor: antoine favier | 0 Kommentare | Kommentieren
Die Debatte ist wieder in vollem Gange, besser läßt sich die Pulheimer Situation nicht beschreiben. Mitte April hatte die liberal-konservative Stadtratsmehrheit die Stadtverwaltung nochmals beauftragt, die Einrichtung einer Sekundarschule zu prüfen. Nach den Brauweiler Erfahrungen ein seltsam anmutender Beschluss, der bestenfalls belegt, dass Lernunfähigkeit auch in politischen Gremien beheimatet sein kann. Die von eben dieser Mehrheit und um die Pulheimer SPD verstärkte Gruppe war mit der Einrichtung einer Sekundarschule in Brauweiler auf Kosten der dortigen Realschule am Elternwillen gescheitert. Trotzdem wollen es FDP und CDU nun wohl noch ein zweites Mal versuchen, wobei ihnen die SPD von Bord gegangen ist. Da fällt mir dann nur noch Berthold Brecht ein:
Dafür machen nun die Grünen wieder mobil und werden heute den Antrag stellen, zum kommenden Schuljahr eine Gesamtschule im Pulheimer Zentrum einzurichten.
Aus Sicht der Frechener Gesamtschulbefürworter ein Vorschlag der jegliche Unterstützung verdient. Nachdem die Frechner Kinder auch nach Stommeln fahren, um einen Gesamtschulplatz zu ergattern, ist zu vermuten, dass eine Gesamtschule im Pulheimer Zentrum weitere Frechener Kinder anziehen wird.
Dann steht Frechen ziemlich alleine da: Köln hat Gesamtschulen, Kerpen hat eine Gesamtschule, Hürth bekommt eine Gesamtschule und Pulheim steht in den Startlöchern. Das ist ja wie bei Asterix:
Das für Frechen Traurige ist nur: Frechen hat keinen Zaubertrank womit das dreigliedrige Schulsystem gegen das Eindringen der Gesamtschule verteidigt werden könnte. In diesem Kampf kann Frechen nur unterliegen ….
Nach dem Aufstand des 17. JuniNun ja, in Pulheim sind sie wohl auf dem besten Wege dazu – und das alles nur zur Rettung der gymnasialen Schullandschaft.
Ließ der Sekretär des Schriftstellerverbands
In der Stalinallee Flugblätter verteilen
Auf denen zu lesen war, daß das Volk
Das Vertrauen der Regierung verscherzt habe
Und es nur durch verdoppelte Arbeit
Zurückerobern könne. Wäre es da
Nicht doch einfacher, die Regierung
Löste das Volk auf und
Wählte ein anderes?
Dafür machen nun die Grünen wieder mobil und werden heute den Antrag stellen, zum kommenden Schuljahr eine Gesamtschule im Pulheimer Zentrum einzurichten.
Aus Sicht der Frechener Gesamtschulbefürworter ein Vorschlag der jegliche Unterstützung verdient. Nachdem die Frechner Kinder auch nach Stommeln fahren, um einen Gesamtschulplatz zu ergattern, ist zu vermuten, dass eine Gesamtschule im Pulheimer Zentrum weitere Frechener Kinder anziehen wird.
Dann steht Frechen ziemlich alleine da: Köln hat Gesamtschulen, Kerpen hat eine Gesamtschule, Hürth bekommt eine Gesamtschule und Pulheim steht in den Startlöchern. Das ist ja wie bei Asterix:
„Wir befinden uns im Jahre 50 v. Chr. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt ... Ganz Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten"

Das für Frechen Traurige ist nur: Frechen hat keinen Zaubertrank womit das dreigliedrige Schulsystem gegen das Eindringen der Gesamtschule verteidigt werden könnte. In diesem Kampf kann Frechen nur unterliegen ….
Thema: Inklusion
02. Mai 13 | Autor: antoine favier | 0 Kommentare | Kommentieren
Es ist schon spannend, dass gerade der Landesrechnungshof (LRH) durch kritisches Hinterfragen auf die negativsten Entwicklungen im Bereich des Förderschulwesens aufmerksam macht. Der Bericht, der vor wenigen Tagen erschienen ist, hat den sperrigen Titel: Unterrichtung des Landtags nach § 99 Landeshaushaltsordnung über die Prüfung des Schulbetriebs an öffentlichen Förderschulen, er enthält aber Aussagen, die in dieser Deutlichkeit selten offen ausgesprochen werden.
Der Bedarf an sonderpädagogischer Förderung wird durch ein behördliches Feststellungsverfahren festgelegt.
Formal steht es Eltern und Schulen offen, dieses Verfahren einleiten zu lassen. In Wirklichkeit aber wird das Verfahren in 95% durch die Schulen veranlasst,
Ein Befund bspw. lautet, dass trotz zurückgehender SchülerInnenzahlen die Anzahl der förderbedürftigen Kinder steigt. Waren es 2001/2002 noch 4,1% der Kinder so sind es 2011/2012 4,7% aller Schulkinder, die einer sonderpädagogischen Förderung bedürfen. 1991 galten sogar nur 3,1% der nordrhein-westfälischen Kinder als förderungsbedürftig. In den letzten 10 Jahren hat sich die Anzahl der Kinder um immerhin 14.000 Kinder erhöht.
Laut Gesetz ist der festgestellte sonderpädagogische Förderbedarf, der Förderschwerpunkt und der Förderort jährlich zu überprüfen. Nur in den wenigsten Fällen resultierte daraus eine Rückschulung in die allgemeine Schule.
Eine allgemeine Schule erkennt einen gestiegenen Förderbedarf und beantragt die amtliche Feststellung desselben. Der Klassenlehrer schreibt den Bericht und er schreibt ihn so, dass er bzw. die Schule ein Problemkind los wird. Die Schulaufsicht, so schreibt der Landesrechnungshof, akzeptiert in 94% aller Fälle den Förderbedarf und den Förderort an und schwupps ist das Kind im Förderschulssystem. Und wie das so ist: einmal drin, immer drin, denn die Rückkehr in eine allgemeine Schule wird nicht „als realistisches Ziel gesehen“.
Nun ist das Kind im System und dann kann man mittels jährlicher Überprüfungen den sonderpädagogischen Förderbedarf so justieren, dass die je eigene Förderschule ein als optimal erkanntes Lehrkraft-Kind-Verhältnis erhält.
So ist es denn nur noch eine Marginalie, dass die Verordnung zur Mindestgröße der Förderschulen schon zum Zeitpunkt ihres Erlasses in sich nicht stimmig war. Eigentlich müsste die Fördergröße laut LRH bei 162 Schülerinnen und Schülern liegen. Die Verordnung erklärte jeodch, dass die Mindestgröße bei nur 144 Schülerinnen und Schülern liege. Zusätzlich verfügt heutzutage jede 10. Förderschule über eine Sondergenehmigung, mit der sie diese Zahl um 50% unterschreiten darf.
Und dieses System soll mit Verweis auf das Kindswohl vor weiteren Veränderungen geschützt werden?
Der Bedarf an sonderpädagogischer Förderung wird durch ein behördliches Feststellungsverfahren festgelegt.
Formal steht es Eltern und Schulen offen, dieses Verfahren einleiten zu lassen. In Wirklichkeit aber wird das Verfahren in 95% durch die Schulen veranlasst,
“mit oft wiederkehrenden Begründungen - von der allgemeinen Schule gestellt und nur selten abgelehnt (5 v.H.). In den meisten abgeschlossenen Fällen hatte die Schulaufsicht den beantragten sonderpädagogischen Förderbedarf festgestellt (94 v. H.) und auch den beantragten Förderschwerpunkt bestätigt (97 v. H.). (S. 10)Es ist sicherlich so, dass qualifizierte Lehrkräfte eher erkennen, ob ein Schüler / eine Schülerin Defizite hat, die über das zu erwartende Maß hinausgehen, aber man kann natürlich auch die Frage stellen, ob die allgemeine Schule sich auf diesem Wege der schwierigeren Schülerinnen und Schüler entledigt.
“ Als problematisch erwies sich die Funktion des (Klassen-)Lehrers der allgemeinen Schule, der in der Regel sowohl maßgeblich an der Antragstellung zur Einleitung des AO-SF-Verfahrens beteiligt war als auch an der späteren Begutachtung, in der diese Lehrkraft zur Begründung oft zitiert wurde. (S. 11)Man darf bei diesem Befund nicht stehen bleiben, denn erst vor dem Hintergrund weiterer Erkenntnisse ist das System erkennbar.
Ein Befund bspw. lautet, dass trotz zurückgehender SchülerInnenzahlen die Anzahl der förderbedürftigen Kinder steigt. Waren es 2001/2002 noch 4,1% der Kinder so sind es 2011/2012 4,7% aller Schulkinder, die einer sonderpädagogischen Förderung bedürfen. 1991 galten sogar nur 3,1% der nordrhein-westfälischen Kinder als förderungsbedürftig. In den letzten 10 Jahren hat sich die Anzahl der Kinder um immerhin 14.000 Kinder erhöht.
Laut Gesetz ist der festgestellte sonderpädagogische Förderbedarf, der Förderschwerpunkt und der Förderort jährlich zu überprüfen. Nur in den wenigsten Fällen resultierte daraus eine Rückschulung in die allgemeine Schule.
„Weitaus häufiger führte sie zu einem Wechsel vom Förderschwerpunkt Lernen zum Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung bzw. zu einer Zuordnung zur Gruppe der Schwerstbehinderten. Die Begründungen für diese von den Förderschulen beantragten Änderungen waren häufig objektiv nicht nachvollziehbar. Gleichwohl wurde den Anträgen regelmäßig entsprochen.“ (S. 5)Das Schöner für die Förderschulen: einerseits beschreibt dieser Vorgang eine Abwärtsspirale für das betroffene Kind, das aber andererseits die personelle Ausstattung der Förderschule verbessert, denn der Förderschwerpunkt Emotionale und Soziale Entwicklung bedeutet, dass sich eine Lehrkraft um weniger Kinder zu kümmern hat, als im Schwerpunkt Lernen. Und im Schwerpunkt Schwerstbehinderte sind es nochmal weniger Kinder. Hier kümmert sich eine Lehrkraft dann nur noch um 4,17 Kinder.
„Die vom LRH stichprobenhaft eingesehenen Begründungen für die beantragten Förderschwerpunktwechsel bzw. Zuordnungen zur Gruppe der Schwerstbehinderten waren häufig objektiv nicht nachvollziehbar oder wiesen deutliche inhaltliche Schwächen auf. Gleichwohl hatten die Schulaufsichtsbehörden auch solchen Anträgen regelmäßig entsprochen.“ (S. 12)Alleine dies zu lesen ist ein Armutszeugnis für unser System, erschreckend aber wird es, wenn man die Reaktion des Ministeriums zu Kenntnis nimmt, die da lautet:
„eine Rückführung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in die allgemeine Schule (könne) meist nicht als realistisches Ziel gesehen werden. (S. 23)Und nun gewinnt das Modell ja an Kontur:
Eine allgemeine Schule erkennt einen gestiegenen Förderbedarf und beantragt die amtliche Feststellung desselben. Der Klassenlehrer schreibt den Bericht und er schreibt ihn so, dass er bzw. die Schule ein Problemkind los wird. Die Schulaufsicht, so schreibt der Landesrechnungshof, akzeptiert in 94% aller Fälle den Förderbedarf und den Förderort an und schwupps ist das Kind im Förderschulssystem. Und wie das so ist: einmal drin, immer drin, denn die Rückkehr in eine allgemeine Schule wird nicht „als realistisches Ziel gesehen“.
Nun ist das Kind im System und dann kann man mittels jährlicher Überprüfungen den sonderpädagogischen Förderbedarf so justieren, dass die je eigene Förderschule ein als optimal erkanntes Lehrkraft-Kind-Verhältnis erhält.
So ist es denn nur noch eine Marginalie, dass die Verordnung zur Mindestgröße der Förderschulen schon zum Zeitpunkt ihres Erlasses in sich nicht stimmig war. Eigentlich müsste die Fördergröße laut LRH bei 162 Schülerinnen und Schülern liegen. Die Verordnung erklärte jeodch, dass die Mindestgröße bei nur 144 Schülerinnen und Schülern liege. Zusätzlich verfügt heutzutage jede 10. Förderschule über eine Sondergenehmigung, mit der sie diese Zahl um 50% unterschreiten darf.
Und dieses System soll mit Verweis auf das Kindswohl vor weiteren Veränderungen geschützt werden?
Gegenentwürfe