Dienstag, 8. Januar 2013
Thema: Benzelrath
Investoren kaufen einen Baugrund oder ein altes Gebäude, investieren in die Liegenschaft und verkaufen es nach ein paar Jahren um ein Vielfaches des Kaufpreises wieder. Die Differenz zwischen dem Verkaufserlös und der Summe aus Kaufpreis und Investitionskosten ergibt den Profit für den Investor. Das Ziel des Immobilieninvestments ist deshalb nicht, die Wohn-, Lebens- und Arbeitsqualität oder die infrastrukturelle Versorgung der Umgebung zu verbessern. Investments orientieren sich vorwiegend an der Maxime des größtmöglichen Profits.
Was hier beschrieben wird ist ein schon lange laufender Prozess, durch den Immobilien zunehmend nur mehr als Ware, Investitonsmöglichkeit und Geldvermehrungsmaschine betrachtet werden.
Die Investitionen von Immobilien“entwicklern“ orientieren sich nicht an den realen Bedürfnissen der BewohnerInnen, ihre Investitionen orientieren sich nicht an sozialen und kulturellen Kriterien. Investionen werden stringent daran ausgerichtet, ob die Ware, also die Immobilien (bzw. die Wohnungen der Immobilie) gut verkäuflich sind. Negative Entwicklungen im Umfeld werden geleugnet, denn es handelt sich um zu vernachlässigende Störgeräusche. Öffentliche Räume werden privatisiert. Sehr beliebt auch sind Lagen, die Weitblicke ermöglichen. Solche Grundstücke gelten als Sahnestücke. Die dort errichteten Immobilien ermöglichen es deutlich höher Preise zu erzielen, insbesondere, wenn ein „unverbaubarer Blick“ versprochen wird.
Oft genug zerstört der „unverbaubare Blick“ der teuer zu bezahlen ist, bestehende Aussichten, öffentlicher Raum. Zum öffentlichen Raum und zum Recht aller StadtbewohnerInnen zählen aber auch entsprechende Frei- und Sichträume neumodisch auch als Sichtachsen bezeichnet. Die Aussicht, die vor Beginn der Baumaßnahme allen gehört wird privatisiert und gewinnmaximierend veräußert.
Auch dies ist eine Form der Privatisierung der öffentlichen Räumen.

Erschreckend ist immer wieder, dass sich noch jedes Mal genügend Politiker finden, die den Immobilien“entwicklern“ gerne zur Hand gehen, und schöne Worte finden, wenn die von den Immobilien“entwicklern“ geschaffenen Objekte zu weitreichenden, oft schwerwiegenden Folgen für die BewohnerInnen führen. Die Gestaltungshoheit geht von der Kommune auf Immobilien“entwicklern“ über.

Zu besichtigen ist dies in Frechen beispielsweise in der Sandstraße.




Donnerstag, 3. Januar 2013
Thema: Inklusion
Zu Weihnachten hat das Thema Inklusion erstmalig höhere Wellen geschlagen. Ursächlich war die Erkenntnis, dass die Landesregierung eine Sonderregelung in einem Erlass zu den Schulgrößen von Förderschulen streichen will, wodurch eine Vielzahl von Förderschulen in ihrem Bestand gefährdet ist, da sie einfach zu klein sind.
Das grundsätzliche Problem der Debatte sind die erkennbar schrägen Frontstellungen, was einerseits einer Schulministerin, die den inneren Zusammenhang ihrer Maßnahmen nicht begründet und andererseits in der fehlenden Öffentlichkeit für das Thema Inklusion begründet sein mag.

Beginnen wir oben: Bund und Länder haben sich mit der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention zur Inklusion verpflichtet, wobei Inklusion ein sehr weit gefasster Begriff ist und die allumfassende gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe sowohl Behinderter, als auch (chronisch) Kranker und sozial Ausgegrenzter meint.
Das Recht auf Teilhabe wurde in der Konvention dahingehend erweitert, dass Staat und Gesellschaft sich verpflichtet haben, alles zu ermöglichen, um den Schwächsten der Gesellschaft diese Teilhabe zu ermöglichen.
Dies ist eine Pflicht für Staat, Länder und Kommunen.

In Bezug auf das Thema Schulen sagt die Konvention ganz einfach, dass alle behinderten Kinder im Regelschulsystem zu unterrichten sind. Sollen hiervon Ausnahmen gemacht werden, so sind diese im Grunde einzeln zu begründen.

Sonderschulmodelle für behinderte Kinder werden als das beschreiben, was sie sind: diskriminierend, da sie eben das Gegenteil einer umfassenden gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe verkörpern. Durch das Sonderschulsystem, beschönigend Förderschulsystem genannt, werden behinderten Kinder frühzeitig ausgegliedert und ausgegrenzt. Das ist diskriminierend.

Die Landesregierung verhandelt aktuell eine Schulrechtsreform die den Anforderungen der Konvention gerecht werden soll, wobei der aktuelle Entwurf nicht den Endruck einer ernsthaften Umsetzung der Konvention erweckt. Aber, noch wird ja verhandelt. Bestandteil dieses Reformprozesses ist die Richtlinie zur Größe von Förderschulen, die nicht unverbunden im Raum steht, sondern, so ist zu vermuten, ein wichtiges Ziel verfolgt: Vorhandene Förderschulen müssen geschlossen werden um die knappen Fachkräfte (SonderpädagogInnen, TherapeutInnen etc.), die in den Förderschulen arbeiten, den Regelschulen zur Verfügung stellen zu können. Denn je mehr behinderte Kinder im Regelschulsystem unterrichtet werden, desto dringlicher stellt sich die Frage, wie diese Kinder in Regelschulen vernünftig beschult werden sollen, wenn das Fachpersonal nicht zur Verfügung steht.

Die Schließung von Förderschulen ist so einerseits ein Ausfluss der Behindertenrechtskonvention und andererseits zwingend für eine erfolgreichen Umsetzung der Inklusion.

Nachdem nun behinderte Kinder nicht mehr ins Förderschulsystem gezwungen werden sollen, ist in allen Kommunen beobachtbar, dass die Anzahl der Kinder in den Förderschulen rückläufig ist. Die Schließung von Förderschulen wird also kommen. Die Richtlinie wird diesen Prozess beschleunigen, ja muss ihn beschleunigen, da heute schon Fachkräfte in Grundschulen fehlen, die sich adäquat um die dort eingeschulten Kinder mit Förderbedarf kümmern können.

An dieser Stelle erhofft man sich dann doch ein Gesetz, das die Konvention umsetzt, eine angemessene Unterrichtung der Öffentlichkeit und einen Landesinklusionsplan, mit dessen Hilfe für Inklusion geworben aber auch Inklusion vor Ort konkret umgesetzt wird.

Aber nun kommt der zweite Teil: Inklusion ist in der Öffentlichkeit bisher noch nicht angekommen, schlimmer noch, nicht verstanden.

So schreibt ein Redakteur des KStA in einem Kommentar:
„Das Problem am Schulrechtsänderungsgesetz ist, dass ein moralischer Grundsatz in verbindliches Recht umgewandelt wird, der Grundsatz aber von der Gesellschaft so noch nicht akzeptiert ist.“
Was ja nun komplett falsch ist, da es sich eben nicht um einen moralischen Grundsatz handelt, sondern um die rechtlich zwingende Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention.

Ergänzend schreibt der Redakteur, die Umsetzung im schulischen Bereich müsse schrittweise erfolgen, „Behutsam, damit die Gesellschaft folgen kann.“
Damit bewegen wir uns in eine argumentative Richtung, die die Umsetzung eines Menschenrechts vom „Good Will“ der Mehrheitsgesellschaft abhängig macht. Das jedoch widerspricht allen Grundsätzen.
Menschenrechte sind nicht verhandelbar.

Aber eben darum scheint es momentan zu gehen. Die Mehrheitsgesellschaft hat sich in seinem Trennschulverfahren gemütlich eingerichtet. Die beiden Leserbriefe, die am 27.12.2012 im KStA zu diesem Thema veröffentlich wurden, sprechen eine deutliche Sprache, wie die Mehrheitsgesellschaft zu diesem Thema denkt. Man genieße das Gönnerhafte folgender Aussagen:
„Inklusion ist ein weiterer Eingriff von oben in unser Schulsystem, der ohne Rücksicht auf Verluste wieder nur ein einziges als ungerecht dargestelltes Phänomen beheben soll.“
„Eltern, für die das Lernergebnis ihrer Kinder im Vordergrund steht, werden durch die Vorstellung, dass Kinder mit Förderbedarf ohne Rücksicht auf die Art und Schwere der Behinderung aufgrund staatlicher Vorgaben in bestehende Schulen integriert werden sollen, irritiert.“
„Die Mitwirkung von Behinderten in Chören kann zu wunderbaren Ergebnissen führen, in einer Fußballmannschaft kann sich das nur schlecht vorstellen.“
„Schon die erste Antwort belegt die häufig von strengen Inklusionsbefürwortern betriebene Ideologisierung der Debatte mit den „bösen“ Förderschulen auf der einen und den „guten“ Regelsystemen auf der anderen Seite.“
Hier findet sich das ganze Argumentarium, um ein diskriminierendes System am Leben zu erhalten:

Inklusion ist ein als „ungerecht dargestelltes Phänomen“ – soll heißen, eigentlich existiert das dahinterliegende Problem gar nicht und zudem wird es nur als ungerecht dargestellt. Und dann wird noch „ohne Rücksicht auf Verluste“ an unserem Schulsystem herumgedoktert, mit anderen Worten: Inklusion wird Verluste hervorrufen, wird eine Verschlechterung des Schulsystems herbeiführen.

Eltern, für die das Lernergebnis zählt, werden bereits durch die Vorstellung eines gemeinsamen Unterrichts irritiert – mit anderen Worten: Inklusion und Lernen sind nicht gemeinsam vorstellbar, insbesondere dann nicht, wenn „ohne Rücksicht auf die Art und Schwere der Behinderung aufgrund staatlicher Vorgaben in bestehende Schulen integriert werden sollen“.

Geradezu überheblich dann aber die Feststellung, wo man Behinderte denn doch mal mitmachen lassen könnte: „Die Mitwirkung von Behinderten in Chören kann zu wunderbaren Ergebnissen führen …“. Ja da freuen sich die Behinderten aber, wenn der Normalo sich dazu herablässt und mit ihnen im Chor singt. Das verstehen Behinderte auch wirklich als Vollendung der gesellschaftlichen Integration!

Und zu guter Letzt ein Argument, das nicht fehlen darf: Inklusionsbefürworter „ideologisieren“ die Debatte – damit werden die Inklusionsbefürworter des Feldes verwiesen, denn mit Ideologen ist nicht zu diskutieren.

Ein Highlight für Genießer aus der Kölnischen Rundschau (Nachtrag vom 18.01.2013)

Erftstadts Schuldezernent Volker Erner hält ein flammendes Plädoyer: „Ich werde alles für den Erhalt der Schule tun.“ Er spricht von der Don-Bosco-Schule in Friesheim. Nach einem ersten Referentenentwurf des NRW-Schulministeriums wäre die Zukunft der Förderschule gefährdet. (...) 144 ist die Zahl, die für Aufregung sorgt. Hat eine Förderschule weniger Schüler, soll sie geschlossen werden. So sah es der Entwurf des Landesministeriums vor. Ein Sturm der Entrüstung folgte. Der Entwurf wurde vorerst zurückgezogen. Grund für die Zahl ist die sogenannte Inklusion. Behinderte Kinder sollen unter anderem in Regelschulen integriert werden.

"... sogenannte Inklusion..."
"Behinderte Kinder sollen unter anderem in Regelschulen integriert werden."


Ist es nicht toll! Nichts kapiert, aber Artikel schreiben dürfen!
Nein, es geht nicht um "unter anderem" und es geht nicht um die "sogenannte" Inklusion und es geht erst recht nicht um "Integration". Integration heißt, dass sich behinderte Kinder in die bestehenden Strukturen zu integrieren haben. Sollen sie sich also mal gefälligst anstrengen - die behinderten Kinder.

Inklusion heißt, dass die Strukturen so verändert werden müssen, dass behinderte Kinder gleich zu gleich im Regelschulsystem unterrichtet werden können.

Man nennt das einen Paradigmenwechsel!




Donnerstag, 20. Dezember 2012
Thema: Benzelrath
Am 18. Dezember hat die klagende Anwohnerin Recht bekommen. Womit niemand mehr gerechnet hatte, nachdem Stadt und Investor versucht haben, der Öffentlichkeit ihr fehlerhaftes Verhalten als korrekt in allen Details zu verkaufen.
Das Gericht hat es anders gesehen und die durch die Stadt erteilte Baugenehmigung aufgehoben.
Der Investor hat seit diesem Tag ein größeres Problem. So wie er die Gebäude angefangen hat zu bauen, darf er nicht weiterbauen. Da er sich aber lange Zeit seiner Sache sicher sehr war, hat er - husch, husch - zwischenzeitlich bereits das zweite Obergeschoss erreicht. Ein Umplanen beim Stand des jetzt erreichten Baufortschrittes dürfte sich daher zu einem größeren Problem auswachsen. Vermutlich wäre Abreißen und Neuanfangen sogar die preiswertere Variante. Aber für echte Macher ist das ja ein Gesichtsverlust. Und vermutlich fühlen sich Investor und Bürgermeister als echte Macher.

Aber, dem Investor scheint das Risiko zu groß zu werden. Jeden Stein, den er jetzt verbaut, verbaut er auf eigenes Risiko. Kommt es zu einer Abrißverfügung, dann geht der Abriß dieses Teils des Baus auf seine Kosten.
Wer für die Kosten des Abriß des Teils aufzukommen hat, der errichtet wurde, als der Investor im Glauben handelte, im Besitz einer rechtsgültigen Baugenehmigung zu sein, das wissen die Götter. Und vermutlich selbst die noch nicht, denn auch diese Frage muss im Zweifelsfalle juristisch geklärt werden.

Und hier nun wird es ganz spannend - an dieser Auseinandersetzung werden weder Stadt noch Investor ein Interesse haben - ob aber ein weiteres Mal die AnwohnerInnen zum Opfertisch geführt werden können, das scheint nach dem Ausgang dieses Prozesses nicht mehr so eindeutig.

Seit heute 13:15 Uhr jedenfalls ruhen die Bauarbeiten.

Zum Nachlesen: KR v. 20.12.2012