Freitag, 7. Oktober 2011
Das Ratsmitglied der Linken – Frechen, Franz Josef Gronewald, kritisierte auf der Homepage der Ratsfraktion der Linken alle Mitglieder des Bundestages, die der Papstrede ferngeblieben sind. Er positioniert sich damit anders als die Bundestagsfraktion der Linken.
Das mag befremdlich wirken, noch befremdlicher sind aber die Reaktionen des Stadtverbandes:

„Jedem Abgeordneten des Deutschen Bundestages steht es frei, der Papstrede fernzubleiben. Wer dies als flegelhaft und unhöflich bezeichnet, offenbart ein merkwürdiges Demokratieverständnis.
Franz Josef Gronewald demonstrierte sein Verständnis von Demokratie schon durch intrigante Machenschaften auf seinem Weg in den Stadtrat. Was "linke Politik in Frechen" ist, bestimmt er.
Somit ist ihm absolutistisches Verhalten nicht fremd.“

Kann es sein, das der Stadtverband und die Fraktion ein Problem haben?

Lustig auch: die Ratsfraktion der Linken hat auf ihrer Homepage keinen Link zur Homepage des Stadtverbandes und vice versa.

Bleibt noch eine Frage zu klären: wann wird die Fraktion aus der Partei ausgeschlossen?
Denn:
„Der Stadtverband distanziert sich hiermit ausdrücklich von den Aussagen des Franz Josef Gronewald.
Sie spiegeln keineswegs die politischen Ansichten des Stadtverbandes wieder.“

Und der unwissende Wähler bzw. die unwissende Wählerin fragt sich möglicherweise warum und zu welchem Zwecke gibt es diese Partei und diese Fraktion in Frechen?

Nachtrag 1

Es scheint so, als sei die Scheidung im vollem Gange. Das Vorstandsmitglied M.Güngör war längste Zeit sachkundiger Bürger im Jugendhilfeausschuss. Diese Funktion übernimmt nun die Fraktionssekretärin.

Nachtrag 2 vom 19. Oktober 2011

Die Partei hat ihre Kritik am Fraktionsvorsitzenden Grönewald von ihrer Homepage entfernt - schade eigentlich ...




Freitag, 16. September 2011
„Wenn über eine dumme Sache endlich Gras gewachsen ist,
kommt sicher ein Kamel gelaufen, das alles wieder runterfrisst.“

So besang Stefan Sulke in den Siebzigern eine vergangene Liebe. Dank des überparteilichen Schulkompromisses scheint die Liebe zur Gesamtschule neu entflammt zu sein.
Der Hürther Schulausschuss hat sich für die Einrichtung einer Gesamtschule ausgesprochen und selbst die CDU signalisiert vorsichtiges Entgegenkommen: „Wir sind nicht grundsätzlich gegen eine Gesamtschule“ hat die CDU erklärt. Der SPD-Bürgermeister von Hürth hielt ein echtes Plädoyer für die Gesamtschule, da diese dank ihrer breiten Aufstellung die meisten Kinder zum Abitur führe und auch am besten für den gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht behinderten Kindern geeignet sei.
Aus Köln sind vergleichbare Töne zu hören, denn auch die Kölner Schulverwaltung denkt über den Bau zweier Gesamtschulen nach. Mit der klaren Begründung, dass nach Schulkompromiss, der ja das Ende der rot-grünen Gemeinschaftschulidee besiegelte, die (alte) Gesamtschule die zukunftsweisende Schulform sei.
Auch in Pulheim ist das Thema Gesamtschule nicht vom Tisch. Die Diskussionen in Hürth und Köln werden in Pullheim sicherlich aufmerksam beobachtet.

Und hier in Frechen? Tja, da findet diese Debatte nicht statt, nein, nachdem nun im Schulkompromiss fixiert wurde, dass die Sekundarschule über keinen gymnasialen Zug verfügen darf, kann sich auch die hiesige CDU für diese Schulform erwärmen.
Damit zeichnet sich jetzt bereits ab, dass die Stadt Frechen als Schulstandort relativ an Bedeutung verlieren wird! Alle Elternbefragungen belegen, dass Eltern eine Schule wünschen, die ihren Kindern, soweit sie nicht bereits über eine uneingeschtränkte Gymnasialempfehlung verfügen, längstmöglich den Weg zur allgemeinen Hochschulreife offen hält. Das hätte die Gemeinschaftsschule im grün-roten Gewand gekonnt, die schwarz-grün-rote Sekundarstufe kann dies nicht.
Ebenso belegen viele Elternbefragungen, dass die Reduktion der Schulzeit von 13 auf 12 Jahre von vielen Eltern weiterhin nicht akzeptiert ist.
Die bis Sommer 2011 mögliche Verlängerung der Gymnasialziet von 8 auf 9 Jahre wurde aus nachvollziehbaren (organisatorischen) Gründen durch das Frechener Gymnasium abgelehnt.
Die Gesamtschulen arbeiten regulär mit 13 Schuljahren.
Der Elternwunsch nach G9 muss daher durch andere Schulen an anderen Standorten befriedigt werden - Frechen hat weder G9 am bestehenden Gymnasium noch eine Gesamtschule.

Frechens Eltern werden aber, sobald die Pläne in Köln und Hürth realisieren werden, bald Alternativen haben, neben der Gesamtschule in Kerpen gibt es dann eine Gesamtschule in Hürth und eine weitere in Köln-Ehrenfeld, die zudem mit neuen pädagogischen Konzepten den Anforderungen der Inklusion gerecht werden will.

Vor diesem Hintergrund ist der grundsätzlichen Zustandsbeschreibung der Frechener CDU nicht zu widersprechen: Es stehen wichtige Projekte an die den zukünftigen Schulstandort Frechen betreffen und es ist richtig, die Eltern über deren Schulwunsch zu befragen.

Es wäre aber sinnvoll, Eltern zu befragen, inwieweit eine Gesamtschule für ihre Kinder eine attraktive Variante ist und sich darauf einzustellen, Frechens Schullandschaft um eine Gesamtschule zu erweitern. Die Sekundarschule ist, noch bevor sie richtig das Licht der Welt erblickt hat, nekrotisch.

Vielleicht ist das aber eine "conditio sine qua non" um in Frechen Akzeptanz zu finden.

Vielleicht ergibt sich daraus auch ein Slogan für's Stadtmarketing:
Frechen - wo Togeborenes länger lebt.

Nachtrag vom 6. Oktober 2011

ein überraschend guter Kommentar im Kölner Stadtanzeiger der in Bezug auf eine Großstadt wie Köln deutlich sagt, dass die Sekundarschule eben keine zukunftsweisende Schulform ist. Die Sekundarschule ist sinnvoll für ländliche Regionen mit rückläufigen Schülerzahlen nicht jedoch in Ballungsräumen mit wachsenden Schülerzahlen.
Auch wenn Frechen ein kleinstädtische Mentalität pflegt, Frechen ist Bestandteil des Ballungsraums und hat, wenn auch vermittelt und damit abgeschwächt, im schulpolitischen Bereich mehr Ähnlichkeiten mit Köln als mit den Eifler Landkommunen.

6.Oktober 2011; KStA Kommentar: Verwirrung auf allen Ebenen




Dienstag, 2. August 2011
Thema: Opposition
Die TAZ veröffentlicht heute (02.08.2011) den Text des italienischen Historikers Piero Bevilacqua, der ausgehend vom Ende der großen metaphysischen Erzählungen der Neuzeit (Aufklärung, Idealismus, Marxismus) konstatiert, dass in den großen Umbrüchen des 20 Jahrhunderts auch die Erzählung des Fortschritts zu Schaden gekommen ist. In Form der Form des Begriffs Entwicklung lebt sie aber fort und ist in dieser Form Grundlage jeder modernen Politik. Die Parteien der Linken haben den Entwicklungsbegriff verinnerlicht und um die soziale Komponente erweitert.
Bevilacqua beschreibt das Aufkommen des Neoliberalismus vor 30 Jahren als „breit gefächerte kapitalistische Gegenoffensive“ in der der Fortschritt als die Freiheit des Individuums vor jeder Bevormundung erscheint und der freie Markt als einzige Regelungsinstanz übrig bleibt.
Dieser „Heiligenlegende“ konnten sich auch die Linken nicht entziehen.
„Auch die traditionellen Parteien der Linken konnten sich ihr nicht entziehen. Liberalisierung, Privatisierung, Wettbewerb, Flexibilität befielen die gute, alte Sozialdemokratie wie Parasiten und saugten sie aus.“

Im Begriff des „neuen Fortschritts“ der deutschen Sozialdemokratie des Jahre 2011 finden sich von all diesen Erzählungen etwas wieder. Noch scheint die SPD sich davon nicht trennen zu wollen, obwohl auch ein um Lebensqualität angereicherter Fortschrittsbegriff die Befindlichkeit vieler Menschen nicht mehr trifft.

Ausgehend vom Begriff der Enteignung stellt sich doch die Frage, ob der ganze herkömmliche Fortschritt aus Sicht des Einzelnen zwischenzeitlich nicht als zweischneidig erwiesen hat. Einerseits sorgten Fortschritt und Entwicklung für einen Zugewinn an Lebensqualität und an existentieller Sicherheit, andererseits erweist sich der neoliberale Fortschritt als Mittel zur Enteignung. Man spricht von der Privatisierungen, von Entlastungen, man redet von der Kapitaldeckung irgendwelcher sozialer Systeme, die andernfalls nicht überlebensfähig seien und im Endeffekt, was steht am Ende des Prozesses: einige Gewinner und viele Verlierer, für die Privatisierungen und Entlastungen zu einer Zunahme der Lebensrisiken führt, die nicht mehr durch die Gesellschaft aufgefangen werden.
Auf kommunaler Ebene handelt dies Geschichte beispielsweise von der Privatisierung der Müllabfuhr oder dem Verkauf der städtischen Stromversorgung an einen der Big Player. So verschieden die Kommunen, so verschieden die jeweils gewählten Wege. Schlussendlich aber hat dieser dem Neoliberalismus geschuldete Privatisierungswahn fast nie zum gewünschten Ergebnis geführt, es verbesserten sich weder Qualität noch Preis.

Zwischenzeitlich hat der Wind gedreht, in Form einer Graswurzelrevolution hat sich die Idee des Gemeineigentums in den Köpfen der Menschen eingenistet. Mal fordern Bürger einer Gemeinde die Übernahme des Stromnetzes, mal wird die Privatisierung der Müllabfuhr rückgängig gemacht. Die Produktion von Strom im Stadtteil oder der Gemeinde, die Wiederbegründung technischer Werke, mal geht es darum, eine Wiese vor der Bebauung zu retten, mal darum den städtischen Wohnungsbestand nicht an einen privaten Investor zu veräußern – es wirkt nicht wie eine große kollektive Empörung und doch beobachten wir hierin eine Wiederbelebung der Idee des Gemeineigentums.


Und das Gemeineigentum ist ein ausbaufähiges Konzept, denn im Grunde handelt es sich um die Wiederaneignung von Gemeingütern, die der Neoliberalismus der privaten Vernutzung anheim gestellt hat.

Wie schreibt Piero Bevilacqua:
„Im Grunde ist die Wiederaneignung der Gemeingüter einfach Ausdruck der Sehnsucht der Individuen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt wiederzufinden, der sie aus ihrer Isolation erlöst - ohne ihnen dabei ihre Freiheit zu nehmen. Es ist die politische Erzählung, die den Menschen vor der Angst der Moderne beschützen und ihnen eine Geschichte aufzeigen kann, die Sinn hat und die das Unbehagen an der Gegenwart kritisch beleuchtet. Sie bringt unterschiedliche Interessen zusammen und ermöglicht die Partizipation aller sozialer Schichten - eine Perspektive, die in den letzten Jahren bei allen völlig aus dem Blickfeld geraten ist.
Zuletzt: Diese neue Erzählung stellt sich in offenen Gegensatz zum Grundwiderspruch des Kapitalismus. Der gemeinschaftlich produzierte Reichtum fließt immer in die engen Bahnen der privaten Aneignung. Heute geht es dabei aber nicht mehr nur mehr um die Anhäufung bestimmter Güter; heute geht es um die ganze Erde, das gemeinsame Haus der Menschen, das von der Zerstörung durch den Plünderungszug der Privatinteressen bedroht ist. Und deswegen müssten potenziell alle die Erzählung von den Gemeingütern als die ihre verstehen und annehmen können, jenseits politischer, sozialer, kultureller und religiöser Grenzen.“

http://www.taz.de/Debatte-Neoliberalismus/!75505/