Thema: Mobilität
10. März 22 | Autor: antoine favier | 0 Kommentare | Kommentieren
Der Ukrainekrieg geht an die Substanz und weckt andererseits vergleichbar der Pandemie die Hoffnung, dass die deutsche / europäische Wirtschaft nun nachhaltiger werden könnte.
Die Geschichte der pandemie-bedingte Umgestaltung der Wirtschaft ist schnell erzählt: in der ersten Phase sanken die CO2-Emissionen da Mobilität und industrielle Produktion stark eingeschränkt wurden, in der Folge wurden hochdotierte Programme angekündigt, mit deren Hilfe die schwächelnde Wirtschaft wieder angekurbelt werden sollte. Und rund um den Green New Deal der EU wuchs die Hoffnung, dass diese Investitionen vorrangig dem Umbau der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit dienen sollte.
Das ging schief. Erste Untersuchungen zeigen, dass die eingesetzten Mittel nur zum allergeringsten Teil der Nachhaltigkeit zu Gute kamen. Die Wirtschaft hat sich in vielen Bereichen erholt, der CO2-Ausstoß hat das Vorkrisenniveau bereits wieder erreicht und das, obwohl bspw. der Flugverkehr immer noch unter Vorkrisenniveau liegt.
Und nun folgt der Ukrainekrieg und das Spiel beginnt von Neuem. Wieder sprießen die Hoffnungen, nun endlich die Wende zu mehr Nachhaltigkeit zu erreichen. Diesmal soll es sogar ganz schnell gehen. Wir müssen raus aus der Abhängigkeit vom russischen Öl und Gas.
Energiesparen ist das neue Modewort. Heizung runter, Tempolimit, autofreie Sonntage, weniger Autofahren usw..
Es werden aktuell Dinge diskutiert, die vor drei Wochen als nicht diskussionswürdig galten, nun aber als Solidaritätsgeste mit den in Kellern und Bunkern ausharrenden UkrainierInnen benannt werden.
Das Entscheidende aber: solche Vorschläge wurden von Umweltverbände, KlimaschützerInnen und WissenschaftlerInnen schon viele Jahre formuliert, da der weiterhin wachsende Energiehunger unserer Gesellschaft jeder nachhaltigen Umgestaltung der Wirtschaft entgegensteht.
Aus Sicht von Umwelt- und Klimaschutz könnte man jetzt ja hoffen ... .weil "regenerative Energie ist Freiheitsenergie".
Aber, man sollte genau hinhören. Es geht derzeit vorrangig darum, die Abhängigkeit vom russischen Rohstofflieferungen (55% beim Gas, 50% bei der Steinkohle, 35% beim Rohöl) zu reduzieren.
Entsprechend klingen denn auch die denkmöglichen Gegenmaßnahmen: Ausweitung der Verstromung von Braunkohle, Fracking-Gas aus den USA, mehr Rohöl anderer Lieferanten, Verlängerung der Laufzeiten der verbliebenen Atomkraftwerke.
Nicht alles wird sich umsetzen lassen, aber als sicher kann gelten, dass wir das russische Gas auf Sicht durch Fracking-Gas ersetzen werden, dass die Rohöllieferungen aus dem autokratischen Russland durch Rohöl aus irgendeinem sicherlich nicht weniger autokratischen arabischen Land ersetzt werden soll. Man liest ja schon mal vom iranischen Erdöl, das uns helfen soll, so wie die USA plötzlich wieder mit dem verfemten Venezuela verhandeln wollen ?
Im Gegensatz zur Pandemie könnte der Ukraine-Krieg nun aber wirklich zu einem Opportunitätsfenster werden, denn schon früh in der Pandemie wurde deutlich, dass die große Mehrheit der Bevölkerung davon ausging, dass das Ende der Pandemie gleichbedeutend sei mit dem vorpandemischen Zustand. Im Grunde also ein Zurück in die alten Muster.
Im Ukrainekrieg aber ändert sich der Diskurs: Energiesparen war während der Pandemie kein Thema, eine Bekämpfung der Pandemie brauchte kein Tempolimit und keine neue Heizungstechnik. Das ist jetzt aber momentan alles en vogue. Und verheerender noch für jede Politik des "weiter so" sind die Aussagen, dass die Zeiten der billigen Energie vorüber sind. In der Wirtschaftswoche werden heute (10.03.2022) Mittelständler zitiert, die davon ausgehen, dass das eine Kilowattstunde Strom dauerhaft einen Euro kosten werden, statt den aktuellen Preisen von 30 bis 40 Cent. Die Benzinpreise steigen und steigen und keiner weiß, wo das enden wird. Ein Stahlwerk in Bayern stellt aufgrund der hohen Energiepreise die Produktion ein.
Vergleichbares wird von Düngemittelfabriken berichtet.
Dabei schieben wir das aktuell alles auf den Ukrainekrieg, übersehen aber, dass Exploration und Förderung von Rohöl teurer geworden ist, da die preiswert zu erschließenden Ölvorkommen bspw. auf der arabischen Halbinsel oder in Texas zwischenzeitlich den Höhepunkt der Förderung überschritten haben. Neue Ölvorkommen sind immer teurer zu erschließen. Und die steigenden Kosten bei Öl und Gas schlagen auf den Strompreis durch.
Und wer genau hinschaut, der weiß auch, dass sowohl die Digitalisierung als auch die Windräder und Solarpaneele auf seltene Metalle und andere rarer werdende Rohstoffe wie Nickel und Zinn abgewiesen sind. Auch hier steigen die Preise und auch hier setzte die Entwicklung schon ein, bevor der Ukrainekrieg alles in Unordnung brachte.
Der Ukrainekrieg ist damit nur das Ereignis, das uns einen ersten Blick auf die Zukunft unseres Wirtschaftens erhaschen lässt. Und man erkennt, dass der "Green New Deal" eine ebenso große Lebenslüge ist, wie das zum Programm gewordene "weiter so", von CDU, FDP und auch in weiten Teilen die SPD ist.
Eine Umstellung auf regenerative Energien ist zwingend, wenn der Planet für Menschen noch bewohnbar bleiben soll. Aber in dieser Krise erkennen wir bereits, dass regenerative Energie weder preiswert noch grenzenlos verfügbar sein werden. Heute wird gefordert, aus Solidarität mit der Ukraine Energie zu sparen. Aber das genügt nicht. Der sparsame Umgang mit Energie muss zum Dauerzustand werden. In allen Bereichen.
Und das ist eines der Opportunitätsfenster das sich aktuell öffnet. Jetzt sind alle politischen Gremien und Parteien gefordert, diese Chance zu ergreifen.
* Jetzt muss über eine Ausweitung des ÖPNV
* über einen Ausbau der Fahrradinfrastruktur.
* über ein innerörtliches Tempolimit von 30 km/h
entschieden werden.
Denn alle diese Maßnahmen sparen Energie, elektrische ebenso wie kohlenstoffhaltige. Und zwar sofort und dauerhaft. Wer die Mobilität von morgen retten will, muss heute umsteuern.
Jetzt muss über eine Photovoltaikpflicht für Neubauten entschieden werden. Jeder Quadratmeter Photovoltaik macht eine Laufzeitverlängerung für Braunkohlekraftwerke unwahrscheinlicher.
Und alles zusammen reduziert die Abhängigkeit von Öl und Gas. Gleich ob russisch, arabisch, iranisch oder gefrackt aus den USA.
Dazu als abschließendes Zitat der Mobilitätsforscher Stefan Gössling:
Die Geschichte der pandemie-bedingte Umgestaltung der Wirtschaft ist schnell erzählt: in der ersten Phase sanken die CO2-Emissionen da Mobilität und industrielle Produktion stark eingeschränkt wurden, in der Folge wurden hochdotierte Programme angekündigt, mit deren Hilfe die schwächelnde Wirtschaft wieder angekurbelt werden sollte. Und rund um den Green New Deal der EU wuchs die Hoffnung, dass diese Investitionen vorrangig dem Umbau der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit dienen sollte.
Das ging schief. Erste Untersuchungen zeigen, dass die eingesetzten Mittel nur zum allergeringsten Teil der Nachhaltigkeit zu Gute kamen. Die Wirtschaft hat sich in vielen Bereichen erholt, der CO2-Ausstoß hat das Vorkrisenniveau bereits wieder erreicht und das, obwohl bspw. der Flugverkehr immer noch unter Vorkrisenniveau liegt.
Und nun folgt der Ukrainekrieg und das Spiel beginnt von Neuem. Wieder sprießen die Hoffnungen, nun endlich die Wende zu mehr Nachhaltigkeit zu erreichen. Diesmal soll es sogar ganz schnell gehen. Wir müssen raus aus der Abhängigkeit vom russischen Öl und Gas.
Energiesparen ist das neue Modewort. Heizung runter, Tempolimit, autofreie Sonntage, weniger Autofahren usw..
Es werden aktuell Dinge diskutiert, die vor drei Wochen als nicht diskussionswürdig galten, nun aber als Solidaritätsgeste mit den in Kellern und Bunkern ausharrenden UkrainierInnen benannt werden.
Das Entscheidende aber: solche Vorschläge wurden von Umweltverbände, KlimaschützerInnen und WissenschaftlerInnen schon viele Jahre formuliert, da der weiterhin wachsende Energiehunger unserer Gesellschaft jeder nachhaltigen Umgestaltung der Wirtschaft entgegensteht.
Aus Sicht von Umwelt- und Klimaschutz könnte man jetzt ja hoffen ... .weil "regenerative Energie ist Freiheitsenergie".
Aber, man sollte genau hinhören. Es geht derzeit vorrangig darum, die Abhängigkeit vom russischen Rohstofflieferungen (55% beim Gas, 50% bei der Steinkohle, 35% beim Rohöl) zu reduzieren.
Entsprechend klingen denn auch die denkmöglichen Gegenmaßnahmen: Ausweitung der Verstromung von Braunkohle, Fracking-Gas aus den USA, mehr Rohöl anderer Lieferanten, Verlängerung der Laufzeiten der verbliebenen Atomkraftwerke.
Nicht alles wird sich umsetzen lassen, aber als sicher kann gelten, dass wir das russische Gas auf Sicht durch Fracking-Gas ersetzen werden, dass die Rohöllieferungen aus dem autokratischen Russland durch Rohöl aus irgendeinem sicherlich nicht weniger autokratischen arabischen Land ersetzt werden soll. Man liest ja schon mal vom iranischen Erdöl, das uns helfen soll, so wie die USA plötzlich wieder mit dem verfemten Venezuela verhandeln wollen ?
Im Gegensatz zur Pandemie könnte der Ukraine-Krieg nun aber wirklich zu einem Opportunitätsfenster werden, denn schon früh in der Pandemie wurde deutlich, dass die große Mehrheit der Bevölkerung davon ausging, dass das Ende der Pandemie gleichbedeutend sei mit dem vorpandemischen Zustand. Im Grunde also ein Zurück in die alten Muster.
Im Ukrainekrieg aber ändert sich der Diskurs: Energiesparen war während der Pandemie kein Thema, eine Bekämpfung der Pandemie brauchte kein Tempolimit und keine neue Heizungstechnik. Das ist jetzt aber momentan alles en vogue. Und verheerender noch für jede Politik des "weiter so" sind die Aussagen, dass die Zeiten der billigen Energie vorüber sind. In der Wirtschaftswoche werden heute (10.03.2022) Mittelständler zitiert, die davon ausgehen, dass das eine Kilowattstunde Strom dauerhaft einen Euro kosten werden, statt den aktuellen Preisen von 30 bis 40 Cent. Die Benzinpreise steigen und steigen und keiner weiß, wo das enden wird. Ein Stahlwerk in Bayern stellt aufgrund der hohen Energiepreise die Produktion ein.
Vergleichbares wird von Düngemittelfabriken berichtet.
Dabei schieben wir das aktuell alles auf den Ukrainekrieg, übersehen aber, dass Exploration und Förderung von Rohöl teurer geworden ist, da die preiswert zu erschließenden Ölvorkommen bspw. auf der arabischen Halbinsel oder in Texas zwischenzeitlich den Höhepunkt der Förderung überschritten haben. Neue Ölvorkommen sind immer teurer zu erschließen. Und die steigenden Kosten bei Öl und Gas schlagen auf den Strompreis durch.
Und wer genau hinschaut, der weiß auch, dass sowohl die Digitalisierung als auch die Windräder und Solarpaneele auf seltene Metalle und andere rarer werdende Rohstoffe wie Nickel und Zinn abgewiesen sind. Auch hier steigen die Preise und auch hier setzte die Entwicklung schon ein, bevor der Ukrainekrieg alles in Unordnung brachte.
Der Ukrainekrieg ist damit nur das Ereignis, das uns einen ersten Blick auf die Zukunft unseres Wirtschaftens erhaschen lässt. Und man erkennt, dass der "Green New Deal" eine ebenso große Lebenslüge ist, wie das zum Programm gewordene "weiter so", von CDU, FDP und auch in weiten Teilen die SPD ist.
Eine Umstellung auf regenerative Energien ist zwingend, wenn der Planet für Menschen noch bewohnbar bleiben soll. Aber in dieser Krise erkennen wir bereits, dass regenerative Energie weder preiswert noch grenzenlos verfügbar sein werden. Heute wird gefordert, aus Solidarität mit der Ukraine Energie zu sparen. Aber das genügt nicht. Der sparsame Umgang mit Energie muss zum Dauerzustand werden. In allen Bereichen.
Und das ist eines der Opportunitätsfenster das sich aktuell öffnet. Jetzt sind alle politischen Gremien und Parteien gefordert, diese Chance zu ergreifen.
* Jetzt muss über eine Ausweitung des ÖPNV
* über einen Ausbau der Fahrradinfrastruktur.
* über ein innerörtliches Tempolimit von 30 km/h
entschieden werden.
Denn alle diese Maßnahmen sparen Energie, elektrische ebenso wie kohlenstoffhaltige. Und zwar sofort und dauerhaft. Wer die Mobilität von morgen retten will, muss heute umsteuern.
Jetzt muss über eine Photovoltaikpflicht für Neubauten entschieden werden. Jeder Quadratmeter Photovoltaik macht eine Laufzeitverlängerung für Braunkohlekraftwerke unwahrscheinlicher.
Und alles zusammen reduziert die Abhängigkeit von Öl und Gas. Gleich ob russisch, arabisch, iranisch oder gefrackt aus den USA.
Dazu als abschließendes Zitat der Mobilitätsforscher Stefan Gössling:
"Ich sage es deutlich: Wir sitzen auf einer Zeitbombe. Der massive Anstieg der Energiekosten erhöht den Druck auf die Menschen, die bereits jetzt mit den steigenden Lebenshaltungskosten kämpfen. Sie könnten schnell das Gefühl bekommen, ihnen werde aufgrund der steigenden Energiepreise das Auto weggenommen. Sie brauchen klimafreundliche, praktikable und bezahlbare Alternativen zum eigenen Pkw. Schafft die Politik sie nicht, kann es sein, dass diese Menschen sich gegen Klimaschutzmaßnahmen organisieren. Das erhöht den Druck auf die Politik. Deshalb sollte die Mobilitätswende jetzt zügig umgesetzt werden, es öffnet sich gerade ein Fenster der Möglichkeiten."