Donnerstag, 3. August 2017
Thema: Zuckungen
Die Frechenschau hat ein Interview mit Susanne Detlaff, Leiterin der Abteilung Kommunale Liegenschaften und Wirtschaftsförderung der Stadt Frechen, geführt.
Thema war die Situation und die Entwicklungsmöglichkeiten der Frechener Innenstadt.
Das Lesen lohnt auf alle Fälle, mich hat aber insbesondere ein Aspekt massiv gestört. Dazu aber zuerst einmal der betreffende Auszug aus dem Interview:
Als Wirtschaftsförderin ist es Ihre Aufgabe, Geschäfte in die Innenstadt zu holen. Womit punkten Sie bei Interessenten?
(…)
Problem ist die Stellplatz-Thematik. Obwohl die Kaufkraft hoch ist und Investoren wissen, dass sie Umsatz generieren könnten, gehen sie doch lieber auf die grüne Wiese, wo die Leute mit dem Auto vorfahren können. Aber das sind alles Themen, die wir jetzt auch über die neue Stellplatzsatzung angehen können.

Brauchen wir denn mehr Parkplätze in der Innenstadt?
Eine Parkplatznot haben wir in der Innenstadt definitiv nicht, Parkplätze sind da. Der Parkplatz Matthiasstraße ist zum Beispiel nicht immer komplett besetzt. Das Parkleitsystem ist sicher noch verbesserungswürdig. Es ist Luxus auf städtischen Stellplätzen umsonst parken zu können, das ist ein Alleinstellungsmerkmal. Und die gebührenpflichtige Tiefgarage unter dem Geschäftshaus mit Woolworth und Rossmann, dem Gold-Krämer-Haus und dem Rathaus ist auch oft nur zu fünf Prozent ausgelastet. Wir sind in intensiven Gesprächen mit dem neuen Besitzer, um die Tiefgarage mit einem System zu versehen, bei dem Kunden z.B. über die Einzelhändler die Parkgebühren erstattet bekommen. Die neuen Eigentümer tun jetzt auch etwas an der Attraktivität der Tiefgarage und haben in einem ersten Schritt die Entwicklung eines Sicherheitskonzepts beauftragt. Die Einfahrt an der Dr.-Tusch-Straße ist auch nicht gut wahrnehmbar, da muss man nochmal über ein Beschilderungssystem nachdenken – auch für die Fußgänger, damit die auch wieder in die Tiefgarage zurückfinden.
Womit wir mal wieder beim Thema sind, insbesondere auch vor dem Hintergrund der derzeitigen aktuellen Debatte über die Luftbelastung in unseren Städten hervorgerufen durch den Autoverkehr.

Ich lese, dass die gebührenpflichtige Tiefgarage unter dem Platz zur deutschen Einheit nur zu 5% ausgelastet ist. Jede/r der hier lebt, weiß warum, weil man nämlich in Frechen ansonsten überall kostenfrei parken kann.
Anstatt nun aber über die Folgen des kostenfreien Parkens nachzudenken, werden stattdessen Wege gesucht, das Parken in dieser Tiefgarage für Kunden des Einzelhandels auch kostenfrei zu machen.
Schon ein bisschen absurd, oder?

Jede innerstädtische Einkaufslage steht vor dem Problem, dass die großen Filialisten immer mehr Fläche fordern und der Meinung sind, der Kunde müsse ausreichend Parkplatz direkt vor der eigenen Filiale vorfinden. Also ziehen diese Geschäfte in die Gewerbegebiete und verlassen die Innenstädte.
Nicht nur in Frechen …

Da könnte man sich ja nun die Frage stellen, ob eine Ausweitung des Frechener „Alleinstellungsmerkmals“ der kostenlosen Parklätze wirklich eine Verbesserung darstellt. Gewinnt die Innenstadt an Attraktivität für diese Filialisten, wenn man nun weitere Parkplätze zur kostenfreien Nutzung zur Verfügung stellt?
Es ist zu vermuten, dass die Anzahl der kostenfrei zur Verfügung stehenden Parkplätze einen sehr geringen Einfluss auf die Attraktivität der Frechener Innenstadt hat.

Vielmehr sollte man sich dringend Gedanken machen, wie man den öffentlichen Nahverkehr ausbauen kann, damit die Frechener / -innen mit Bus und Bahn schnell und günstig in die Innenstadt kommen.

Ebenso wichtig wäre ein massiver Ausbau der Fahrradwege. Wer regelmäßig in Frechen Fahrrad fährt,
der kennt die obere Hauptstraße, die mit dem Rad nur bis zur Straßenbahnhaltestelle entgegen die Einbahnstraße befahren werden kann;
der kennt die untere Hauptstraße im Bereich rund um St.Audomar;
der kennt die Franz- und Franz-Hennes-Straße;
der kennt die Dr.-Tusch-Straße,
der kennt die Dürener Straße und die Blindgasse.
Und selbst Nebenstraßen wie die Alte Straße, die ja nicht einmal mehr durchgängig zu befahren ist, ist für Radfahrer/-innen kein Zuckerschlecken.

Um das Radfahren sicherer zu machen, müssten die frei verfügbaren Parkmöglichkeiten am Straßenrand massiv reduziert werden, da müsste man über eine kostenpflichtige Parkraumbewirtschaftung auf allen innerstädtischen Flächen und für alle Parkhäusern nachdenken, da müsste man den Mut haben, mobilitätslenkend einzugreifen, den eigenen Einwohnern über Kosten- und Nutzungskonzepte klar kommunizieren, welches Mobilitätsverhalten in der Innenstadt erwünscht ist und welches nicht.

Wobei andersrum auch ein Schuh draus wird: die seit Jahren praktizierte Inaktivität lässt nur einen Schluss zu: Politik und Verwaltung wollen den autofahrenden, parkplatzsuchenden Frechner in der Innenstadt.

In der Wirtschaft spricht man vom „disruptive change“, von umwälzenden Veränderungen, die bisherige Produkte völlig überflüssig machen. Vermutlich benötigt die Frechener Innenstadt einen ebensolche umwälzende Veränderung, um wieder an Attraktivität zu gewinnen.
Eine Option wäre beispielsweise eine komplette Neuordnung der innerstädtischen Raums, die zu einer massiven Reduzierung des Raumes führen muss, den man bisher dem Autoverkehr zur Verfügung gestellt hat.
Da wäre über eine Ausweitung der Fußgängerzone nachzudenken, da müsste das Parken am Straßenrand abgeschafft werden, da könnte das Frechener Parkhaus am Stadtsaal unter die Erde, da hat man den Parkplatz an der Synagoge, zentral gelegen, aber als Parkplatz eine einzige Raumverschwendung. Alles innerstädtische Flächen, die sicherlich attraktiver genutzt werden könnten (wobei, wenn man an den „Platz zur deutschen Einheit“ denkt …. Man kann Flächen auch massiv verhunzen.)

Man könnte sicherlich über einiges Nachdenken, solange jedoch das größte Hindernis für eine wirkliche Umgestaltung, das Auto und der dafür reservierte Raum in der Frechener Innenstadt als sakrosankt behandelt wird, solange wird es bei den kleinen Reparaturen bleiben, wird alles bleiben wie es ist.

Und mal ehrlich, das ist doch eine der Frechener Grundhaltungen – irgendwie hätte man es gerne anders, aber dafür doch bitte nicht an den bestehenden Verhältnissen rütteln. Und so wird der langsame Niedergang der Frechener Innenstadt sich fortsetzen.

Auch eine Form der Kontinuität….