Freitag, 7. Juni 2013
Der erste Beitrag hier Blog (Febr. 2011) hat sich mit den anstehenden Veränderungen der Frechener Schullandschaft beschäftigt. Er hatte „programmatischen Charakter“ da die lokale Schulpolitik einer der Schwerpunkte des Blogs sein sollte.
Aus diesem Artikel greife ich folgendes Zitat auf:
Inklusion

Auch hier wird es spannend werden. Die Landesregierung bastelt an einem Inklusionsplan für das ganze Land. Die Kommunen sollten das als Hinweis darauf verstehen, dass die Einbeziehung behinderter Menschen in den Alltag, ins ganz normale Leben, auf der politischen Agenda steht.
Bezogen auf unsere Schullandschaft bedeutet das:
eine wahrscheinlich sogar kurzfristige Ausdünnung der Förderschulen und damit zwingend der Verbleib von Kindern mit Behinderungen, Integrationsproblemen etc. in den Grundschulen vor Ort. Und nur wenige Jahre später werden diese Kinder, die bisher auf Förderschulen abgeschoben wurden, darauf pochen, an weiterführenden Schulen angemessen gefödert zu werden.
ein Recht behinderter Kinder auf eine Beschulung in einer wohnortnahen Schule und zwar in Grund- und Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien.
Ohne hier über pädagogische Veränderungen reden zu wollen, bedeutet dies, dass unsere Frechener Schulen in einem überschaubaren Zeitraum behindertengerecht ausgebaut werden müssen. Es kann auch bedeuten, dass sich die Raumanforderungen verändern, weil Klassen mit behinderten Kindern vielleicht kleiner sein werden, weil andere Hygieneräume benötigt werden, weil Therapieräume erforderlich sein werden.
Dem vorausgehend war bereits im Juni 2010 mittels eines Bürgerantrags versucht worden, das Thema Inklusion in der politischen Debatte zu platzieren.
Es war vorgeschlagen worden, im lokalen Rahmen ein Konzept „Inklusion an Frechener Schulen“ zu entwickeln, bei denen alle in der Stadt tätigen Institutionen, die mit Bildung und Förderung zu tun haben, beteiligt werden sollten.
Die Stadtverwaltung jedoch fand die Rechtslage unübersichtlich und empfahl dem Schulausschuss das Abwarten.
Viel eher führt das von der Stadtverwaltung vorgeschlagene Vorgehen dazu, dass die Diskriminierung behinderter Kinder durch Nichtstun fortgesetzt wird. Es stellt sich natürlich auch die Frage, ob die durch die Un-BRK geforderten "angemessenen Vorkehrungen" mit dem Einbau von Rampen und rollstuhlgerechter Toiletten Genüge getan ist, einen Eindruck jedoch den die Vorlage der Stadtverwaltung erweckt. In unserem Inklusionsantrag haben wir von Kindern mit besonderem Förderbedarf gesprochen, für die Räumlichkeiten und Hilfsmittel vorzuhalten sind.
Dafür versprach die damalige Vorsitzende des Schulausschusses, dass der Schulausschuss sich in 2011 intensiv der Frage der Inklusion widmen werde. Es gab denn wohl in diesem Jahr auch einen Fachvortrag eines ausgewiesenen Inklusionsexperten, Prof. Dr. Wocken. Ob dessen Anregungen in der täglichen Arbeit der Verwaltung Eingang gefunden haben, läßt sich bisher jedoch nicht erkennen.

Im November 2012, im NRW-Landtag gibt es eine rot-grüne Mehrheit, die Landesregierung hat das Thema Inklusion zu einem der wichtigsten Themen dieser Legislaturperiode erklärt, entsprechende Gesetze sind in Planung, wurde mittels eines Bürgerantrags erneut versucht, das Thema Inklusion zu platzieren. Im Bürgerantrag wurde insbesondere folgende Übergangsvorschrift zitiert:
„Eltern können die Rechte auf Gemeinsames Lernen … für ihre Kinder geltend machen, die ab dem Schuljahr 2013/14 … die Klassen 5 einer weiterführenden Schule … besuchen werden.“
Vor dem Hintergrund, dass es seit zwei Jahren keine verpflichtende Schulempfehlung für die weiterführenden Schulen gibt, bedeutet dies, dass förderungsbedürftige Kinder ab dem kommenden Schuljahr jede, aber auch jede weiterführende Schule besuchen dürfen. Die Stadt war also aufgerufen, sich des Themas anzunehmen, denn:
„Die Stadt trägt die Verantwortung für alle ihre Bürgerinnen und Bürger. Behinderte und förderbedürftigte Kinder zählen zu den schwächsten Mitgliedern der Stadtgesellschaft. Ihnen gegenüber hat die Stadt eine besondere Verantwortung.“
Die Stadtverwaltung lehnte auch diesen zweiten Vorstoß ab, da die in Diskussion befindlichen Gesetze noch nicht verabschiedet seien.

Nun haben wir Juni 2013 und die Stadt steht vor den Trümmern ihrer Politik und muss sich im Grunde eingestehen, dass sie ihrer Verantwortung für eben die schwächsten Mitglieder der Stadtgesellschaft nicht gerecht geworden ist.

Es ist geschehen, was geschehen musste. Schon zum kommenden Schuljahr wollen mehr Eltern ihre förderbedürftigen Kinder an einer Regelschule unterrichtet sehen, als wohl von der Stadtverwaltung angenommen. Da eine normale Klasse nicht unbegrenzt förderbedürftige Kinder aufnehmen kann, kommen nur wenige dieser Kinder an der Frechener Hauptschule unter. Den Rest hätte man früher zwangsweise auf die Förderschulen verfrachtet. Das geht ja nun nicht mehr. Also wurde entschieden, dass sowohl die lokale Realschule als auch das Gymnasium förderbedürftige Kinder aufnehmen müssen.

So schreibt das städtische Gymnasium aktuell die Eltern an, deren Kinder für die nun neu zu bildende integrative Klasse vorgesehen sind:
Die Klasse 5a wird eine ganz besondere Klasse sein. Zu ihr werden drei oder vier Kinder gehören, die einer besonderen Förderung bedürfen. Diese Kinder waren bisher im gemeinsamen Unterricht an der Grundschule, und ihre Eltern haben sie an der Hauptschule für das kommende Schuljahr angemeldet. Da die Anmeldezahlen an der Hauptschule aber niedriger sind als erwartet, können nicht alle Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an der Hauptschule aufgenommen werden.“
Wir wollen ihnen ganz offen sagen, dass uns diese Entwicklung überrascht. So schnell hat man in Frechen nicht damit gerechnet, dass Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf an der Realschule und dem Gymnasium aufgenommen werden.
Ist es nicht herrlich?
So schnell hat man in Frechen nicht damit gerechnet …
Muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.

Man kann es auch anders formulieren: Stadtverwaltung und Politik wurden mehrfach – auch von der Fraktion Bündnis90/die Grünen - auf diese zu erwartenden Entwicklungen hingewiesen. Die Stadt hat jede, aber auch jede Beschäftigung mit diesem Thema verweigert, so wie sie auch noch im November 2012 von einem ungefährdeten Fortbestand der Hauptschule ausgegangen ist und wohl insgeheim glaubte und hoffte, „Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf“ auf der Hauptschule konzentrieren zu können, um Realschule und Gymnasium von den Anmutungen der Inklusion zu schützen.

Das war wohl nix.

Die Hautschule schrumpft sich zu Tode, die Inklusion kommt schneller als geglaubt, die Schulen sind nicht vorbereitet und wir können fest davon ausgehen, dass wir im Schulausschuss zu hören bekommen werden, dass daran alleine die Landesregierung schuld sei.

Deshalb nochmals ins Stammbuch von Politik und Stadtverwaltung:
„Behinderte und förderbedürftigte Kinder zählen zu den schwächsten Mitgliedern der Stadtgesellschaft. Ihnen gegenüber hat die Stadt eine besondere Verantwortung.“