Thema: Landtagswahl 2012
14. Mai 12 | Autor: antoine favier | 1 Kommentar | Kommentieren
Nicht nur, dass Grube Carl der höchstgelegene Stadtteil Frechens ist, nein, Grube Carl ist auch Protesthochburg.
Ja, hier oben residiert der Parteienfrust. Und keiner hat’s bemerkt. Andernorts in Frechen wurde „die Linken“ gewählt, weil man gegen Hartz IV war, weil man der Schröder-SPD eins auswischen wollten und was der Gründe mehr waren. Die Linke hat aber hier im Stadtteil nie viele Stimmen erhalten. Bei der Landtagswahl 2010 haben sie hier oben knapp die 5%-Hürde genommen, 2012 war es bereits wieder aus mit der Herrlichkeit, gerade mal 3% sind es noch geworden.
Dafür haben sich in den vergangenen beiden Jahren die „Piraten“ laut allen Wahlforschern zur hippen Protestpartei entwickelt. Die Piraten werden gewählt, weil sie anders wirken, frischer, unverbrauchter, näher an den Menschen. Das Erstaunliche hier im Wahlbezirk: Noch vor 2 Jahren haben die „Piraten“ hier im Wahlbezirk nicht stattgefunden. Und das ist wörtlich zu nehmen. 2010 haben sie hier NULL Stimmen bekommen. Nun sind es auf einen Schlag 78 Stimmen und damit 11,6% aller gültigen Stimmen. Womit die „Piraten“ auf Grube Carl ihr stadtweit bestes Ergebnis eingefahren haben.
Es gibt einen noch einen weiteren Punkt, andem eine Protestpartei erkennbar wird. Protestwähler stimmen sowohl mit der Erst- als auch der Zweitstimme für den Protest. Sie praktizieren kein strategisches Wählen und vergeben Erst- und Zweitstimme nicht an unterschiedliche Parteien. Man beobachtet eine relativ kleine „Transferrate“. Im Gegensatz dazu verteilt der Normalwähler ihre Stimmen nach strategischen Gesichtspunkten: rund 50% der FDP-Wähler im Wahlbezirk haben ihre Erststimme deshalb Frau Klöpper von der CDU gegeben. Ganz anders die „Piratenwähler“ 78 Zweitstimmen stehen 73 Erststimmen gegenüber. Die Transferrate liegt bei gerade mal 7%.
Eine Gegenprüfung bei den Grünenwählern fördert dabei Überraschendes zu Tage. Hier lag die Transferrate 2010 noch bei 31%. Diese ist innerhalb der letzten beiden Jahre auf 17% gesunken.
Die Effekte dieser Entwicklung geben Hinweise für das im städtischen Vergleich ungewöhnliche Wahlergebnis der SPD. Bei den Zweitstimmen hat die Partei um 2,2% oder 27 Stimmen zugelegt, von 258 auf 285 Stimmen. Bei den Erstimmen dagegen sind diese Effekte nicht sichbar geworden.
2010 erhielt die Kandidaten der SPD, D’Moch-Schweren noch 48,3% der Erststimmen (= 310 Stimmen absolut). 2012 dagegen reichte es mit 313 Stimmen, absolut also mit 3 Stimmen mehr, auf gerade mal 46,6% der Stimmen. Damit ist dieser Wahlbezirk stadtweit einer der wenigen (zusammen mit dem WB Ringschule), in dem die Kandidatin der SPD schlechter abgeschnitten hat als vor 2 Jahren.
Lag die SPD auf der Ebene der Zweitstimmen auf Grube Carl noch 6,8% über dem städtischen Schnitt (39,88% zu 33,11%) so hat sich dieser Vorsprung 2012 auf 3,6% vermindert (42,41% zu 38,79%).
Man kann daher formulieren, dass der Wahlbezirk in seiner Mehrheit die Politik der Landes-SPD und damit von Hannelore Kraft unterstützt sehen will, ein Teil der Wählerschaft der lokalen SPD dagegen mit Misstrauen oder Ablehnung begegnet und aus diesem Grund sogar ein strategisches Wählen ablehnt. Dies findet seine Bestätigung im Wahlverhalten der Grünwähler. Stimmten 2010 noch 86 Wähler für die Grünen, so waren es nun noch 81, woran sich zeigt, dass die Grünen über eine relativ feste Stammwählerschaft verfügen. Die aber wählen mit der Erststimme immer seltener die KandidatIn der SPD.
Hier im Wahlbezirk zeigt sich, dass die grüne Stammwählerschaft nicht mehr bereit ist, die SPD zu unterstützen.
Das grüne Wahlergebnis belegt zudem, dass die Piraten kaum bei den Grünen gewildert haben – die Stimmengewinne resultieren aus anderen Quellen. Laut allgemeinen Wählerwanderungsanalysen hat insbesondere die SPD Stimmen an die Piraten abgegeben. Diese Effekte werden im Allgemeinen durch das gute Abschneiden der SPD verdeckt, hier im Wahlbezirk sind sie aber erkennbar eben dadurch dass die SPD keinen Stimmenzuwachs erzielt hat, im Gegensatz zu den anderen städtischen Wahlkreisen. Der potentielle Zuwachs scheint einer anderen Partei zu gute gekommen zu sein - den Piraten.
Das ist sicherlich nur mit lokalen Entwicklungen zu erklären und hier gibt es aus grüner Sicht einen zentralen Punkt: die große Koalition von CDU und SPD im Rat der Stadt Frechen und die klare Ablehnung grüner Ideen durch die SPD. So wirft die SPD den Grünen Populismus vor, da die Grünen sich für eine Gesamtschule in Frechen einsetzen, eine Position, die die SPD eigentlich schon geräumt hat, es nur noch nicht öffentlich verkünden will.
Aus Sicht vieler nichtgrüner Wähler sind dagegen die „Piraten“ das optimale Protestmedium, um gegen den Umgang der städtischen Politik mit dem Stadtteil zu protestieren: die Grundschulfrage wird hier eine Rolle gespielt haben – seit 2008/2009 war für Polit-Insider klar, die Schule wird nicht kommen, da die Grundstücke anderweitig verplant wurden. Die Öffentlichkeit hat man darüber aber erst 2012 informiert. Als die im Stadtteil aktiven Bauträger ihre Objekte alle verkauft hatten.
Ebenso wird die Verkehrssituation eine Rolle spielen – der Verkehr nimmt zu, die aktuellen Planungen werden die aktuelle Situation weiter verschlimmern aber die Bewohner werden offenkundig alleine gelassen.
Dies verknüpft sich mit der Feststellung, dass alle übrigen versprochenen Infrastrukturelemente (Nahversorgung, Straßenbahn) nicht umgesetzt werden.
Diese Unzufriedenheit findet in der lokalen Politik wenige Anknüpfungspunkte, da nicht erkennbar ist, welche Parteien nicht Bestandteil des Kartells sind. Alle im Rat vertretenen Parteien, so hat es den Anschein, interessieren sich nicht für diesen Stadtteil.
Dies führt nun dazu, dass die lokale Unzufriedenheit sich sogar bei Landtagswahlen ein Ventil sucht und es in den „Piraten“ gefunden hat.
Ja, hier oben residiert der Parteienfrust. Und keiner hat’s bemerkt. Andernorts in Frechen wurde „die Linken“ gewählt, weil man gegen Hartz IV war, weil man der Schröder-SPD eins auswischen wollten und was der Gründe mehr waren. Die Linke hat aber hier im Stadtteil nie viele Stimmen erhalten. Bei der Landtagswahl 2010 haben sie hier oben knapp die 5%-Hürde genommen, 2012 war es bereits wieder aus mit der Herrlichkeit, gerade mal 3% sind es noch geworden.
Dafür haben sich in den vergangenen beiden Jahren die „Piraten“ laut allen Wahlforschern zur hippen Protestpartei entwickelt. Die Piraten werden gewählt, weil sie anders wirken, frischer, unverbrauchter, näher an den Menschen. Das Erstaunliche hier im Wahlbezirk: Noch vor 2 Jahren haben die „Piraten“ hier im Wahlbezirk nicht stattgefunden. Und das ist wörtlich zu nehmen. 2010 haben sie hier NULL Stimmen bekommen. Nun sind es auf einen Schlag 78 Stimmen und damit 11,6% aller gültigen Stimmen. Womit die „Piraten“ auf Grube Carl ihr stadtweit bestes Ergebnis eingefahren haben.
Es gibt einen noch einen weiteren Punkt, andem eine Protestpartei erkennbar wird. Protestwähler stimmen sowohl mit der Erst- als auch der Zweitstimme für den Protest. Sie praktizieren kein strategisches Wählen und vergeben Erst- und Zweitstimme nicht an unterschiedliche Parteien. Man beobachtet eine relativ kleine „Transferrate“. Im Gegensatz dazu verteilt der Normalwähler ihre Stimmen nach strategischen Gesichtspunkten: rund 50% der FDP-Wähler im Wahlbezirk haben ihre Erststimme deshalb Frau Klöpper von der CDU gegeben. Ganz anders die „Piratenwähler“ 78 Zweitstimmen stehen 73 Erststimmen gegenüber. Die Transferrate liegt bei gerade mal 7%.
Eine Gegenprüfung bei den Grünenwählern fördert dabei Überraschendes zu Tage. Hier lag die Transferrate 2010 noch bei 31%. Diese ist innerhalb der letzten beiden Jahre auf 17% gesunken.
Die Effekte dieser Entwicklung geben Hinweise für das im städtischen Vergleich ungewöhnliche Wahlergebnis der SPD. Bei den Zweitstimmen hat die Partei um 2,2% oder 27 Stimmen zugelegt, von 258 auf 285 Stimmen. Bei den Erstimmen dagegen sind diese Effekte nicht sichbar geworden.
2010 erhielt die Kandidaten der SPD, D’Moch-Schweren noch 48,3% der Erststimmen (= 310 Stimmen absolut). 2012 dagegen reichte es mit 313 Stimmen, absolut also mit 3 Stimmen mehr, auf gerade mal 46,6% der Stimmen. Damit ist dieser Wahlbezirk stadtweit einer der wenigen (zusammen mit dem WB Ringschule), in dem die Kandidatin der SPD schlechter abgeschnitten hat als vor 2 Jahren.
Lag die SPD auf der Ebene der Zweitstimmen auf Grube Carl noch 6,8% über dem städtischen Schnitt (39,88% zu 33,11%) so hat sich dieser Vorsprung 2012 auf 3,6% vermindert (42,41% zu 38,79%).
Man kann daher formulieren, dass der Wahlbezirk in seiner Mehrheit die Politik der Landes-SPD und damit von Hannelore Kraft unterstützt sehen will, ein Teil der Wählerschaft der lokalen SPD dagegen mit Misstrauen oder Ablehnung begegnet und aus diesem Grund sogar ein strategisches Wählen ablehnt. Dies findet seine Bestätigung im Wahlverhalten der Grünwähler. Stimmten 2010 noch 86 Wähler für die Grünen, so waren es nun noch 81, woran sich zeigt, dass die Grünen über eine relativ feste Stammwählerschaft verfügen. Die aber wählen mit der Erststimme immer seltener die KandidatIn der SPD.
Hier im Wahlbezirk zeigt sich, dass die grüne Stammwählerschaft nicht mehr bereit ist, die SPD zu unterstützen.
Das grüne Wahlergebnis belegt zudem, dass die Piraten kaum bei den Grünen gewildert haben – die Stimmengewinne resultieren aus anderen Quellen. Laut allgemeinen Wählerwanderungsanalysen hat insbesondere die SPD Stimmen an die Piraten abgegeben. Diese Effekte werden im Allgemeinen durch das gute Abschneiden der SPD verdeckt, hier im Wahlbezirk sind sie aber erkennbar eben dadurch dass die SPD keinen Stimmenzuwachs erzielt hat, im Gegensatz zu den anderen städtischen Wahlkreisen. Der potentielle Zuwachs scheint einer anderen Partei zu gute gekommen zu sein - den Piraten.
Das ist sicherlich nur mit lokalen Entwicklungen zu erklären und hier gibt es aus grüner Sicht einen zentralen Punkt: die große Koalition von CDU und SPD im Rat der Stadt Frechen und die klare Ablehnung grüner Ideen durch die SPD. So wirft die SPD den Grünen Populismus vor, da die Grünen sich für eine Gesamtschule in Frechen einsetzen, eine Position, die die SPD eigentlich schon geräumt hat, es nur noch nicht öffentlich verkünden will.
Aus Sicht vieler nichtgrüner Wähler sind dagegen die „Piraten“ das optimale Protestmedium, um gegen den Umgang der städtischen Politik mit dem Stadtteil zu protestieren: die Grundschulfrage wird hier eine Rolle gespielt haben – seit 2008/2009 war für Polit-Insider klar, die Schule wird nicht kommen, da die Grundstücke anderweitig verplant wurden. Die Öffentlichkeit hat man darüber aber erst 2012 informiert. Als die im Stadtteil aktiven Bauträger ihre Objekte alle verkauft hatten.
Ebenso wird die Verkehrssituation eine Rolle spielen – der Verkehr nimmt zu, die aktuellen Planungen werden die aktuelle Situation weiter verschlimmern aber die Bewohner werden offenkundig alleine gelassen.
Dies verknüpft sich mit der Feststellung, dass alle übrigen versprochenen Infrastrukturelemente (Nahversorgung, Straßenbahn) nicht umgesetzt werden.
Diese Unzufriedenheit findet in der lokalen Politik wenige Anknüpfungspunkte, da nicht erkennbar ist, welche Parteien nicht Bestandteil des Kartells sind. Alle im Rat vertretenen Parteien, so hat es den Anschein, interessieren sich nicht für diesen Stadtteil.
Dies führt nun dazu, dass die lokale Unzufriedenheit sich sogar bei Landtagswahlen ein Ventil sucht und es in den „Piraten“ gefunden hat.