Thema: Umwelt
Auch wenn es in den vergangenen Monaten dank der Fridays for Future Bewegung gelungen ist, einer breiteren Öffentlichkeit die Dringlichkeit einschneidender Maßnahmen gegen die Aufheizung der Atmosphäre zu verdeutlichen, so gibt es immer noch breite Widerstände, mit der Umsetzung dieser Maßnahmen jetzt und heute zu beginnen.

Ich rede jetzt nicht von den Klimaleugner der AfD. Intellektuelle Unredlichkeit verdient diese Aufmerksamkeit nicht, schlimmer sind diejenigen, die die Klimakatastrophe, die wir durch unser Handeln angestoßen haben, dadurch verharmlosen, dass sie nur vom Klimawandel reden. Und da Sprache Wirklichkeit konstituiert, folgt für diesen Politier*innen-Typus, dass Maßnahmen gegen die Aufheizung der Atmosphäre keiner besonderen Eile unterworfen sind.

Nur zwei prominente Beispiele:
1. Annegret Kramp-Karrenbauer argumentiert, dass sich hinter der von Wissenschaftler*innen weltweit als schnellstes und effektivstes Mittel der CO2-Reduktion vorgeschlagenen CO2-Steuer nur eine Steuererhöhung verberge. Kann man man so sehen, entscheidender aber ihr Gegenvorschlag:
"Ich bin der festen Überzeugung, dass es intelligentere Methoden gibt als einfach zu sagen, wir müssen eine Steuer erheben oder eine Steuer erhöhen"
2. Christian Lindner pflegt eine vergleichbare Argumentation.
" „Wir dagegen wollen Klimaschutz so gestalten, dass wir weiter ein Land mit Wohlstand und individuellen Freiheiten sein können. Die Menschen sollen weiter Fleisch essen, Auto fahren und mit dem Flugzeug verreisen dürfen.“
Mit anderen Worten: Trotz Klimakatastrophe sollen wir leben können, als sei nichts los auf der Welt. Und wie soll das gehen?
" „Und bei der Umsetzung hören wir zu wenig auf Ingenieurinnen und Techniker. Klimawissenschaftler kommen in den Medien oft zu Wort, aber zu selten diejenigen, die neue, umweltfreundliche Technologien entwickeln.“
Das argumentative Modell ist klar: um zu technologischen Lösungen zu kommen, die die Aufheizung der Atmosphäre bremsen, benötigen wir noch (viel) Zeit, denn die Ingenieur*innen und Techniker*innen haben bisher keine kurzfristig umsetzbaren Lösungen zustande bekommen. Also taucht die bereits ablaufende Klimakatastrophe in immer nur im Begriff des „Klimawandels“ auf. Der Begriff suggeriert, dass alles weniger drängend ist, dass genügend Zeit zur Verfügung steht, da ein Wandel langsam abläuft und von uns Menschen beherrscht werden könne.

Laut einhelliger Meinung aller Wissenschaftler*innen haben wir aber nur noch bis 2030 Zeit, um einschneidende Maßnahmen zu ergreifen, die die Aufheizung der Atmosphäre auf 1,5 Grad begrenzt. Während wir auf die Wundertechnologien deutscher Ingenieure und Ingenieurinnen warten, heizt sich die Atmosphäre aber munter weiter auf. Bis 2100 wird das zu einer Erwärmung von deutlich über 4 Grad führen. Nur, dass bei über 2 Grad Aufheizung der Atmosphäre der Prozess verselbständigt, sich in einen sich selbst verstärkenden Prozess gewandelt haben wird, der mit technologischen Mittel nicht mehr zu stoppen sein wird.

Hier nun kommen die unzeitgemäßen Analogiebilder ins Spiel, die einem so durch den Kopf schwirren, denn so eine Situation kennen wir hier in Deutschland.

Gehen wir zurück ins Frühjahr 1944, Deutschland wird von den Alliierten flächendeckend bombardiert, die Luftabwehr ist hilflos, über eine drohende Invasion wird in der Bevölkerung munter spekuliert. Und doch wollen noch viele im Reich die drohende Niederlage nicht wahrhaben, denn, so macht die Propaganda Glauben und die Bevölkerung hört es gerne: dank der deutschen Ingenieurskunst wird sich das Kriegsglück wenden, Tod und Zerstörung wird über England kommen und diesen Erzfeind in die Knie zwingen, werden doch von deutschen Ingenieuren Vergeltungswaffen entwickelt, die das Deutsche Reich zum Sieg führen werden.
Mit der militärischen Effektivität der Waffen war es dann doch nicht so weit her, todbringend waren sie zwar, aber zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise kriegsentscheidend.
Dieser „Fortschrittsglaube“, der Glaube an durch moderne technologische Entwicklungen produzierte Wunderwaffen lebte in Teilen der deutschen Bevölkerung auch noch im Frühjahr 1945 als die Alliierten in Ost und West die Grenzen des Reiches erreicht oder bereits überschritten hatten.

Statt an die Leistungsfähigkeit deutscher Ingenieure bei der Entwicklung von „Wunderwaffen“ zu glauben, wäre Widerstand und bedingungslose Kapitulation angebracht gewesen.
Es gab sicherlich viele Gründe, warum die deutsche Bevölkerung unfähig zum Widerstand war, der Glaube an die „deutsche Technik“ war dabei jedoch auch ein kleines Mosaikteilchen.

Nun sollen wir wieder an die Technologie glauben, nur um in unserem alltäglichen Trott weiter zu machen, uns zurücklehnen und warten, bis Ingenieur*innen und Techniker*innen Lösungen gefunden haben, damit wir unser Verhalten nicht ändern müssen.

Wie schon 1944/45 ist das die grundfalsche Haltung. Technologie rettete Deutschland 1945 nicht vor der verdienten Niederlage und wird im 21. Jahrhundert das Klima nicht retten. 1945 bedeutete die Niederlage Befreiung. Das wird man 2100 nicht sagen können. Eine Niederlage im Kampf gegen die Aufheizung der Atmosphäre wird keine Befreiung bedeuten, vielmehr droht dann das Ende der Menschheit. Das Warten auf technologische Lösungen macht die Niederlage mit jedem Jahr, das wir zuwarten, wahrscheinlicher.