Freitag, 7. Juni 2019
Thema: Umwelt
Wer wissen will, warum die CDU bei den Europawahlen so abgeschmiert ist und warum die Grünen derzeit einen Lauf haben, der muss sich nur das Interview durchlesen, dass das Handelsblatt mir Friedrich Merz geführt hat.
Daraus ein Zitat, das den Abstand zwischen der CDU und der Realität beschreibt:
Wie kann die Union deren Aufschwung aufhalten? Ich würde ihren Umweltpopulismus mit der Wirklichkeit konfrontieren. Die Grünen schwimmen auf einer Welle von Sympathie, weil sie eine schöne neue Welt versprechen und auf komplexe Fragen zu einfache Antworten geben. Ich würde ihnen die Frage stellen, wie und wovon unsere Kinder und Enkelkinder denn in 20 oder 30 Jahren eigentlich leben sollen.
Dazu zwei Informationen, die sozusagen zeitgleich durch die Presse laufen:
1. Die monatliche Kohlendioxidkonzentration hat im Mai 2019 mit 414,8 parts per million (ppm) einen neuen Höchststand erreicht. Das sind 3,5 ppm mehr als im vergangenen Jahr. Vor einigen Jahrzehnten lag der jährlich Zuwachs noch bei 0,7 ppm in den 1980er Jahren steigerte er sich auf 1,6 ppm, inzwischen sind wir bei jährlich 2,2 ppm jährlich. Tendenz weiter steigend.

2. Die Methankonzentration in der Atmosphäre ist aktuell um das 25-fache höher als in der vorindustriellen Zeit. Seit 2007 stieg der Methananteil in der Luft um 5,7 parts per billion (ppb) jährlich. Die Klimawirkung von Methan übersteigt diejenige von Kohlendioxid um das 25-fache. Für das Klima ein Supergift, das vor allem bei der Massentierhaltung und bei der Zersetzung von organischem Material unter Luftabschluss entsteht. Die größten Methanlager finden sich (noch) im Permafrostboden in den Polargebieten.

Nun ist es ja so, dass die Grünen nur die glücklichen Gewinner, sozusagen der Kollateralschaden der Fridays-Bewegung sind, der es gelungen ist, die bereits laufende Klimakatastrophe zum beherrschenden politischen Thema der vergangenen Monate zu machen. Und weder die Fridays-Bewegung noch die Grünen versprechen uns eine schöne neue Welt, wenn auch die Grünen deutlich positiver unterwegs sind als die Fridays-Bewegung. Aber die Antworten der Wissenschaftler/-innen, die die Fridays unterstützen, geben sind nicht wirklich einfach. Sie sind nur eindeutig und sie lassen sich sehr vereinfachend formulieren. Sozusagen auf den kleinsten Nenner verdichtet, sagen die Lösungsvorschläge alle: „Weniger ist mehr“: weniger CO2-Verbrauch, weniger individuelle Mobilität mit Hilfe von Verbrennungsmotoren, weniger Flugreisen, weniger Fleisch. Denn andernfalls werden wir die Erde in einen für Menschen kaum mehr bewohnbaren Planeten verwandeln.

Und so kommt „Umweltpopulismus“ daher, findet Herr Merz? Da sollte wohl mit dem Schlagwort „Populismus“ mal schnell diffamiert werden. Umweltschutz ist also populistisch. Erinnert sich noch zufällig jemand, wie die klimastreikenden Schülerinnen und Schüler aus der CDU (und der AFD) heraus gefaltet wurden für ihr Engagement? Wie in der Öffentlichkeit statt über die Klimakrise über die Schulpflicht diskutiert wurde? Und wie die CDU das Thema um’s Verrecken nicht in den Griff bekam? Wo war denn wohl die populistische Anwandlung beheimatet, bei den Schülerinnen und Schülern oder bei der CDU?
Es ist jedenfalls das erste Mal, dass man von den Menschen Verzicht verlangt und sich dafür als „Populisten“ beschimpfen lassen muss.

Und was weiß Herr Merz zur Klimakatastrophe selbst zu sagen?
Dann fragen die Grünen, ob wir denn in einer Welt leben wollen, in der wir nicht überleben können.

Das ist der Dissens, über den wir in unserer Demokratie offen streiten müssen. Ich bin mir sicher, dass wir da als Stimme der Vernunft viel Zustimmung von der arbeitenden Bevölkerung bekommen. Denn als Verursacher von unter drei Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes kann Deutschland die Welt nicht im Alleingang retten. Aber wir haben und entwickeln neue Technologien, die weltweit eingesetzt werden können. Die latente Technikfeindlichkeit der Grünen hilft dem Klimaschutz nicht, sie schadet ihm. Und darüber müssen wir reden.
Auch hier scheitert Herr Merz an der Realität. Es ist keine demokratisch zu entscheidende Frage, ob die Welt, wie wir sie kennen, untergehen wird oder nicht. Die Welt wie wir sie kennen, wird zerstört werden, wenn nicht schnellstens gehandelt wird. Der Selbstzerstörungsprozess ist bereits angelaufen alleine aufgrund der Situation, dass wir Menschen zu verschwenderisch mit den begrenzten Ressourcen der Erde umgegangen sind. Jetzt muss die Menschheit auf die Bremse treten. Und wie beim rechtzeitigen Bremsen entscheidet die Reaktionszeit über Erfolg oder Misserfolg.

Und dabei gilt dann die einfache Regel, dass man am besten, wie es so schön heißt, vor der eigenen Haustüre anfängt, denn nur hier ist ein direktes Handeln möglich. Der doppelte Verweis auf die Verantwortung der anderen („Deutschland kann die Welt nicht im Alleingang retten“) und die deutsche Technologie (der feuchte Traum deutscher Ingenieure: wir erfinden die Weltrettungsmaschine), ist ein Ablenkungsmanöver und verweist darauf, dass die CDU weiter gerne auf Zeit spielen möchte.
Das Ziel hierbei ist klar: man möchte sich harte Entscheidungen ersparen, die bei der ganzen Bevölkerung eine Änderung bisheriger Lebensgewohnheiten erzwingen würden. Das wird nicht auf ungebremste Begeisterung stoßen. Insbesondere nicht in einem politischen System, das sich daran gewöhnt hat, Zugewinne als Verteilungsmasse zu nutzen. Niemandem wird etwas weggenommen, alle erhalten mehr, da die Rentner/-innen, da die Familien, da die Bauherren, da die Autobesitzer ...

Nun stehen wir vor der Situation, dass Entscheidungen anstehen, die, wenn den Vorschlägen der Wissenschaftler/-innen gefolgt wird, dazu führen wird, dass wir alle weniger haben werden, weil Produkte und Dienstleistungen verteuert werden müssen, um unser aller Verhalten ins Klimaschonende umzulenken. Weniger Fleisch, weniger Auto, weniger Flugreisen, weniger Kreuzfahrten, weniger Flächenverbrauch.

Die CDU verweigert sich dieser Einsicht. Das scheint selbst vielen Wählerinnen und Wählern der CDU aufgefallen zu sein. Für die CDU könnte man hoffen, es handle sich um ein Generationenproblem, aber auch die Junge Union ist, trotz der Andeutung von Jugendlichkeit im Namen, ebenso aus der Realität gefallen.

Der Niedergang hat erst begonnen.