Freitag, 26. Oktober 2018
Thema: RWE
Da haben sie demonstriert, der RWE-Angehörigen und die Rodung des Hambacher Forstes gefeiert und alle sind sie gekommen. Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IG Bergbau, Chemie, Energie, Armin Laschet, der Ministerpräsident des Landes NRW, Rolf Martin Schmitz, Chef des Energieversorgers RWE, Landtagsabgeordnete und lokale Mandatsträger sopwie laut Polizei rund 20.000 weitere Demonstranten.
Und alle haben sie ihre Solidarität mit den Angestellten der RWE bekundet, deren Arbeitsplätze gefährdet seien, wenn denn die Energiewende zu schnell komme.

Nun ist ein Strukturwandel für die direkt Betroffenen nie schön, trotzdem sollte man die Kirche im Dorf lassen. 1990 gab es in der Braunkohleindustrie noch rund 100.000 Arbeitsplätze. Davon sind noch rund 20.000 Arbeitsplätze übrig geblieben. Ende Dezember 2016 wurden 19.854 Beschäftigte in der Braunkohlenindustrie ausgewiesen. Davon entfallen etwa 5.000 Beschäftigte auf die Braunkohlekraftwerke.

In der Studie des Umweltbundesamtes wird auch geprüft, wie sich die Arbeitsplatzsituation in Zukunft entwickeln wird. Auf Basis aller bisher bereits entschiedenen Klimaschutzmaßnahmen (also ohne den jetzt diskutierten beschleunigten Ausstieg) wird die Anzahl der in der Braunkohle Beschäftigten bis 2030 von 20.000 auf dann noch maximal 15.000 ArbeitnehmerInnen sinken. So oder so, es werden immer weniger Beschäftigte in der Braunkohleindustrie.

Diese knappen Zahlen weisen darauf hin, dass die Bedeutung der Braunkohle sowohl gesamtgesellschaftlich als auch regional stark übertrieben wird. Dazu merkt das RWI (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung) in einer Studie an:
"Auch die Beschäftigungsquote, also der Anteil der Braunkohlebeschäftigten an der Bevölkerung, weist aus, dass die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Braunkohlesektors selbst in den Braunkohleregionen eher geringer ist, als dies die öffentlichen Diskussionen über die Braunkohleindustrie gelegentlich nahelegen, in denen dessen tatsächliche Relevanz mitunter überzeichnet wird.
Wirklich bedeutend ist die Braunkohleförderung und –verstromung für die RWE, die hier seit Jahrzehnten gute Gewinne erwirtschaftet hat. Da die RWE den Umstieg auf die dezentrale alternative Stromerzeugung einfach verschlafen hat, man war ja gut in Atomkraft- und Kohlekraftwerke investiert.

Mit anderen Worten, die IG BCE hat sich vor den Wagen der RWE spannen lassen. Dieses ungleiche Bündnis verdeckt, dass die RWE die Arbeitsplätze auf dem Gewissen haben wird und nicht der Umbau der Stromversorgung hin zu einer CO2-neutralen, der Dekarbonisierung der Stromproduktion. RWE hat sich zu lange auf seinem Kraftwerkspark und seinem weit in die Politik hineinreichenden Einfluss ausgeruht und den Wandel schlicht verschlafen.

Die Arbeit der Kohlekommission verschärft nun das Dilemma der RWE, denn seit der Einrichtung der Kohlekommission ist klar, dass nicht mehr über das ‚OB‘ des Ausstiegs aus der Braunkohle gestritten wird, sondern nur noch über das ‚WANN‘. Schon heute ist klar, dass der von der rotgrünen NRW- Landdesregierung genehmigte Braunkohleabbau bis 2045 nicht mehr realisiert werden wird.

Im Gespräch sind wohl Kompromisslinien, die einen Abbau bis 2037-39 vorsehen. Aber auch diese Kompromisslinien werden nicht halten, denn der letzte Sonderbericht des Weltklimarates hat zweierlei deutlich gemacht: Einerseits ist die ursprüngliche Marschlinie, die globale Erwärmung auf maximal 2 Grad zu begrenzen wird wohl nicht ausreichen. Vermutlich wird das globale Klimasystem dann bereits in einen Modus eines nicht mehr zu bremsenden, selbsttätig ablaufenden und sich selbst verstärkenden Erwärmungsprozess umgeschlagen werden sein.

Die Klimaforschung referiert also immer stärker auf die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5%. Andererseits ist es zur Erreichung dieses ehrgeizigen Ziels unerlässlich, bis 2050 komplett und weltweit aus der kohlebasierten Stromerzeugung auszusteigen. Für Deutschland (und für Europa) heißt das, dass der Kohleanteil an der Stromerzeugung dabei bis 2030 erheblich gesenkt werden muss. Im Bericht des Weltklimarates heißt es sehr eindeutig, „dass die Nutzung von Kohle zur Stromerzeugung in Deutschland bis 2030 eingestellt werden muss“, wenn das 1,5-Grad-Ziel erreicht werden soll. Bis 2020 müssen die kohleinduzierten Emissionen um 42% unter das Niveau von 2017 herabgefahren werden und bis 2030 auf Null heruntergefahren werden. Diese Zielvorgaben entsprechen den im Pariser Abkommen von der Bundesrepublik übernommenen Verpflichtung der CO2-Reduktion.

Diese Vorgaben werden von dem Thinktank „Climate Analytics“ auf ihre Realisierbarkeit geprüft. Dabei wird deutlich, dass die Verzögerungen beim Ausstieg aus der Kohleverstromung dazu führen, dass nun bis 2020 deutlich größere Anstrengungen unternommen werden müssen, um die Emissionen zu vermindern. Die Studie kommt dabei zu dem eindeutigen Ergebnis, dass in Deutschland Kohlekraftwerke vorzeitig stillgelegt werden bzw. ihre Leistung massiv reduzieren müssen. Wird weiter gemacht wie bisher geplant, so würden bis 2020 76 Mio und bis 2030 180 Mio Tonnen CO2 mehr ausgestoßen als mit dem Pariser Abkommen vereinbar.

Nach derzeitigen Vorgaben werden in Deutschland bis 2020 4,2 GW Kohle-Kapazitäten vom Netz gehen. Um die Vorgaben aus dem Pariser Abkommen zu erreichen, müssen jedoch inzwischen bis 2020 16 GW vom Netz gehen. Die Studie geht davon aus, dass es aktuell genügend Überkapazitäten und reaktivierbare Gaskraftwerkskapazitäten gibt, die es ermöglichen, „beträchtliche Braunkohle-Kapazitäten“ vom Netz zu nehmen, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden. Entsprechende Untersuchungen gehen daher davon aus, dass ein beschleunigter Kohleaussteig nur zu einem moderaten Anstieg der Großhandelspreise für Strom sorgen wird. Womit auch die Angst vor massiv steigenden Strompreise eher übertrieben erscheint.

Und dann sozusagen als direkte Antwort auf die Demonstrationen in Elsdorf formuliert die Studie:
„Die Befürchtung von möglichen wirtschaftlichen Folgen und Arbeitsplatzverlusten durch einen beschleunigten Kohleausstieg sind in den betroffenen Kohlegebieten ein zentrales Anliegen. Die aktive Unterstützung des seit Jahrzehnten andauernden notwendigen Strukturwandels in diesen Regionen kann jedoch dazu beitragen, wirtschaftliche Alternativen mit besseren Zukunftsperspektiven auch für jüngere Generationen zu schaffen. Finanzielle Unterstützung und Umschulung der betroffenen Mitarbeiter bei gleichzeitiger Bereitstellung alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten können die negativen sozialen Auswirkungen eines Kohleausstiegs abfedern. Die meisten Studien kommen zu dem Schluss, dass ein schneller Kohleausstieg unvermeidlich ist und dass die Folgen für die betroffenen Regionen sozialverträglich gestaltet werden können.
Doch was eigentlich an der gesamten Debatte stört, da darüber nicht geredet wird , ist die Tatsache, dass die Kohleverstromung ist ein extrem schmutziges Geschäft ist. Neben dem bekannten CO2 werden weitere gesundheitsschädliche Luftschadstoffe und Schwermetalle in erheblichen Mengen in die Atmosphäre ausgestoßen.



Erwähnenswert sind Schwefeloxide, Stickoxide, Feinstaub und Quecksilber.



Ein Ende der Kohleverstromung würde hier zu bedeutenden Co-Benefits führen, denn durch den beschleunigten Ausstieg könnte jeweils mehr als die Hälfte der Schadstoffemissionen vermieden werden:
“Zu den vermiedenen Folgen eines 1,5-Grad-kompatiblen Ausstiegspfades für Kohle bis zum Jahr 2030 gehören mehr als 20.000 vorzeitige Todesfälle, 9.400 Krankenhauseinweisungen und 420.000 "Asthmaanfälle bei Kindern und rund 6,7 Millionen verlorener Arbeitstage. Zusammen mit anderen vermiedenen Auswirkungen, etwa auf Nutzpflanzen, können damit erhebliche Kosten eingespart werden.“
Braunkohleabbau und –verstromung beinhalten also auch das Recht für die Produzenten, in großem Umfang die Gesundheit von Menschen in der direkten und weiteren Umgebung massiv zu gefährden bzw. zu schädigen. Auch andere haben dieses Recht: im Zusammenhang mit der Schadstoffbelastung in den deutschen Städten, die in einem direkten Zusammenhang mit dieselgetriebenen PKW, Transportern und LKWs stehen, wissen wir, dass das Recht, auf saubere Luft und damit ein Leben mit weniger gesundheitlichen Beeinträchtigungen einen sehr geringen Stellenwert hat. Weder dürfen die Gewinnmargen der Autoindustrie gefährdet werden, noch das Recht des Automobilisten auf ungehinderte Fortbewegung. Und so fordert RWE folgerichtig, dass auch sie so lange als möglich die gesundheitsgefährdende Produktion von Strom in der bisherigen Form fortführen darf.

Und die DemonstrantInnen haben sich vor diesen schmutzigen Karren spannen lassen.