Montag, 17. Juli 2017
Da konnte man im rheinischen Revier glauben, es werde endlich einmal für einige Jahre Ruhe einkehren an der Ausstiegsfront, nachdem die Grünen nicht mehr in der Landesregierung sind und die Bundesregierung ihre Umweltministerin mit ihren Ausstiegsplänen regelmäßig auflaufen lässt und nun mach die Kanzlerin das Tor zum Ausstieg sperrangelweit auf.

Ja, so muss man das, was da im schwurbeligen Merkeldeutsch von ihr im ARD-Sommerinterview verkündet wurde, wohl verstehen.

Man müsse mit den betroffenen Regionen reden und Alternativen für Beschäftigen herausarbeiten. «Und dann kann man auch den Ausstieg ins Auge fassen», erklärte Merkel in dem Interview.

Wirklich erstaunlich ist der Paradigmenwandel, der sich hier ankündigt, nicht, denn bis 2020 müssten die CO2-Emissionen um 40 % reduziert werden, bis 2050 sogar um 80 bis 95%, wenn die Bundesrepublik ihre Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen einhalten will.

Dazu kommt: laut einer Studie, die von den Grünen in Auftrag gegeben wurde, arbeiten derzeit nur noch 20.000 Menschen in der deutschen Braunkohleindustrie, vom Abbau bis zur Verstromung. Und 40% der dort Beschäftigten sind älter als 50 Jahre. In Zahlen sind das gerade mal 0,07% aller in der BRD Beschäftigten.
Die Bedeutung der Braunkohleindustrie für den gesamten Arbeitsmarkt ist marginal. In NRW arbeiten aktuell nur noch 8.960 Menschen in der Braunkohleindustrie, und damit weniger als 1% aller in NRW Beschäftigten.

Und dann lese man mal, was der CDU-Kandidat für den Bundestag G.Kippels nach seiner Nominierung erklärte:
1. Braunkohle:
Die seitens der Bundesregierung forcierte Energiewende bereitet schrittweise einen Weg in eine sichere, umweltverträgliche und wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft. Dieser Prozess wird Jahrzehnte dauern. Dabei spielt unsere rheinische Braunkohle eine herausragende Rolle, denn sie ermöglicht erst, dass unsere Stromversorgung weiterhin verlässlich und bezahlbar ist. Ich werde mich in Berlin auch weiterhin mit ganzer Energie dafür einsetzen, dass die strukturpolitische Bedeutung der Braunkohle im energiepolitischen Entscheidungsprozess angemessen berücksichtigt wird. Einem übereilten Ausstieg – wie es immer wieder diskutiert wird ist eine klare Absage zu erteilen. Dies ist für unsere Kreis und die hier lebenden Bürgerinnen und Bürger von großer Wichtigkeit.
Nun ja, jetzt wird die CDU natürlich erklären, dass die Kanzlerin ja kein Datum genannt habe und dass hier nur auf Gespräche in den betroffenen Regionen verwiesen wurde, die erst noch zu führen seien … aber machen wir uns nichts vor, dieses Fass mitten im Wahlkampf aufzumachen ist eher ungewöhnlich für eine jegliche Konkretisierung scheuende Bundeskanzlerin.

Wenn man nun einen Gesamtkontext herstellen will, so ließe sich diese Ankündigung auch als eine weitere Brücke interpretieren, auf der die Grünen in eine schwarz-grüne Koalition spazieren können. Die Wichtigkeit der Braunkohle ist nämlich gefühlt deutlich größer als realiter. Aber unsere lokalen Politiker, oft genug mitten im rheinischen Revier groß geworden, haben einen von der Vergangenheit verklärten Blick auf die Braunkohleindustrie. Damals lebte die gesamte Region von ihr. Das aber ist vorbei. Wer wirklich auf die Braunkohle angewiesen ist, das ist die RWE. Diese kann mit den vermutlich längst abgeschriebenen Kraftwerken und im Tagebau noch ordentlich Geld verdienen und wird das auch noch gerne möglichst lange tun – wenn man sie lässt.

Nachdem nun aber selbst die Kanzlerin durch die Blume verkündet hat, dass die Braunkohleverstromung und die Einhaltung der Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen nicht gemeinsam zu haben sein werden, nun wird es eng für RWE und Konsorten.

Und das nur, weil die Kanzlerin sich hat in die Karten schauen lassen beim ARD-Sommerinterview.

Die Ehe für alle resultierte übrigens aus einem sehr ähnlichen Verhalten der Kanzlerin bei einem Podiumsgespräch, das von der Zeitschrift „Brigitte“ ausgerichtet worden war. Auch da ließ sie sich in die Karten schauen, erklärte die Abstimmung über dieses Thema zu einer Gewissensentscheidung. Wir alle wissen, wie das ausgegangen ist.

Man könnte eine Strategie vermuten.