Donnerstag, 6. Juli 2017
Thema: Großmarkt
Im Kölner Stadtrat zeichnet sich eine Mehrheit für die Verlagerung des Großmarktes nach Marsdorf ab. SPD, Grüne und Linke sind für den Umzug und Neubau im Kölner Westen.
, so schreibt der KStA heute.

Die Bezirksvertretung Lindenthal hat sich mit übergroßer Mehrheit dagegen ausgesprochen, ebensolche Beschlüsse gibt es vom Kreistag des Rhein-Erft-Kreises und dem Frechener und dem Hürther Stadttrat.

Hilft aber alles nichts. Der Großmarkt soll bis 2023 aus Raderberg verschwinden, da dort dann die „Parkstadt Süd“ entstehen soll. Die Marktflächen sind dabei integraler Bestandteil dieser Planungen.

Die Mehrheit im Kölner Stadtrat stellt sich somit gegen die eigene Bezirksvertretung und alle betroffenen Nachbarkommunen.

Nun ist das ja keine wirklich neue Entwicklung, städtisches Wachstum bedeutet schon seit Jahrhunderten, das schmutziges Gewerbe und flächenverbrauchende Infrastruktur an den jeweiligen Stadtrand verlegt wurde. Im 18. Und 19. Jahrhundert bspw. wurden die Friedhöfe aus den Innenstädten an die Stadtränder verlegt – Melaten ist dafür das Kölner Beispiel. Ebenso erfolgten die frühen Industrieansiedlungen in dieser Zeit vor den Stadttoren bspw. in Ehrenfeld. Die Stadt wuchs, sie gemeindete diese Umlandgemeinden ein, aus Umlandgemeinden wurden Stadtteile, Industrie- und Gewerbeansiedlungen wurden weiter an den Rand geschoben. Inzwischen ist im Westen die Stadtgrenze erreicht. In Marsdorf werden die letzten Flächen verteilt und eines der Relikte der städtischen Entwicklung, der Großmarkt, soll nun aus dem innenstadtnahen Bereich an die Grenze zu den Kommunen Hürth und Frechen verlagert werden.

Mit anderen Worten: Verwaltung und Stadtrat der Stadt Köln betreiben eine Entwicklungspolitik wie aus dem vorigen Jahrhundert, denn was bis in die 50er und 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts alles noch funktionieren mochte, heute stößt es an seine Grenzen. Früher konnten unliebsame Einrichtungen in eine weitgehend dünnbesiedelte Umgebung geschoben werden. Diese Zeiten sind jedoch vorbei. Im Kölner Westen leben viele Menschen.

Im „Zukunftskonzept Stadt Umland Netzwerk (S.U.N.) zusammenWACHSEN“ hat sich die Stadt Köln mit dem Rhein-Erft-Kreis und seinen Kommunen sowie den Kommunen Rommerskirchen und Dormagen zusammen getan hat, um die linksrheinische Stadtregion „kooperativ und vorausschauend", also gemeinsam bei den großen Herausforderungen wie Zuwanderung, Pendlerströme und zunehmendem Nutzungsdruck auf Siedlungs-, Wirtschafts-, Verkehrs- und Freiflächen zusammen zu arbeiten.

In diesem Konzept wird der Bereich, in dem der Großmarkt angesiedelt werden soll folgendermaßen beschrieben:
Die Kommunen im ersten Ring der Stadtregion - Dormagen, Pulheim, Frechen, Hürth, Brühl und Wesseling - verzeichnen stark steigende Einwohnerzahlen und auch in der Bevölkerungsprognose von IT-NRW sind u.a. Zuwächse von 22% (Hürth) oder 13% (Frechen) bis 2030 berechnet. Der erste Ring weist hohe Pendlerverflechtungen mit Köln auf. Hier ziehen insbesondere Familien zu, die sich adäquates Wohnen in Köln nicht mehr leisten können.
Und Folgen hoher Bevölkerungsgewinne machen sich insbesondere bei der Verkehrssituation sehr schnell bemerkbar:
Das Straßen- und Schienennetz im S.U.N.-Raum hat seine Kapazitätsgrenze erreicht. Wichtige Straßen- und Schienenstrecken sind sanierungsund ausbaubedürftig. Die Staus werden durch Überlastung der Straßen und aufgrund vieler Baustellen immer länger. Dies gilt auch für die überfüllten Pendlerzüge, die immer häufiger baustellenbedingt vor roten Signalen halten müssen. Angesichts der weiter steigenden Pendlerbewegungen und der Bevölkerungsentwicklung droht der S.U.N.-Region in naher Zukunft zu bestimmten Tageszeiten der Verkehrsinfarkt, wenn nicht zeitnah gegengesteuert wird.
Wenn nun aber das Straßennetz seine Kapazitätsgrenze erreicht hat, wenn die Staus durch die Überlastung der Straßen immer länger werden, wie kann der Kölner Stadtrat dann ohne jegliche belastbare Untersuchung zu den Auswirkungen des Großmarktes auf die Verkehrssituation an seiner Stadtgrenze ein solches Projekt entscheiden?

Das klingt weder kooperativ noch vorausschauend. Hier werden Entscheidungen getroffen, die in den betroffenen Nachbargemeinden massive Folgen zeitigen werden, da der durch den Großmarkt provozierte Verkehr sich zu großen Teilen auf den Straßen eben der beiden Gemeinden bewegen wird – in einem Bereich der seine Kapazitätsgrenzen erreicht hat.

Hier löst das große Köln eines seiner Probleme, Schaffung von Wohnraum, auf Kosten der Nachbarkommunen. Ich könnte wetten: Wahrscheinlich werden die Kölner in der Parkstadt Süd ein neues Mobilitätskonzept verwirklichen, wodurch die Anzahl der dort fahrenden Autos auf ein Minimum reduziert werden soll – was ja auch klappen kann, nachdem man den Autoverkehr nach Hürth und Frechen ausgelagert hat.

Aber dank des Zukunftskonzepts Stadt Umland Netzwerk gibt es jetzt ja eine interregionale Kooperation, die sich intensiv mit den durch die einsamen Entscheidungen des Kölner Rates verursachten Verkehrsprobleme im Kölner Westen beschäftigen kann.

So stellt sich der einfache Bürger eine vertrauensvolle und vorausschauende Zusammenarbeit vor:

Köln wirft seinen Müll über den Gartenzaun und die anderen dürfen aufräumen.